Änderungen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
6.509 Bytes entfernt ,  15:58, 22. Feb. 2021
K
import von wiki 22.02.21 bereinigt
Zeile 1: Zeile 1: −
[[Datei:Harzhorn Grabungsschnitt von unten 1.jpg|mini|Grabungsschnitt beim [[Harzhornereignis]]]]
  −
[[Datei:Я розкапую людину доби енеоліту.JPG|mini|Ausgrabung eines [[kupferzeit]]lichen Skeletts bei [[Orliwka (Reni)|Orliwka]], Ukraine. Schichtweise Freilegung des [[Begehungshorizont]]es]]
  −
[[Datei:Mediatus, Grabung 2017.jpg|mini|Unter dem Abriss eines Bauwerkes ([[Baumaßnahme]]) konnte ein Grab (Doppel­bestattung) aus der [[Glockenbecherkultur|Glocken­becherzeit]] freigelegt werden, Juli 2017.]]
   
Unter einer '''Ausgrabung'''<ref>Prozesse im Sinne einer Bergung, welche die räumlichen Merkmale eines oder mehrerer Objekte verändern, werden als Transport bezeichnet. In diesem Sinne gehört das Ergebnis einer Ausgrabung, etwa die spätere Laboruntersuchung, [[Ausstellung]] in einem [[Museum]] etc. zum Oberbegriff eines [[Transport]]es. Werden doch die Objekte (Funde) aus ihrem ursprünglichen Kontext entnommen, um letztlich [[Ortsveränderung|räumliche Distanzen]] zu überwinden und schließlich in neue Ordnungskontexte eingefügt zu werden.</ref> beziehungsweise '''Grabung''' wird im deutschen Sprachraum die [[Archäologie|archäologische]] oder [[Paläontologie|paläontologische]] Freilegung eines von Erdboden oder von Erd- oder Steinauftragung verdeckten [[Befund (Archäologie)|Befundes]] ([[Bodendenkmal]]) verstanden, bei dem dieser Vorgang mit wissenschaftlicher Zuverlässigkeit dokumentiert wird. Es ist letztlich eine kontrollierte Zerstörung des Befundes. Die Größe der Grabungsfläche richtet sich nach dem Befund an sich, den zur Verfügung stehenden Mitteln und der akuten Notwendigkeit (Grabungsumfang) sowie den handlungsbestimmenden Zielen. Die Abtragung des [[Boden (Bodenkunde)|Erdbodens]] erfolgt [[Stratigraphie (Archäologie)|schichtweise]], sie zählt zu den „invasiven archäologischen Methoden“. Zentral ist neben der (Einzel-)Fundbergung auch die [[Datierung]], hier bieten sich verschiedene Datierungsmethoden an. [[Bauwerk|Bauten]], [[Gebäude]], [[Grabanlage]]n etc. werden ebenfalls freigelegt, verbleiben aber zumeist ''in situ'' ([[Lateinisch|latein.]] „am Platze“) und erfahren hiernach nur selten einen gerichteten [[Transport]].
 
Unter einer '''Ausgrabung'''<ref>Prozesse im Sinne einer Bergung, welche die räumlichen Merkmale eines oder mehrerer Objekte verändern, werden als Transport bezeichnet. In diesem Sinne gehört das Ergebnis einer Ausgrabung, etwa die spätere Laboruntersuchung, [[Ausstellung]] in einem [[Museum]] etc. zum Oberbegriff eines [[Transport]]es. Werden doch die Objekte (Funde) aus ihrem ursprünglichen Kontext entnommen, um letztlich [[Ortsveränderung|räumliche Distanzen]] zu überwinden und schließlich in neue Ordnungskontexte eingefügt zu werden.</ref> beziehungsweise '''Grabung''' wird im deutschen Sprachraum die [[Archäologie|archäologische]] oder [[Paläontologie|paläontologische]] Freilegung eines von Erdboden oder von Erd- oder Steinauftragung verdeckten [[Befund (Archäologie)|Befundes]] ([[Bodendenkmal]]) verstanden, bei dem dieser Vorgang mit wissenschaftlicher Zuverlässigkeit dokumentiert wird. Es ist letztlich eine kontrollierte Zerstörung des Befundes. Die Größe der Grabungsfläche richtet sich nach dem Befund an sich, den zur Verfügung stehenden Mitteln und der akuten Notwendigkeit (Grabungsumfang) sowie den handlungsbestimmenden Zielen. Die Abtragung des [[Boden (Bodenkunde)|Erdbodens]] erfolgt [[Stratigraphie (Archäologie)|schichtweise]], sie zählt zu den „invasiven archäologischen Methoden“. Zentral ist neben der (Einzel-)Fundbergung auch die [[Datierung]], hier bieten sich verschiedene Datierungsmethoden an. [[Bauwerk|Bauten]], [[Gebäude]], [[Grabanlage]]n etc. werden ebenfalls freigelegt, verbleiben aber zumeist ''in situ'' ([[Lateinisch|latein.]] „am Platze“) und erfahren hiernach nur selten einen gerichteten [[Transport]].
 
