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Der '''Zweite Weltkrieg''' (1. September 1939 – 2. September 1945) war der zweite [[Weltkrieg|global geführte Krieg]] sämtlicher [[Großmacht|Großmächte]] im 20.&nbsp;Jahrhundert. In [[Europa]] begann er am 1.&nbsp;September 1939 mit dem von [[Adolf Hitler]] befohlenen [[Überfall auf Polen]]. In Ostasien befand sich das [[Japanisches Kaiserreich|Kaiserreich Großjapan]] bereits seit Juli 1937 im [[Zweiter Japanisch-Chinesischer Krieg|Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg]] mit der [[Republik China (1912–1949)|Republik China]] und ab Mitte 1938 in einem [[Japanisch-Sowjetischer Grenzkonflikt|Grenzkrieg]] mit der [[Sowjetunion]]. Der japanische [[Überfall auf Pearl Harbor]] Anfang Dezember 1941 hatte den [[Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg]] und den Beginn des [[Pazifikkrieg]]s zur Folge, in den auch die europäischen [[Kolonialmacht|Kolonialmächte]] verwickelt wurden. Im Kriegsverlauf bildeten sich zwei militärische Allianzen, die als ''[[Achsenmächte]]'' und ''[[Alliierte#Zweiter Weltkrieg|Alliierte]]'' ([[Anti-Hitler-Koalition]]) bezeichnet werden. Hauptgegner des [[Zeit des Nationalsozialismus|nationalsozialistischen]] [[NS-Staat|Deutschen Reiches]] waren in Europa das [[Vereinigtes Königreich|Vereinigte Königreich]] mit dem [[Kriegsregierung Churchill|Kriegskabinett]] von [[Premierminister des Vereinigten Königreichs|Premierminister]] [[Winston Churchill]] an der Spitze sowie (ab Juni 1941) die unter der [[Diktatur]] [[Josef Stalin]]s stehende Sowjetunion. Viele Historiker argumentieren heute, dass der Zweite Weltkrieg erst mit dem Eintritt der USA zu einem Weltkrieg wurde, da dieser im Jahr 1941 die vorher regionalen Kriege in Asien (1937) und Europa (1939) miteinander verband.<ref>Vgl. Takuma Melber: „In Asien begann der Weltkrieg 1931“. Kölner Stadtanzeiger, 17.07.2017, Interview mit Michael Hesse.</ref>
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Der '''Zweite Weltkrieg''' (1. September 1939 – 2. September 1945) war der zweite [[Weltkrieg|global geführte Krieg]] sämtlicher [[Großmacht|Großmächte]] im 20.&nbsp;Jahrhundert. In [[Europa]] begann er am 1.&nbsp;September 1939 mit dem von [[Adolf Hitler]] befohlenen [[Überfall auf Polen]]. In Ostasien befand sich das [[Japanisches Kaiserreich|Kaiserreich Großjapan]] bereits seit Juli 1937 im [[Zweiter Japanisch-Chinesischer Krieg|Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg]] mit der [[Republik China (1912–1949)|Republik China]] und ab Mitte 1938 in einem [[Japanisch-Sowjetischer Grenzkonflikt|Grenzkrieg]] mit der [[Sowjetunion]]. {{:Werbung-Metallsonde1}}Der japanische [[Überfall auf Pearl Harbor]] Anfang Dezember 1941 hatte den [[Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg]] und den Beginn des [[Pazifikkrieg]]s zur Folge, in den auch die europäischen [[Kolonialmacht|Kolonialmächte]] verwickelt wurden. Im Kriegsverlauf bildeten sich zwei militärische Allianzen, die als ''[[Achsenmächte]]'' und ''[[Alliierte#Zweiter Weltkrieg|Alliierte]]'' ([[Anti-Hitler-Koalition]]) bezeichnet werden. Hauptgegner des [[Zeit des Nationalsozialismus|nationalsozialistischen]] [[NS-Staat|Deutschen Reiches]] waren in Europa das [[Vereinigtes Königreich|Vereinigte Königreich]] mit dem [[Kriegsregierung Churchill|Kriegskabinett]] von [[Premierminister des Vereinigten Königreichs|Premierminister]] [[Winston Churchill]] an der Spitze sowie (ab Juni 1941) die unter der [[Diktatur]] [[Josef Stalin]]s stehende Sowjetunion. Viele Historiker argumentieren heute, dass der Zweite Weltkrieg erst mit dem Eintritt der USA zu einem Weltkrieg wurde, da dieser im Jahr 1941 die vorher regionalen Kriege in Asien (1937) und Europa (1939) miteinander verband.<ref>Vgl. Takuma Melber: „In Asien begann der Weltkrieg 1931“. Kölner Stadtanzeiger, 17.07.2017, Interview mit Michael Hesse.</ref>
    
Mit der [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht]] endeten die Kampfhandlungen in Europa am [[VE-Day|8.&nbsp;Mai 1945]]; die beiden [[Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki]] führten zur [[Kapitulation Japans]] am 2.&nbsp;September 1945 und damit zum Kriegsende.
 
Mit der [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht]] endeten die Kampfhandlungen in Europa am [[VE-Day|8.&nbsp;Mai 1945]]; die beiden [[Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki]] führten zur [[Kapitulation Japans]] am 2.&nbsp;September 1945 und damit zum Kriegsende.
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== Vorgeschichte ==
 
== Vorgeschichte ==
{{Hauptartikel|Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges in Europa|Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges im Pazifikraum}}
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In den Jahren von 1920 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 erlangte in weiten Teilen Europas der [[Faschismus]] beziehungsweise [[Rechtsextremismus]] zunehmend die politische Meinungsherrschaft. In Italien bekam [[Benito Mussolini]] bereits 1922 mit dem [[Marsch auf Rom]] die Macht übertragen. In Deutschland wuchs der [[Nationalsozialismus]] nach 1930 zur Massenbewegung heran. Am 30.&nbsp;Januar 1933 wurde ihr und ihren rechtskonservativen Verbündeten die politische [[Machtergreifung|Macht übergeben]], als Reichspräsident [[Paul von Hindenburg]] Adolf Hitler zum [[Reichskanzler]] ernannte. Dieser bildete aus [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialisten]] und [[Deutschnationale Volkspartei|Deutschnationalen]] das [[Kabinett Hitler]].
 
In den Jahren von 1920 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 erlangte in weiten Teilen Europas der [[Faschismus]] beziehungsweise [[Rechtsextremismus]] zunehmend die politische Meinungsherrschaft. In Italien bekam [[Benito Mussolini]] bereits 1922 mit dem [[Marsch auf Rom]] die Macht übertragen. In Deutschland wuchs der [[Nationalsozialismus]] nach 1930 zur Massenbewegung heran. Am 30.&nbsp;Januar 1933 wurde ihr und ihren rechtskonservativen Verbündeten die politische [[Machtergreifung|Macht übergeben]], als Reichspräsident [[Paul von Hindenburg]] Adolf Hitler zum [[Reichskanzler]] ernannte. Dieser bildete aus [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialisten]] und [[Deutschnationale Volkspartei|Deutschnationalen]] das [[Kabinett Hitler]].
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== Krieg in Europa ==
 
== Krieg in Europa ==
{{Hauptartikel|Chronologie des Zweiten Weltkrieges|titel1=Chronologie des Zweiten Weltkrieges, eine tageweise Zeitleiste}}
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=== Vom Überfall auf Polen bis zur Niederlage Frankreichs, September 1939 bis Juni 1940 ===
 
=== Vom Überfall auf Polen bis zur Niederlage Frankreichs, September 1939 bis Juni 1940 ===
 
In der ersten Phase des Krieges eroberten und besetzten Deutschland (von Westen kommend) und die Sowjetunion (von Osten kommend) Polen (ab 1. bzw. 17. September 1939), eroberte Deutschland Dänemark und Norwegen (April–Juni 1940) sowie die Niederlande, Belgien und Frankreich (Mai–Juni 1940). Die schnelle Niederlage Frankreichs kam für die meisten Menschen unerwartet, nicht zuletzt für [[Josef Stalin]].<ref>Bernd-Jürgen Wendt: ''Deutschland 1933–1945. Das „Dritte Reich“. Handbuch zur Geschichte.'' Fackelträger, Hannover 1995, ISBN 3-7716-2209-3, S. 487.</ref> Dennoch erreichte Hitler sein Hauptziel nicht, Großbritannien aus dem Krieg herauszuhalten, zur Aufgabe zu zwingen oder militärisch zu besiegen. Dies wurde spätestens im Oktober 1940 während der Luftschlacht über England deutlich. Großbritannien blieb der einzige Staat, der vom Beginn des Krieges an durchgehend handlungsfähiger Gegner Deutschlands war.
 
In der ersten Phase des Krieges eroberten und besetzten Deutschland (von Westen kommend) und die Sowjetunion (von Osten kommend) Polen (ab 1. bzw. 17. September 1939), eroberte Deutschland Dänemark und Norwegen (April–Juni 1940) sowie die Niederlande, Belgien und Frankreich (Mai–Juni 1940). Die schnelle Niederlage Frankreichs kam für die meisten Menschen unerwartet, nicht zuletzt für [[Josef Stalin]].<ref>Bernd-Jürgen Wendt: ''Deutschland 1933–1945. Das „Dritte Reich“. Handbuch zur Geschichte.'' Fackelträger, Hannover 1995, ISBN 3-7716-2209-3, S. 487.</ref> Dennoch erreichte Hitler sein Hauptziel nicht, Großbritannien aus dem Krieg herauszuhalten, zur Aufgabe zu zwingen oder militärisch zu besiegen. Dies wurde spätestens im Oktober 1940 während der Luftschlacht über England deutlich. Großbritannien blieb der einzige Staat, der vom Beginn des Krieges an durchgehend handlungsfähiger Gegner Deutschlands war.
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==== Deutscher Überfall auf Polen, 1939 ====
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==== Deutscher Überfall auf Polen, 1939Hitler hatte am 23.&nbsp;August den Angriff für den 26. August um 4:30&nbsp;Uhr festgelegt,<ref>Donald Cameron Watt: How War Came. The Immediate Origins of the Second World War, 1938–1939. Pantheon Books, New York 1989, S. 479.</ref> zog den Befehl aber am Vortag kurzfristig zurück, nachdem er erfahren hatte, dass Italien nicht kriegsbereit sei und England und Polen ihre gegenseitigen Zusagen [[Britisch-französische Garantieerklärung|vertraglich fixiert]] hatten. ====
{{Hauptartikel|Überfall auf Polen}}
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Hitler befahl nunmehr am 31.&nbsp;August 1939 den Angriff der [[Wehrmacht]] auf Polen um 4:45&nbsp;Uhr des folgenden Tages. Diese Weisung enthielt auch taktische Weisungen für das Verhalten der Wehrmacht im Westen und Norden (Ostsee-Eingänge [[Kattegat]] und [[Skagerrak]]) und verbot Angriffe gegen „das englische Mutterland“ mit unzureichenden Teilkräften.<ref>Vgl. ''Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918–1945'', Serie D, Band VII M 70604, S. 397, 1946; hrsg. v. Beauftragten der Siegermächte USA, GB und Frankreich.</ref>
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Hitler hatte am 23.&nbsp;August den Angriff für den 26. August um 4:30&nbsp;Uhr festgelegt,<ref>Donald Cameron Watt: How War Came. The Immediate Origins of the Second World War, 1938–1939. Pantheon Books, New York 1989, S. 479.</ref> zog den Befehl aber am Vortag kurzfristig zurück, nachdem er erfahren hatte, dass Italien nicht kriegsbereit sei und England und Polen ihre gegenseitigen Zusagen [[Britisch-französische Garantieerklärung|vertraglich fixiert]] hatten.
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Hitler befahl nunmehr am 31.&nbsp;August 1939 den Angriff der [[Wehrmacht]] auf Polen um 4:45&nbsp;Uhr des folgenden Tages. Diese Weisung enthielt auch taktische Weisungen für das Verhalten der Wehrmacht im Westen und Norden (Ostsee-Eingänge [[Kattegat]] und [[Skagerrak]]) und verbot Angriffe gegen „das englische Mutterland“ mit unzureichenden Teilkräften.<ref>Vgl. ''Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918–1945'', Serie D, Band VII M 70604, S. 397, 1946; hrsg. v. Beauftragten der Siegermächte USA, GB und Frankreich.</ref>
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Diesem militärischen Überfall auf das Nachbarland<ref>Arnulf Scriba: [https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/kriegsverlauf/ueberfall-auf-polen-1939.html ''Der Überfall auf Polen 1939''], [[Lebendiges Museum Online|LeMO]] auf der Webseite des [[Deutsches Historisches Museum|Deutschen Historischen Museums]] vom 19. Mai 2015.</ref> ging keine formale [[Kriegserklärung]] voraus. Um die [[Invasion (Militär)|Invasion]] Polens zu rechtfertigen, fingierte die deutsche Seite mehrere Vorfälle, so zum Beispiel den vorgetäuschten [[Überfall auf den Sender Gleiwitz]] von als polnische [[Widerstandskämpfer]] verkleideten [[Schutzstaffel|SS]]-Angehörigen am 31.&nbsp;August. Dabei verkündeten diese in polnischer Sprache über Radio wahrheitswidrig eine ''Kriegserklärung'' Polens an das Deutsche Reich. Der fadenscheinige Trick wurde von Berlin aus mit dem Kennwort „Großmutter gestorben“ ausgelöst. Fast drei Millionen deutsche Soldaten waren aufmarschiert, um Polen zu überfallen. Sie hatten rund 400.000 Pferde und 200.000 Fahrzeuge zur Verfügung. 1,5 Millionen Mann waren bis zur polnischen Grenze vorgerückt, viele mit Platzpatronen, um vorzutäuschen, sie zögen nur ins Manöver. Mit der Unklarheit war es jedoch vorbei, als sie Befehl erhielten, scharfe Munition zu laden.<ref>Vgl. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 35&nbsp;f.</ref>  
[[Datei:Germans at Polish Border (1939-09-01).jpg|mini|Deutsche Soldaten und Danziger Landespolizisten stellen die Zerstörung eines polnischen Schlagbaums an der Grenze zur [[Freie Stadt Danzig|Freien Stadt Danzig]] nach, 1.&nbsp;September 1939]]
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Diesem militärischen Überfall auf das Nachbarland<ref>Arnulf Scriba: [https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/kriegsverlauf/ueberfall-auf-polen-1939.html ''Der Überfall auf Polen 1939''], [[Lebendiges Museum Online|LeMO]] auf der Webseite des [[Deutsches Historisches Museum|Deutschen Historischen Museums]] vom 19. Mai 2015.</ref> ging keine formale [[Kriegserklärung]] voraus. Um die [[Invasion (Militär)|Invasion]] Polens zu rechtfertigen, fingierte die deutsche Seite mehrere Vorfälle, so zum Beispiel den vorgetäuschten [[Überfall auf den Sender Gleiwitz]] von als polnische [[Widerstandskämpfer]] verkleideten [[Schutzstaffel|SS]]-Angehörigen am 31.&nbsp;August. Dabei verkündeten diese in polnischer Sprache über Radio wahrheitswidrig eine ''Kriegserklärung'' Polens an das Deutsche Reich. Der fadenscheinige Trick wurde von Berlin aus mit dem Kennwort „Großmutter gestorben“ ausgelöst. Fast drei Millionen deutsche Soldaten waren aufmarschiert, um Polen zu überfallen. Sie hatten rund 400.000 Pferde und 200.000 Fahrzeuge zur Verfügung. 1,5 Millionen Mann waren bis zur polnischen Grenze vorgerückt, viele mit Platzpatronen, um vorzutäuschen, sie zögen nur ins Manöver. Mit der Unklarheit war es jedoch vorbei, als sie Befehl erhielten, scharfe Munition zu laden.<ref>Vgl. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 35&nbsp;f.</ref> [[Datei:Zniszczenia1939 0.jpg|mini|Wieluń nach dem Luftangriff, 1.&nbsp;September 1939]]
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1976-071-36, Polen, an der Brahe, deutsche Panzer.jpg|mini|Links Panzer-Kampfwagen I und II beim Vormarsch nahe [[Bydgoszcz|Bromberg]] im ''Polnischen Korridor'', September 1939. Rechts, im Sd.-Kfz 251 mit Vorrichtung für einen Sonnenschutz, General [[Heinz Guderian]]]]
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Den militärischen Angriff begannen das deutsche [[Linienschiff]] ''[[SMS Schleswig-Holstein|Schleswig-Holstein]]'' auf die polnische Stellung „[[Westerplatte]]“ bei [[Danzig]] und die [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]] mit dem [[Luftangriff auf Wieluń]] am 1. September 1939. Die polnische Armee mit ungefähr 1,01&nbsp;Millionen Soldaten stand 1,5&nbsp;Millionen deutschen Soldaten gegenüber.<ref name="Heinrich August Winkler">Heinrich August Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege.'' C.H.Beck, München 2011, S. 894&nbsp;f.</ref> Technisch und in der Art der [[Kriegführung]] war sie unterlegen. Nach dem Einmarsch der ''[[Rote Armee|Roten Armee]]'' in Ostpolen am 17.&nbsp;September 1939 wurde das Kräfteverhältnis nochmals dramatisch zu Gunsten der Aggressoren verschoben. Die polnische Regierung rechnete andererseits mit der Unterstützung durch Frankreich und Großbritannien, die am 2.&nbsp;September aufgrund der „[[Britisch-französische Garantieerklärung|Garantieerklärung vom 30.&nbsp;März 1939]]“ ein [[Ultimatum]] an das Deutsche Reich gestellt hatten. Es forderte den sofortigen Rückzug aller deutschen Truppen aus Polen. Die britisch-französische Garantieerklärung hätte diese Staaten verpflichtet, spätestens 15&nbsp;Tage nach einem deutschen Angriff eine eigene Offensive im Westen Deutschlands zu beginnen. Hitler nahm an, dass die beiden Westmächte ihn ebenso wie beim Einmarsch in die „Rest-Tschechei“ gewähren lassen würden, und ließ den [[Westwall]] nur schwach besetzen.
Den militärischen Angriff begannen das deutsche [[Linienschiff]] ''[[SMS Schleswig-Holstein|Schleswig-Holstein]]'' auf die polnische Stellung „[[Westerplatte]]“ bei [[Danzig]] und die [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]] mit dem [[Luftangriff auf Wieluń]] am 1. September 1939. Die polnische Armee mit ungefähr 1,01&nbsp;Millionen Soldaten stand 1,5&nbsp;Millionen deutschen Soldaten gegenüber.<ref name="Heinrich August Winkler">Heinrich August Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege.'' C.H.Beck, München 2011, S. 894&nbsp;f.</ref> Technisch und in der Art der [[Kriegführung]] war sie unterlegen. Nach dem Einmarsch der ''[[Rote Armee|Roten Armee]]'' in Ostpolen am 17.&nbsp;September 1939 wurde das Kräfteverhältnis nochmals dramatisch zu Gunsten der Aggressoren verschoben. Die polnische Regierung rechnete andererseits mit der Unterstützung durch Frankreich und Großbritannien, die am 2.&nbsp;September aufgrund der „[[Britisch-französische Garantieerklärung|Garantieerklärung vom 30.&nbsp;März 1939]]“ ein [[Ultimatum]] an das Deutsche Reich gestellt hatten. Es forderte den sofortigen Rückzug aller deutschen Truppen aus Polen. Die britisch-französische Garantieerklärung hätte diese Staaten verpflichtet, spätestens 15&nbsp;Tage nach einem deutschen Angriff eine eigene Offensive im Westen Deutschlands zu beginnen. Hitler nahm an, dass die beiden Westmächte ihn ebenso wie beim Einmarsch in die „Rest-Tschechei“ gewähren lassen würden, und ließ den [[Westwall]] nur schwach besetzen.[[Datei:Chamberlain-war-declaration.ogg|mini|links|Tonaufnahme: Premierminister Chamberlain informiert in einer Radioansprache vom 3. September 1939 die britische Bevölkerung über die Kriegserklärung an Deutschland]] Ein Angriff der Westmächte blieb aus, jedoch erklärten Großbritannien und Frankreich am 3.&nbsp;September nach Ablauf des Ultimatums Deutschland den Krieg. Die [[Kriegsregierung Chamberlain]] hatte jedoch nur sieben Monate Bestand, während derer Großbritannien im [[Sitzkrieg]] weitgehend passiv blieb.
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Ein Angriff der Westmächte blieb aus, jedoch erklärten Großbritannien und Frankreich am 3.&nbsp;September nach Ablauf des Ultimatums Deutschland den Krieg. Die [[Kriegsregierung Chamberlain]] hatte jedoch nur sieben Monate Bestand, während derer Großbritannien im [[Sitzkrieg]] weitgehend passiv blieb.
    
