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[[Datei:Huns450.png|mini|300px|Ungefähre Ausdehnung des Hunnenreichs unter Attila bzw. die von den Hunnen abhängigen Stämme]]
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'''Attila''' († [[453]]) war von 434 (als Mitherrscher zusammen mit seinem Bruder [[Bleda]]) bzw. 444/45 (als Alleinherrscher) bis zu seinem Tod „König“ ''([[Rex (Titel)|rex]])'' des Kriegerverbandes der [[Hunnen]]. Zentrum seines Machtbereichs war das Gebiet des heutigen [[Ungarn]]s, wo die Hunnen im 5. Jahrhundert ein kurzlebiges Reich errichteten, das unter Attila die größte Machtentfaltung erlebte, aber bereits kurz nach seinem Tod wieder zusammenbrach.
 
'''Attila''' († [[453]]) war von 434 (als Mitherrscher zusammen mit seinem Bruder [[Bleda]]) bzw. 444/45 (als Alleinherrscher) bis zu seinem Tod „König“ ''([[Rex (Titel)|rex]])'' des Kriegerverbandes der [[Hunnen]]. Zentrum seines Machtbereichs war das Gebiet des heutigen [[Ungarn]]s, wo die Hunnen im 5. Jahrhundert ein kurzlebiges Reich errichteten, das unter Attila die größte Machtentfaltung erlebte, aber bereits kurz nach seinem Tod wieder zusammenbrach.
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=== Verhältnis zu Westrom ===
 
=== Verhältnis zu Westrom ===
[[Datei:Solidus ValentinianIII-wedding.jpg|mini|300px|[[Solidus]], der 437 zur Feier der Hochzeit Valentinians III. mit [[Licinia Eudoxia]], der Tochter des oströmischen Kaisers Theodosius II., geprägt wurde]]
   
Zu Westrom unterhielt Attila zunächst gute Kontakte. Grund dafür war vor allem die Politik des weströmischen Heermeisters ''([[magister militum]])'' [[Flavius Aëtius]], der die Hunnen seit Jahren gut kannte und bereits mit Rua kooperiert hatte, als dieser ihm hunnische Truppen für den Machtkampf im Westreich zur Verfügung gestellt hatte.<ref>Vgl. Timo Stickler: ''Aëtius. Gestaltungsspielräume eines Heermeisters im ausgehenden Weströmischen Reich.'' München 2002, S. 106ff.</ref> Wenngleich Aëtius formal nur im Auftrag des weströmischen Kaisers [[Valentinian III.]] handelte, verfügte er über die wahre Macht im Westreich. Aus römischer Sicht konnten die Tributzahlungen an die Hunnen, auf die Attila wie schon Rua angewiesen war, durchaus als sinnvoll erscheinen. Die Römer profitierten davon, mit Attila über einen Ansprechpartner zu verfügen, der die Kriegergruppen jenseits der Donau kontrollieren konnte: Solange die Beziehungen zu ihm relativ gut blieben, war die Gefahr von feindlichen Raubzügen auf römisches Gebiet reduziert. Dieses Arrangement setzte voraus, dass die Römer ihre Zahlungsverpflichtungen erfüllten.
 