Um einen späteren Ausgrabungsort zu lokalisieren sind zwei prinzipielle Wege offen, entweder es wird gezielt danach gesucht oder aber er wird zufällig gefunden.
 
Um einen späteren Ausgrabungsort zu lokalisieren sind zwei prinzipielle Wege offen, entweder es wird gezielt danach gesucht oder aber er wird zufällig gefunden.
 
== Geschichte ==
 
== Geschichte ==
[[Datei:Pietro Fabris - Ausgrabung des Isis-Tempels in Pompeji.jpg|mini|Vorwissenschafliche<ref>vergleiche auch die Begrifflichkeit [[Protowissenschaft]] von [[Thomas S. Kuhn]]</ref> Ausgrabung des Isistempels in [[Pompeji]] in einer Darstellung aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts]]
   
Im deutschsprachigen Raum hatte bereits der gräflich-hohenlohischen Archivar und Hofrat [[Christian Ernst Hanßelmann]] (1699–1776) erste schriftliche und zeichnerische Dokumentationen seiner Grabungen vorgenommen. Als eigentliche [[Pionier (Forschung)|Pioniere]] der modernen Forschungsgrabung und Feld[[archäologie]] gelten unter anderem der britische Autodidakt [[Flinders Petrie]] (1853–1942), der italienische Archäologe [[Giacomo Boni (Archäologe)|Giacomo Boni]] (1859–1925) und die deutschen Wissenschaftler [[Ernst Curtius]] (1814–1896), [[Alexander Conze]] (1831–1914) und [[Wilhelm Dörpfeld]] (1853–1940). Ihre Bedeutung für die Forschung übertrifft bei weitem die Arbeiten des wesentlich populäreren Autodidakten [[Heinrich Schliemann]] (1822–1890), der allerdings bereits vor den Genannten mit Ausgrabungen begann und sich anschließend langsam an die damals entstehenden wissenschaftliche Forschungsmethoden heranarbeitete. Für die Entwicklung archäologischer Ausgrabungstechniken in Deutschland selbst ist insbesondere die [[Reichs-Limeskommission]] mit Kapazitäten wie [[Ernst Fabricius]] (1857–1942) von größter Bedeutung. Der Archäologe [[Adolf Michaelis]] (1835–1910), ein Studienkollege Alexander Conze,<ref>[[Franz Georg Maier (Althistoriker)|Franz Georg Maier]]: ''Neue Wege in die alte Welt. Methoden der modernen Archäologie''. Hoffmann und Campe, Hamburg 1977, ISBN 3-455-08954-2, S.&nbsp;38.</ref> formulierte 1906 im Rückblick auf die archäologischen Entdeckungen des neunzehnten Jahrhunderts die Ansprüche an eine wissenschaftliche Ausgrabung wie folgt:<ref>[[Adolf Michaelis]]: ''Die archäologischen Entdeckungen des neunzehnten Jahrhunderts''. Seemann, Leipzig 1906, S.&nbsp;132.</ref>
 
Im deutschsprachigen Raum hatte bereits der gräflich-hohenlohischen Archivar und Hofrat [[Christian Ernst Hanßelmann]] (1699–1776) erste schriftliche und zeichnerische Dokumentationen seiner Grabungen vorgenommen. Als eigentliche [[Pionier (Forschung)|Pioniere]] der modernen Forschungsgrabung und Feld[[archäologie]] gelten unter anderem der britische Autodidakt [[Flinders Petrie]] (1853–1942), der italienische Archäologe [[Giacomo Boni (Archäologe)|Giacomo Boni]] (1859–1925) und die deutschen Wissenschaftler [[Ernst Curtius]] (1814–1896), [[Alexander Conze]] (1831–1914) und [[Wilhelm Dörpfeld]] (1853–1940). Ihre Bedeutung für die Forschung übertrifft bei weitem die Arbeiten des wesentlich populäreren Autodidakten [[Heinrich Schliemann]] (1822–1890), der allerdings bereits vor den Genannten mit Ausgrabungen begann und sich anschließend langsam an die damals entstehenden wissenschaftliche Forschungsmethoden heranarbeitete. Für die Entwicklung archäologischer Ausgrabungstechniken in Deutschland selbst ist insbesondere die [[Reichs-Limeskommission]] mit Kapazitäten wie [[Ernst Fabricius]] (1857–1942) von größter Bedeutung. Der Archäologe [[Adolf Michaelis]] (1835–1910), ein Studienkollege Alexander Conze,<ref>[[Franz Georg Maier (Althistoriker)|Franz Georg Maier]]: ''Neue Wege in die alte Welt. Methoden der modernen Archäologie''. Hoffmann und Campe, Hamburg 1977, ISBN 3-455-08954-2, S.&nbsp;38.</ref> formulierte 1906 im Rückblick auf die archäologischen Entdeckungen des neunzehnten Jahrhunderts die Ansprüche an eine wissenschaftliche Ausgrabung wie folgt:<ref>[[Adolf Michaelis]]: ''Die archäologischen Entdeckungen des neunzehnten Jahrhunderts''. Seemann, Leipzig 1906, S.&nbsp;132.</ref>
   Zeile 47: Zeile 43:  
{{Hauptartikel|Geophysikalische Prospektion}}
 