Mittels [[Gefecht der verbundenen Waffen|konzentrierter Angriffe]] im Rahmen einer „[[Blitzkrieg]]“-Strategie gelang es der Wehrmacht, große Truppenteile der polnischen Verteidiger [[Zangenangriff|einzuschließen]] und [[Kesselschlacht]]en wie [[Schlacht bei Radom|bei Radom]] (9.&nbsp;September) und [[Schlacht an der Bzura|an der Bzura]] (bis zum 19.&nbsp;September) für sich zu entscheiden.
 
Mittels [[Gefecht der verbundenen Waffen|konzentrierter Angriffe]] im Rahmen einer „[[Blitzkrieg]]“-Strategie gelang es der Wehrmacht, große Truppenteile der polnischen Verteidiger [[Zangenangriff|einzuschließen]] und [[Kesselschlacht]]en wie [[Schlacht bei Radom|bei Radom]] (9.&nbsp;September) und [[Schlacht an der Bzura|an der Bzura]] (bis zum 19.&nbsp;September) für sich zu entscheiden.
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Die auf einen schnellen Sieg ausgelegte – und hierbei erfolgreiche – Taktik beim Angriff auf Polen förderte die Verwendung des Begriffs „[[Blitzkrieg]]“ und prägte die weitere Kriegführung Deutschlands bis Ende 1941.
 
Die auf einen schnellen Sieg ausgelegte – und hierbei erfolgreiche – Taktik beim Angriff auf Polen förderte die Verwendung des Begriffs „[[Blitzkrieg]]“ und prägte die weitere Kriegführung Deutschlands bis Ende 1941.
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==== Stellungskrieg an der Westfront, 1939 ====
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==== Stellungskrieg an der Westfront, 1939Am 3.&nbsp;September erklärten Frankreich und Großbritannien Deutschland den Krieg. Aufgrund dessen begann am 5.&nbsp;September eine begrenzte und eher symbolische Offensive der Franzosen gegen das Saargebiet. Die Deutschen leisteten keinen Widerstand und zogen sich zum stark befestigten Westwall zurück. Danach blieb es ruhig an der Westfront. Diese Phase wird auch als „Sitzkrieg“ bezeichnet.<ref>Vgl. französisch: „drôle de guerre“ = „komischer Krieg“, englisch: „phoney war“ = „Krieg der Worte“ oder „Scheinkrieg“. Zum Beispiel wurden am 3.&nbsp;September sechs Millionen Flugblätter von britischen Flugzeugen über Deutschland abgeworfen. Zit.&nbsp;n. H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 899.</ref> Bis auf vereinzelte Artillerie[[scharmützel]] erfolgten keine alliierten Angriffe. Auf deutscher Seite rollte die [[NS-Propaganda|Propagandamaschinerie]] an. Mit Flugblättern und Parolen über Lautsprecher fragte man die Franzosen „''Warum führt ihr Krieg?''“ oder verkündete „''Wir werden nicht zuerst schießen''“. ====
{{Hauptartikel|Sitzkrieg}}
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 101I-036-0175-16, Oberrheinfront, Lautsprecherwagen.jpg|mini|Lautsprecherwagen der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] an der Front am [[Oberrhein]], 1939]]
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Am 3.&nbsp;September erklärten Frankreich und Großbritannien Deutschland den Krieg. Aufgrund dessen begann am 5.&nbsp;September eine begrenzte und eher symbolische Offensive der Franzosen gegen das Saargebiet. Die Deutschen leisteten keinen Widerstand und zogen sich zum stark befestigten Westwall zurück. Danach blieb es ruhig an der Westfront. Diese Phase wird auch als „Sitzkrieg“ bezeichnet.<ref>Vgl. französisch: „drôle de guerre“ = „komischer Krieg“, englisch: „phoney war“ = „Krieg der Worte“ oder „Scheinkrieg“. Zum Beispiel wurden am 3.&nbsp;September sechs Millionen Flugblätter von britischen Flugzeugen über Deutschland abgeworfen. Zit.&nbsp;n. H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 899.</ref> Bis auf vereinzelte Artillerie[[scharmützel]] erfolgten keine alliierten Angriffe. Auf deutscher Seite rollte die [[NS-Propaganda|Propagandamaschinerie]] an. Mit Flugblättern und Parolen über Lautsprecher fragte man die Franzosen „''Warum führt ihr Krieg?''“ oder verkündete „''Wir werden nicht zuerst schießen''“.
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Am 27. September erging eine Weisung Hitlers an das Oberkommando des Heeres zur Ausarbeitung eines Angriffsplans, des sogenannten „[[Westfeldzug|Fall Gelb]]“. Bis zum 29.&nbsp;Oktober waren die Planungen abgeschlossen. Sie sahen vor, dass zwei Heeresgruppen durch die [[Niederlande]] und [[Belgien]] vorstoßen sollten, um somit sämtliche alliierten Kräfte nördlich der [[Somme]] zu zerschlagen.
 
Am 27. September erging eine Weisung Hitlers an das Oberkommando des Heeres zur Ausarbeitung eines Angriffsplans, des sogenannten „[[Westfeldzug|Fall Gelb]]“. Bis zum 29.&nbsp;Oktober waren die Planungen abgeschlossen. Sie sahen vor, dass zwei Heeresgruppen durch die [[Niederlande]] und [[Belgien]] vorstoßen sollten, um somit sämtliche alliierten Kräfte nördlich der [[Somme]] zu zerschlagen.
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Finnland hatte sich seit Beginn der 1930er-Jahre dem Entwicklungsstand der anderen nordischen Demokratien angepasst, mit denen es konfessionell durch seine protestantisch-lutherische Prägung verwandt war. Auf außenpolitischem Gebiet rückten sie näher zusammen, als sich im Herbst 1933 Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark sowie Belgien, Luxemburg und die Niederlande zu den sogenannten ''Oslo-Staaten'' zusammenschlossen, die sich zu einer engen Zollunion bekannten. 1935 legte sich die finnische Regierung [[Toivo Kivimäki]] auf eine engere Zusammenarbeit mit den drei anderen skandinavischen Staaten zwecks Sicherung der gemeinsamen Neutralität fest.<ref>Es war eine Reaktion auf die drohende Gefahr eines neuen großen europäischen Krieges. Vgl. H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914–1945.'' München 2011, S. 367&nbsp;f.</ref>
 
Finnland hatte sich seit Beginn der 1930er-Jahre dem Entwicklungsstand der anderen nordischen Demokratien angepasst, mit denen es konfessionell durch seine protestantisch-lutherische Prägung verwandt war. Auf außenpolitischem Gebiet rückten sie näher zusammen, als sich im Herbst 1933 Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark sowie Belgien, Luxemburg und die Niederlande zu den sogenannten ''Oslo-Staaten'' zusammenschlossen, die sich zu einer engen Zollunion bekannten. 1935 legte sich die finnische Regierung [[Toivo Kivimäki]] auf eine engere Zusammenarbeit mit den drei anderen skandinavischen Staaten zwecks Sicherung der gemeinsamen Neutralität fest.<ref>Es war eine Reaktion auf die drohende Gefahr eines neuen großen europäischen Krieges. Vgl. H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914–1945.'' München 2011, S. 367&nbsp;f.</ref>
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[[Datei:Simo hayha honorary rifle.jpg|mini|links|[[Simo Häyhä]], während des Winterkrieges (Dez.&nbsp;1939 – März&nbsp;1940) als [[Scharfschütze]] eingesetzt und von Soldaten der Roten Armee als „Weißer Tod“ bezeichnet, tötete mehr als 500 sowjetische Soldaten während der [[Schlacht von Kollaa]]]]
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Am&nbsp;30.&nbsp;November 1939 überschritten sowjetische Truppen unter dem Kommando des Marschalls [[Kirill Afanassjewitsch Merezkow|Kirill Merezkow]] im sogenannten Winterkrieg die finnische Grenze. Die ''Rote Armee'' griff mit 450.000 Mann, 2.000 Panzern und 1.000 Flugzeugen an<ref>Carl van Dyke: ''The Soviet Invasion of Finland 1939–40''. London 1997, S. 55.</ref> und erwartete einen schnellen Sieg. Deren Offiziere nahmen an, die Finnen würden sie als ihre ''Brüder'' und ''Befreier'' von den kapitalistischen ''Unterdrückern'' begrüßen. Die sowjetische Führung unterschätzte die Kampfkraft der Finnen, die mit nur 200.000 Soldaten, darunter vielen Reservisten und Jugendlichen, wenigen Panzern und Flugzeugen die Angreifer der ''Roten Armee'' am Durchbruch der [[Mannerheim-Linie]] nach hohen sowjetischen Verlusten hindern konnten. Finnische Soldaten nutzten einfache, aber effektive Brandsätze zur Panzerbekämpfung, die von ihnen nach dem Außenminister der Sowjetunion „[[Molotowcocktail]]“ genannt wurden.<ref>Vgl. Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, Folgen''. Bath, UK, S.&nbsp;33.</ref> Die zahlenmäßige Übermacht der sowjetischen Truppen wirkte sich nicht besonders aus, weil das Waldgelände und der tiefe Schnee Operationen der ''Roten Armee'' abseits der wenigen Straßen kaum zuließen und oft nur ein [[Regiment]] vorne an befestigten Straßen kämpfen konnte.<ref>Hinweis: Ein sowjetisches Schützenregiment umfasste ca. 450 Soldaten.</ref> Zu diesen Widrigkeiten kamen Temperaturen von minus 35&nbsp;°C hinzu.<ref>Vgl. Carl van Dyke: ''The Soviet Invasion of Finland 1939–40''. London 1997, S. 100 und 123.</ref> Am Ende des Winterkrieges hatte die ''Rote Armee'' mehr als 85.000 Tote und Vermisste zu beklagen, die finnische Armee ca. 27.000 Mann.<ref>Vgl. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 58 & 64.</ref> Erst nach umfassenden Umgruppierungen und Verstärkungen konnte die Rote Armee Anfang Februar 1940 auf der Karelischen Landenge westlich des Ladoga-Sees größere Durchbrüche erzielen.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S.&nbsp;901.</ref>
[[Datei:A Finnish Maxim M-32 machine gun nest during the Winter War.jpg|mini|Finnische Maschinengewehr&shy;stellung bei [[Pitkjaranta]] (heutiger russ. Name) am Nordostufer des Ladoga-Sees, etwa 100&nbsp;m vor der sowjetischen Front, 21. Febr. 1940]]Am&nbsp;30.&nbsp;November 1939 überschritten sowjetische Truppen unter dem Kommando des Marschalls [[Kirill Afanassjewitsch Merezkow|Kirill Merezkow]] im sogenannten Winterkrieg die finnische Grenze. Die ''Rote Armee'' griff mit 450.000 Mann, 2.000 Panzern und 1.000 Flugzeugen an<ref>Carl van Dyke: ''The Soviet Invasion of Finland 1939–40''. London 1997, S. 55.</ref> und erwartete einen schnellen Sieg. Deren Offiziere nahmen an, die Finnen würden sie als ihre ''Brüder'' und ''Befreier'' von den kapitalistischen ''Unterdrückern'' begrüßen. Die sowjetische Führung unterschätzte die Kampfkraft der Finnen, die mit nur 200.000 Soldaten, darunter vielen Reservisten und Jugendlichen, wenigen Panzern und Flugzeugen die Angreifer der ''Roten Armee'' am Durchbruch der [[Mannerheim-Linie]] nach hohen sowjetischen Verlusten hindern konnten. Finnische Soldaten nutzten einfache, aber effektive Brandsätze zur Panzerbekämpfung, die von ihnen nach dem Außenminister der Sowjetunion „[[Molotowcocktail]]“ genannt wurden.<ref>Vgl. Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, Folgen''. Bath, UK, S.&nbsp;33.</ref> Die zahlenmäßige Übermacht der sowjetischen Truppen wirkte sich nicht besonders aus, weil das Waldgelände und der tiefe Schnee Operationen der ''Roten Armee'' abseits der wenigen Straßen kaum zuließen und oft nur ein [[Regiment]] vorne an befestigten Straßen kämpfen konnte.<ref>Hinweis: Ein sowjetisches Schützenregiment umfasste ca. 450 Soldaten.</ref> Zu diesen Widrigkeiten kamen Temperaturen von minus 35&nbsp;°C hinzu.<ref>Vgl. Carl van Dyke: ''The Soviet Invasion of Finland 1939–40''. London 1997, S. 100 und 123.</ref> Am Ende des Winterkrieges hatte die ''Rote Armee'' mehr als 85.000 Tote und Vermisste zu beklagen, die finnische Armee ca. 27.000 Mann.<ref>Vgl. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 58 & 64.</ref> Erst nach umfassenden Umgruppierungen und Verstärkungen konnte die Rote Armee Anfang Februar 1940 auf der Karelischen Landenge westlich des Ladoga-Sees größere Durchbrüche erzielen.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S.&nbsp;901.</ref>
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[[Datei:Map of Finnish areas ceded to Soviet Union 1940-47.png|150px|mini|
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Finnische&nbsp;Gebietsverluste im Frieden von Moskau (1940) und im Frieden von Paris (1947)]]
   
Schweden unterstützte Finnland indirekt, ohne seine Neutralität aufzugeben. Großbritannien und Frankreich griffen nicht zugunsten der Finnen in den Krieg ein, da beide Staaten keinen weiteren Kriegsgegner haben wollten. Das Deutsche Reich sympathisierte zwar mit Finnland, eine militärische Unterstützung erfolgte jedoch wegen des bestehenden Nichtangriffspakts mit der Sowjetunion nicht.
 
Schweden unterstützte Finnland indirekt, ohne seine Neutralität aufzugeben. Großbritannien und Frankreich griffen nicht zugunsten der Finnen in den Krieg ein, da beide Staaten keinen weiteren Kriegsgegner haben wollten. Das Deutsche Reich sympathisierte zwar mit Finnland, eine militärische Unterstützung erfolgte jedoch wegen des bestehenden Nichtangriffspakts mit der Sowjetunion nicht.
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==== Besetzung Dänemarks und Norwegens, April 1940 ====
 
==== Besetzung Dänemarks und Norwegens, April 1940 ====
 
{{Hauptartikel|Unternehmen Weserübung}}
 
{{Hauptartikel|Unternehmen Weserübung}}
[[Datei:Second world war europe 1940 map de.png|mini|Norwegen und Westfeldzug 1940]]
      
Zum Ende des Jahres 1939, nach dem Ausfall der Eisenerzeinfuhren aus Frankreich (lothringische [[Minette (Erz)|Minette]]), deckten die Erzlieferungen aus dem neutralen [[Schweden]] 49&nbsp;Prozent des deutschen Bedarfs. Diese wurden von den schwedischen Abbaugebieten bei [[Kiruna]] mit der [[Bahnstrecke Luleå–Narvik|Erzbahn]] zum ganzjährig eisfreien Verladehafen [[Narvik]] in Norwegen transportiert. Norwegen hatte daher für das Deutsche Reich eine außerordentliche wirtschaftliche und militärische Bedeutung. Ein weiterer wichtiger Rohstoff war das finnische [[Nickel]]. Die Briten wollten diese wichtigen Rohstofflieferungen stören und frühestmöglich unterbinden (→[[Altmark-Zwischenfall]]), weswegen am 5.&nbsp;Februar 1940 im obersten franko-britischen Kriegsrat die Landung von vier [[Division (Militär)|Divisionen]] in Narvik vereinbart worden war. Am 21. Februar erging eine Weisung Hitlers für die Planung von Unternehmen in [[Skandinavien]]. Am 1.&nbsp;März wurde das ''[[Unternehmen Weserübung]]'' beschlossen. Es sah vor, [[Dänemark]] einzunehmen und als „Sprungbrett“ für die Eroberung Norwegens zu benutzen. Im März kam es zu ersten Angriffen auf britische Kriegsschiffe.
 
Zum Ende des Jahres 1939, nach dem Ausfall der Eisenerzeinfuhren aus Frankreich (lothringische [[Minette (Erz)|Minette]]), deckten die Erzlieferungen aus dem neutralen [[Schweden]] 49&nbsp;Prozent des deutschen Bedarfs. Diese wurden von den schwedischen Abbaugebieten bei [[Kiruna]] mit der [[Bahnstrecke Luleå–Narvik|Erzbahn]] zum ganzjährig eisfreien Verladehafen [[Narvik]] in Norwegen transportiert. Norwegen hatte daher für das Deutsche Reich eine außerordentliche wirtschaftliche und militärische Bedeutung. Ein weiterer wichtiger Rohstoff war das finnische [[Nickel]]. Die Briten wollten diese wichtigen Rohstofflieferungen stören und frühestmöglich unterbinden (→[[Altmark-Zwischenfall]]), weswegen am 5.&nbsp;Februar 1940 im obersten franko-britischen Kriegsrat die Landung von vier [[Division (Militär)|Divisionen]] in Narvik vereinbart worden war. Am 21. Februar erging eine Weisung Hitlers für die Planung von Unternehmen in [[Skandinavien]]. Am 1.&nbsp;März wurde das ''[[Unternehmen Weserübung]]'' beschlossen. Es sah vor, [[Dänemark]] einzunehmen und als „Sprungbrett“ für die Eroberung Norwegens zu benutzen. Im März kam es zu ersten Angriffen auf britische Kriegsschiffe.
    
Am 5. April begann die alliierte ''[[Operation Wilfred]]'', in der die Gewässer vor Norwegen vermint und weitere Truppen ins Land gebracht werden sollten. Einen Tag später lief das deutsche ''Unternehmen Weserübung'' an. Dabei wurde fast die gesamte [[Kriegsmarine]] mobilisiert und die Hälfte der gesamten deutschen Zerstörerflottille nach Narvik geschickt. Am 9.&nbsp;April wurde eine [[Gebirgstruppe (Deutschland)#Die Gebirgstruppe der Wehrmacht|Gebirgsjäger-Division]] in [[Schlacht um Narvik|Narvik]] angelandet.
 
Am 5. April begann die alliierte ''[[Operation Wilfred]]'', in der die Gewässer vor Norwegen vermint und weitere Truppen ins Land gebracht werden sollten. Einen Tag später lief das deutsche ''Unternehmen Weserübung'' an. Dabei wurde fast die gesamte [[Kriegsmarine]] mobilisiert und die Hälfte der gesamten deutschen Zerstörerflottille nach Narvik geschickt. Am 9.&nbsp;April wurde eine [[Gebirgstruppe (Deutschland)#Die Gebirgstruppe der Wehrmacht|Gebirgsjäger-Division]] in [[Schlacht um Narvik|Narvik]] angelandet.
[[Datei:Bundesarchiv Bild 101I-753-0010-19A, Jütland, deutscher Spähpanzer (Sd. Kfz. 222).jpg|mini|links|[[Panzerspähwagen Sd.Kfz. 222|Panzerspähwagen]] der Wehrmacht in [[Viborg]] (Dänemark), April 1940]]
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Die britische militärische Führung hielt eine Landung der Deutschen für recht unwahrscheinlich, was dazu führte, dass von alliierter Seite nur geringe Gegenmaßnahmen getroffen wurden. Die Deutschen konnten ihren [[Brückenkopf]] ohne größeren Widerstand ausweiten, sodass am 10.&nbsp;April bereits [[Stavanger]], [[Trondheim]] und Narvik besetzt wurden, nachdem zuvor bereits [[Dänemark unter deutscher Besatzung|Dänemark kampflos besetzt]] worden war.<ref>Vgl. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S.&nbsp;93.</ref> Großbritannien besetzte am 12.&nbsp;April aus strategischen Gründen die dänischen [[Färöer im Zweiten Weltkrieg|Färöer]] im Nordatlantik. [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H26353, Norwegen, Kampf um ein brennendes Dorf.jpg|mini|Deutsche Soldaten im Kampf um ein brennendes Dorf in Norwegen, 40&nbsp;km westlich [[Lillehammer]], April 1940]]
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Die britische militärische Führung hielt eine Landung der Deutschen für recht unwahrscheinlich, was dazu führte, dass von alliierter Seite nur geringe Gegenmaßnahmen getroffen wurden. Die Deutschen konnten ihren [[Brückenkopf]] ohne größeren Widerstand ausweiten, sodass am 10.&nbsp;April bereits [[Stavanger]], [[Trondheim]] und Narvik besetzt wurden, nachdem zuvor bereits [[Dänemark unter deutscher Besatzung|Dänemark kampflos besetzt]] worden war.<ref>Vgl. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S.&nbsp;93.</ref> Großbritannien besetzte am 12.&nbsp;April aus strategischen Gründen die dänischen [[Färöer im Zweiten Weltkrieg|Färöer]] im Nordatlantik.  
    
Beim Versuch, die Hauptstadt Oslo zu besetzen, wurden schwere Einheiten der Kriegsmarine eingesetzt, die im engen Fahrwasser des [[Oslofjord]]es wenig geeignet waren. Dabei wurde das deutsche Flaggschiff, der Schwere Kreuzer ''[[Blücher (Schiff, 1937)|Blücher]]'', deren erster Kampfeinsatz ihr letzter war, durch norwegische Küstenbatterien versenkt. Oslo wurde, später als von den Deutschen geplant, von Luftlandetruppen eingenommen.
 
