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[[Datei:Jüdische Synagoge Erfurt 1.JPG|mini|Münzen des Schatzes]]
Der '''Jüdische [[Schatz]] von [[Erfurt]]''', der 1998 durch Zufall in der [[Thüringen|thüringischen]] Landeshauptstadt entdeckt wurde, gilt sowohl von seinem Umfang her als auch in seinem Erhaltungszustand als weltweit einzigartig. Deshalb strebt die Stadtverwaltung an, ihn zusammen mit der [[Alte Synagoge (Erfurt)|Alten Synagoge]] (der ältesten noch erhaltenen in Europa) und der [[Mikwe (Erfurt)|Mikwe]] in die Liste des [[UNESCO-Weltkulturerbe]]s aufnehmen zu lassen.
== Fundgeschichte und Herkunft ==
1998 fanden in der Erfurter [[Erfurt-Altstadt|Altstadt]] [[Archäologie|archäologische Bodenuntersuchungen]] statt. Da unter dem Neubaukomplex auf dem Grundstück [[Michaelisstraße (Erfurt)|Michaelisstraße]] 43/44 – in unmittelbarer Nachbarschaft zur Alten Synagoge – ein altes Kellergemäuer, genutzt als Abstellplatz für Fahrräder, erhalten bleiben sollte, waren dort keine Grabungen vorgesehen. Durch Zufall stießen die Bauarbeiter allerdings auf eine unter dem Mauerwerk klemmende Silberschale. In der Annahme, es handle sich um ein Stück [[Zinn]], legten sie den Fund in ihren [[Bauwagen]]. Erst einige Zeit später wurde nach genaueren Untersuchungen die Bedeutung der Schale deutlich und Archäologen begannen, den Schatz zu bergen, der unter der Mauer des Kellerzugangs vergraben war.
Nachforschungen ergaben als ehemaligen Besitzer den wohlhabenden [[Jüdische Religion|jüdischen]] Geldverleiher und Bankier Kalman von [[Wiehe]], der seine Wertsachen während des [[Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes|Pestpogroms im Jahr 1349]] offenbar aus Angst vor Raub und Plünderung versteckte. Er überlebte die am 21. März in Erfurt stattfindende gewalttätige Verfolgung nicht.
== Fundstücke ==
Der Schatz weist ein Gesamtgewicht von 28 Kilogramm auf. Er setzt sich zusammen aus 3141 [[Silber]]münzen, 14 [[Barren (Metall)|Silberbarren]] unterschiedlicher Größe, einem Silbergeschirrensemble – bestehend aus einem Satz von acht Bechern, einer Kanne und einer Trinkschale – sowie über 700, teilweise mit Edelsteinen besetzten Einzelstücken [[Gotik|gotischer]] [[Goldschmiedekunst|Gold-]] und Silberschmiedekunst. Bei letzteren besonders hervorzuheben sind acht in einem sogenannten „Doppelkopf“ (eigentlich Doppel-Topf) versteckte [[Brosche]]n verschiedener Größe und Form mit zum Teil üppigem Steinbesatz sowie sieben Ringe aus Gold und Silber. Den zahlenmäßig größten Anteil machen aber Gürtelteile und Gewandbesätze aus.
Prunkstück des Schatzes ist der äußerst [[Filigranarbeit|filigran]] und kunstvoll gearbeitete [[Jüdischer Hochzeitsring (Erfurt)|Hochzeitsring]], in den in [[Hebräische Sprache|hebräischer Sprache]] die Worte ''[[Masel tov]]'' ([[Deutsche Sprache|de.:]] ''Viel Glück'') [[Gravur|eingraviert]] sind.
== Präsentation ==
Im Zuge mehrerer Ausstellungen im Ausland erfuhr der Schatz internationale Aufmerksamkeit. Von April bis September 2007 wurden beispielsweise einige seiner Teile zusammen mit dem [[Schatz von Colmar]] im Rahmen der Ausstellung „Trésors de la Peste Noire“ im [[Paris]]er [[Musée national du Moyen Âge]] gezeigt. In [[New York City]] widmete das [[Yeshiva University]] Museum dem bedeutenden Fund aus Deutschland mit „Erfurt: Jewish Treasures from Medieval [[Aschkenasim|Ashkenaz]]“ vom 9. September 2008 bis zum 29. Januar 2009 eine eigene Schau und unmittelbar darauf folgte zwischen dem 19. Februar und dem 10. Mai die Ausstellung „Treasures of the Black Death“ in der [[Wallace Collection]] in [[London]]. Anschließend konnte der Schatz noch im [[Beit Hatefutsot]] in [[Tel Aviv-Jaffa]] besichtigt werden. Seit dem 27. Oktober 2009 ist er dauerhaft ausgestellt im Kellergewölbe der Alten Synagoge in Erfurt, die nach langjähriger [[Sanierung (Bauwesen)|Sanierung]] am selben Tag als Museum eröffnet wurde.
== Rezeption ==
Der Fund wurde in dem letzten Roman von [[Mirjam Pressler]], der Anfang 2019 unter dem Titel ''Dunkles Gold'' erschien, thematisiert.<ref>https://www.mdr.de/kultur/mirjam-pressler-dunkles-gold-102.html</ref><ref>https://www.deutschlandfunkkultur.de/mirjam-pressler-dunkles-gold-emotionaler-jugendroman-ueber.950.de.html?dram:article_id=444642</ref>
== Literatur ==
* Maria Stürzebecher: ''Erfurter Schatz''. Bussert & Stadeler, Jena u. a. 2009, ISBN 978-3-932906-96-1, (''Jüdisches Leben Erfurt'').
* Sven Ostritz (Hrsg.): ''Die mittelalterliche jüdische Kultur in Erfurt''. Beier & Beran, Langenweißbach 2010 [4 Bde., nicht ausgewertet]
* ''Der Schatzfund. Archäologie, Kunstgeschichte, Siedlungsgeschichte''. ISBN 978-3-941171-20-6.
* ''Der Schatzfund. Analysen, Herstellungstechniken, Rekonstruktionen''. ISBN 978-3-941171-21-3.
* ''Der Schatzfund. Die Münzen und Barren''. ISBN 978-3-941171-22-0.
* Maria Stürzebecher: ''Der Erfurter Schatz''. In: ''Stadt und Geschichte. Zeitschrift für Erfurt.'' Sonderheft Nr. 19/Oktober 2019, S. 26–27.
* Maria Stürzebecher: ''Kalman von Wiehe und der Erfurter Schatz''. In: In: Heimat Thüringen. Zeitschrift des Heimatbundes Thüringen e.V., 27. Jg., 2020, Heft 2, S. 10–12.
== Weblinks ==
{{Commonscat|Erfurt Treasure|Jüdischer Schatz von Erfurt}}
* [http://juedisches-leben.erfurt.de/jl/de/mittelalter/erfurter_schatz/index.html Informationen zur Ausstellung in der Alten Synagoge in Erfurt]
* [http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/627966/ Radiobericht vom Deutschlandradio über den Schatz]
* [http://www.phoenix.de/content/phoenix/die_sendungen/die_spur_der_schaetze/891534?datum=2015-04-21 TV-Doku <!-- 2012?3 -->]
== Einzelnachweise ==
<references />
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[[Kategorie:Jüdische Geschichte (Erfurt)]]
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[[Kategorie:Archäologischer Fund (Mittelalter)]]