{{Hauptartikel|Geophysikalische Prospektion}}
 
Die Fernerkundungsverfahren gehören zu den „non-invasiven Methoden“, wie die [[Fernerkundung]] („Remote Sensing“) archäologischer [[Landschaft]]en und Fundplätze anhand von Satellitenaufnahmen, Luftbildern oder Laserscans. Auch die non-invasiven Methoden der [[Geophysik]] wie Geomagnetik, Bodenradar, elektrische Leitfähigkeitsmessung der Bodenhorizonte, magnetische [[Magnetische Suszeptibilität|Suszeptibilitätsmessungen]]  gehören hierzu. Ferner die klassischen Verfahren der Feldbegehung. „Minimal invasive Verfahren“ sind die Bohrungen, [[Rammkernsondierung]] und Testgrabungen mit angeschlossene chemisch-physikalischen Aufarbeiten der gewonnenen Proben im Labor.<ref>Grafik: Übersicht der archäologischen Verfahren in Abhängigkeit zu ihrer Invasivität. Nach Knut Rassmann, Hajo Höhler-Brockmannn [https://www.dainst.blog/crossing-borders/wp-content/uploads/sites/9/2019/05/AbbX_Methoden%C3%BCbersicht-1024x626.jpg dainst.blog]</ref>
 
Die Fernerkundungsverfahren gehören zu den „non-invasiven Methoden“, wie die [[Fernerkundung]] („Remote Sensing“) archäologischer [[Landschaft]]en und Fundplätze anhand von Satellitenaufnahmen, Luftbildern oder Laserscans. Auch die non-invasiven Methoden der [[Geophysik]] wie Geomagnetik, Bodenradar, elektrische Leitfähigkeitsmessung der Bodenhorizonte, magnetische [[Magnetische Suszeptibilität|Suszeptibilitätsmessungen]]  gehören hierzu. Ferner die klassischen Verfahren der Feldbegehung. „Minimal invasive Verfahren“ sind die Bohrungen, [[Rammkernsondierung]] und Testgrabungen mit angeschlossene chemisch-physikalischen Aufarbeiten der gewonnenen Proben im Labor.<ref>Grafik: Übersicht der archäologischen Verfahren in Abhängigkeit zu ihrer Invasivität. Nach Knut Rassmann, Hajo Höhler-Brockmannn [https://www.dainst.blog/crossing-borders/wp-content/uploads/sites/9/2019/05/AbbX_Methoden%C3%BCbersicht-1024x626.jpg dainst.blog]</ref>
[[Datei:FormazUnitaStratigrafica.jpg|mini|Die Zeichnung zeigt schematisch die historischen Ereignisse und Aktionen, die zur Bildung von stratigraphischen Einheiten führen (positiv (Akkumulation von Material) oder negativ (Subtraktion von Material)). '''a'''  Ursprüngliche Ausgangssituation<br />'''b'''  menschliche Handlungen führen zum partiellen Entfernen von Material: Ausgrabung von zwei Fundamentgruben (negative stratigraphische Einheiten, hervorgehoben durch dunkle Linien)<br />'''c'''  menschliche Handlungen der Materialansammlung: In den Fundamentgruben werden Wände mit eigenen Fundamenten errichtet, die Gruben werden gefüllt und der Boden geebnet, der Boden und das Dach werden ebenfalls gebaut (positive stratigraphische Einheiten).<br />'''d'''  Ereignis des [[Einsturz]]es des Gebäudes (negative stratigraphische Einheiten des Einsturzes der Wände, hervorgehoben durch die dunklen Linien, und positive stratigraphische Einheiten des Einsturzes der Materialien)<br />'''e'''  [[Alluvionen|alluviale]] Ablagerungen, langsame Ansammlung von [[Äolisches Sediment|windgetragenem]] oder auch [[Fluviatiles Sediment|fluvialem]] Material (positive stratigraphische Einheit)]]
  −
   
== Grabung und methodische Grundlagen einer Feldarchäologie ==
 
== Grabung und methodische Grundlagen einer Feldarchäologie ==
   Zeile 56: Zeile 50:  
* ''Forschungsgrabung'':
 
* ''Forschungsgrabung'':
 
*: Der Befund hat höchste Priorität. Es stehen genügend Zeit und Mittel für eine umfassende wissenschaftliche Ausgrabung zur Verfügung.
 