Beim Versuch, die Hauptstadt Oslo zu besetzen, wurden schwere Einheiten der Kriegsmarine eingesetzt, die im engen Fahrwasser des [[Oslofjord]]es wenig geeignet waren. Dabei wurde das deutsche Flaggschiff, der Schwere Kreuzer ''[[Blücher (Schiff, 1937)|Blücher]]'', deren erster Kampfeinsatz ihr letzter war, durch norwegische Küstenbatterien versenkt. Oslo wurde, später als von den Deutschen geplant, von Luftlandetruppen eingenommen.
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==== Westfeldzug, Mai/Juni 1940 ====
 
==== Westfeldzug, Mai/Juni 1940 ====
{{Hauptartikel|Westfeldzug}}
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Am 10.&nbsp;Mai 1940 begann der Angriff deutscher Verbände („[[Fall Gelb]]“) mit insgesamt sieben Armeen auf die neutralen Staaten Niederlande, Belgien und Luxemburg. 136 deutsche Divisionen standen rund 137 alliierten gegenüber.
 
Am 10.&nbsp;Mai 1940 begann der Angriff deutscher Verbände („[[Fall Gelb]]“) mit insgesamt sieben Armeen auf die neutralen Staaten Niederlande, Belgien und Luxemburg. 136 deutsche Divisionen standen rund 137 alliierten gegenüber.
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[[Datei:Rotterdam, Laurenskerk, na bombardement van mei 1940.jpg|mini|[[Rotterdam]] nach Bombenangriff im Mai 1940 und anschließender Enttrümmerung (1942)]] Als erste stellten die Niederlande ihren Widerstand ein. Am 13.&nbsp;Mai gingen [[Wilhelmina (Niederlande)|Königin Wilhelmina]] und die Regierung ins Exil nach London. Nach dem schnellen Vorstoß der Heeresgruppe A durch das Großherzogtum und [[Bombardierung von Rotterdam 1940|Bombardierung Rotterdams]], bei der 814 Einwohner der Stadt ums Leben kamen,<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914–1945.'' S.&nbsp;907.</ref> kapitulierten die niederländischen Streitkräfte am 15.&nbsp;Mai 1940. Drei Tage später übernahm der ehemalige Führer der österreichischen Nationalsozialisten, [[Arthur Seyß-Inquart]], das Amt des [[Reichskommissariat Niederlande|Reichskommissars für die Niederlande]]. Die niederländischen Inseln [[Aruba]] und [[Curaçao]] (Südamerika) hatten im Weltkrieg wegen ihrer weltgrößten Erdölraffinerien große strategische Bedeutung, weswegen sie 1942 von deutschen und italienischen U-Booten [[Angriff auf Aruba|beschossen]] wurden.
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Als erste stellten die Niederlande ihren Widerstand ein. Am 13.&nbsp;Mai gingen [[Wilhelmina (Niederlande)|Königin Wilhelmina]] und die Regierung ins Exil nach London. Nach dem schnellen Vorstoß der Heeresgruppe A durch das Großherzogtum und [[Bombardierung von Rotterdam 1940|Bombardierung Rotterdams]], bei der 814 Einwohner der Stadt ums Leben kamen,<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914–1945.'' S.&nbsp;907.</ref> kapitulierten die niederländischen Streitkräfte am 15.&nbsp;Mai 1940. Drei Tage später übernahm der ehemalige Führer der österreichischen Nationalsozialisten, [[Arthur Seyß-Inquart]], das Amt des [[Reichskommissariat Niederlande|Reichskommissars für die Niederlande]]. Die niederländischen Inseln [[Aruba]] und [[Curaçao]] (Südamerika) hatten im Weltkrieg wegen ihrer weltgrößten Erdölraffinerien große strategische Bedeutung, weswegen sie 1942 von deutschen und italienischen U-Booten [[Angriff auf Aruba|beschossen]] wurden.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1969-129-01, Belgien, deutsche Truppen in Brüssel.jpg|mini|Kampflose Ankunft motorisierter deutscher Truppen im Zentrum von [[Brüssel]], 17.&nbsp;Mai 1940]]
   
Die belgische Armee leistete etwas länger Widerstand. Bis zum 16.&nbsp;Mai wurden die Festungen Lüttich, Namur und die [[Dijle|Dyle-Stellung]] eingenommen, am 17.&nbsp;Mai Brüssel und tags darauf Antwerpen. Dadurch gelang es den deutschen Angreifern, die belgischen Truppen nördlich dieser Linie von den britischen und französischen Verbänden abzuschneiden, die inzwischen nach Belgien vorgerückt waren. Die belgische Regierung flüchtete über Frankreich nach Großbritannien. Am 28.&nbsp;Mai unterzeichnete der im Lande gebliebene König [[Leopold III. (Belgien)|Leopold&nbsp;III.]] gegen den Willen des Kabinetts die Kapitulation.<ref>Vgl. Rolf Fischer: ''Zweiter Weltkrieg.'' Köln 2014, S.&nbsp;64&nbsp;f.</ref> Regierungspräsident [[Eggert Reeder]] wurde Chef der deutschen Militärverwaltung.<ref name="Winkler 908">H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914–1945.'' S.&nbsp;908.</ref>
 
Die belgische Armee leistete etwas länger Widerstand. Bis zum 16.&nbsp;Mai wurden die Festungen Lüttich, Namur und die [[Dijle|Dyle-Stellung]] eingenommen, am 17.&nbsp;Mai Brüssel und tags darauf Antwerpen. Dadurch gelang es den deutschen Angreifern, die belgischen Truppen nördlich dieser Linie von den britischen und französischen Verbänden abzuschneiden, die inzwischen nach Belgien vorgerückt waren. Die belgische Regierung flüchtete über Frankreich nach Großbritannien. Am 28.&nbsp;Mai unterzeichnete der im Lande gebliebene König [[Leopold III. (Belgien)|Leopold&nbsp;III.]] gegen den Willen des Kabinetts die Kapitulation.<ref>Vgl. Rolf Fischer: ''Zweiter Weltkrieg.'' Köln 2014, S.&nbsp;64&nbsp;f.</ref> Regierungspräsident [[Eggert Reeder]] wurde Chef der deutschen Militärverwaltung.<ref name="Winkler 908">H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914–1945.'' S.&nbsp;908.</ref>
[[Datei:1940-Fall Gelb.jpg|mini|links|Der sogenannte „Sichelschnitt“ (Mai 1940) von Luxemburg nach Boulogne u. Calais an der Kanalküste. Die dort operierenden britischen und frz. Truppen wurden dadurch von ihren rückwärtigen Verbindungen nach Nordfrankreich abgeschnitten]]
      
Um den nördlichen Abschnitt der Maginot-Linie zu umgehen, wurde das neutrale [[Luxemburg im Zweiten Weltkrieg|Luxemburg]] von der Wehrmacht als Durchmarschgebiet genutzt. Danach wurde das Großherzogtum ein sogenanntes „[[CdZ-Gebiet Luxemburg|CdZ-Gebiet]]“, das einem [[Chef der Zivilverwaltung]] unterstand.<ref>''Der Große Ploetz''. Freiburg i. B. 2008, S. 1062.</ref>
 
Um den nördlichen Abschnitt der Maginot-Linie zu umgehen, wurde das neutrale [[Luxemburg im Zweiten Weltkrieg|Luxemburg]] von der Wehrmacht als Durchmarschgebiet genutzt. Danach wurde das Großherzogtum ein sogenanntes „[[CdZ-Gebiet Luxemburg|CdZ-Gebiet]]“, das einem [[Chef der Zivilverwaltung]] unterstand.<ref>''Der Große Ploetz''. Freiburg i. B. 2008, S. 1062.</ref>
    
In Frankreich hatten Regierung und Militärs auf die stark befestigte [[Maginot-Linie]] entlang der deutsch-französischen Grenze von [[Basel]] bis Luxemburg vertraut. Weil die belgischen [[Ardennen]] für Panzer als schwer passierbar galten, wurden sie von den Alliierten für eine natürliche Verlängerung der Maginotlinie gehalten. Der Feldzugplan des Generalleutnants [[Erich von Manstein]] sah dagegen einen Vormarsch durch die Ardennen mit sechs Panzer- und fünf motorisierten Divisionen vor, um die französischen und britischen Truppen bei [[Boulogne-sur-Mer|Boulogne]] und [[Calais]] von Süden her zu umfassen. Die Heeresgruppen B und C sollten eher defensiv agieren. Diesem Plan kam entgegen, dass starke alliierte Kräfte, darunter die Masse der [[British Expeditionary Force]], weit nach Norden vorrückten, um den bedrängten Belgiern und Niederländern zur Hilfe zu kommen, und auf diese Weise Raum für deutsche Truppen der Heeresgruppe A in ihrem Rücken ließen. Am 19.&nbsp;Mai erreichten deutsche Einheiten die Kanalküste, ungefähr 100&nbsp;km südlich von Calais. Der Vormarsch weiter nördlich an der Kanalküste erfolgte so schnell, dass die britischen und französischen Einheiten bei Calais und [[Dünkirchen]] eingekesselt wurden. Dieser schnelle und unerwartete Vormarsch wurde später von Churchill als „[[Sichelschnitt]]“ bezeichnet.<ref>[[Karl-Heinz Frieser]]: ''Blitzkrieg-Legende. Der Westfeldzug 1940.'' (Militärgeschichtliches Forschungsamt) Oldenbourg, München 2012, S. 71.</ref> Hitler entschied in Übereinstimmung mit [[Gerd von Rundstedt|von Rundstedt]] und im Widerspruch zur Meinung anderer Generäle, die angeschlagene Panzertruppe zu schonen, ihren Vormarsch anzuhalten und die Einschließung von Dünkirchen der Luftwaffe und den Artillerieregimentern zu überlassen.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914–1945.'' München 2011, S. 909.</ref>
 
In Frankreich hatten Regierung und Militärs auf die stark befestigte [[Maginot-Linie]] entlang der deutsch-französischen Grenze von [[Basel]] bis Luxemburg vertraut. Weil die belgischen [[Ardennen]] für Panzer als schwer passierbar galten, wurden sie von den Alliierten für eine natürliche Verlängerung der Maginotlinie gehalten. Der Feldzugplan des Generalleutnants [[Erich von Manstein]] sah dagegen einen Vormarsch durch die Ardennen mit sechs Panzer- und fünf motorisierten Divisionen vor, um die französischen und britischen Truppen bei [[Boulogne-sur-Mer|Boulogne]] und [[Calais]] von Süden her zu umfassen. Die Heeresgruppen B und C sollten eher defensiv agieren. Diesem Plan kam entgegen, dass starke alliierte Kräfte, darunter die Masse der [[British Expeditionary Force]], weit nach Norden vorrückten, um den bedrängten Belgiern und Niederländern zur Hilfe zu kommen, und auf diese Weise Raum für deutsche Truppen der Heeresgruppe A in ihrem Rücken ließen. Am 19.&nbsp;Mai erreichten deutsche Einheiten die Kanalküste, ungefähr 100&nbsp;km südlich von Calais. Der Vormarsch weiter nördlich an der Kanalküste erfolgte so schnell, dass die britischen und französischen Einheiten bei Calais und [[Dünkirchen]] eingekesselt wurden. Dieser schnelle und unerwartete Vormarsch wurde später von Churchill als „[[Sichelschnitt]]“ bezeichnet.<ref>[[Karl-Heinz Frieser]]: ''Blitzkrieg-Legende. Der Westfeldzug 1940.'' (Militärgeschichtliches Forschungsamt) Oldenbourg, München 2012, S. 71.</ref> Hitler entschied in Übereinstimmung mit [[Gerd von Rundstedt|von Rundstedt]] und im Widerspruch zur Meinung anderer Generäle, die angeschlagene Panzertruppe zu schonen, ihren Vormarsch anzuhalten und die Einschließung von Dünkirchen der Luftwaffe und den Artillerieregimentern zu überlassen.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914–1945.'' München 2011, S. 909.</ref>
[[Datei:British troops lifeboat dunkerque.png|mini|Britische Soldaten in Rettungsbooten am Strand bei Dünkirchen, 1940. (Filmszene aus „Divide and Conquer“ (1943) von [[Frank Capra]])]]
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Dadurch gewannen die Briten drei Tage Zeit für die Vorbereitung der ''[[Operation Dynamo]]'', die am 27.&nbsp;Mai begann. Etwa 1200 Schiffe und (auch private) Boote konnten insgesamt 338.000 Soldaten evakuieren, darunter 145.000 Soldaten der französischen Armee. Etwa 80.000 Soldaten, vor allem französische, blieben zurück. Die Briten hatten bei den Kämpfen 68.000 Mann verloren. Fast alle verbliebenen Panzer und Fahrzeuge, der größte Teil der Artillerie und der vorhandenen Vorräte mussten vernichtet werden.<ref>Alle Zahlenangaben nach Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S.&nbsp;138.</ref> Aus militärischer Sicht stellte Hitlers Haltebefehl, der die Evakuierung fast des gesamten britischen Expeditionskorps ermöglichte, einen schweren taktischen und vor allem in der Rückschau folgenreichen Fehler dar. Die Fähigkeit zur Fortsetzung des Krieges wäre nach dem Verlust des Expeditionskorps für Großbritannien deutlich schwieriger geworden, da es sich um erfahrene Berufssoldaten handelte. So ging den Alliierten nur das am Strand zurückgelassene Kriegsmaterial verloren, das leichter ersetzt werden konnte. Aber auch Churchills mitreißende Reden haben im Mai und Juni 1940 den Mut der Briten belebt und stärkten den Sinn dafür, welche Bedeutung der Krieg für das Überleben von Freiheit und Demokratie hatte.<ref>Vgl. Ian Kershaw: ''Höllensturz. Europa 1914 bis 1949.'' DVA, München 2016, S. 529.</ref>
 
Dadurch gewannen die Briten drei Tage Zeit für die Vorbereitung der ''[[Operation Dynamo]]'', die am 27.&nbsp;Mai begann. Etwa 1200 Schiffe und (auch private) Boote konnten insgesamt 338.000 Soldaten evakuieren, darunter 145.000 Soldaten der französischen Armee. Etwa 80.000 Soldaten, vor allem französische, blieben zurück. Die Briten hatten bei den Kämpfen 68.000 Mann verloren. Fast alle verbliebenen Panzer und Fahrzeuge, der größte Teil der Artillerie und der vorhandenen Vorräte mussten vernichtet werden.<ref>Alle Zahlenangaben nach Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S.&nbsp;138.</ref> Aus militärischer Sicht stellte Hitlers Haltebefehl, der die Evakuierung fast des gesamten britischen Expeditionskorps ermöglichte, einen schweren taktischen und vor allem in der Rückschau folgenreichen Fehler dar. Die Fähigkeit zur Fortsetzung des Krieges wäre nach dem Verlust des Expeditionskorps für Großbritannien deutlich schwieriger geworden, da es sich um erfahrene Berufssoldaten handelte. So ging den Alliierten nur das am Strand zurückgelassene Kriegsmaterial verloren, das leichter ersetzt werden konnte. Aber auch Churchills mitreißende Reden haben im Mai und Juni 1940 den Mut der Briten belebt und stärkten den Sinn dafür, welche Bedeutung der Krieg für das Überleben von Freiheit und Demokratie hatte.<ref>Vgl. Ian Kershaw: ''Höllensturz. Europa 1914 bis 1949.'' DVA, München 2016, S. 529.</ref>
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 101III-Pleißer-001-19, Compiegne, Verhandlungen Waffenstillstand.jpg|mini|von Ribbentrop, Hitler, Göring, Raeder (hinter Göring), [[Walther von Brauchitsch|von Brauchitsch]] und Heß vor dem [[Wagen von Compiègne]], 21. Juni 1940]]
      
Als sich die Briten zurückzogen, bereitete sich Frankreich auf die Verteidigung vor. Der „[[Westfeldzug#Fall Rot|Fall Rot]]“, die eigentliche Schlacht um Frankreich, begann am 5.&nbsp;Juni mit einer deutschen Offensive an der [[Aisne (Oise)|Aisne]] und der [[Somme]]. Am 9.&nbsp;Juni überschritten deutsche Soldaten die [[Seine]]. Am 10.&nbsp;Juni trat Italien auf Seiten Deutschlands [[Italiens Kriegserklärung an Frankreich und Großbritannien|in den Krieg ein]] und begann am 21.&nbsp;Juni eine Offensive in den [[Westalpen]], obwohl die Regierung Pétain am 20.&nbsp;Juni Italien um Waffenstillstand gebeten hatte. Am 14.&nbsp;Juni besetzten Teile der 18.&nbsp;Armee die französische Hauptstadt [[Paris]]. Um ihre Zerstörung zu verhindern, war sie zur [[Offene Stadt|offenen Stadt]] erklärt und kampflos von den französischen Truppen geräumt worden. Am selben Tag durchbrachen deutsche Truppen südlich von Saarbrücken die Maginot-Linie<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.''Stuttgart 2000, S.&nbsp;403.</ref>, und die symbolträchtige Festung [[Verdun]] konnte ebenfalls eingenommen werden.
 
Als sich die Briten zurückzogen, bereitete sich Frankreich auf die Verteidigung vor. Der „[[Westfeldzug#Fall Rot|Fall Rot]]“, die eigentliche Schlacht um Frankreich, begann am 5.&nbsp;Juni mit einer deutschen Offensive an der [[Aisne (Oise)|Aisne]] und der [[Somme]]. Am 9.&nbsp;Juni überschritten deutsche Soldaten die [[Seine]]. Am 10.&nbsp;Juni trat Italien auf Seiten Deutschlands [[Italiens Kriegserklärung an Frankreich und Großbritannien|in den Krieg ein]] und begann am 21.&nbsp;Juni eine Offensive in den [[Westalpen]], obwohl die Regierung Pétain am 20.&nbsp;Juni Italien um Waffenstillstand gebeten hatte. Am 14.&nbsp;Juni besetzten Teile der 18.&nbsp;Armee die französische Hauptstadt [[Paris]]. Um ihre Zerstörung zu verhindern, war sie zur [[Offene Stadt|offenen Stadt]] erklärt und kampflos von den französischen Truppen geräumt worden. Am selben Tag durchbrachen deutsche Truppen südlich von Saarbrücken die Maginot-Linie<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.''Stuttgart 2000, S.&nbsp;403.</ref>, und die symbolträchtige Festung [[Verdun]] konnte ebenfalls eingenommen werden.
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[[Datei:Adolf Hitler, Eiffel Tower, Paris 23 June 1940.jpg|mini|Hitler und [[Entourage]] vor dem Eiffelturm, 23. Juni 1940]]
      
Nachdem deutsche Truppen am 17.&nbsp;Juni [[Orléans]] und [[Nevers]] an der Loire (260&nbsp;km südlich von Paris) sowie [[Dijon]] erreicht hatten, traf ein Waffenstillstandsgesuch von [[Philippe Pétain]], dem Ministerpräsidenten der neu gebildeten französischen Regierung, in Hitlers Hauptquartier ein. Der ''Führer'' wurde daraufhin von [[Wilhelm Keitel|Keitel]]<ref>Wegen seiner Unterwürfigkeit gegenüber Hitler auch „[[Lakai|Lakeitel]]“ genannt. Rolf-Dieter Müller: ''Hitlers Wehrmacht. 1935–1945.'' München 2012, S. 26.</ref> als „der größte Feldherr aller Zeiten“ gelobt.<ref>Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 50. Später, nach Stalingrad (1943), wurde im [[Flüsterwitz#Bedeutung in der Zeit des Nationalsozialismus|Flüsterwitz]] der Begriff zu „[[Gröfaz]]“ als ironische Anspielung auf Hitlers militärische Niederlagen [[Verballhornung|verballhornt]].</ref> Hitler traf sich am 18.&nbsp;Juni mit Mussolini in München, um die Waffenstillstandsbedingungen mit ihm abzustimmen. Die weitreichenden Forderungen des ''Duce'', unter anderen Nizza, Korsika und Savoyen sowie die Nutzung von Häfen und Eisenbahnen in Afrika für militärische Zwecke, wies Hitler zurück. Ihm lag daran, eine Fortsetzung des Krieges durch die französische Flotte und in den Kolonien zu verhindern. Dennoch begann Italien noch am 21.&nbsp;Juni eine Offensive in den Alpen, die nur geringfügige Geländegewinne erbrachte, unter anderen [[Menton]]e.<ref name="Winkler 916">H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914–1945.'' München 2011, S. 916.</ref> Die [[Waffenstillstand von Compiègne (1940)|Waffenstillstandsbedingungen]] wurden am 21.&nbsp;Juni 1940 im ''Wagen von Compiègne'' von Keitel dem französischen General [[Charles Huntziger]] überreicht.<ref>Darstellung der Begleitumstände bei Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' DVA, Stuttgart 2000, S. 404&nbsp;f.</ref> Am 22.&nbsp;Juni unterzeichnete die französische Delegation, nachdem fast alle ihre Gegenvorstellungen zurückgewiesen worden waren, den Waffenstillstandsvertrag.<ref name="Winkler 916" /> Er trat am 25.&nbsp;Juni um 01:35&nbsp;Uhr in Kraft, nachdem am Tag zuvor auch der italienisch-französische Waffenstillstand unterzeichnet worden war.<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945''. Stuttgart 2000, S.&nbsp;405.</ref> Frankreich durfte nur noch 100.000 Soldaten mit leichten Waffen unterhalten; Artillerie und Panzer waren nicht erlaubt.
 