Zu Westrom unterhielt Attila zunächst gute Kontakte. Grund dafür war vor allem die Politik des weströmischen Heermeisters ''([[magister militum]])'' [[Flavius Aëtius]], der die Hunnen seit Jahren gut kannte und bereits mit Rua kooperiert hatte, als dieser ihm hunnische Truppen für den Machtkampf im Westreich zur Verfügung gestellt hatte.<ref>Vgl. Timo Stickler: ''Aëtius. Gestaltungsspielräume eines Heermeisters im ausgehenden Weströmischen Reich.'' München 2002, S. 106ff.</ref> Wenngleich Aëtius formal nur im Auftrag des weströmischen Kaisers [[Valentinian III.]] handelte, verfügte er über die wahre Macht im Westreich. Aus römischer Sicht konnten die Tributzahlungen an die Hunnen, auf die Attila wie schon Rua angewiesen war, durchaus als sinnvoll erscheinen. Die Römer profitierten davon, mit Attila über einen Ansprechpartner zu verfügen, der die Kriegergruppen jenseits der Donau kontrollieren konnte: Solange die Beziehungen zu ihm relativ gut blieben, war die Gefahr von feindlichen Raubzügen auf römisches Gebiet reduziert. Dieses Arrangement setzte voraus, dass die Römer ihre Zahlungsverpflichtungen erfüllten.
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Im Weströmischen Reich war derweil die Schwester Kaiser Valentinians III., [[Justa Grata Honoria]], aufgrund von Machtkämpfen am Hof sowie (vorgeblich) des Bruches eines Keuschheitsgelübdes bestraft und gegen ihren Willen verheiratet worden. Nun bat Honoria Attila über einen Mittelsmann um Hilfe gegen Aëtius und ließ ihm überdies laut [[Jordanes]], der ein Jahrhundert nach den Ereignissen lebte, auch ein Heiratsangebot zukommen.<ref>[[Jordanes]], ''Getica'' 224. Maenchen-Helfen hielt die ganze Geschichte für völlig unglaubwürdig und bestenfalls für Hofklatsch: Otto Maenchen-Helfen: ''Die Welt der Hunnen.'' Wiesbaden 1997, S. 98.</ref> Die Historizität der Geschichte ist umstritten<ref>Für einen historischen Kern plädiert etwa Henning Börm: ''Westrom.'' Stuttgart 2013, S. 81ff.</ref> und sicherlich haben noch andere politische Erwägungen eine Rolle gespielt. Attilas Zeitgenosse Priskos ist die Hauptquelle; er berichtet ebenfalls von einem Hilferuf Honorias an Attila, nicht aber von einem Heiratsangebot. Honoria habe sich demnach über einen Mittelsmann, den Eunuchen Hyacinthus, an Attila gewandt und ihm Geld angeboten, wenn er sie gegen Aëtius unterstützen sollte.<ref>Priskos, Fragment 62 (Edition Pia Carolla).</ref> Nicht auszuschließen ist eine Kontaktaufnahme bereits 449 durch die oben erwähnte weströmische Gesandtschaft.<ref>Vgl. zur Honoriaaffäre ausführlich nun [[Mischa Meier]]: ''A Contest of Interpretation: Roman Policy toward the Huns as Reflected in the "Honoria Affair" (448/50)''. In: ''[[Journal of Late Antiquity]]'' 10 (2017), S. 42–61.</ref> Was auch immer die genauen Hintergründe der „Honoriaaffäre“ waren: Fest steht, dass Attila nun Westrom mit Krieg drohte.<ref>Vgl. allgemein Christopher Kelly: ''Attila the Hun.'' London 2008, S. 177ff.; Klaus Rosen: ''Attila. Der Schrecken der Welt.'' München 2016, S. 196ff.</ref>
 
Im Weströmischen Reich war derweil die Schwester Kaiser Valentinians III., [[Justa Grata Honoria]], aufgrund von Machtkämpfen am Hof sowie (vorgeblich) des Bruches eines Keuschheitsgelübdes bestraft und gegen ihren Willen verheiratet worden. Nun bat Honoria Attila über einen Mittelsmann um Hilfe gegen Aëtius und ließ ihm überdies laut [[Jordanes]], der ein Jahrhundert nach den Ereignissen lebte, auch ein Heiratsangebot zukommen.<ref>[[Jordanes]], ''Getica'' 224. Maenchen-Helfen hielt die ganze Geschichte für völlig unglaubwürdig und bestenfalls für Hofklatsch: Otto Maenchen-Helfen: ''Die Welt der Hunnen.'' Wiesbaden 1997, S. 98.</ref> Die Historizität der Geschichte ist umstritten<ref>Für einen historischen Kern plädiert etwa Henning Börm: ''Westrom.'' Stuttgart 2013, S. 81ff.</ref> und sicherlich haben noch andere politische Erwägungen eine Rolle gespielt. Attilas Zeitgenosse Priskos ist die Hauptquelle; er berichtet ebenfalls von einem Hilferuf Honorias an Attila, nicht aber von einem Heiratsangebot. Honoria habe sich demnach über einen Mittelsmann, den Eunuchen Hyacinthus, an Attila gewandt und ihm Geld angeboten, wenn er sie gegen Aëtius unterstützen sollte.<ref>Priskos, Fragment 62 (Edition Pia Carolla).</ref> Nicht auszuschließen ist eine Kontaktaufnahme bereits 449 durch die oben erwähnte weströmische Gesandtschaft.<ref>Vgl. zur Honoriaaffäre ausführlich nun [[Mischa Meier]]: ''A Contest of Interpretation: Roman Policy toward the Huns as Reflected in the "Honoria Affair" (448/50)''. In: ''[[Journal of Late Antiquity]]'' 10 (2017), S. 42–61.</ref> Was auch immer die genauen Hintergründe der „Honoriaaffäre“ waren: Fest steht, dass Attila nun Westrom mit Krieg drohte.<ref>Vgl. allgemein Christopher Kelly: ''Attila the Hun.'' London 2008, S. 177ff.; Klaus Rosen: ''Attila. Der Schrecken der Welt.'' München 2016, S. 196ff.</ref>
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[[Datei:Attila in Gaul 451CE-de.svg|hochkant=1.5|mini|Die wahrscheinlichen Marschrouten der Hunnen bei ihrer Invasion Galliens 451]]
   