*: Der Befund hat höchste Priorität. Es stehen genügend Zeit und Mittel für eine umfassende wissenschaftliche Ausgrabung zur Verfügung.
[[Datei:Lieser, Notgrabung 1.jpg|mini|Notgrabung: Fund einer römischen Kelteranlage bei Straßenbauarbeiten]]
+
 
 
* ''Rettungsgrabung'' beziehungsweise ''Notgrabung'':
 
* ''Rettungsgrabung'' beziehungsweise ''Notgrabung'':
 
*: Der Befund ist durch unmittelbar bevorstehende Baumaßnahmen akut gefährdet oder bereits beschädigt oder durch [[Erosion (Geologie)|Erosion]] freigelegt worden und wird nun unter großem Zeitdruck bestmöglich dokumentiert. Die Übergänge zwischen Not- und Rettungsgrabung und [[Archäologie#Spezialgebiete|Trassenarchäologie]] sind oft fließend.
 
*: Der Befund ist durch unmittelbar bevorstehende Baumaßnahmen akut gefährdet oder bereits beschädigt oder durch [[Erosion (Geologie)|Erosion]] freigelegt worden und wird nun unter großem Zeitdruck bestmöglich dokumentiert. Die Übergänge zwischen Not- und Rettungsgrabung und [[Archäologie#Spezialgebiete|Trassenarchäologie]] sind oft fließend.
Zeile 64: Zeile 58:  
Die Grabungstechnik kennt drei prinzipielle Verfahren:
 
Die Grabungstechnik kennt drei prinzipielle Verfahren:
 
* die ''Sondierungsgrabung'': Hierbei wird kleinräumig gegraben, um erste Erkenntnisse über die Boden- und Befundsituation zu gewinnen: Sie wird ausgeführt als:
 
* die ''Sondierungsgrabung'': Hierbei wird kleinräumig gegraben, um erste Erkenntnisse über die Boden- und Befundsituation zu gewinnen: Sie wird ausgeführt als:
** ''Punktgrabung'', eine Untersuchung an einer Stelle, etwa um einen Einzelfund zu bergen, oder eine aus einer Messung gewonnene Besonderheit zu sichten,
+
**''Punktgrabung'', eine Untersuchung an einer Stelle, etwa um einen Einzelfund zu bergen, oder eine aus einer Messung gewonnene Besonderheit zu sichten,
 
** ''Sondierschnitt'' beziehungsweise ''Suchschnitt'': Ein Schnitt legt ein lokales ''Profil'' durch eine Befundlage frei. An ihm lassen sich allgemeines Ausmaß der Grabungsstätte und zu erwartende [[Fundschicht]]en ablesen.
 
** ''Sondierschnitt'' beziehungsweise ''Suchschnitt'': Ein Schnitt legt ein lokales ''Profil'' durch eine Befundlage frei. An ihm lassen sich allgemeines Ausmaß der Grabungsstätte und zu erwartende [[Fundschicht]]en ablesen.
 
**: Bekanntester Sondierschnitt ist wohl der ''Schliemanngraben'', der sich durch den Hügel von Hisarlık ([[Troja]]) zieht, damals ein revolutionäres und richtungsweisendes Vorgehen, heute wird die Methode kritisch gesehen.
 
**: Bekanntester Sondierschnitt ist wohl der ''Schliemanngraben'', der sich durch den Hügel von Hisarlık ([[Troja]]) zieht, damals ein revolutionäres und richtungsweisendes Vorgehen, heute wird die Methode kritisch gesehen.
Zeile 75: Zeile 69:     
=== Grabungstechnik ===
 
=== Grabungstechnik ===
[[Datei:archäologie schichtengrabung.jpg|mini|Schichtprofil (Augsburg, Inneres Pfaffengässchen)]]
   
Die definierte und vermessene Grabungsfläche, auch Grabungsschnitt, wird manuell und sukzessive abgetragen. Folgt die Abtragung willkürlich festgelegten Bodenschichten, liegt die Planagrabung vor oder erfolgt sie den natürlich unterscheidbaren und damit evidenten Schichten, so ergibt sich eine stratigraphische Grabung.
 