Nachdem deutsche Truppen am 17.&nbsp;Juni [[Orléans]] und [[Nevers]] an der Loire (260&nbsp;km südlich von Paris) sowie [[Dijon]] erreicht hatten, traf ein Waffenstillstandsgesuch von [[Philippe Pétain]], dem Ministerpräsidenten der neu gebildeten französischen Regierung, in Hitlers Hauptquartier ein. Der ''Führer'' wurde daraufhin von [[Wilhelm Keitel|Keitel]]<ref>Wegen seiner Unterwürfigkeit gegenüber Hitler auch „[[Lakai|Lakeitel]]“ genannt. Rolf-Dieter Müller: ''Hitlers Wehrmacht. 1935–1945.'' München 2012, S. 26.</ref> als „der größte Feldherr aller Zeiten“ gelobt.<ref>Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 50. Später, nach Stalingrad (1943), wurde im [[Flüsterwitz#Bedeutung in der Zeit des Nationalsozialismus|Flüsterwitz]] der Begriff zu „[[Gröfaz]]“ als ironische Anspielung auf Hitlers militärische Niederlagen [[Verballhornung|verballhornt]].</ref> Hitler traf sich am 18.&nbsp;Juni mit Mussolini in München, um die Waffenstillstandsbedingungen mit ihm abzustimmen. Die weitreichenden Forderungen des ''Duce'', unter anderen Nizza, Korsika und Savoyen sowie die Nutzung von Häfen und Eisenbahnen in Afrika für militärische Zwecke, wies Hitler zurück. Ihm lag daran, eine Fortsetzung des Krieges durch die französische Flotte und in den Kolonien zu verhindern. Dennoch begann Italien noch am 21.&nbsp;Juni eine Offensive in den Alpen, die nur geringfügige Geländegewinne erbrachte, unter anderen [[Menton]]e.<ref name="Winkler 916">H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914–1945.'' München 2011, S. 916.</ref> Die [[Waffenstillstand von Compiègne (1940)|Waffenstillstandsbedingungen]] wurden am 21.&nbsp;Juni 1940 im ''Wagen von Compiègne'' von Keitel dem französischen General [[Charles Huntziger]] überreicht.<ref>Darstellung der Begleitumstände bei Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' DVA, Stuttgart 2000, S. 404&nbsp;f.</ref> Am 22.&nbsp;Juni unterzeichnete die französische Delegation, nachdem fast alle ihre Gegenvorstellungen zurückgewiesen worden waren, den Waffenstillstandsvertrag.<ref name="Winkler 916" /> Er trat am 25.&nbsp;Juni um 01:35&nbsp;Uhr in Kraft, nachdem am Tag zuvor auch der italienisch-französische Waffenstillstand unterzeichnet worden war.<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945''. Stuttgart 2000, S.&nbsp;405.</ref> Frankreich durfte nur noch 100.000 Soldaten mit leichten Waffen unterhalten; Artillerie und Panzer waren nicht erlaubt.
 
Am 1.&nbsp;Juli 1940 demonstrierte die Wehrmacht mit einer großen Parade auf den Champs-Elysees in Paris ihren Sieg über Frankreich.<ref>Panzer wurden dabei nicht verwendet.</ref>
 
Am 1.&nbsp;Juli 1940 demonstrierte die Wehrmacht mit einer großen Parade auf den Champs-Elysees in Paris ihren Sieg über Frankreich.<ref>Panzer wurden dabei nicht verwendet.</ref>
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[[Datei:France map Lambert-93 with regions and departments-occupation-de.svg|mini|links|Besetzte und unbesetzte Zone in Frankreich bis November 1942]]
   
Nur sechs Wochen und drei Tage hatte der sogenannte „Blitzkrieg“ im Westen gedauert, in dem etwa 100.000 französische, 35.000 britische und etwa 46.000 deutsche Soldaten ihr Leben verloren.<ref name="Winkler 916" /> Französische Jagdflieger schossen mehrere Hundert deutsche Kampfflugzeuge ab, und fast 1000 deutsche Kampfpiloten gerieten in Gefangenschaft.<ref>Danielle Costelle, Isabelle Clarke: ''Der Krieg. Menschen im Zweiten Weltkrieg.'' Bucher, München 2010, S. 48 (Frz. Ausgabe: „Apocalypse“. Editions Acropole, Paris 2009). Die britische Regierung verlangte, ohne Erfolg, die Auslieferung dieser Piloten. Nach dem Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich wurden sie freigelassen und in neue Einsätze geschickt – gegen England.</ref> Frankreich wurde in zwei Zonen geteilt: Der Norden und Westen Frankreichs waren deutsch besetzt; hier befanden sich wichtige Flugfelder und Marinebasen (unter anderen [[Brest (Finistère)|Brest]], [[Lorient]], [[St. Nazaire]], [[La Rochelle]] und [[Bordeaux]]) für den Krieg gegen Großbritannien.
 
Nur sechs Wochen und drei Tage hatte der sogenannte „Blitzkrieg“ im Westen gedauert, in dem etwa 100.000 französische, 35.000 britische und etwa 46.000 deutsche Soldaten ihr Leben verloren.<ref name="Winkler 916" /> Französische Jagdflieger schossen mehrere Hundert deutsche Kampfflugzeuge ab, und fast 1000 deutsche Kampfpiloten gerieten in Gefangenschaft.<ref>Danielle Costelle, Isabelle Clarke: ''Der Krieg. Menschen im Zweiten Weltkrieg.'' Bucher, München 2010, S. 48 (Frz. Ausgabe: „Apocalypse“. Editions Acropole, Paris 2009). Die britische Regierung verlangte, ohne Erfolg, die Auslieferung dieser Piloten. Nach dem Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich wurden sie freigelassen und in neue Einsätze geschickt – gegen England.</ref> Frankreich wurde in zwei Zonen geteilt: Der Norden und Westen Frankreichs waren deutsch besetzt; hier befanden sich wichtige Flugfelder und Marinebasen (unter anderen [[Brest (Finistère)|Brest]], [[Lorient]], [[St. Nazaire]], [[La Rochelle]] und [[Bordeaux]]) für den Krieg gegen Großbritannien.
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Politisch-strategisch befand sich das Deutsche Reich nach dem Sieg im Westen in einer Situation, die ihm grundlegend neue Optionen zur Fortsetzung des Krieges eröffnete: für den Krieg gegen Großbritannien im Westen, es hatte die Gleichgewichte im Mittelmeerraum verschoben, und es konnte auf die Wirtschaftsressourcen Westeuropas, Mitteleuropas und Ostmitteleuropas zurückgreifen und damit den Krieg auf lange Zeit durchhalten,<ref>Vgl. Peter Longerich: „Hitler. Biographie.“ Siedler, München 2015, S. 727.</ref> u.&nbsp;a. Industriegüter aus dem ''Protektorat Böhmen und Mähren'', Eisenerze aus Schweden, die über den norwegischen Hafen [[Narvik]] nach Deutschland verschifft wurden, landwirtschaftliche Produkte aus Polen, Dänemark, den Niederlanden und Griechenland, Industriegüter aus Belgien und Frankreich, [[Wolfram#Militär|Wolfram]] aus Portugal sowie Erdöl aus Rumänien. Für internationale Geldtransaktionen und Devisengeschäfte konnte die neutrale Schweiz genutzt werden.
 
Politisch-strategisch befand sich das Deutsche Reich nach dem Sieg im Westen in einer Situation, die ihm grundlegend neue Optionen zur Fortsetzung des Krieges eröffnete: für den Krieg gegen Großbritannien im Westen, es hatte die Gleichgewichte im Mittelmeerraum verschoben, und es konnte auf die Wirtschaftsressourcen Westeuropas, Mitteleuropas und Ostmitteleuropas zurückgreifen und damit den Krieg auf lange Zeit durchhalten,<ref>Vgl. Peter Longerich: „Hitler. Biographie.“ Siedler, München 2015, S. 727.</ref> u.&nbsp;a. Industriegüter aus dem ''Protektorat Böhmen und Mähren'', Eisenerze aus Schweden, die über den norwegischen Hafen [[Narvik]] nach Deutschland verschifft wurden, landwirtschaftliche Produkte aus Polen, Dänemark, den Niederlanden und Griechenland, Industriegüter aus Belgien und Frankreich, [[Wolfram#Militär|Wolfram]] aus Portugal sowie Erdöl aus Rumänien. Für internationale Geldtransaktionen und Devisengeschäfte konnte die neutrale Schweiz genutzt werden.
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Drei Schlachtschiffe der französischen Flotte, die in [[Mers-el-Kébir]] vor Anker lag, wurden am 3.&nbsp;Juli 1940 nach einem britischen Ultimatum, das unbeantwortet blieb, auf Befehl Churchills durch Schiffe der ''Royal Navy'' versenkt oder schwer beschädigt, damit sie nicht in deutsche Hände fallen konnten ([[Operation Catapult]]). Dabei kamen 1297 französische Matrosen ums Leben.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S.&nbsp;150.</ref> Der östliche und südliche Teil Frankreichs blieb unter französischer Kontrolle. Marschall Philippe Pétain regierte von [[Vichy]] aus den sogenannten „[[État français]]“ als [[Marionettenstaat]] des Deutschen Reichs. [[Datei:Toulon 1942.jpg|mini|Brennende frz. Kriegsschiffe „Strasbourg“, „Colbert“, „Algérie“ und „Marseillaise“ im Hafen von [[Toulon]], 23.&nbsp;November 1942]] Im November 1942 wurde die bisher unbesetzte Zone von deutschen und italienischen Truppen besetzt, nachdem anglo-amerikanische Truppen in Nordafrika gelandet waren. Die 50.000 Soldaten der ''Vichy-Regierung'' leisteten keinen Widerstand gegen Deutsche und Italiener. Der Rest der demobilisierten französischen Kriegsmarine wurde im Hafen von [[Toulon]] von den Besatzungen versenkt.<ref>Drei Schlachtschiffe, sieben Kreuzer, 29 Zerstörer und 20 U-Boote. Vgl. Rolf Fischer: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Köln 2014, S.&nbsp;159.</ref>
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Drei Schlachtschiffe der französischen Flotte, die in [[Mers-el-Kébir]] vor Anker lag, wurden am 3.&nbsp;Juli 1940 nach einem britischen Ultimatum, das unbeantwortet blieb, auf Befehl Churchills durch Schiffe der ''Royal Navy'' versenkt oder schwer beschädigt, damit sie nicht in deutsche Hände fallen konnten ([[Operation Catapult]]). Dabei kamen 1297 französische Matrosen ums Leben.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S.&nbsp;150.</ref> Der östliche und südliche Teil Frankreichs blieb unter französischer Kontrolle. Marschall Philippe Pétain regierte von [[Vichy]] aus den sogenannten „[[État français]]“ als [[Marionettenstaat]] des Deutschen Reichs.  
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Im November 1942 wurde die bisher unbesetzte Zone von deutschen und italienischen Truppen besetzt, nachdem anglo-amerikanische Truppen in Nordafrika gelandet waren. Die 50.000 Soldaten der ''Vichy-Regierung'' leisteten keinen Widerstand gegen Deutsche und Italiener. Der Rest der demobilisierten französischen Kriegsmarine wurde im Hafen von [[Toulon]] von den Besatzungen versenkt.<ref>Drei Schlachtschiffe, sieben Kreuzer, 29 Zerstörer und 20 U-Boote. Vgl. Rolf Fischer: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Köln 2014, S.&nbsp;159.</ref>
    
=== Von der Kapitulation Frankreichs bis zum Angriff auf die Sowjetunion, Juni 1940 bis Juni 1941 ===
 
=== Von der Kapitulation Frankreichs bis zum Angriff auf die Sowjetunion, Juni 1940 bis Juni 1941 ===
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==== ''France libre'' ====
 
==== ''France libre'' ====
{{Hauptartikel|Forces françaises libres}}
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[[Charles de Gaulle]] (1890–1970), bisher ''Militär-Staatssekretär'', wurde Organisator des Widerstandes als „Führer des freien Frankreich“ vom Exil in London aus. Von der Propaganda des [[Vichy-Regime]]s als ''Le Général micro'' und ''Fourrier'' (Verpflegungsunteroffizier) der Juden verspottet,<ref>http://www.charles-de-gaulle.org/espace-pedagogie/dossiers-thematiques/de-gaulle-caricatures/franchot-general-micro/ (Musée de l'Armée, Paris)</ref> rief er seine Landsleute zum Widerstand auf. Bereits am 18.&nbsp;Juni 1940 hatte er sich in einer Rundfunkrede an alle Franzosen gewandt: „Frankreich hat eine Schlacht verloren. Aber den Krieg hat Frankreich nicht verloren!“<ref>Londoner Appell, 18.&nbsp;Juni 1940.</ref> Er sagte voraus, dass das Industriepotential der Vereinigten Staaten in diesem Krieg das Blatt wenden werde. Damit wies er die Meinung von [[Defätist]]en zurück, Großbritannien werde binnen drei Wochen geschlagen sein.<ref>Vgl. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S.&nbsp;145.</ref>
 
[[Charles de Gaulle]] (1890–1970), bisher ''Militär-Staatssekretär'', wurde Organisator des Widerstandes als „Führer des freien Frankreich“ vom Exil in London aus. Von der Propaganda des [[Vichy-Regime]]s als ''Le Général micro'' und ''Fourrier'' (Verpflegungsunteroffizier) der Juden verspottet,<ref>http://www.charles-de-gaulle.org/espace-pedagogie/dossiers-thematiques/de-gaulle-caricatures/franchot-general-micro/ (Musée de l'Armée, Paris)</ref> rief er seine Landsleute zum Widerstand auf. Bereits am 18.&nbsp;Juni 1940 hatte er sich in einer Rundfunkrede an alle Franzosen gewandt: „Frankreich hat eine Schlacht verloren. Aber den Krieg hat Frankreich nicht verloren!“<ref>Londoner Appell, 18.&nbsp;Juni 1940.</ref> Er sagte voraus, dass das Industriepotential der Vereinigten Staaten in diesem Krieg das Blatt wenden werde. Damit wies er die Meinung von [[Defätist]]en zurück, Großbritannien werde binnen drei Wochen geschlagen sein.<ref>Vgl. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S.&nbsp;145.</ref>
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==== Die Türkei im Zweiten Weltkrieg ====
 
==== Die Türkei im Zweiten Weltkrieg ====
[[Datei:Latrans-Turkey location Hatay.svg|mini|Geographische Lage der heutigen türkischen Provinz Hatay (rot markiert)]]
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Im Zweiten Weltkrieg bewahrte die Türkei ihre Neutralität, nachdem sie sich 1939 mit der Mandatsmacht Frankreich über die Annexion der syrischen Provinz [[Sandschak Alexandrette|Hatay]], eines Mandats des Völkerbunds, verständigt hatte. Frankreich war den türkischen Forderungen nach einer Beendigung seines syrischen Mandats entgegengekommen, um die Türkei von einem Kriegseintritt auf Seiten des Deutschen Reiches abzuhalten. Am 23. Februar 1945, als Deutschlands Niederlage offensichtlich war, erklärte sie auf der Seite der Alliierten Deutschland und Japan den Krieg, um auf diese Weise ihren Anspruch auf die bis 1939 völkerrechtlich zu [[Syrien]] gehörende Provinz auch nach dem Krieg zu unterstreichen. Die offizielle Haltung Syriens dagegen ist bis in die Gegenwart (Stand Februar 2011), dass die Abstimmung in Hatays Parlament 1939 über den Beitritt zur Türkei völkerrechtswidrig gewesen sei und diese Provinz ein Teil Syriens ist.
 
Im Zweiten Weltkrieg bewahrte die Türkei ihre Neutralität, nachdem sie sich 1939 mit der Mandatsmacht Frankreich über die Annexion der syrischen Provinz [[Sandschak Alexandrette|Hatay]], eines Mandats des Völkerbunds, verständigt hatte. Frankreich war den türkischen Forderungen nach einer Beendigung seines syrischen Mandats entgegengekommen, um die Türkei von einem Kriegseintritt auf Seiten des Deutschen Reiches abzuhalten. Am 23. Februar 1945, als Deutschlands Niederlage offensichtlich war, erklärte sie auf der Seite der Alliierten Deutschland und Japan den Krieg, um auf diese Weise ihren Anspruch auf die bis 1939 völkerrechtlich zu [[Syrien]] gehörende Provinz auch nach dem Krieg zu unterstreichen. Die offizielle Haltung Syriens dagegen ist bis in die Gegenwart (Stand Februar 2011), dass die Abstimmung in Hatays Parlament 1939 über den Beitritt zur Türkei völkerrechtswidrig gewesen sei und diese Provinz ein Teil Syriens ist.
    
==== Luftschlacht um England, 1940/1941 ====
 
==== Luftschlacht um England, 1940/1941 ====
{{Hauptartikel|Luftschlacht um England}}
      
Als „Luftschlacht um England“ bezeichnete die nationalsozialistische Propaganda die Vorbereitung einer Invasion Großbritanniens durch Ausschaltung der ''Royal Air Force''. Hitler glaubte nicht an einen Erfolg und zog einen Friedensschluss mit Großbritannien vor, freilich nur, wenn es die ehemals deutschen Kolonien zurückgeben und auf Einfluss in Europa verzichten würde.<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 101.</ref>
 
Als „Luftschlacht um England“ bezeichnete die nationalsozialistische Propaganda die Vorbereitung einer Invasion Großbritanniens durch Ausschaltung der ''Royal Air Force''. Hitler glaubte nicht an einen Erfolg und zog einen Friedensschluss mit Großbritannien vor, freilich nur, wenn es die ehemals deutschen Kolonien zurückgeben und auf Einfluss in Europa verzichten würde.<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 101.</ref>
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[[Datei:Spitfires camera gun film shows tracer ammunition.jpg|mini|links|Bordkamera einer [[Supermarine Spitfire|Spitfire]] zeigt Leuchtspurmunition, die eine [[Heinkel He 111|He&nbsp;111]] trifft, über England am 25.&nbsp;September 1940]]
      
In den zwei Jahren zwischen dem Münchner Abkommen und der „Luftschlacht um England“ hatten die Briten ihre Luftverteidigung verbessert. An der Süd- und Ostküste der Britischen Insel wurden „[[Chain Home]]“-Radarstationen installiert. Die britische Industrie konnte in den drei Monaten vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges mehr als 1400 [[Jagdflugzeug#Begleitjäger|Jagdflugzeuge]] produzieren. Die Royal Air Force (RAF) warb erfolgreich Piloten aus dem [[Commonwealth of Nations|Commonwealth]], Frankreich, den USA, Polen und der Tschechoslowakei an, denn auf einen Piloten der RAF kamen sechs deutsche.<ref>Siegfried Müller: ''Schmetterlinge des Todes im Tanz. Die Luftschlacht um England aus der Sicht der Beteiligten.'' [[Frankfurter Allgemeine Zeitung|FAZ]], 3.&nbsp;Dezember 2005, S. 44.</ref> Bei den Flugzeugen sah es ähnlich aus: Im Westfeldzug kamen auf ein britisches Kampfflugzeug etwa vier deutsche Jäger und Bomber.<ref>Vgl. A. Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 156.</ref> Deshalb setzte Dowding auch ausländische Freiwillige als Jagdflieger ein, zunächst aus den Commonwealth-Staaten Kanada, Australien und Neuseeland, dann aber auch aus Polen, Tschechien und Frankreich. Ein Fünftel der insgesamt in der Luftschlacht um England eingesetzten knapp 3000 „Spitfire“- oder „Hurricane“-Piloten stammte nicht aus Großbritannien.
 