Aëtius dachte jedoch nicht daran, dem Hunnen nachzugeben und damit seine eigene politische Position im Westreich aufs Spiel zu setzen. Daraufhin fiel Attila im Frühjahr 451 in [[Gallien]] ein. Als weiterer Vorwand diente ihm ein Streit um die Herrschaftsnachfolge bei einem [[Franken (Volk)|fränkischen]] Stamm.<ref>Priskos, Fragment 16 (Edition Pia Carolla).</ref> Die genaue Route von seinem Hauptlager in den Westen ist unbekannt, doch sind die überfallenen gallischen Städte recht gut belegt. [[Augusta Treverorum]] wurde von den Hunnen bedrängt, am 7. April fiel [[Metz]],<ref>[[Gregor von Tours]], ''Historiae'' 2,6. Das Datum wird auch in der neueren historischen Forschung akzeptiert.</ref> bald darauf [[Reims]]. Der Zug ging weiter über [[Troyes]] in Richtung [[Orléans]], das Attila vergeblich belagerte.<ref>Vgl. Timo Stickler: ''Aëtius. Gestaltungsspielräume eines Heermeisters im ausgehenden Weströmischen Reich.'' München 2002, S. 136.</ref> In diesem Raum stellte sich Aëtius den Hunnen entgegen. Obwohl er nur über einen Bruchteil des alten weströmischen Heeres verfügte (nicht zuletzt wegen des Fehlens von Einnahmen aus Africa und [[Hispanien]], wo germanische Stammesgruppen die Herrschaft übernommen hatten), gelang es ihm, einen effektiven Widerstand zu organisieren, wobei er sich vor allem auf die in [[Aquitanien]] angesiedelten [[Westgoten]] verließ.<ref>Christopher Kelly: ''Attila the Hun.'' London 2008, S. 187ff.</ref> Sie traten kurz vor der Entscheidungsschlacht auf die Seite des Aëtius, wenngleich ihr Verhältnis zum Heermeister in der Vergangenheit angespannt gewesen war. In der [[Schlacht auf den Katalaunischen Feldern]], deren Ort meist bei [[Châlons-en-Champagne]] vermutet wird,<ref>Alexander Demandt: ''Die Spätantike.'' 2. Auflage. München 2007, S. 188; Raimund Schulz: ''Feldherren, Krieger und Strategen. Krieg in der Antike von Achill bis Attila.'' Stuttgart 2012, S. 408.</ref> schlug Aëtius in der zweiten Junihälfte 451<ref>Vielleicht am 20. Juni, vgl. Timo Stickler: ''Aëtius. Gestaltungsspielräume eines Heermeisters im ausgehenden Weströmischen Reich.'' München 2002, S. 140, Anmerkung 749.</ref> Attilas Vielvölkerheer mit einem ebenso gemischten Kampfbündnis aus Römern, Westgoten und anderen Germanen unter hohen Verlusten zurück. Die diesbezüglichen Angaben schwanken, zuverlässige Zahlen sind kaum zu ermitteln.
 