Die definierte und vermessene Grabungsfläche, auch Grabungsschnitt, wird manuell und sukzessive abgetragen. Folgt die Abtragung willkürlich festgelegten Bodenschichten, liegt die Planagrabung vor oder erfolgt sie den natürlich unterscheidbaren und damit evidenten Schichten, so ergibt sich eine stratigraphische Grabung.
   Zeile 93: Zeile 86:     
=== Stratigraphische Grabung ===
 
=== Stratigraphische Grabung ===
[[Datei:Villa Rustica Ahrweiler Profilblock.jpg|mini|Profilblock in der [[Römervilla von Bad Neuenahr-Ahrweiler]]]]
   
Sind an einem Ausgrabungsort stratifizierbare Befunde vorhanden, kommt der stratigraphischen Methode bei der Erstellung einer lokalen [[Relative Chronologie|relativen Chronologie]] eine zentrale Bedeutung zu. Hierbei ist streng zwischen Abfolge der [[Stratigraphie (Archäologie)#Stratifikation und Strata|Schichten]], ''strata'' selbst und den archäologisch relevanten gewinnbaren Objekten zu unterscheiden. Jede Stratigraphie gilt nur für loko-regionalen Befund, den sie beschreibt. Das Erstellen jeweils singulärer, lokaler zunächst einmal fundarealspezifischer Abfolgen ist der wissenschaftliche Drehpunkt.<ref>Manfred K.H. Eggert: ''Prähistorische Archäologie. Konzepte und Methoden.'' (= ''UTB.'' 2092). 4. Auflage. A. Franke, Tübingen/ Basel 2012, ISBN 978-3-8252-3696-0, S.&nbsp;181–182.</ref>
 
Sind an einem Ausgrabungsort stratifizierbare Befunde vorhanden, kommt der stratigraphischen Methode bei der Erstellung einer lokalen [[Relative Chronologie|relativen Chronologie]] eine zentrale Bedeutung zu. Hierbei ist streng zwischen Abfolge der [[Stratigraphie (Archäologie)#Stratifikation und Strata|Schichten]], ''strata'' selbst und den archäologisch relevanten gewinnbaren Objekten zu unterscheiden. Jede Stratigraphie gilt nur für loko-regionalen Befund, den sie beschreibt. Das Erstellen jeweils singulärer, lokaler zunächst einmal fundarealspezifischer Abfolgen ist der wissenschaftliche Drehpunkt.<ref>Manfred K.H. Eggert: ''Prähistorische Archäologie. Konzepte und Methoden.'' (= ''UTB.'' 2092). 4. Auflage. A. Franke, Tübingen/ Basel 2012, ISBN 978-3-8252-3696-0, S.&nbsp;181–182.</ref>
 
Eine ''Stratigraphische Grabung'' oder ''[[Schichtengrabung]]'' ist eine Grabung nach ''evidenten'' (natürlich vorgegebenen) Schichten. Dabei wird jede einzelne authentische Kulturschicht minutiös freigelegt. Die Stärke der Schicht spielt dabei keine Rolle, sie ist allenfalls ein arbeitstechnisches Problem. Hierbei wird mit dem jüngsten Befund beginnend Befund für Befund abgetragen. Dabei entstehen keine ebenen Grabungsflächen, doch ist die Zuweisung der Funde zum Befund eindeutig.
 
Eine ''Stratigraphische Grabung'' oder ''[[Schichtengrabung]]'' ist eine Grabung nach ''evidenten'' (natürlich vorgegebenen) Schichten. Dabei wird jede einzelne authentische Kulturschicht minutiös freigelegt. Die Stärke der Schicht spielt dabei keine Rolle, sie ist allenfalls ein arbeitstechnisches Problem. Hierbei wird mit dem jüngsten Befund beginnend Befund für Befund abgetragen. Dabei entstehen keine ebenen Grabungsflächen, doch ist die Zuweisung der Funde zum Befund eindeutig.
Zeile 118: Zeile 110:  
Die Technik hat ihren Ursprung in den Arbeiten (1930–1935) von [[Mortimer Wheeler]] und [[Tessa Wheeler]] in [[Verulamium]], der drittgrößten Stadt in der [[Römische Provinz|römischen Provinz]] ''Britannia''. Später wurde die Grabungstechnik von [[Kathleen Kenyon]] während ihren Ausgrabungen in [[Jericho]] (1952–1958) verbessert. Die Englische Grabung oder Wheeler-Kenyon-Methode teilt das Planum in regelmäßige Quadrate auf und wird daher auch Quadrantenmethode genannt. Diese Quadrate werden dann ausgehoben, wobei lediglich schmale Stege, ''balk'', so genannte Kontrollstege, stehenbleiben, weil in ihnen der Verlauf der Straten überprüfbar bleibt. Der Vorteil der englischen Grabungsart ist die Exaktheit, nachteilig ist der immense Arbeitsaufwand. Die Bezeichnung „Englische Grabung“ ist missverständlich und historisch bedingt, da in der britischen Archäologie heute überwiegend Flächengrabungen durchgeführt werden.
 