In den zwei Jahren zwischen dem Münchner Abkommen und der „Luftschlacht um England“ hatten die Briten ihre Luftverteidigung verbessert. An der Süd- und Ostküste der Britischen Insel wurden „[[Chain Home]]“-Radarstationen installiert. Die britische Industrie konnte in den drei Monaten vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges mehr als 1400 [[Jagdflugzeug#Begleitjäger|Jagdflugzeuge]] produzieren. Die Royal Air Force (RAF) warb erfolgreich Piloten aus dem [[Commonwealth of Nations|Commonwealth]], Frankreich, den USA, Polen und der Tschechoslowakei an, denn auf einen Piloten der RAF kamen sechs deutsche.<ref>Siegfried Müller: ''Schmetterlinge des Todes im Tanz. Die Luftschlacht um England aus der Sicht der Beteiligten.'' [[Frankfurter Allgemeine Zeitung|FAZ]], 3.&nbsp;Dezember 2005, S. 44.</ref> Bei den Flugzeugen sah es ähnlich aus: Im Westfeldzug kamen auf ein britisches Kampfflugzeug etwa vier deutsche Jäger und Bomber.<ref>Vgl. A. Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 156.</ref> Deshalb setzte Dowding auch ausländische Freiwillige als Jagdflieger ein, zunächst aus den Commonwealth-Staaten Kanada, Australien und Neuseeland, dann aber auch aus Polen, Tschechien und Frankreich. Ein Fünftel der insgesamt in der Luftschlacht um England eingesetzten knapp 3000 „Spitfire“- oder „Hurricane“-Piloten stammte nicht aus Großbritannien.
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[[Datei:View from St Paul's Cathedral after the Blitz.jpg|mini|London nach dem ''„Blitz“'', 28.&nbsp;Dezember 1940]]
      
Am 2.&nbsp;Juli begann Göring die Luftschlacht mit einer begrenzten Offensive gegen die Schifffahrt im Ärmelkanal. [[Hugh Dowding, 1. Baron Dowding|Hugh Dowding]], Kommandeur der britischen Luftverteidigung, nahm die Herausforderung nicht an. Die nächste Phase begann Mitte August. Die RAF sollte durch die Vernichtung ihrer Flugzeuge in der Luft zerschlagen werden, während die Bekämpfung der Schifffahrt weiterging. Im August und September schossen britische Jäger 341 deutsche Flugzeuge ab und verloren selbst 108. Die RAF hatte den Vorteil, dass die Piloten der abgeschossenen Maschinen nicht jedes Mal für sie verloren waren, sofern sie sich mit dem Fallschirm retten konnten. In der nächsten Phase konzentrierte die Luftwaffe ihre Angriffe auf London. Hitler sprach von Vergeltung und völliger Vernichtung, nachdem in der Nacht zum 26.&nbsp;August auf Befehl Churchills 60 Bomber der RAF einen [[Luftangriffe der Alliierten auf Berlin|Angriff auf Berlin]] geflogen hatten, der kaum Schäden verursacht hatte. Am 7.&nbsp;September griff die ''Luftwaffe'' die Londoner Docks mit 300 Bombern und 600 Jägern an, aber sie verlor wieder mehr Flugzeuge als die britischen Jagdstaffeln. Am 15.&nbsp;September erreichten die deutschen Angriffe, von den Briten „[[The Blitz]]“ genannt, ihren Höhepunkt mit zwei Tagesangriffen. Die deutschen Bomber wurden dezimiert und die Jäger abgewiesen. Die Entscheidung, London anzugreifen, gilt als ein großer strategischer Fehler mit weitreichenden Folgen, denn weitere Angriffe auf London bis zum Jahresende mit durchschnittlich 160 Bombern bewirkten, militärisch gesehen, wenig, waren aber für die Luftwaffe äußerst verlustreich. Am 17.&nbsp;September 1940 verschob Hitler das „[[Unternehmen Seelöwe]]“ auf unbestimmte Zeit.
 
Am 2.&nbsp;Juli begann Göring die Luftschlacht mit einer begrenzten Offensive gegen die Schifffahrt im Ärmelkanal. [[Hugh Dowding, 1. Baron Dowding|Hugh Dowding]], Kommandeur der britischen Luftverteidigung, nahm die Herausforderung nicht an. Die nächste Phase begann Mitte August. Die RAF sollte durch die Vernichtung ihrer Flugzeuge in der Luft zerschlagen werden, während die Bekämpfung der Schifffahrt weiterging. Im August und September schossen britische Jäger 341 deutsche Flugzeuge ab und verloren selbst 108. Die RAF hatte den Vorteil, dass die Piloten der abgeschossenen Maschinen nicht jedes Mal für sie verloren waren, sofern sie sich mit dem Fallschirm retten konnten. In der nächsten Phase konzentrierte die Luftwaffe ihre Angriffe auf London. Hitler sprach von Vergeltung und völliger Vernichtung, nachdem in der Nacht zum 26.&nbsp;August auf Befehl Churchills 60 Bomber der RAF einen [[Luftangriffe der Alliierten auf Berlin|Angriff auf Berlin]] geflogen hatten, der kaum Schäden verursacht hatte. Am 7.&nbsp;September griff die ''Luftwaffe'' die Londoner Docks mit 300 Bombern und 600 Jägern an, aber sie verlor wieder mehr Flugzeuge als die britischen Jagdstaffeln. Am 15.&nbsp;September erreichten die deutschen Angriffe, von den Briten „[[The Blitz]]“ genannt, ihren Höhepunkt mit zwei Tagesangriffen. Die deutschen Bomber wurden dezimiert und die Jäger abgewiesen. Die Entscheidung, London anzugreifen, gilt als ein großer strategischer Fehler mit weitreichenden Folgen, denn weitere Angriffe auf London bis zum Jahresende mit durchschnittlich 160 Bombern bewirkten, militärisch gesehen, wenig, waren aber für die Luftwaffe äußerst verlustreich. Am 17.&nbsp;September 1940 verschob Hitler das „[[Unternehmen Seelöwe]]“ auf unbestimmte Zeit.
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Zunächst wandte er sich der Mittelmeeroption zu. Spaniens Diktator Franco war im Juni 1940 noch bereit gewesen, an deutscher Seite in den Krieg einzutreten. Er forderte dafür [[Gibraltar]], [[Französisch-Marokko]], [[Oran (Provinz)|Oran]] und Vergrößerung der Kolonien [[Spanisch-Sahara]] und [[Spanisch-Guinea]] sowie vorherige umfangreiche Lieferungen von Waffen, Rohstoffen und Nahrungsmitteln. Hitler hielt Spaniens Unterstützung damals nicht für nötig und ließ ausweichend antworten. Als er sich am 23. Oktober in [[Hendaye]] mit Franco traf, zeigte Hitler aber ein viel größeres Interesse am Kriegseintritt Spaniens, den er für Januar 1941 vorschlug. Spanische und deutsche Truppen könnten [[Unternehmen Felix|Gibraltar]] erobern und so das Mittelmeer nach Westen absperren. Außenminister Ribbentrop ging sogar gedanklich einen Schritt weiter und ventilierte die Vorstellung eines antibritischen [[Kontinentalblock]]s von Spanien bis Japan.<ref>Vgl. Peter Longerich: ''Hitler. Biographie.'' München 2015, S.&nbsp;741. Longerich bezieht sich auf W. Michalka: ''Ribbentrop und die deutsche Weltpolitik 1933–1940.'' München 1980, S.&nbsp;286ff.</ref> Franco und [[Ramón Serrano Súñer|Súñer]], dessen Schwiegersohn und späterer Außenminister, waren jedoch nicht mehr von der baldigen Niederlage Großbritanniens überzeugt. Sie ließen sich nicht zu unbedachten Schritten verleiten und wiederholten absichtlich überzogene Forderungen nach der Lieferung von Waffen. Hitler wiederum musste hinsichtlich der spanischen Kolonialwünsche in Nordafrika Rücksicht auf ''Vichy-Frankreich'' nehmen. Franco war daher lediglich mit der Unterzeichnung eines Protokolls einverstanden, in dem Spanien seine Bereitschaft erklärte, Mitglied des ''Dreimächtepakts'' zu werden und in den Krieg einzutreten – unter dem Vorbehalt, dass der Zeitpunkt noch gemeinsam vereinbart werden sollte. Damit war die Abmachung für Hitler praktisch wertlos.<ref>Lothar Gruchmann: ''Der Zweite Weltkrieg. Kriegführung und Politik.'' 8. Aufl., dtv, München 1985 (1967), S. 96–99.</ref> Im internen Kreis „wütete“ er später über das „[[Jesuiten]]schwein“ und den „falsche[n] Stolz des Spaniers“.<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' Stuttgart 2000, S. 444 und A. Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2012, S. 173. Kershaw und Beevor beziehen sich auf Halders ''Kriegstagebuch''. Kohlhammer, Stuttgart 1962–1964, Bd. 2, S. 158. Halder hielt Bemerkungen fest, die von Hitlers Heeresadjutanten [[Gerhard Engel (General)|Gerhard Engel]] weitergegeben wurden. (Hinweis bei Kershaw).</ref>
 
Zunächst wandte er sich der Mittelmeeroption zu. Spaniens Diktator Franco war im Juni 1940 noch bereit gewesen, an deutscher Seite in den Krieg einzutreten. Er forderte dafür [[Gibraltar]], [[Französisch-Marokko]], [[Oran (Provinz)|Oran]] und Vergrößerung der Kolonien [[Spanisch-Sahara]] und [[Spanisch-Guinea]] sowie vorherige umfangreiche Lieferungen von Waffen, Rohstoffen und Nahrungsmitteln. Hitler hielt Spaniens Unterstützung damals nicht für nötig und ließ ausweichend antworten. Als er sich am 23. Oktober in [[Hendaye]] mit Franco traf, zeigte Hitler aber ein viel größeres Interesse am Kriegseintritt Spaniens, den er für Januar 1941 vorschlug. Spanische und deutsche Truppen könnten [[Unternehmen Felix|Gibraltar]] erobern und so das Mittelmeer nach Westen absperren. Außenminister Ribbentrop ging sogar gedanklich einen Schritt weiter und ventilierte die Vorstellung eines antibritischen [[Kontinentalblock]]s von Spanien bis Japan.<ref>Vgl. Peter Longerich: ''Hitler. Biographie.'' München 2015, S.&nbsp;741. Longerich bezieht sich auf W. Michalka: ''Ribbentrop und die deutsche Weltpolitik 1933–1940.'' München 1980, S.&nbsp;286ff.</ref> Franco und [[Ramón Serrano Súñer|Súñer]], dessen Schwiegersohn und späterer Außenminister, waren jedoch nicht mehr von der baldigen Niederlage Großbritanniens überzeugt. Sie ließen sich nicht zu unbedachten Schritten verleiten und wiederholten absichtlich überzogene Forderungen nach der Lieferung von Waffen. Hitler wiederum musste hinsichtlich der spanischen Kolonialwünsche in Nordafrika Rücksicht auf ''Vichy-Frankreich'' nehmen. Franco war daher lediglich mit der Unterzeichnung eines Protokolls einverstanden, in dem Spanien seine Bereitschaft erklärte, Mitglied des ''Dreimächtepakts'' zu werden und in den Krieg einzutreten – unter dem Vorbehalt, dass der Zeitpunkt noch gemeinsam vereinbart werden sollte. Damit war die Abmachung für Hitler praktisch wertlos.<ref>Lothar Gruchmann: ''Der Zweite Weltkrieg. Kriegführung und Politik.'' 8. Aufl., dtv, München 1985 (1967), S. 96–99.</ref> Im internen Kreis „wütete“ er später über das „[[Jesuiten]]schwein“ und den „falsche[n] Stolz des Spaniers“.<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' Stuttgart 2000, S. 444 und A. Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2012, S. 173. Kershaw und Beevor beziehen sich auf Halders ''Kriegstagebuch''. Kohlhammer, Stuttgart 1962–1964, Bd. 2, S. 158. Halder hielt Bemerkungen fest, die von Hitlers Heeresadjutanten [[Gerhard Engel (General)|Gerhard Engel]] weitergegeben wurden. (Hinweis bei Kershaw).</ref>
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H25217, Henry Philippe Petain und Adolf Hitler.jpg|mini|[[Philippe Pétain]] und Adolf Hitler am 24. Oktober 1940 in Montoire-sur-le-Loir (→ Le Loir ist ein linker Nebenfluss der Loire)]]
      
Wie in Hendaye hinsichtlich Spaniens, so blieb auch in [[Montoire-sur-le-Loir]] bei zwei Treffen mit Pétain und [[Pierre Laval|Laval]] am 22.&nbsp;und&nbsp;24.&nbsp;Oktober 1940 offen, ob es zu einer konkreten Zusammenarbeit mit Frankreich kommen werde. Hitler wollte, wenn schon nicht eine Kriegserklärung an England, so wenigstens die Verteidigung der französischen Kolonien in Nordafrika und [[Völkerbundmandat für Syrien und Libanon|Nahost]] gegen Angriffe der [[Forces françaises libres|FFL]] und der Briten erreichen sowie die Überlassung von Stützpunkten an der afrikanischen Mittelmeer- und Atlantikküste für den Seekrieg gegen Großbritannien. Marschall Pétain stimmte im Prinzip einer Zusammenarbeit mit Deutschland zu, lehnte aber indirekt einen Kriegseintritt Frankreichs ab, indem er darauf hinweisen ließ, dass eine Kriegserklärung nur durch Parlamentsbeschluss ausgesprochen werden könne. Ein solcher Beschluss sei fraglich.<ref>Lothar Gruchmann: ''Der Zweite Weltkrieg. Kriegführung und Politik.'' 8. Aufl., dtv, München 1985 (1967), S. 99–101.</ref> Das Ergebnis des Treffens war daher für den Krieg gegen Großbritannien bedeutungslos.<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' DVA, Stuttgart 2000, S. 445.</ref> Dennoch gab Pétain ein paar Tage später in einer Radiorede zu verstehen, er werde den Pfad der Zusammenarbeit ''(collaboration)'' mit Deutschland einschlagen.
 
Wie in Hendaye hinsichtlich Spaniens, so blieb auch in [[Montoire-sur-le-Loir]] bei zwei Treffen mit Pétain und [[Pierre Laval|Laval]] am 22.&nbsp;und&nbsp;24.&nbsp;Oktober 1940 offen, ob es zu einer konkreten Zusammenarbeit mit Frankreich kommen werde. Hitler wollte, wenn schon nicht eine Kriegserklärung an England, so wenigstens die Verteidigung der französischen Kolonien in Nordafrika und [[Völkerbundmandat für Syrien und Libanon|Nahost]] gegen Angriffe der [[Forces françaises libres|FFL]] und der Briten erreichen sowie die Überlassung von Stützpunkten an der afrikanischen Mittelmeer- und Atlantikküste für den Seekrieg gegen Großbritannien. Marschall Pétain stimmte im Prinzip einer Zusammenarbeit mit Deutschland zu, lehnte aber indirekt einen Kriegseintritt Frankreichs ab, indem er darauf hinweisen ließ, dass eine Kriegserklärung nur durch Parlamentsbeschluss ausgesprochen werden könne. Ein solcher Beschluss sei fraglich.<ref>Lothar Gruchmann: ''Der Zweite Weltkrieg. Kriegführung und Politik.'' 8. Aufl., dtv, München 1985 (1967), S. 99–101.</ref> Das Ergebnis des Treffens war daher für den Krieg gegen Großbritannien bedeutungslos.<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' DVA, Stuttgart 2000, S. 445.</ref> Dennoch gab Pétain ein paar Tage später in einer Radiorede zu verstehen, er werde den Pfad der Zusammenarbeit ''(collaboration)'' mit Deutschland einschlagen.
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==== Italienischer Parallelkrieg im Mittelmeerraum und in Ostafrika, 1940/1941 ====
 
==== Italienischer Parallelkrieg im Mittelmeerraum und in Ostafrika, 1940/1941 ====
{{Hauptartikel|Italienische Invasion Ägyptens|Ostafrikafeldzug|Griechenland#Von der Unabhängigkeit bis zum Zweiten Weltkrieg|titel3=Griechenland – von der Unabhängigkeit bis zum Zweiten Weltkrieg}}
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[[Datei:Faschistisches Italien mit Kolonialreich 1939.png|mini|Das faschistische Italien mit seinen Kolonien in Europa und Afrika (1939)]]
      
Mussolini hoffte, dass nach dem deutschen [[Achsenmächte|Achsenpartner]] auch Italien militärische Erfolge erringen könne, obwohl König [[Viktor Emanuel III.]] noch 1939 die realistische Einschätzung vertreten hatte, das Heer befinde sich in einem erbärmlichen Zustand und die Offiziere würden nichts taugen. Nachdem Italien am 10. Juni 1940 in den Krieg eingetreten war, ließ Mussolini britische Positionen im Mittelmeer sowie in Nord- und Ostafrika angreifen.<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 179.</ref> Nach geringen italienischen Anfangserfolgen in [[Italienische Invasion Ägyptens|Ägypten]] und in Ostafrika ging im Spätsommer und Herbst 1940 die Initiative verloren. Die Gegenoffensiven von britischen und Commonwealth-Truppen ([[Operation Compass]]) führten Anfang 1941 zu italienischen Niederlagen in Ägypten, im östlichen Teil Libyens ([[Cyrenaika]]) und in Ostafrika.
 
Mussolini hoffte, dass nach dem deutschen [[Achsenmächte|Achsenpartner]] auch Italien militärische Erfolge erringen könne, obwohl König [[Viktor Emanuel III.]] noch 1939 die realistische Einschätzung vertreten hatte, das Heer befinde sich in einem erbärmlichen Zustand und die Offiziere würden nichts taugen. Nachdem Italien am 10. Juni 1940 in den Krieg eingetreten war, ließ Mussolini britische Positionen im Mittelmeer sowie in Nord- und Ostafrika angreifen.<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 179.</ref> Nach geringen italienischen Anfangserfolgen in [[Italienische Invasion Ägyptens|Ägypten]] und in Ostafrika ging im Spätsommer und Herbst 1940 die Initiative verloren. Die Gegenoffensiven von britischen und Commonwealth-Truppen ([[Operation Compass]]) führten Anfang 1941 zu italienischen Niederlagen in Ägypten, im östlichen Teil Libyens ([[Cyrenaika]]) und in Ostafrika.
[[Datei:Italian soldiers taken prisoner during Operation Compass.jpg|mini|links|Italienische Kriegsgefangene während der [[Operation Compass]], nach der Schlacht um [[Bardia]] an der libysch-ägyptischen Grenze, 6.&nbsp;Januar 1941]]
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130.000 italienische Soldaten gerieten in britische Gefangenschaft. Im Februar 1941 reagierte Hitler mit der Entsendung des [[Deutsches Afrikakorps|Deutschen Afrikakorps]] ([[Unternehmen Sonnenblume]]), um wenigstens zu verhindern, dass Italien die Kolonie [[Italienisch-Libyen|Libyen]] verliere. In Ostafrika verlor Italien bis Ende November 1941 30.000 Soldaten (24.000 Kriegsgefangene und 6000 Gefallene) und seine dortigen Kolonien.
 
130.000 italienische Soldaten gerieten in britische Gefangenschaft. Im Februar 1941 reagierte Hitler mit der Entsendung des [[Deutsches Afrikakorps|Deutschen Afrikakorps]] ([[Unternehmen Sonnenblume]]), um wenigstens zu verhindern, dass Italien die Kolonie [[Italienisch-Libyen|Libyen]] verliere. In Ostafrika verlor Italien bis Ende November 1941 30.000 Soldaten (24.000 Kriegsgefangene und 6000 Gefallene) und seine dortigen Kolonien.
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==== Balkanfeldzug, 1941 ====
 
==== Balkanfeldzug, 1941 ====
{{Hauptartikel|Balkanfeldzug (1941)}}
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[[Datei:Second world war europe 1941 map de.png|mini|Balkanfeldzug, April – Mai 1941]]
      
Anfang des Jahres 1941 versuchte das Deutsche Reich im Balkankonflikt zu vermitteln. So unterbreitete Hitler dem [[Königreich Jugoslawien]] den Vorschlag, dem ''Dreimächtepakt'' beizutreten, was jedoch abgelehnt wurde. Griechenland verzichtete ebenfalls auf jeden Vermittlungsversuch, da seine Armee die italienischen Soldaten an der Front zum Rückzug zwingen konnte. Eine italienische Großoffensive am 9.&nbsp;März wurde zum Desaster. Am 27.&nbsp;März trat Jugoslawien schließlich dem ''Dreimächtepakt'' bei. Die Folge waren antideutsche Demonstrationen und ein [[Jugoslawischer Staatsstreich 1941|Staatsstreich]] des serbischen Offizierskorps gegen die Regierung des [[Paul von Jugoslawien|Prinzregenten Paul]], woraufhin der Beitritt wieder rückgängig gemacht wurde.
 
Anfang des Jahres 1941 versuchte das Deutsche Reich im Balkankonflikt zu vermitteln. So unterbreitete Hitler dem [[Königreich Jugoslawien]] den Vorschlag, dem ''Dreimächtepakt'' beizutreten, was jedoch abgelehnt wurde. Griechenland verzichtete ebenfalls auf jeden Vermittlungsversuch, da seine Armee die italienischen Soldaten an der Front zum Rückzug zwingen konnte. Eine italienische Großoffensive am 9.&nbsp;März wurde zum Desaster. Am 27.&nbsp;März trat Jugoslawien schließlich dem ''Dreimächtepakt'' bei. Die Folge waren antideutsche Demonstrationen und ein [[Jugoslawischer Staatsstreich 1941|Staatsstreich]] des serbischen Offizierskorps gegen die Regierung des [[Paul von Jugoslawien|Prinzregenten Paul]], woraufhin der Beitritt wieder rückgängig gemacht wurde.
    