Aëtius dachte jedoch nicht daran, dem Hunnen nachzugeben und damit seine eigene politische Position im Westreich aufs Spiel zu setzen. Daraufhin fiel Attila im Frühjahr 451 in [[Gallien]] ein. Als weiterer Vorwand diente ihm ein Streit um die Herrschaftsnachfolge bei einem [[Franken (Volk)|fränkischen]] Stamm.<ref>Priskos, Fragment 16 (Edition Pia Carolla).</ref> Die genaue Route von seinem Hauptlager in den Westen ist unbekannt, doch sind die überfallenen gallischen Städte recht gut belegt. [[Augusta Treverorum]] wurde von den Hunnen bedrängt, am 7. April fiel [[Metz]],<ref>[[Gregor von Tours]], ''Historiae'' 2,6. Das Datum wird auch in der neueren historischen Forschung akzeptiert.</ref> bald darauf [[Reims]]. Der Zug ging weiter über [[Troyes]] in Richtung [[Orléans]], das Attila vergeblich belagerte.<ref>Vgl. Timo Stickler: ''Aëtius. Gestaltungsspielräume eines Heermeisters im ausgehenden Weströmischen Reich.'' München 2002, S. 136.</ref> In diesem Raum stellte sich Aëtius den Hunnen entgegen. Obwohl er nur über einen Bruchteil des alten weströmischen Heeres verfügte (nicht zuletzt wegen des Fehlens von Einnahmen aus Africa und [[Hispanien]], wo germanische Stammesgruppen die Herrschaft übernommen hatten), gelang es ihm, einen effektiven Widerstand zu organisieren, wobei er sich vor allem auf die in [[Aquitanien]] angesiedelten [[Westgoten]] verließ.<ref>Christopher Kelly: ''Attila the Hun.'' London 2008, S. 187ff.</ref> Sie traten kurz vor der Entscheidungsschlacht auf die Seite des Aëtius, wenngleich ihr Verhältnis zum Heermeister in der Vergangenheit angespannt gewesen war. In der [[Schlacht auf den Katalaunischen Feldern]], deren Ort meist bei [[Châlons-en-Champagne]] vermutet wird,<ref>Alexander Demandt: ''Die Spätantike.'' 2. Auflage. München 2007, S. 188; Raimund Schulz: ''Feldherren, Krieger und Strategen. Krieg in der Antike von Achill bis Attila.'' Stuttgart 2012, S. 408.</ref> schlug Aëtius in der zweiten Junihälfte 451<ref>Vielleicht am 20. Juni, vgl. Timo Stickler: ''Aëtius. Gestaltungsspielräume eines Heermeisters im ausgehenden Weströmischen Reich.'' München 2002, S. 140, Anmerkung 749.</ref> Attilas Vielvölkerheer mit einem ebenso gemischten Kampfbündnis aus Römern, Westgoten und anderen Germanen unter hohen Verlusten zurück. Die diesbezüglichen Angaben schwanken, zuverlässige Zahlen sind kaum zu ermitteln.
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=== Mittelalter ===
 
=== Mittelalter ===
[[Datei:Chronicon Pictum P016 Attila és Leó pápa.JPG|mini|Attilas Begegnung mit Papst Leo I. im [[Ungarische Bilderchronik|Chronicon Pictum]], um 1360]]
   
Attila lebte als legendäre Figur in zahlreichen mittelalterlichen und neuzeitlichen Werken weiter.<ref>Zum Folgenden siehe {{DNP|Suppl. 8|127|138|Attila|Matthias Däumer|}} Vgl. auch Matthias Hardt: ''Attila – Atli – Etzel. Über den Wandel der Erinnerung an einen Hunnenkönig im europäischen Mittelalter.'' In: ''Behemoth. A Journal on Civilisation'' 2, 2009, S. 19–28; ''Attila und die Hunnen.'' Herausgegeben vom Historischen Museum der Pfalz, Speyer. Stuttgart 2007, S. 336ff.; Klaus Rosen: ''Attila. Der Schrecken der Welt.'' München 2016, S. 248ff.</ref> Zu ihnen zählen insbesondere die [[Servatius von Tongern|Servatiuslegende]], das [[Nibelungenlied]], die [[Völsunga saga]] und die [[Thidrekssaga]]. In der legendenhaften Überlieferung tritt Attila nicht zuletzt im Umfeld der Burgundersagen in Erscheinung, zusammen mit anderen Sagengestalten wie [[Dietrich von Bern]]. In diesem Zusammenhang wurden oft historische und mythische Erzählungen miteinander verschmolzen.
 