Die Technik hat ihren Ursprung in den Arbeiten (1930–1935) von [[Mortimer Wheeler]] und [[Tessa Wheeler]] in [[Verulamium]], der drittgrößten Stadt in der [[Römische Provinz|römischen Provinz]] ''Britannia''. Später wurde die Grabungstechnik von [[Kathleen Kenyon]] während ihren Ausgrabungen in [[Jericho]] (1952–1958) verbessert. Die Englische Grabung oder Wheeler-Kenyon-Methode teilt das Planum in regelmäßige Quadrate auf und wird daher auch Quadrantenmethode genannt. Diese Quadrate werden dann ausgehoben, wobei lediglich schmale Stege, ''balk'', so genannte Kontrollstege, stehenbleiben, weil in ihnen der Verlauf der Straten überprüfbar bleibt. Der Vorteil der englischen Grabungsart ist die Exaktheit, nachteilig ist der immense Arbeitsaufwand. Die Bezeichnung „Englische Grabung“ ist missverständlich und historisch bedingt, da in der britischen Archäologie heute überwiegend Flächengrabungen durchgeführt werden.
 
Diese vertikalen Erdscheiben ermöglichen es den Archäologen, die genaue Herkunft eines gefundenen Objekts oder Merkmals mit benachbarten Erdschichten („Schichten“) zu vergleichen. Diese Methode bietet den Archäologen in erster Linie ein Rastersystem, um ihre Funde besser zu organisieren, während sie ihre Quadrate graben. Denn mit den Quadraten wird den Archäologen ein guter Einblick in die Schichtung des Grabungshorizontes gegeben. Der Hauptgrund für diese Methode besteht darin, die verschiedenen Horizonte, des Standorts, zu kennzeichnen und detailliert zu erfassen.<ref>[[William G. Dever]]: ''A manual of field excavation: handbook for field archaeologists.'' Hebrew Union College-Jewish Institute of Religion, New York 1982, S. 49.</ref>
 
Diese vertikalen Erdscheiben ermöglichen es den Archäologen, die genaue Herkunft eines gefundenen Objekts oder Merkmals mit benachbarten Erdschichten („Schichten“) zu vergleichen. Diese Methode bietet den Archäologen in erster Linie ein Rastersystem, um ihre Funde besser zu organisieren, während sie ihre Quadrate graben. Denn mit den Quadraten wird den Archäologen ein guter Einblick in die Schichtung des Grabungshorizontes gegeben. Der Hauptgrund für diese Methode besteht darin, die verschiedenen Horizonte, des Standorts, zu kennzeichnen und detailliert zu erfassen.<ref>[[William G. Dever]]: ''A manual of field excavation: handbook for field archaeologists.'' Hebrew Union College-Jewish Institute of Religion, New York 1982, S. 49.</ref>
  −
[[Datei:A Square Unit of an Exploration 02.svg|mini|Aufteilung nach der Wheeler-Kenyon-Methode. Schematische Darstellung des nummerierten Explorationsquadrats, das rote Quadrat ist ein Explorationsquadrat, das graue ist die tatsächliche Ausgrabungsfläche, berechnet als 5 [[m]] × 5 m, die Stege sind jeweils 4 m × 1 m und die wichtigsten Säulen sind 1 m × 1 m. Die Ausgrabung wird normalerweise Schicht für Schicht nach unten in den [[Bodenhorizont]] durchgeführt.]]
      
=== Fund und Befund in der Feldarchäologie ===
 
=== Fund und Befund in der Feldarchäologie ===
Zeile 137: Zeile 127:  
In zunehmendem Maße spielt die [[Archäoinformatik]] eine wichtige Rolle, so zur Erfassung, Dokumentation und Berechnung der umfangreichen [[Datenmenge]]n der archäologisch-historischen Befunde. Entstanden aus der Erkenntnis im Zusammenhang mit den technischen Möglichkeiten eigene Problem‐  und Informationsstrukturen zu entwickeln, welche spezifische informations‐
 
In zunehmendem Maße spielt die [[Archäoinformatik]] eine wichtige Rolle, so zur Erfassung, Dokumentation und Berechnung der umfangreichen [[Datenmenge]]n der archäologisch-historischen Befunde. Entstanden aus der Erkenntnis im Zusammenhang mit den technischen Möglichkeiten eigene Problem‐  und Informationsstrukturen zu entwickeln, welche spezifische informations‐
 
technische Ansätzen dieser Wissenschaft einbezieht.<ref>Sebastian Kirch: ''Archäoinformatik ‐ Digitale Archäologie. Informationstechnologien und Visualisierungstechniken in der Archäologie.'' Seminarschrift Universität Duisburg-Essen, Digital Humanities, SS 2010 ([https://www.uni-due.de/imperia/md/content/computerlinguistik/digitale_arch__ologie____berarbeitet__-_sebastian_kirch.pdf uni-due.de])</ref>
 
technische Ansätzen dieser Wissenschaft einbezieht.<ref>Sebastian Kirch: ''Archäoinformatik ‐ Digitale Archäologie. Informationstechnologien und Visualisierungstechniken in der Archäologie.'' Seminarschrift Universität Duisburg-Essen, Digital Humanities, SS 2010 ([https://www.uni-due.de/imperia/md/content/computerlinguistik/digitale_arch__ologie____berarbeitet__-_sebastian_kirch.pdf uni-due.de])</ref>
{{Siehe auch|Grabungsschutzgebiet}}
  −
   