Diese unerwartete Wendung führte zu Hitlers Entscheidung, Jugoslawien anzugreifen. Er rechtfertigte den Angriff als Vergeltung gegen eine serbische „Verbrecherclique“ in [[Belgrad]].<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' DVA, Stuttgart 2000, S. 484.</ref> Am 6.&nbsp;April überschritten Verbände der Wehrmacht die Grenze nach Jugoslawien, und die Luftwaffe begann, Belgrad in Schutt und Asche zu legen (→&nbsp;[[Unternehmen Strafgericht]]), obwohl die Hauptstadt zur „[[Offene Stadt|offenen Stadt]]“ erklärt worden war.<ref>Die Opfer waren kaum zu schätzen, die Zahl lag irgendwo zwischen 1500 und 30.000 Toten. Zit. n. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 188.</ref> Der weitere Vormarsch erfolgte wie in einem geplanten Manöver. Am 10.&nbsp;April wurde [[Zagreb]] besetzt, wo am selben Tag der [[Unabhängiger Staat Kroatien|Unabhängige Staat Kroatien]] ausgerufen wurde. Belgrad wurde am 13.&nbsp;April von deutschen Truppen besetzt. Am 17.&nbsp;April unterschrieben die jugoslawischen Befehlshaber die Kapitulation der jugoslawischen Armee.
 
Diese unerwartete Wendung führte zu Hitlers Entscheidung, Jugoslawien anzugreifen. Er rechtfertigte den Angriff als Vergeltung gegen eine serbische „Verbrecherclique“ in [[Belgrad]].<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' DVA, Stuttgart 2000, S. 484.</ref> Am 6.&nbsp;April überschritten Verbände der Wehrmacht die Grenze nach Jugoslawien, und die Luftwaffe begann, Belgrad in Schutt und Asche zu legen (→&nbsp;[[Unternehmen Strafgericht]]), obwohl die Hauptstadt zur „[[Offene Stadt|offenen Stadt]]“ erklärt worden war.<ref>Die Opfer waren kaum zu schätzen, die Zahl lag irgendwo zwischen 1500 und 30.000 Toten. Zit. n. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 188.</ref> Der weitere Vormarsch erfolgte wie in einem geplanten Manöver. Am 10.&nbsp;April wurde [[Zagreb]] besetzt, wo am selben Tag der [[Unabhängiger Staat Kroatien|Unabhängige Staat Kroatien]] ausgerufen wurde. Belgrad wurde am 13.&nbsp;April von deutschen Truppen besetzt. Am 17.&nbsp;April unterschrieben die jugoslawischen Befehlshaber die Kapitulation der jugoslawischen Armee.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 141-1005, Belgrad, Zerstörungen.jpg|mini|links|Zerstörungen in Belgrad nach Luftangriff, April 1941]]
      
Ebenfalls am 6.&nbsp;April begann der deutsche Feldzug gegen Griechenland. Anders als in Jugoslawien war der griechische Widerstand stellenweise ausgesprochen hart. Besonders in den Gebirgslagen und im Gebiet der stark verteidigten [[Metaxas-Linie]] kamen deutsche Soldaten nur langsam und unter hohen Verlusten voran. Am 9.&nbsp;April fiel [[Thessaloniki|Saloniki]]. Gleichzeitig wurde die [[Griechische Streitkräfte|griechische Armee]] in [[Makedonien (geographische Region Griechenlands)|Ostmazedonien]] abgeschnitten und die Metaxas-Linie stärker bedrängt. Die griechischen Verstärkungen von der albanischen Front wurden bei ihrem Vormarsch durch die gebirgige Landschaft von deutschen und italienischen Panzereinheiten sowie Luftangriffen aufgehalten. Am 21.&nbsp;April mussten 223.000&nbsp;griechische Soldaten kapitulieren.
 
Ebenfalls am 6.&nbsp;April begann der deutsche Feldzug gegen Griechenland. Anders als in Jugoslawien war der griechische Widerstand stellenweise ausgesprochen hart. Besonders in den Gebirgslagen und im Gebiet der stark verteidigten [[Metaxas-Linie]] kamen deutsche Soldaten nur langsam und unter hohen Verlusten voran. Am 9.&nbsp;April fiel [[Thessaloniki|Saloniki]]. Gleichzeitig wurde die [[Griechische Streitkräfte|griechische Armee]] in [[Makedonien (geographische Region Griechenlands)|Ostmazedonien]] abgeschnitten und die Metaxas-Linie stärker bedrängt. Die griechischen Verstärkungen von der albanischen Front wurden bei ihrem Vormarsch durch die gebirgige Landschaft von deutschen und italienischen Panzereinheiten sowie Luftangriffen aufgehalten. Am 21.&nbsp;April mussten 223.000&nbsp;griechische Soldaten kapitulieren.
    
Die in Griechenland stationierten britischen Verbände bauten unterdessen eine Verteidigung an den [[Thermopylen]] auf. Diese wurde am 24.&nbsp;April überrannt, woraufhin die Alliierten eine amphibische Evakuierungsoperation einleiten mussten, in der 50.000&nbsp;Soldaten nach [[Kreta]] und [[Ägypten]] verschifft wurden. Am 27.&nbsp;April rückte die Wehrmacht in [[Athen]] ein.
 
Die in Griechenland stationierten britischen Verbände bauten unterdessen eine Verteidigung an den [[Thermopylen]] auf. Diese wurde am 24.&nbsp;April überrannt, woraufhin die Alliierten eine amphibische Evakuierungsoperation einleiten mussten, in der 50.000&nbsp;Soldaten nach [[Kreta]] und [[Ägypten]] verschifft wurden. Am 27.&nbsp;April rückte die Wehrmacht in [[Athen]] ein.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 101I-164-0357-29A, Athen, Einmarsch deutscher Truppen.jpg|mini|Einmarsch deutscher Truppen in [[Athen]], Mai 1941]]
      
Hitler befahl am 25.&nbsp;April, [[Unternehmen Merkur|Kreta]] mit Luftlandetruppen, Fallschirmjägerverbänden und der 5.&nbsp;Gebirgs-Division Mitte Mai 1941 zu erobern. Am 20.&nbsp;Mai 1941 landeten deutsche Fallschirmspringer auf [[Luftlandeschlacht um Kreta|Kreta]]. Dabei hatten sie hohe Verluste. Die gelandeten Einheiten konnten zunächst keine Flugplätze für Nachschub und Verstärkungen erobern. Erst durch verstärkten Einsatz der Luftwaffe und nach erfolgreichen Landungen auf umkämpften Flugplätzen stabilisierte sich die Lage für die Angreifer. Die Alliierten, darunter [[Neuseeland|Neuseeländer]] und [[Australien|Australier]], verteidigten Kreta eine Woche lang, bis sie sich mit etwa 17.000&nbsp;Mann nach Ägypten absetzen mussten. Aufgrund der hohen deutschen Verluste beschloss Hitler, in Zukunft keine Luftlandungen mehr durchzuführen. Der Versuch, die strategisch wichtige Insel [[Belagerung von Malta (Zweiter Weltkrieg)|Malta]] zu erobern, unterblieb daher.<ref>Gerhard Schreiber: ''Der Zweite Weltkrieg.''5. Aufl., München 2013, S.&nbsp;53.</ref>
 
Hitler befahl am 25.&nbsp;April, [[Unternehmen Merkur|Kreta]] mit Luftlandetruppen, Fallschirmjägerverbänden und der 5.&nbsp;Gebirgs-Division Mitte Mai 1941 zu erobern. Am 20.&nbsp;Mai 1941 landeten deutsche Fallschirmspringer auf [[Luftlandeschlacht um Kreta|Kreta]]. Dabei hatten sie hohe Verluste. Die gelandeten Einheiten konnten zunächst keine Flugplätze für Nachschub und Verstärkungen erobern. Erst durch verstärkten Einsatz der Luftwaffe und nach erfolgreichen Landungen auf umkämpften Flugplätzen stabilisierte sich die Lage für die Angreifer. Die Alliierten, darunter [[Neuseeland|Neuseeländer]] und [[Australien|Australier]], verteidigten Kreta eine Woche lang, bis sie sich mit etwa 17.000&nbsp;Mann nach Ägypten absetzen mussten. Aufgrund der hohen deutschen Verluste beschloss Hitler, in Zukunft keine Luftlandungen mehr durchzuführen. Der Versuch, die strategisch wichtige Insel [[Belagerung von Malta (Zweiter Weltkrieg)|Malta]] zu erobern, unterblieb daher.<ref>Gerhard Schreiber: ''Der Zweite Weltkrieg.''5. Aufl., München 2013, S.&nbsp;53.</ref>
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==== Krieg gegen die Sowjetunion, Juni 1941 bis Oktober 1942 ====
 
==== Krieg gegen die Sowjetunion, Juni 1941 bis Oktober 1942 ====
{{Hauptartikel|Deutsch-Sowjetischer Krieg}}
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[[Datei:Second world war europe 1941-1942 map de.png|mini|Russlandfeldzug, 1941–1942]]
   
Der Balkanfeldzug hatte den Angriffszeitpunkt für einen Überfall auf die Sowjetunion um vier Wochen verschoben. Der Angriff fand erst am 22.&nbsp;Juni 1941 statt. Obwohl Berechnungen auf deutscher Seite zeigten, dass die Versorgung der Wehrmacht nur bis zu einer Linie entlang [[Pskow]], [[Kiew]] und der [[Krim]] möglich war, verlangte Hitler die Eroberung [[Moskau]]s im Rahmen eines einzigen, ununterbrochenen Feldzuges. Hier zeigte sich dessen gefährliche Unterschätzung der Sowjetunion, die schon nach der Kapitulation Frankreichs im Juni&nbsp;1940 zum Ausdruck gekommen war ''(s.&nbsp;o.)''. Für den Überfall standen drei Heeresgruppen (Nord, Mitte, Süd) bereit. Die [[Heeresgruppe Nord]] ([[Wilhelm Ritter von Leeb|von Leeb]]) sollte die [[Baltikum|baltischen]] Staaten erobern und dann nach [[Leningrad]] vorstoßen. Auf der [[Heeresgruppe Mitte]] ([[Fedor von Bock|von Bock]]) lag die Hauptlast. Sie sollte nach Moskau vorrücken und war entsprechend stark gerüstet. Die [[Heeresgruppe Süd]] (von Rundstedt) sollte die [[Ukraine]] erobern. Vom besetzten Norwegen aus wurden ebenfalls Angriffe gegen die Sowjetunion unternommen. Sie zielten auf [[Murmansk]], den Hafen und die dortige Eisenbahnverbindung, die „[[Murmanbahn]]“. An dem Feldzug waren auch 600.000 Soldaten aus verbündeten, neutralen und besetzten Staaten beteiligt.<ref>Spanien, Frankreich, Belgien, Niederlande, Dänemark und Norwegen</ref> Später kamen 30.000 Freiwillige aus neutralen und besetzten Gebieten (unter anderen Polen, Estland, Lettland, Litauen, Weißrussland, Ukraine, Russland, Kaukasus) hinzu, meist Repräsentanten rechtsradikaler oder faschistischer Strömungen in ihren Heimatländern.<ref>Rolf-Dieter Müller: ''An der Seite der Wehrmacht. Hitlers ausländische Helfer beim „Kreuzzug gegen den Bolschewismus“ 1941–1945.'' Augsburg 2013, S. 113.</ref>
 
Der Balkanfeldzug hatte den Angriffszeitpunkt für einen Überfall auf die Sowjetunion um vier Wochen verschoben. Der Angriff fand erst am 22.&nbsp;Juni 1941 statt. Obwohl Berechnungen auf deutscher Seite zeigten, dass die Versorgung der Wehrmacht nur bis zu einer Linie entlang [[Pskow]], [[Kiew]] und der [[Krim]] möglich war, verlangte Hitler die Eroberung [[Moskau]]s im Rahmen eines einzigen, ununterbrochenen Feldzuges. Hier zeigte sich dessen gefährliche Unterschätzung der Sowjetunion, die schon nach der Kapitulation Frankreichs im Juni&nbsp;1940 zum Ausdruck gekommen war ''(s.&nbsp;o.)''. Für den Überfall standen drei Heeresgruppen (Nord, Mitte, Süd) bereit. Die [[Heeresgruppe Nord]] ([[Wilhelm Ritter von Leeb|von Leeb]]) sollte die [[Baltikum|baltischen]] Staaten erobern und dann nach [[Leningrad]] vorstoßen. Auf der [[Heeresgruppe Mitte]] ([[Fedor von Bock|von Bock]]) lag die Hauptlast. Sie sollte nach Moskau vorrücken und war entsprechend stark gerüstet. Die [[Heeresgruppe Süd]] (von Rundstedt) sollte die [[Ukraine]] erobern. Vom besetzten Norwegen aus wurden ebenfalls Angriffe gegen die Sowjetunion unternommen. Sie zielten auf [[Murmansk]], den Hafen und die dortige Eisenbahnverbindung, die „[[Murmanbahn]]“. An dem Feldzug waren auch 600.000 Soldaten aus verbündeten, neutralen und besetzten Staaten beteiligt.<ref>Spanien, Frankreich, Belgien, Niederlande, Dänemark und Norwegen</ref> Später kamen 30.000 Freiwillige aus neutralen und besetzten Gebieten (unter anderen Polen, Estland, Lettland, Litauen, Weißrussland, Ukraine, Russland, Kaukasus) hinzu, meist Repräsentanten rechtsradikaler oder faschistischer Strömungen in ihren Heimatländern.<ref>Rolf-Dieter Müller: ''An der Seite der Wehrmacht. Hitlers ausländische Helfer beim „Kreuzzug gegen den Bolschewismus“ 1941–1945.'' Augsburg 2013, S. 113.</ref>
    
Am frühen Morgen des 22.&nbsp;Juni 1941, zwischen 3:00&nbsp;Uhr und 3:30&nbsp;Uhr, begann der Angriff gegen die Sowjetunion.<ref>Ernst Klink: ''Der Krieg gegen die Sowjetunion bis zur Jahreswende 1941/42. Die Operationsführung.'' In: [[Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg]]. Band 4. Hrsg. v. [[Militärgeschichtliches Forschungsamt|Militärgeschichtlichen Forschungsamt]]. DVA, Stuttgart 1983, S. 451–712, hier S. 451 f., auch zum Folgenden.</ref> Obwohl ihm mehrere ernst zu nehmende Hinweise, unter anderen von [[Harro Schulze-Boysen]], [[Arvid Harnack]] und [[Richard Sorge#Tätigkeit im Nachrichtendienst|Richard Sorge]], zugegangen waren,<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte''. München 2008, S. 310.</ref> blieb Stalin davon überzeugt, dass Hitler die Sowjetunion nicht vor einem Sieg über Großbritannien angreifen werde.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 941.</ref> Der Angriff wurde von 153 deutschen Divisionen, darunter 19 Panzer- und 12 motorisierte Divisionen, auf einer Frontlänge von 1600&nbsp;km zwischen der Ostsee und den Karpaten geführt. Zwei Divisionen operierten von Finnland aus. Die Heeresgruppe Nord besetzte die drei baltischen Staaten Litauen, Lettland, Estland und erreichte Anfang September [[Nowgorod]]. Die Heeresgruppe Mitte erreichte in derselben Zeit [[Smolensk]], das auf dem direkten Weg nach Moskau liegt. Die Heeresgruppe Süd hatte die Aufgabe, die Ukraine zu erobern, und stand zur selben Zeit kurz vor [[Saporoschje]] im Südosten der Ukraine. Die militärischen Befehlshaber der Roten Armee waren nicht auf diese bisher größte militärische Offensive der Weltgeschichte mit etwas über drei Millionen Heeressoldaten eingestellt. Innerhalb einer Woche kamen Soldaten aus den verbündeten Staaten Rumänien, Italien, Slowakei und Ungarn<ref name="Lüdeke118">Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 118.</ref> sowie Finnland hinzu, das kein Bündnis mit Deutschland hatte<ref>Matti Klinge: ''Geschichte Finnlands im Überblick.'' Otava, Helsinki 1995, ISBN 951-113822-7, S. 123&nbsp;f.</ref> und Wert auf die Feststellung legte, dass es gegen die Sowjetunion einen „Fortsetzungskrieg“ zur Rückeroberung der 1940 abgetretenen Gebiete führe.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 945.</ref> Die Rote Armee hatte an der Westgrenze annähernd drei Millionen Soldaten stationiert, die mit Panzern, Artillerie und Flugzeugen den Angreifern zwar weit überlegen, jedoch nicht kampfbereit waren.<ref>Peter Longerich: „Hitler. Biographie.“ Siedler, München 2015, S. 784.</ref> Viele der sowjetischen Soldaten an der Grenze ergaben sich ohne Widerstand, während die motorisierten deutschen Truppen zunächst zügig vorankommen konnten. Die damalige Fähigkeit der sowjetischen Streitkräfte, einen Angriff oder einen Krieg gegen Deutschland zu führen, muss auch nach neueren Erkenntnissen stark bezweifelt werden. Der erste [[Wehrmachtbericht]] am Morgen des 22.&nbsp;Juni 1941 erweckte dagegen den Eindruck, sowjetische Truppen seien nach Ostpreußen eingedrungen. Er unterstützte damit die [[Präventivkriegsthese|Präventivkriegslegende]] der [[NS-Propaganda]], die den Angriff als Verteidigungskrieg darstellte. Tatsächlich war der Überfall auf die Sowjetunion im Wesentlichen ein ideologisch verbrämter Eroberungs- und Vernichtungskrieg mit dem von Hitler bereits Jahre zuvor formulierten Ziel der Gewinnung von „[[Lebensraum im Osten]]“. Damit war „ein blockadefestes Großimperium“ bis zum [[Ural]] und über den [[Kaukasus]] hinaus gemeint.<ref>Vgl. Rolf-Dieter Müller: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Stuttgart 2004 (Handbuch der deutschen Geschichte; Band 21), S. 108–154.</ref>
 