Attila lebte als legendäre Figur in zahlreichen mittelalterlichen und neuzeitlichen Werken weiter.<ref>Zum Folgenden siehe {{DNP|Suppl. 8|127|138|Attila|Matthias Däumer|}} Vgl. auch Matthias Hardt: ''Attila – Atli – Etzel. Über den Wandel der Erinnerung an einen Hunnenkönig im europäischen Mittelalter.'' In: ''Behemoth. A Journal on Civilisation'' 2, 2009, S. 19–28; ''Attila und die Hunnen.'' Herausgegeben vom Historischen Museum der Pfalz, Speyer. Stuttgart 2007, S. 336ff.; Klaus Rosen: ''Attila. Der Schrecken der Welt.'' München 2016, S. 248ff.</ref> Zu ihnen zählen insbesondere die [[Servatius von Tongern|Servatiuslegende]], das [[Nibelungenlied]], die [[Völsunga saga]] und die [[Thidrekssaga]]. In der legendenhaften Überlieferung tritt Attila nicht zuletzt im Umfeld der Burgundersagen in Erscheinung, zusammen mit anderen Sagengestalten wie [[Dietrich von Bern]]. In diesem Zusammenhang wurden oft historische und mythische Erzählungen miteinander verschmolzen.
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Vollkommen anders ist die Darstellung in den altnordischen Werken der [[Edda]]dichtung.<ref>Knapper Überblick bei Hermann Reichert: ''Attila in altnordischer Dichtung.'' In: ''Attila und die Hunnen.'' Herausgegeben vom Historischen Museum der Pfalz, Speyer. Stuttgart 2007, S. 348–357.</ref> Dort erscheint er in Gestalt des ''Atli'' eher als Intrigant, als treibende Kraft im Komplott gegen die Burgunder, etwa im [[Atlilied]]. Er fungiert in den meisten Eddaliedern als Gegenspieler der Helden Gunnar und Hogni. Ambivalent wie auch deutlich unterscheidbar von seinen Erscheinungsmerkmalen im Nibelungenlied ist das Attilabild in der Thidrekssaga, wo der „Hune“ ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Attila (Atli) ist der Herrscher über ''[[Hunaland]]'' (im heutigen Nordwestdeutschland) und der zweite Sohn eines Friesenkönigs. Er wird in eine Falle gelockt und verhungert, Thidrek tritt seine Nachfolge an. In der mittelalterlichen deutschen [[Dietrichepik]] („[[Dietrichs Flucht]]“, [[Hildebrandslied]], „[[Rabenschlacht (Dietrichepik)|Rabenschlacht]]“)<ref>Vgl. Joachim Heinzle: ''Einführung in die mittelhochdeutsche Dietrichepik.'' Berlin 1999.</ref> erscheint Attila als Etzel wiederum in einem heroisch-höfischen Kontext. Dort wird geschildert, wie Dietrich, als heroisiert angenommener [[Theoderich der Große]], sich an den Hof Etzels begibt und dieser ihn gegen seinen Feind ([[Odoaker]] bzw. [[Ermanarich]]) unterstützt. Im [[Waltharius]] tritt Attila am Rande als ruhmsüchtiger Herrscher in Erscheinung. In den verschiedenen Heldenepen wird Attila differenziert hervorgehoben, sei es im positiven oder im negativen Sinne. In diesem Sinne liegen sehr unterschiedliche Attilabilder aus mittelalterlichen Überlieferungen vor.<ref>Vgl. Matthias Hardt: ''Attila – Atli – Etzel. Über den Wandel der Erinnerung an einen Hunnenkönig im europäischen Mittelalter.'' In: ''Behemoth. A Journal on Civilisation'' 2, 2009, hier S. 23–28.</ref>
 