=== Vorbereitung der Fläche ===
 
=== Vorbereitung der Fläche ===
 
Nachdem die Grabungsfläche festgelegt ist, wird als Erstes mit Hilfe eines Baggers die ''Pflugschicht'' abgehoben. Von „Pflugschicht“ (in eigentlichen Sinne des Abtragens des [[Mutterboden|Oberbodens]]) kann man bestenfalls in unüberbauten Gebieten sprechen. Im Rahmen der mittelalterlichen Stadtkernarchäologie kann die Pflugschicht durchaus aus meterdicken Packungen von Weltkriegsschutt bestehen.
 
Nachdem die Grabungsfläche festgelegt ist, wird als Erstes mit Hilfe eines Baggers die ''Pflugschicht'' abgehoben. Von „Pflugschicht“ (in eigentlichen Sinne des Abtragens des [[Mutterboden|Oberbodens]]) kann man bestenfalls in unüberbauten Gebieten sprechen. Im Rahmen der mittelalterlichen Stadtkernarchäologie kann die Pflugschicht durchaus aus meterdicken Packungen von Weltkriegsschutt bestehen.
Zeile 149: Zeile 137:     
=== Befundbearbeitung und Dokumentation ===
 
=== Befundbearbeitung und Dokumentation ===
[[Datei:Dolina-Pano-3.jpg|mini|Grabungen bei einem Lager der ''[[Homo heidelbergensis]]'' in [[Atapuerca]]]]
  −
[[Datei:Stipe-page-001.jpg|mini|links|Grabungsskizze bzw. [[Bauzeichnung|-zeichnung]] aus Vicus di San Rustico di [[Basciano]] ([[Provinz Teramo]]), mit [[Kompassrose]] zum [[Einnorden]] und [[Maßstab (Kartografie)#Als numerischer Maßstab|numerischen]] und [[Maßstab (Kartografie)#Als grafischer Maßstab|grafischen]] [[Maßstab (Kartografie)|Maßstabsangaben]]]]
   
Schon während der Grabung beginnt die archäologische [[Dokumentation]], die zugleich schon eine erste Form der Interpretation ist und die letztlich oft erst mehrere Jahre nach der Grabung publiziert wird. Heute wird die Dokumentation meist weitgehend durch EDV gestützt. Dabei müssen sämtliche Befunde im Planum und im Profil zu fotografiert, gezeichnet und beschrieben werden. Aus den Einmessungen der Plana bzw. der Profile müssen sich später 3D-Schichtoberflächen rekonstruieren lassen.
 
Schon während der Grabung beginnt die archäologische [[Dokumentation]], die zugleich schon eine erste Form der Interpretation ist und die letztlich oft erst mehrere Jahre nach der Grabung publiziert wird. Heute wird die Dokumentation meist weitgehend durch EDV gestützt. Dabei müssen sämtliche Befunde im Planum und im Profil zu fotografiert, gezeichnet und beschrieben werden. Aus den Einmessungen der Plana bzw. der Profile müssen sich später 3D-Schichtoberflächen rekonstruieren lassen.
   Zeile 187: Zeile 173:     
Hilfsmittel und Werkzeuge (Auswahl): in der Reihenfolge [[Survey (Archäologie)|Begehung]], [[Prospektion (Archäologie)|Prospektion]], [[Sondage]], Grabung:
 