Am frühen Morgen des 22.&nbsp;Juni 1941, zwischen 3:00&nbsp;Uhr und 3:30&nbsp;Uhr, begann der Angriff gegen die Sowjetunion.<ref>Ernst Klink: ''Der Krieg gegen die Sowjetunion bis zur Jahreswende 1941/42. Die Operationsführung.'' In: [[Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg]]. Band 4. Hrsg. v. [[Militärgeschichtliches Forschungsamt|Militärgeschichtlichen Forschungsamt]]. DVA, Stuttgart 1983, S. 451–712, hier S. 451 f., auch zum Folgenden.</ref> Obwohl ihm mehrere ernst zu nehmende Hinweise, unter anderen von [[Harro Schulze-Boysen]], [[Arvid Harnack]] und [[Richard Sorge#Tätigkeit im Nachrichtendienst|Richard Sorge]], zugegangen waren,<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte''. München 2008, S. 310.</ref> blieb Stalin davon überzeugt, dass Hitler die Sowjetunion nicht vor einem Sieg über Großbritannien angreifen werde.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 941.</ref> Der Angriff wurde von 153 deutschen Divisionen, darunter 19 Panzer- und 12 motorisierte Divisionen, auf einer Frontlänge von 1600&nbsp;km zwischen der Ostsee und den Karpaten geführt. Zwei Divisionen operierten von Finnland aus. Die Heeresgruppe Nord besetzte die drei baltischen Staaten Litauen, Lettland, Estland und erreichte Anfang September [[Nowgorod]]. Die Heeresgruppe Mitte erreichte in derselben Zeit [[Smolensk]], das auf dem direkten Weg nach Moskau liegt. Die Heeresgruppe Süd hatte die Aufgabe, die Ukraine zu erobern, und stand zur selben Zeit kurz vor [[Saporoschje]] im Südosten der Ukraine. Die militärischen Befehlshaber der Roten Armee waren nicht auf diese bisher größte militärische Offensive der Weltgeschichte mit etwas über drei Millionen Heeressoldaten eingestellt. Innerhalb einer Woche kamen Soldaten aus den verbündeten Staaten Rumänien, Italien, Slowakei und Ungarn<ref name="Lüdeke118">Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 118.</ref> sowie Finnland hinzu, das kein Bündnis mit Deutschland hatte<ref>Matti Klinge: ''Geschichte Finnlands im Überblick.'' Otava, Helsinki 1995, ISBN 951-113822-7, S. 123&nbsp;f.</ref> und Wert auf die Feststellung legte, dass es gegen die Sowjetunion einen „Fortsetzungskrieg“ zur Rückeroberung der 1940 abgetretenen Gebiete führe.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 945.</ref> Die Rote Armee hatte an der Westgrenze annähernd drei Millionen Soldaten stationiert, die mit Panzern, Artillerie und Flugzeugen den Angreifern zwar weit überlegen, jedoch nicht kampfbereit waren.<ref>Peter Longerich: „Hitler. Biographie.“ Siedler, München 2015, S. 784.</ref> Viele der sowjetischen Soldaten an der Grenze ergaben sich ohne Widerstand, während die motorisierten deutschen Truppen zunächst zügig vorankommen konnten. Die damalige Fähigkeit der sowjetischen Streitkräfte, einen Angriff oder einen Krieg gegen Deutschland zu führen, muss auch nach neueren Erkenntnissen stark bezweifelt werden. Der erste [[Wehrmachtbericht]] am Morgen des 22.&nbsp;Juni 1941 erweckte dagegen den Eindruck, sowjetische Truppen seien nach Ostpreußen eingedrungen. Er unterstützte damit die [[Präventivkriegsthese|Präventivkriegslegende]] der [[NS-Propaganda]], die den Angriff als Verteidigungskrieg darstellte. Tatsächlich war der Überfall auf die Sowjetunion im Wesentlichen ein ideologisch verbrämter Eroberungs- und Vernichtungskrieg mit dem von Hitler bereits Jahre zuvor formulierten Ziel der Gewinnung von „[[Lebensraum im Osten]]“. Damit war „ein blockadefestes Großimperium“ bis zum [[Ural]] und über den [[Kaukasus]] hinaus gemeint.<ref>Vgl. Rolf-Dieter Müller: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Stuttgart 2004 (Handbuch der deutschen Geschichte; Band 21), S. 108–154.</ref>
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[[Datei:RIAN archive 1000 Soldiers carrying a wounded soldier.jpg|mini|Sowjetische Soldaten bergen einen Verwundeten bei [[Leningrad]], Oktober&nbsp;1941]]
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Am 22.&nbsp;Juni mittags verlas der sowjetische Außenminister [[Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow|Molotow]] im Rundfunk eine Rede, in der er den Ausbruch des Krieges bekannt gab. Erst elf Tage später richtete sich Josef Stalin am 3.&nbsp;Juli mit einer Rundfunkansprache an das Volk.<ref>Richard Overy: ''Russlands Krieg 1941–1945.'' Rowohlt, Hamburg 2004, ISBN 3-498-05032-X, S. 127.</ref> Davor war [[Kesselschlacht bei Białystok und Minsk|Minsk]] eingeschlossen und wenig später besetzt worden. Hitler beharrte gegenüber dem OKH lange Zeit auf dem Vorrang der Eroberung der Ukraine anstelle Moskaus. Das Hauptziel der NS-Führung bestand darin, sich die Ölvorräte des Kaukasus und das Getreide in der Ukraine zu sichern. Dies würde sie nach Hitlers Überzeugung unbesiegbar machen.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S.&nbsp;219.</ref> Trotz siegreicher [[Kesselschlacht]]en scheiterte der Plan ''Barbarossa'' bereits im August&nbsp;1941 und löste die sogenannte „[[Augustkrise (1941)|Augustkrise]]“ aus, weil aus diesen Schlachten große Teile des Gegners entkamen und sich neu formierten, der Überraschungseffekt des Überfalls abflaute, die deutschen Verluste zunahmen und Hitlers „Zickzack der Anordnungen“ zur Schwerpunktbildung bei der ''[[Heeresgruppe Mitte]]'' oder der ''[[Heeresgruppe Süd]]'' sich häuften.<ref>Rolf-Dieter Müller: ''Der Feind steht im Osten. Hitlers geheime Pläne für einen Krieg gegen die Sowjetunion im Jahr 1939.'' Christoph Links Verlag, Berlin 2013, S. 240, 244, 245, 247, 248&nbsp;f.</ref> [[Datei:Bundesarchiv Bild 183-L20721, Charkow, deutscher Einmarsch.jpg|mini|Deutscher „Einmarsch“ in [[Charkow]] am 1. November 1941, Aufnahme einer [[Propagandakompanie]].]] Erst nach der [[Schlacht um Kiew (1941)|Einnahme Kiews]] und [[Charkow]]s wurde am 2.&nbsp;Oktober der Vorstoß auf Moskau wieder aufgenommen. Doch schon im Oktober begann es zu regnen, im November setzte Frost mit minus 22 Grad Celsius ein. Daraufhin verlangsamte sich die deutsche Offensive, sie blieb immer häufiger in Schlamm oder Schnee stecken, und der [[Schlacht um Moskau|Angriff auf Moskau]] kam am 5.&nbsp;Dezember wegen arktischer Temperaturen von bis zu minus 50&nbsp;°C und der sich versteifenden sowjetischen Gegenwehr zum Erliegen. Am Tag darauf setzte eine sowjetische Gegenoffensive mit gut für den Winterkrieg ausgerüsteten Einheiten aus Fernost unter dem Befehl von Schukow ein, wodurch eine Eroberung der Hauptstadt Moskau durch deutsche Truppen verhindert wurde. Die Flucht der Heeresgruppe konnte zwar durch einen unbedingten Haltebefehl Hitlers gestoppt werden, aber sein Ziel, „die Sowjetunion in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen“,<ref>[http://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0009_bar&l=de Weisung Nr. 21 (Fall Barbarossa)].</ref> war misslungen, „Barbarossa“ gescheitert.<ref>Bodo Scheurig: ''Henning von Tresckow. Eine Biographie.'' Stalling, Oldenburg 1973, S. 119.</ref> Die verlorene Schlacht um Moskau war der geopolitische Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges, „die eigentliche Zäsur“,<ref>Gerd R. Ueberschär: ''Das Scheitern des „Unternehmens Barbarossa“.'' In: Gerd R. Ueberschär und Wolfram Wette: ''Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion: „Unternehmen Barbarossa“ 1941.'' Frankfurt am Main 2011, S. 120.</ref> weil die Serie der deutschen Blitzsiege abriss. Die Wehrmacht verlor bis Ende Januar&nbsp;1942 rund ein Drittel ihrer Soldaten. Eine Million Gefallene, Vermisste oder Verwundete konnten nur zur Hälfte ersetzt werden. Noch weit stärkere Verluste hatte die Rote Armee mit bis zu diesem Zeitpunkt rund 3,3&nbsp;Millionen Gefangenen, einer nicht näher bekannten Zahl von Toten sowie 2,2&nbsp;Millionen Verwundeten und Kranken.<ref>[[Rolf-Dieter Müller]]: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-608-60021-3. ([[Handbuch der deutschen Geschichte]]; Band 21), S. 154&nbsp;f.</ref>
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Am 22.&nbsp;Juni mittags verlas der sowjetische Außenminister [[Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow|Molotow]] im Rundfunk eine Rede, in der er den Ausbruch des Krieges bekannt gab. Erst elf Tage später richtete sich Josef Stalin am 3.&nbsp;Juli mit einer Rundfunkansprache an das Volk.<ref>Richard Overy: ''Russlands Krieg 1941–1945.'' Rowohlt, Hamburg 2004, ISBN 3-498-05032-X, S. 127.</ref> Davor war [[Kesselschlacht bei Białystok und Minsk|Minsk]] eingeschlossen und wenig später besetzt worden. Hitler beharrte gegenüber dem OKH lange Zeit auf dem Vorrang der Eroberung der Ukraine anstelle Moskaus. Das Hauptziel der NS-Führung bestand darin, sich die Ölvorräte des Kaukasus und das Getreide in der Ukraine zu sichern. Dies würde sie nach Hitlers Überzeugung unbesiegbar machen.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S.&nbsp;219.</ref> Trotz siegreicher [[Kesselschlacht]]en scheiterte der Plan ''Barbarossa'' bereits im August&nbsp;1941 und löste die sogenannte „[[Augustkrise (1941)|Augustkrise]]“ aus, weil aus diesen Schlachten große Teile des Gegners entkamen und sich neu formierten, der Überraschungseffekt des Überfalls abflaute, die deutschen Verluste zunahmen und Hitlers „Zickzack der Anordnungen“ zur Schwerpunktbildung bei der ''[[Heeresgruppe Mitte]]'' oder der ''[[Heeresgruppe Süd]]'' sich häuften.<ref>Rolf-Dieter Müller: ''Der Feind steht im Osten. Hitlers geheime Pläne für einen Krieg gegen die Sowjetunion im Jahr 1939.'' Christoph Links Verlag, Berlin 2013, S. 240, 244, 245, 247, 248&nbsp;f.</ref> Erst nach der [[Schlacht um Kiew (1941)|Einnahme Kiews]] und [[Charkow]]s wurde am 2.&nbsp;Oktober der Vorstoß auf Moskau wieder aufgenommen. Doch schon im Oktober begann es zu regnen, im November setzte Frost mit minus 22 Grad Celsius ein. Daraufhin verlangsamte sich die deutsche Offensive, sie blieb immer häufiger in Schlamm oder Schnee stecken, und der [[Schlacht um Moskau|Angriff auf Moskau]] kam am 5.&nbsp;Dezember wegen arktischer Temperaturen von bis zu minus 50&nbsp;°C und der sich versteifenden sowjetischen Gegenwehr zum Erliegen. Am Tag darauf setzte eine sowjetische Gegenoffensive mit gut für den Winterkrieg ausgerüsteten Einheiten aus Fernost unter dem Befehl von Schukow ein, wodurch eine Eroberung der Hauptstadt Moskau durch deutsche Truppen verhindert wurde. Die Flucht der Heeresgruppe konnte zwar durch einen unbedingten Haltebefehl Hitlers gestoppt werden, aber sein Ziel, „die Sowjetunion in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen“,<ref>[http://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0009_bar&l=de Weisung Nr. 21 (Fall Barbarossa)].</ref> war misslungen, „Barbarossa“ gescheitert.<ref>Bodo Scheurig: ''Henning von Tresckow. Eine Biographie.'' Stalling, Oldenburg 1973, S. 119.</ref> Die verlorene Schlacht um Moskau war der geopolitische Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges, „die eigentliche Zäsur“,<ref>Gerd R. Ueberschär: ''Das Scheitern des „Unternehmens Barbarossa“.'' In: Gerd R. Ueberschär und Wolfram Wette: ''Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion: „Unternehmen Barbarossa“ 1941.'' Frankfurt am Main 2011, S. 120.</ref> weil die Serie der deutschen Blitzsiege abriss. Die Wehrmacht verlor bis Ende Januar&nbsp;1942 rund ein Drittel ihrer Soldaten. Eine Million Gefallene, Vermisste oder Verwundete konnten nur zur Hälfte ersetzt werden. Noch weit stärkere Verluste hatte die Rote Armee mit bis zu diesem Zeitpunkt rund 3,3&nbsp;Millionen Gefangenen, einer nicht näher bekannten Zahl von Toten sowie 2,2&nbsp;Millionen Verwundeten und Kranken.<ref>[[Rolf-Dieter Müller]]: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-608-60021-3. ([[Handbuch der deutschen Geschichte]]; Band 21), S. 154&nbsp;f.</ref>
[[Datei:Bundesarchiv Bild 101I-137-1032-14A, Russland, brennendes Dorf, deutsche Kavallerie.jpg|mini|Zwei berittene deutsche Soldaten in einem brennenden Dorf bei [[Mahiljou]] (Weißrussland), 16. Juli 1941]]
      
Finnland versuchte im [[Fortsetzungskrieg]], mit deutscher Unterstützung die im Winterkrieg an die Sowjetunion verlorenen Gebiete in [[Karelien]] zurückzuerobern. Nachdem es dieses Ziel im Sommer 1941 erreicht hatte, blieb Finnland jedoch nicht defensiv, sondern besetzte bis Dezember&nbsp;1941 umstrittene, nie zuvor finnisch gewesene [[Karelien|karelische]] Gebiete.
 
Finnland versuchte im [[Fortsetzungskrieg]], mit deutscher Unterstützung die im Winterkrieg an die Sowjetunion verlorenen Gebiete in [[Karelien]] zurückzuerobern. Nachdem es dieses Ziel im Sommer 1941 erreicht hatte, blieb Finnland jedoch nicht defensiv, sondern besetzte bis Dezember&nbsp;1941 umstrittene, nie zuvor finnisch gewesene [[Karelien|karelische]] Gebiete.
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Hitlers „Weisung Nr.&nbsp;41“ vom 5.&nbsp;April 1942 („[[Fall Blau]]“) legte für die Sommeroffensive fest, dass zunächst Stalingrad an der Wolga, danach der Kaukasusraum bis zur türkischen und iranischen Grenze erobert werden sollte, um die dortigen Erdölzentren in die Hand zu bekommen. Zunächst trat im Südabschnitt der Front die Rote Armee zum Gegenangriff an. In der [[Schlacht bei Charkow (1942)|Schlacht bei Charkow]] wurden im Mai&nbsp;1942 die angreifenden sowjetischen Verbände vollständig eingeschlossen. Erneut gerieten fast 250.000 sowjetische Soldaten in Gefangenschaft. Von Mai bis Juli wurden [[Schlacht um Sewastopol|Sewastopol]] und die [[Unternehmen Trappenjagd|Halbinsel Kertsch]] auf der [[Krim]]<ref>Die Krim sollte als ''[[Taurien#20. Jahrhundert|Gotenland]]'' deutsches Siedlungsgebiet für [[Südtirol]]er werden, verbunden durch eine Reichsautobahn mit dem Deutschen Reich.</ref> erobert, die als Sprungbrett für eine Offensive bis zum Kaukasus dienen sollten. Dabei gerieten 150.000 Rotarmisten in Gefangenschaft. Weil im Juni&nbsp;1942 [[Tobruk]] in Nordafrika fiel (→&nbsp;[[Unternehmen Theseus]]), weckte die NS-Propaganda nach der Krise im Winter wieder große Hoffnungen auf einen baldigen Gesamtsieg.<ref>Vgl. Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 133.</ref>
 
Hitlers „Weisung Nr.&nbsp;41“ vom 5.&nbsp;April 1942 („[[Fall Blau]]“) legte für die Sommeroffensive fest, dass zunächst Stalingrad an der Wolga, danach der Kaukasusraum bis zur türkischen und iranischen Grenze erobert werden sollte, um die dortigen Erdölzentren in die Hand zu bekommen. Zunächst trat im Südabschnitt der Front die Rote Armee zum Gegenangriff an. In der [[Schlacht bei Charkow (1942)|Schlacht bei Charkow]] wurden im Mai&nbsp;1942 die angreifenden sowjetischen Verbände vollständig eingeschlossen. Erneut gerieten fast 250.000 sowjetische Soldaten in Gefangenschaft. Von Mai bis Juli wurden [[Schlacht um Sewastopol|Sewastopol]] und die [[Unternehmen Trappenjagd|Halbinsel Kertsch]] auf der [[Krim]]<ref>Die Krim sollte als ''[[Taurien#20. Jahrhundert|Gotenland]]'' deutsches Siedlungsgebiet für [[Südtirol]]er werden, verbunden durch eine Reichsautobahn mit dem Deutschen Reich.</ref> erobert, die als Sprungbrett für eine Offensive bis zum Kaukasus dienen sollten. Dabei gerieten 150.000 Rotarmisten in Gefangenschaft. Weil im Juni&nbsp;1942 [[Tobruk]] in Nordafrika fiel (→&nbsp;[[Unternehmen Theseus]]), weckte die NS-Propaganda nach der Krise im Winter wieder große Hoffnungen auf einen baldigen Gesamtsieg.<ref>Vgl. Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 133.</ref>
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-B24543, Hauptquartier Heeresgruppe Süd, Lagebesprechung.jpg|mini|links|Lagebesprechung im Hauptquartier der Heeresgruppe Süd in [[Poltawa]], 1.&nbsp;Juni 1942]]
   
Ende Juni&nbsp;1942 begann die Sommeroffensive im Süden der Ostfront zwischen [[Kursk]] und [[Taganrog]] am Asowschen Meer, deren Bedeutung Hitler noch einmal am 1.&nbsp;Juni 1942 auf einer Oberbefehlshaber-Besprechung in [[Poltawa]] der [[Heeresgruppe Süd]] herausgestellt hatte: „Wenn ich das Öl von Maikop und Grosny nicht bekomme, dann muß ich diesen Krieg liquidieren.“<ref>Aussage von Generalfeldmarschall Paulus im [[Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher|Nürnberger Prozess]].[http://www.zeno.org/Geschichte/M/Der+Nürnberger+Prozeß/Hauptverhandlungen/Sechsundfünfzigster+Tag.+Montag,+11.+Februar+1946/Nachmittagssitzung Nachmittagssitzung am Montag, dem 11.&nbsp;Februar 1946 (56.&nbsp;Tag)]. Veröffentlicht in: ''Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg.'' Nürnberg 1947, Band 7, S. 283–310. Hitler verwendete hier (1942) den Ausdruck „liquidieren“ im Sinne von „beenden“.</ref> Stalin sah ähnliche Folgen für die Sowjetunion voraus, falls „unsere wichtigste Wasserstraße und bald auch unser Erdöl verloren gehen“.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 409.</ref> Am 3.&nbsp;Juli überschritten deutsche Kräfte den [[Don (Asowsches Meer)|Don]] bei [[Woronesch]]. Zwanzig Tage später konnte [[Rostow am Don|Rostow am unteren Don]] erobert werden, doch blieb die Gefangenenzahl gering, da die Rote Armee – im Gegensatz zu 1941 – einen strategischen Rückzug hinter den Don, die Wolga bei Stalingrad und zum westlichen und mittleren Kaukasus einleitete.<ref>Diese Rückzüge lassen vermuten, dass die sowjetische Führung auf die Notlandung eines deutschen Generalstabsoffiziers am 19.&nbsp;Juni 1942 reagiert hatte, der Karten über die erste Phase der deutschen Sommeroffensive bei sich führte.</ref> Am selben Tag, dem 23.&nbsp;Juli, wurde die „Weisung Nr.&nbsp;41“ ''(s.&nbsp;o.)'' so abgeändert, dass statt des vorgesehenen Nacheinanders nunmehr zwei gleichzeitige Vorstöße ins [[Unternehmen Edelweiß|Kaukasusgebiet]] und gegen [[Unternehmen Braunschweig|Stalingrad]] vorgesehen waren. Im Unterschied zur Weisung vom April, bei der [[Franz Halder|Halders]] Handschrift zu erkennen war, ging diese Weisung direkt auf eine Entscheidung Hitlers zurück. Der Generalstab hatte sie verhindern wollen. „Von da an war eine Niederlage voraussehbar.“<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' DVA, Stuttgart 2000, S. 694&nbsp;f.</ref> Hitler weigerte sich auch, realistische Schätzungen der sowjetischen Panzerproduktion zur Kenntnis zu nehmen, die tatsächlich mehr als das Vierfache der deutschen erreicht hatte.<ref>Vgl. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 423.</ref>
 
Ende Juni&nbsp;1942 begann die Sommeroffensive im Süden der Ostfront zwischen [[Kursk]] und [[Taganrog]] am Asowschen Meer, deren Bedeutung Hitler noch einmal am 1.&nbsp;Juni 1942 auf einer Oberbefehlshaber-Besprechung in [[Poltawa]] der [[Heeresgruppe Süd]] herausgestellt hatte: „Wenn ich das Öl von Maikop und Grosny nicht bekomme, dann muß ich diesen Krieg liquidieren.“<ref>Aussage von Generalfeldmarschall Paulus im [[Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher|Nürnberger Prozess]].[http://www.zeno.org/Geschichte/M/Der+Nürnberger+Prozeß/Hauptverhandlungen/Sechsundfünfzigster+Tag.+Montag,+11.+Februar+1946/Nachmittagssitzung Nachmittagssitzung am Montag, dem 11.&nbsp;Februar 1946 (56.&nbsp;Tag)]. Veröffentlicht in: ''Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg.'' Nürnberg 1947, Band 7, S. 283–310. Hitler verwendete hier (1942) den Ausdruck „liquidieren“ im Sinne von „beenden“.</ref> Stalin sah ähnliche Folgen für die Sowjetunion voraus, falls „unsere wichtigste Wasserstraße und bald auch unser Erdöl verloren gehen“.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 409.</ref> Am 3.&nbsp;Juli überschritten deutsche Kräfte den [[Don (Asowsches Meer)|Don]] bei [[Woronesch]]. Zwanzig Tage später konnte [[Rostow am Don|Rostow am unteren Don]] erobert werden, doch blieb die Gefangenenzahl gering, da die Rote Armee – im Gegensatz zu 1941 – einen strategischen Rückzug hinter den Don, die Wolga bei Stalingrad und zum westlichen und mittleren Kaukasus einleitete.<ref>Diese Rückzüge lassen vermuten, dass die sowjetische Führung auf die Notlandung eines deutschen Generalstabsoffiziers am 19.&nbsp;Juni 1942 reagiert hatte, der Karten über die erste Phase der deutschen Sommeroffensive bei sich führte.</ref> Am selben Tag, dem 23.&nbsp;Juli, wurde die „Weisung Nr.&nbsp;41“ ''(s.&nbsp;o.)'' so abgeändert, dass statt des vorgesehenen Nacheinanders nunmehr zwei gleichzeitige Vorstöße ins [[Unternehmen Edelweiß|Kaukasusgebiet]] und gegen [[Unternehmen Braunschweig|Stalingrad]] vorgesehen waren. Im Unterschied zur Weisung vom April, bei der [[Franz Halder|Halders]] Handschrift zu erkennen war, ging diese Weisung direkt auf eine Entscheidung Hitlers zurück. Der Generalstab hatte sie verhindern wollen. „Von da an war eine Niederlage voraussehbar.“<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' DVA, Stuttgart 2000, S. 694&nbsp;f.</ref> Hitler weigerte sich auch, realistische Schätzungen der sowjetischen Panzerproduktion zur Kenntnis zu nehmen, die tatsächlich mehr als das Vierfache der deutschen erreicht hatte.<ref>Vgl. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 423.</ref>
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[[Datei:Near East Iran - truck convoy of US supplies for USSR - NARA - 195340.jpg|mini|Frauen betrachten am „Persischen Korridor“ einen Nachschubkonvoi der Alliierten für die UdSSR, irgendwo zwischen Teheran und Bandar Pahlawi, Juni 1943 (heutiger Name: Bandar Anzali)]]
   