Vollkommen anders ist die Darstellung in den altnordischen Werken der [[Edda]]dichtung.<ref>Knapper Überblick bei Hermann Reichert: ''Attila in altnordischer Dichtung.'' In: ''Attila und die Hunnen.'' Herausgegeben vom Historischen Museum der Pfalz, Speyer. Stuttgart 2007, S. 348–357.</ref> Dort erscheint er in Gestalt des ''Atli'' eher als Intrigant, als treibende Kraft im Komplott gegen die Burgunder, etwa im [[Atlilied]]. Er fungiert in den meisten Eddaliedern als Gegenspieler der Helden Gunnar und Hogni. Ambivalent wie auch deutlich unterscheidbar von seinen Erscheinungsmerkmalen im Nibelungenlied ist das Attilabild in der Thidrekssaga, wo der „Hune“ ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Attila (Atli) ist der Herrscher über ''[[Hunaland]]'' (im heutigen Nordwestdeutschland) und der zweite Sohn eines Friesenkönigs. Er wird in eine Falle gelockt und verhungert, Thidrek tritt seine Nachfolge an. In der mittelalterlichen deutschen [[Dietrichepik]] („[[Dietrichs Flucht]]“, [[Hildebrandslied]], „[[Rabenschlacht (Dietrichepik)|Rabenschlacht]]“)<ref>Vgl. Joachim Heinzle: ''Einführung in die mittelhochdeutsche Dietrichepik.'' Berlin 1999.</ref> erscheint Attila als Etzel wiederum in einem heroisch-höfischen Kontext. Dort wird geschildert, wie Dietrich, als heroisiert angenommener [[Theoderich der Große]], sich an den Hof Etzels begibt und dieser ihn gegen seinen Feind ([[Odoaker]] bzw. [[Ermanarich]]) unterstützt. Im [[Waltharius]] tritt Attila am Rande als ruhmsüchtiger Herrscher in Erscheinung. In den verschiedenen Heldenepen wird Attila differenziert hervorgehoben, sei es im positiven oder im negativen Sinne. In diesem Sinne liegen sehr unterschiedliche Attilabilder aus mittelalterlichen Überlieferungen vor.<ref>Vgl. Matthias Hardt: ''Attila – Atli – Etzel. Über den Wandel der Erinnerung an einen Hunnenkönig im europäischen Mittelalter.'' In: ''Behemoth. A Journal on Civilisation'' 2, 2009, hier S. 23–28.</ref>
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[[Datei:Incontro Leon Magno e Attila.jpg|mini|Die Begegnung des Heiden mit dem Papst führt zu dessen Umkehr. Gemälde von [[Raffael]], Urbino, 1514]]
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[[Datei:Placchetta dall'antico, attila, 1490-1500 ca..JPG|mini|Attila auf einer Renaissancemedaille mit Analogien zum Diabolischen, Ende des 15. Jahrhunderts]]
   
In der kirchlichen Überlieferung wird Attila als Feind der Menschheit beschrieben. Er galt als die „Geißel Gottes“ ''(flagellum Dei)'', welche die Römer für deren lasterhaftes Leben bestraft habe. In den entsprechenden Heiligenviten, etwa der ''Vita sanctae Genovefae'', wird denn auch hervorgehoben, es seien heilige Männer und Frauen gewesen, die Attila dazu gebracht hätten, ihre Stadt zu verschonen.<ref>Matthias Hardt: ''Attila – Atli – Etzel. Über den Wandel der Erinnerung an einen Hunnenkönig im europäischen Mittelalter.'' In: ''Behemoth. A Journal on Civilisation'' 2, 2009, hier S. 21f.</ref>
 
In der kirchlichen Überlieferung wird Attila als Feind der Menschheit beschrieben. Er galt als die „Geißel Gottes“ ''(flagellum Dei)'', welche die Römer für deren lasterhaftes Leben bestraft habe. In den entsprechenden Heiligenviten, etwa der ''Vita sanctae Genovefae'', wird denn auch hervorgehoben, es seien heilige Männer und Frauen gewesen, die Attila dazu gebracht hätten, ihre Stadt zu verschonen.<ref>Matthias Hardt: ''Attila – Atli – Etzel. Über den Wandel der Erinnerung an einen Hunnenkönig im europäischen Mittelalter.'' In: ''Behemoth. A Journal on Civilisation'' 2, 2009, hier S. 21f.</ref>
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=== Moderne ===
 