Hilfsmittel und Werkzeuge (Auswahl): in der Reihenfolge [[Survey (Archäologie)|Begehung]], [[Prospektion (Archäologie)|Prospektion]], [[Sondage]], Grabung:
<gallery>
  −
Fluxgatemagnetometer.jpg|[[Fluxgate-Magnetometer|Fluxgatemagnetometer]] für das Survey
  −
Ground Penetrating Radar in use.jpg|[[Prospektion (Archäologie)#Bodenradarmessungen (GPR – Ground Penetrating Radar)|Bodenradar]]
  −
20180221-OSEC-LSC-0055 (39518128545).jpg|Tragbarer [[Röntgenfluoreszenzanalyse|RFA-Analysator]] mit einem [[Siliziumdriftdetektor]]
  −
DJI Phantom 2 Vision+ V3 hovering over Weissfluhjoch (cropped).jpg|[[Unbemanntes Luftfahrzeug|Drohne]] zur Luftaufnahme ([[Luftbildarchäologie]])
  −
Fatzael 7 - Spinning Spindle 22.JPG|Flexibles metrisches [[Maßband]]
  −
Station totalle.jpg|[[Tachymeter (Geodäsie)|Tachymeter]] als Basis zur Erstellung eines elektronischen Grabungsplans
  −
Mire.jpg|[[Nivellierlatte]] für Geodätische Messungen
  −
Garmin eTrex10.jpg|150px|mini|[[Empfänger (GNSS)]] zur groben Orientierung [[Globales Navigationssatellitensystem|Globale Navigationssatellitensystem]]
  −
Römisches Marschlager von Wilkenburg Grabungsfläche Oktober 2015.jpg|Vorbereitete Grabungsfläche beim [[Römisches Marschlager von Wilkenburg|Römischen Marschlager von Wilkenburg]]
  −
Harzhorn Fundschilder.jpg|Fundschilder
  −
Harzhorn Ausgrabung 2013 Schnitt am Hang Kalkstein.jpg|Grabungsplan erstellt; Fundschilder, Grabungshorizont mit [[Meßschnur|Meßschnüren]] ([[Basislinie (Geodäsie)|Basislinie]]) abgesteckt
  −
Ausgrabung Harburger-Schloßstraße Einmessung.jpg|mini|Einmessung des Fundes im [[Begehungshorizont]] zur Dokumentation
  −
Bourewa archaeological site (Fiji) excavated pits in 2009 c.jpg|Gespannte Lotschnüre (Verlegeschnur) begrenzen den Grabungsbereich
  −
Emsländer Sandschaufel, Holsteiner Schaufel und Oldenburger Spaten.JPG|Diverse [[Schaufel]], [[Spaten]]
  −
Royal St Archaeology June2015 4.jpg|Grabungshilfsmittel [[Eimer]]
  −
TrowelPS.jpg|[[Archäologenkelle]]
  −
Palette knife.jpg|[[Malmesser]]
  −
Gartenspritze.jpg|Gartenspritze zum Anfeuchten der Grabungsfläche
  −
Stofferenblik.jpg|[[Kehrbesen]]
  −
Scharfer Löffel5.JPG|scharfer Löffel
  −
Periodontalprobes09-09-2005.jpg|Dentalinstrumente
  −
Cepillo de dientes.png|[[Zahnbürste]] zum Entfernen von fester haftendem Erdmaterial
  −
Keyboard cleaner3.jpg|Diverse [[Pinsel]]
  −
Soplador de aire, 2017-02-05, DD FS.jpg|Blasebalg zum trockenen Kehren
  −
Laborspatel.jpg|[[Spatel]]
  −
Bourewa archaeological site (Fiji) excavated pits in 2009 e.jpg|Rüttel[[sieb]]
  −
Klip plastik.jpg|[[Druckverschlussbeutel]]
  −
Excavaciondolina.JPG|Verschiedene Grabungsutensilien u.&nbsp;a. Druckverschlussbeutel mit Proben (unteres Bilddrittel)
  −
Rheinisches Stellensystem.jpg|Stellenkarte ([[Grabungsbericht]] Rheinischen Stellensystems) zur Dokumentation
  −
Grabungsdoku Stellenkarten.jpg|Grabungsbericht auf Stellenkarten
  −
CSP-90-009.jpg|[[Wissenschaftliche Fotografie|Fotodokumentation]] mit Fundbeschriftung und [[Einnorden|Nord-Süd-Markierung]] und Messlatte
  −
Zeichenmaschine ALM.jpg|[[Reißbrett|Zeichenmaschine]] im Grabungsfeld
  −
Monofaz Achelense.png|Fundzeichnung typischer [[Faustkeil]] ([[Acheuléen]])
  −
Konicaminoltadynax5d.jpg|mini|[[Spiegelreflexkamera#Digitale Spiegelreflexkameras|Spiegelreflex Digitalkamera]] Konica Minolta Dynax 5D
  −
3D-Laserscanner on tripod.jpg|3D-[[Laserscanner]]
  −
</gallery>
  −
   
== Siehe auch ==
 
== Siehe auch ==
 
* [[Klassische Archäologie]]
 
* [[Klassische Archäologie]]
Zeile 284: Zeile 232:  
== Einzelnachweise ==
 
== Einzelnachweise ==
 
<references />
 
<references />
  −
{{Normdaten|TYP=s|GND=4129464-6}}
      
[[Kategorie:Paläontologische Präparation]]
 
[[Kategorie:Paläontologische Präparation]]
 
[[Kategorie:Archäologischer Fachbegriff]]
 
[[Kategorie:Archäologischer Fachbegriff]]
 
[[Kategorie:Archäologie und Öffentlichkeit]]
 
[[Kategorie:Archäologie und Öffentlichkeit]]

Navigationsmenü