=== Moderne ===
[[Datei:Attila Museum.JPG|mini|Modernes Phantasiebild Attilas als Beispiel für eine patriotische Inanspruchnahme. Man vergleiche den Brustschild mit der [[Flagge Ungarns|ungarischen Flagge]] und der sogenannten [[Árpáden|Arpad-Flagge]].]]
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[[Datei:Eugene Ferdinand Victor Delacroix Attila fragment.jpg|mini|Attila im Kampf. Gemälde von [[Eugène Delacroix]]]]
   
Das ambivalente Attilabild der mittelalterlichen Überlieferung hat sich auch auf die neuzeitliche Rezeption ausgewirkt, in der unterschiedliche Facetten betont werden. [[Napoleon]] drohte Venedig 1796: „Je serai un Attila pour Venise“ („Ich werde für Venedig ein Attila sein“), woraufhin sich die [[Republik Venedig]] selbst auflöste.<ref>Amable de Fournoux: ''Napoléon et Venise 1796-1814.'' Éditions de Fallois, Paris 2002, S. 402.</ref> In der heroisierenden Rhetorik des 19. Jahrhunderts spielte Etzel-Attila nicht mehr die Rolle des Städtezerstörers, die sich für Drohungen eignete. Als es in China zum [[Boxeraufstand]] gegen die Kolonialherrschaft kam, forderte Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]]: „Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name „Deutscher“ in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!“<ref>{{Webarchiv | url=http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/wilhelm00/ | wayback=20131230231527 | text=Vollständiger Text der inoffiziellen Version}} Deutsches Historisches Museum.</ref> Diese „[[Hunnenrede]]“ mit ihrer Aufforderung „Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!“ nutzte die britische Propaganda, um die Deutschen als „Hunnen“ zu diffamieren, was wiederum das Attilabild stark beeinflusste.<ref>Vgl. Herbert Pahl: ''Attila und die Hunnen im Spiegel von Kunst und Literatur.'' In: ''Attila und die Hunnen.'' Herausgegeben vom Historischen Museum der Pfalz, Speyer. Stuttgart 2007, S. 369–373, hier S. 372f.</ref>
 
Das ambivalente Attilabild der mittelalterlichen Überlieferung hat sich auch auf die neuzeitliche Rezeption ausgewirkt, in der unterschiedliche Facetten betont werden. [[Napoleon]] drohte Venedig 1796: „Je serai un Attila pour Venise“ („Ich werde für Venedig ein Attila sein“), woraufhin sich die [[Republik Venedig]] selbst auflöste.<ref>Amable de Fournoux: ''Napoléon et Venise 1796-1814.'' Éditions de Fallois, Paris 2002, S. 402.</ref> In der heroisierenden Rhetorik des 19. Jahrhunderts spielte Etzel-Attila nicht mehr die Rolle des Städtezerstörers, die sich für Drohungen eignete. Als es in China zum [[Boxeraufstand]] gegen die Kolonialherrschaft kam, forderte Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]]: „Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name „Deutscher“ in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!“<ref>{{Webarchiv | url=http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/wilhelm00/ | wayback=20131230231527 | text=Vollständiger Text der inoffiziellen Version}} Deutsches Historisches Museum.</ref> Diese „[[Hunnenrede]]“ mit ihrer Aufforderung „Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!“ nutzte die britische Propaganda, um die Deutschen als „Hunnen“ zu diffamieren, was wiederum das Attilabild stark beeinflusste.<ref>Vgl. Herbert Pahl: ''Attila und die Hunnen im Spiegel von Kunst und Literatur.'' In: ''Attila und die Hunnen.'' Herausgegeben vom Historischen Museum der Pfalz, Speyer. Stuttgart 2007, S. 369–373, hier S. 372f.</ref>
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== Anmerkungen ==
 
== Anmerkungen ==
 
<references />
 
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{{Exzellent|11. September 2015|145924654}}
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[[Kategorie:Attila| ]]
 
[[Kategorie:Attila| ]]
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[[Kategorie:Gestorben 453]]
 
[[Kategorie:Gestorben 453]]
 
[[Kategorie:Mann]]
 
[[Kategorie:Mann]]
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{{Personendaten
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|NAME=Attila
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|ALTERNATIVNAMEN=Etzel (nur in der mittelalterlichen Literatur)
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|KURZBESCHREIBUNG=König der Hunnen
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}}
 

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