Die Heeresgruppe Süd wurde in die [[Heeresgruppe&nbsp;A]] (→&nbsp;Kaukasus) und [[Heeresgruppe&nbsp;B]] (→&nbsp;Stalingrad) geteilt. Die schwächere Heeresgruppe&nbsp;B bekam den Auftrag, Stalingrad zu erobern und danach die Wolga hinunter bis [[Astrachan]], 75&nbsp;km nördlich vom [[Kaspisches Meer|Kaspischen Meer]] entfernt, vorzudringen, um so die Fortsetzung des sogenannten ''[[Persischer Korridor|Persischen Korridors]]'' zu sperren. Die Heeresgruppe&nbsp;A sollte die Ostküste des Schwarzen Meeres besetzen, die Ölquellen von [[Maikop]] und [[Grosny]] im westlichen Kaukasus in Besitz nehmen und schließlich, weit südlich am Kaspischen Meer, [[Baku]] und dessen Ölquellen erobern. Diese Strategie lässt sich „nur als glatter Wahnsinn bezeichnen“.<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' DVA, Stuttgart 2000, S. 695.</ref> Tatsächlich kam sie nur bis in den Westkaukasus und eroberte das nördlich davon gelegene Maikop, dessen Ölanlagen aber systematisch zerstört worden waren. Das nächstgelegene und wichtige Erdölgebiet von Grosny, dessen Besitz Hitler als wesentlich für die Weiterführung des Krieges ansah, wurde nicht erreicht. Damit wurde schon Mitte August deutlich, dass das operative Ziel der Heeresgruppe&nbsp;A nicht erreicht werden würde; der Angriff auf die Passhöhen des Kaukasus musste Ende August&nbsp;1942 eingestellt werden. Auch die Heeresgruppe&nbsp;B konnte ihr strategisches Ziel nicht erreichen, obwohl Hitler am 8.&nbsp;November 1942 im Münchener [[Löwenbräukeller]] noch von einem Erfolg [[Stalingrad-Rede Hitlers im Münchner Löwenbräukeller|gesprochen hatte]]: „Ich wollte zur Wolga kommen, und zwar an einer bestimmten Stelle, an einer bestimmten Stadt. […] Dort schneidet man nämlich 30&nbsp;Millionen Tonnen Verkehr ab. […] Es kommt kein Schiff mehr die Wolga hoch. Das ist das Entscheidende.“<ref>Zit. n. W. Michalka (Hrsg.): ''Das Dritte Reich.'' Bd. 2 (dtv-dokumente), München 1985, S. 78.</ref> Zwar eroberte sie fast ganz Stalingrad, wurde dort aber Ende November&nbsp;1942 von sowjetischen Truppen eingekesselt und musste am 31.&nbsp;Januar 1943 kapitulieren.
 
Die Heeresgruppe Süd wurde in die [[Heeresgruppe&nbsp;A]] (→&nbsp;Kaukasus) und [[Heeresgruppe&nbsp;B]] (→&nbsp;Stalingrad) geteilt. Die schwächere Heeresgruppe&nbsp;B bekam den Auftrag, Stalingrad zu erobern und danach die Wolga hinunter bis [[Astrachan]], 75&nbsp;km nördlich vom [[Kaspisches Meer|Kaspischen Meer]] entfernt, vorzudringen, um so die Fortsetzung des sogenannten ''[[Persischer Korridor|Persischen Korridors]]'' zu sperren. Die Heeresgruppe&nbsp;A sollte die Ostküste des Schwarzen Meeres besetzen, die Ölquellen von [[Maikop]] und [[Grosny]] im westlichen Kaukasus in Besitz nehmen und schließlich, weit südlich am Kaspischen Meer, [[Baku]] und dessen Ölquellen erobern. Diese Strategie lässt sich „nur als glatter Wahnsinn bezeichnen“.<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' DVA, Stuttgart 2000, S. 695.</ref> Tatsächlich kam sie nur bis in den Westkaukasus und eroberte das nördlich davon gelegene Maikop, dessen Ölanlagen aber systematisch zerstört worden waren. Das nächstgelegene und wichtige Erdölgebiet von Grosny, dessen Besitz Hitler als wesentlich für die Weiterführung des Krieges ansah, wurde nicht erreicht. Damit wurde schon Mitte August deutlich, dass das operative Ziel der Heeresgruppe&nbsp;A nicht erreicht werden würde; der Angriff auf die Passhöhen des Kaukasus musste Ende August&nbsp;1942 eingestellt werden. Auch die Heeresgruppe&nbsp;B konnte ihr strategisches Ziel nicht erreichen, obwohl Hitler am 8.&nbsp;November 1942 im Münchener [[Löwenbräukeller]] noch von einem Erfolg [[Stalingrad-Rede Hitlers im Münchner Löwenbräukeller|gesprochen hatte]]: „Ich wollte zur Wolga kommen, und zwar an einer bestimmten Stelle, an einer bestimmten Stadt. […] Dort schneidet man nämlich 30&nbsp;Millionen Tonnen Verkehr ab. […] Es kommt kein Schiff mehr die Wolga hoch. Das ist das Entscheidende.“<ref>Zit. n. W. Michalka (Hrsg.): ''Das Dritte Reich.'' Bd. 2 (dtv-dokumente), München 1985, S. 78.</ref> Zwar eroberte sie fast ganz Stalingrad, wurde dort aber Ende November&nbsp;1942 von sowjetischen Truppen eingekesselt und musste am 31.&nbsp;Januar 1943 kapitulieren.
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[[Datei:German and Japanese spheres of influence at greatest extent World War II 1942.jpg|mini|Einfluss- und Herrschaftsbereich der Achsenmächte im September&nbsp;1942]]
      
Als Hitler mit Goebbels im [[Führerhauptquartier Werwolf|Führerhauptquartier ''Werwolf'']] bei [[Winniza]] (Ukraine) am 19.&nbsp;August unter vier Augen sprach, war er dagegen noch übertrieben optimistisch gewesen: Man werde nach den Ölquellen von Maikop, Grosny und Baku Kleinasien erobern und danach den Iran, den [[Irak]] sowie [[Völkerbundsmandat für Palästina|Palästina]], um derart die Briten von ihrer Ölversorgung abzuschneiden. Beim baldigen [[Angriff auf Stalingrad]] erwarte er die Eroberung der Stadt innerhalb von acht Tagen.<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' DVA, Stuttgart 2000, S. 696.</ref> Zur selben Zeit wuchs in der Sowjetunion die Enttäuschung über die ausbleibende Eröffnung einer „zweiten Front“ durch die Alliierten in Westeuropa.<ref>Nach dem misslungenen Angriff auf [[Operation Jubilee|Dieppe]] am 19.&nbsp;August reagierten Soldaten der ''Roten Armee'' zynisch: Wenn sie eine Dose amerikanisches Rindfleisch öffneten, bemerkten sie bissig: „Na, dann wollen wir mal die zweite Front aufmachen.“ Zit. n. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Berlin 2014, S. 391. Beevor gibt hier ein Zitat aus Bd. III der Memoiren (dt. 1978) [[Ilja Ehrenburg]]s wieder.</ref> Gleichwohl trugen die auf der Basis des [[Leih- und Pachtgesetz]]es erfolgten Hilfslieferungen der Amerikaner wesentlich dazu bei, dass die Rote Armee die Kriegführung durchhalten konnte. Dabei waren neben den gelieferten Militärgütern die Nahrungsmittel von Bedeutung. Bei den sowjetischen Soldaten hießen die Konservenbüchsen mit festem, rosa Pressfleisch „Zweite Front“. Mehr als die Hälfte der in die UdSSR gelieferten Güter waren, an Gewicht gemessen, Lebensmittel: „Sie reichten aus, um jeden sowjetischen Soldaten während des gesamten Krieges täglich mit schätzungsweise einem halben Pfund Nahrungskonzentrat zu versorgen.“<ref>[[Richard Overy]]: ''Russlands Krieg. 1941–1945''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2003, ISBN 3-498-05032-X, S. 302–304, Zitat S. 303 f.</ref>
 
Als Hitler mit Goebbels im [[Führerhauptquartier Werwolf|Führerhauptquartier ''Werwolf'']] bei [[Winniza]] (Ukraine) am 19.&nbsp;August unter vier Augen sprach, war er dagegen noch übertrieben optimistisch gewesen: Man werde nach den Ölquellen von Maikop, Grosny und Baku Kleinasien erobern und danach den Iran, den [[Irak]] sowie [[Völkerbundsmandat für Palästina|Palästina]], um derart die Briten von ihrer Ölversorgung abzuschneiden. Beim baldigen [[Angriff auf Stalingrad]] erwarte er die Eroberung der Stadt innerhalb von acht Tagen.<ref>Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' DVA, Stuttgart 2000, S. 696.</ref> Zur selben Zeit wuchs in der Sowjetunion die Enttäuschung über die ausbleibende Eröffnung einer „zweiten Front“ durch die Alliierten in Westeuropa.<ref>Nach dem misslungenen Angriff auf [[Operation Jubilee|Dieppe]] am 19.&nbsp;August reagierten Soldaten der ''Roten Armee'' zynisch: Wenn sie eine Dose amerikanisches Rindfleisch öffneten, bemerkten sie bissig: „Na, dann wollen wir mal die zweite Front aufmachen.“ Zit. n. Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Berlin 2014, S. 391. Beevor gibt hier ein Zitat aus Bd. III der Memoiren (dt. 1978) [[Ilja Ehrenburg]]s wieder.</ref> Gleichwohl trugen die auf der Basis des [[Leih- und Pachtgesetz]]es erfolgten Hilfslieferungen der Amerikaner wesentlich dazu bei, dass die Rote Armee die Kriegführung durchhalten konnte. Dabei waren neben den gelieferten Militärgütern die Nahrungsmittel von Bedeutung. Bei den sowjetischen Soldaten hießen die Konservenbüchsen mit festem, rosa Pressfleisch „Zweite Front“. Mehr als die Hälfte der in die UdSSR gelieferten Güter waren, an Gewicht gemessen, Lebensmittel: „Sie reichten aus, um jeden sowjetischen Soldaten während des gesamten Krieges täglich mit schätzungsweise einem halben Pfund Nahrungskonzentrat zu versorgen.“<ref>[[Richard Overy]]: ''Russlands Krieg. 1941–1945''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2003, ISBN 3-498-05032-X, S. 302–304, Zitat S. 303 f.</ref>
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==== Partisanenkrieg ====
 
==== Partisanenkrieg ====
[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1973-029C-68, Frankreich, verhaftete Widerstandskämpfer.jpg|mini|Verhaftete Mitglieder der [[Résistance]] in Frankreich]]
      
Mit dem Einmarsch deutscher Truppen wurde in besetzten Staaten Europas eine Umgestaltung entsprechend den nationalsozialistischen besatzungspolitischen, rassenideologischen und bevölkerungspolitischen Vorstellungen eingeleitet, die die Besatzer mit den Mitteln der Repression durchzusetzen versuchten. Sie betraf vor allem den politischen und militärisch-politischen Widerstand und die jüdische Minderheit, die im gesamten deutschen Machtbereich zum Objekt von Verfolgung und Vernichtung wurde.
 
Mit dem Einmarsch deutscher Truppen wurde in besetzten Staaten Europas eine Umgestaltung entsprechend den nationalsozialistischen besatzungspolitischen, rassenideologischen und bevölkerungspolitischen Vorstellungen eingeleitet, die die Besatzer mit den Mitteln der Repression durchzusetzen versuchten. Sie betraf vor allem den politischen und militärisch-politischen Widerstand und die jüdische Minderheit, die im gesamten deutschen Machtbereich zum Objekt von Verfolgung und Vernichtung wurde.
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Mit dem Generalplan Ost (s.&nbsp;o.) entstand unter [[Heinrich Himmler]], dem [[Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums]], ein umfassendes bevölkerungs- und siedlungspolitisches Konzept zur kolonialistischen „Germanisierung“ der besetzten und noch zu erobernden Ostgebiete. Besonders die Bevölkerungen [[Polen]]s, [[Serbien]]s, der [[Ukraine]], [[Weißrussland]]s und [[Russland]]s sollten „durchaus niedergehalten werden“. Aus der rücksichtslosen Ausplünderung dieser Gebiete ergab sich, dass Millionen der Hungertod drohte, was von den Planern hingenommen, wenn nicht begrüßt wurde. Nach der Entscheidung für den „Arbeitseinsatz“ als dem ökonomisch ergiebigeren Umgang mit der Bevölkerung vor allem der Sowjetunion wurden Millionen [[Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Zwangsarbeiter]] nach Deutschland verschleppt. Repression und Ausbeutung stießen bald auf Widerstand.
 
Mit dem Generalplan Ost (s.&nbsp;o.) entstand unter [[Heinrich Himmler]], dem [[Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums]], ein umfassendes bevölkerungs- und siedlungspolitisches Konzept zur kolonialistischen „Germanisierung“ der besetzten und noch zu erobernden Ostgebiete. Besonders die Bevölkerungen [[Polen]]s, [[Serbien]]s, der [[Ukraine]], [[Weißrussland]]s und [[Russland]]s sollten „durchaus niedergehalten werden“. Aus der rücksichtslosen Ausplünderung dieser Gebiete ergab sich, dass Millionen der Hungertod drohte, was von den Planern hingenommen, wenn nicht begrüßt wurde. Nach der Entscheidung für den „Arbeitseinsatz“ als dem ökonomisch ergiebigeren Umgang mit der Bevölkerung vor allem der Sowjetunion wurden Millionen [[Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Zwangsarbeiter]] nach Deutschland verschleppt. Repression und Ausbeutung stießen bald auf Widerstand.
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[[Datei:Bundesarchiv R 49 Bild-0138, Polen, Wartheland, Aussiedlung von Polen.jpg|mini|links|Vertreibung polnischer Bevölkerung aus dem deutsch besetzten [[Wartheland]], Herbst 1939]]
      
In den [[Niederlande]]n streikten zum Beispiel die Polizei und die Eisenbahner. In Frankreich kam es zu bewaffneten Angriffen. In den Balkanstaaten und in Osteuropa war der Widerstand besonders stark und verteilte sich oft auf verschiedene Gruppierungen. [[Jugoslawische Partisanen]] unter der Führung von [[Josip Broz Tito|Tito]] konnten einzelne zusammenhängende Gebiete befreien, und in Griechenland kontrollierten Partisanen der [[ELAS]], [[EDES]] und [[EKKA]] die gebirgigen Landesteile. In der Sowjetunion bekämpften kommunistische und [[Anarchismus|anarchistische]] Gruppen das deutsche [[Besatzungsmacht|Besatzungsregime]]. Der Partisanenkrieg in der Sowjetunion war von der Roten Armee schon vor dem Krieg geplant worden; entsprechende Einheiten wurden aufgestellt, die nach der Eroberung eines Gebietes den Widerstand gegen die Besatzer im Hinterland der Front weiterführen sollten.
 
In den [[Niederlande]]n streikten zum Beispiel die Polizei und die Eisenbahner. In Frankreich kam es zu bewaffneten Angriffen. In den Balkanstaaten und in Osteuropa war der Widerstand besonders stark und verteilte sich oft auf verschiedene Gruppierungen. [[Jugoslawische Partisanen]] unter der Führung von [[Josip Broz Tito|Tito]] konnten einzelne zusammenhängende Gebiete befreien, und in Griechenland kontrollierten Partisanen der [[ELAS]], [[EDES]] und [[EKKA]] die gebirgigen Landesteile. In der Sowjetunion bekämpften kommunistische und [[Anarchismus|anarchistische]] Gruppen das deutsche [[Besatzungsmacht|Besatzungsregime]]. Der Partisanenkrieg in der Sowjetunion war von der Roten Armee schon vor dem Krieg geplant worden; entsprechende Einheiten wurden aufgestellt, die nach der Eroberung eines Gebietes den Widerstand gegen die Besatzer im Hinterland der Front weiterführen sollten.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 101I-031-2436-05A, Russland, Hinrichtung von Partisanen.jpg|mini|Hingerichtete Partisanen in der Sowjetunion, Januar 1943]]
      
Im Allgemeinen war der Partisanenkrieg durch zahlreiche Verstöße gegen das [[Kriegsvölkerrecht|Kriegsrecht]] gekennzeichnet. Die Partisanen machten meistens keine Gefangenen oder zwangen sie zur [[Fahnenflucht|Desertation]]. Auf deutscher Seite enthielt der [[Kommissarbefehl]] die Anweisung, [[Politkommissar]]e der Roten Armee nicht als [[Kriegsgefangener|Kriegsgefangene]] zu behandeln, sondern sie „nach durchgeführter Absonderung zu erledigen“.<ref>Nur mündlich an Kommandeure weitergegeben, Version vom 6.&nbsp;Juni 1941.</ref> So nahm der Partisanenkrieg in Osteuropa seinen Anfang als systematischer Ausrottungskrieg. In Griechenland ([[Massaker auf Kefalonia|Kefalonia]], [[Massaker von Chortiatis|Chortiatis]]), Frankreich ([[Oradour-sur-Glane|Oradour]], [[Massaker von Maillé|Maillé]]) und Italien ([[Massaker von Marzabotto|Marzabotto]], [[Massaker von Caiazzo|Caiazzo]]) kam es zu vereinzelten Massakern an feindlich gesinnter Zivilbevölkerung.
 
Im Allgemeinen war der Partisanenkrieg durch zahlreiche Verstöße gegen das [[Kriegsvölkerrecht|Kriegsrecht]] gekennzeichnet. Die Partisanen machten meistens keine Gefangenen oder zwangen sie zur [[Fahnenflucht|Desertation]]. Auf deutscher Seite enthielt der [[Kommissarbefehl]] die Anweisung, [[Politkommissar]]e der Roten Armee nicht als [[Kriegsgefangener|Kriegsgefangene]] zu behandeln, sondern sie „nach durchgeführter Absonderung zu erledigen“.<ref>Nur mündlich an Kommandeure weitergegeben, Version vom 6.&nbsp;Juni 1941.</ref> So nahm der Partisanenkrieg in Osteuropa seinen Anfang als systematischer Ausrottungskrieg. In Griechenland ([[Massaker auf Kefalonia|Kefalonia]], [[Massaker von Chortiatis|Chortiatis]]), Frankreich ([[Oradour-sur-Glane|Oradour]], [[Massaker von Maillé|Maillé]]) und Italien ([[Massaker von Marzabotto|Marzabotto]], [[Massaker von Caiazzo|Caiazzo]]) kam es zu vereinzelten Massakern an feindlich gesinnter Zivilbevölkerung.
    
==== Kriegseintritt der USA, Dezember 1941 ====
 
==== Kriegseintritt der USA, Dezember 1941 ====
{{Hauptartikel|Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg}}
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[[Datei:PearlHarbor brennende Flugzeuge.jpg|mini|Zerstörte Flugzeuge nach dem Angriff auf [[Pearl Harbor]], 7.&nbsp;Dezember 1941]]
   
Die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] hatten in dem Konflikt zunächst formal Neutralität gewahrt. Die [[Isolationismus|isolationistische]] Grundstimmung in der US-Bevölkerung hinderte Präsident [[Franklin D. Roosevelt|Roosevelt]] daran, direkt an der Seite Großbritanniens und der Sowjetunion in den Krieg einzugreifen.
 
Die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] hatten in dem Konflikt zunächst formal Neutralität gewahrt. Die [[Isolationismus|isolationistische]] Grundstimmung in der US-Bevölkerung hinderte Präsident [[Franklin D. Roosevelt|Roosevelt]] daran, direkt an der Seite Großbritanniens und der Sowjetunion in den Krieg einzugreifen.
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Nach Hitlers Kriegserklärung an die USA und dem Rückschlag vor Moskau wurde der Dezember 1941 zum Wendepunkt der Weltpolitik. Von nun an war Deutschland nicht mehr in der Lage, den Zweiten Weltkrieg eindeutig zu gewinnen.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 298.</ref>
 
Nach Hitlers Kriegserklärung an die USA und dem Rückschlag vor Moskau wurde der Dezember 1941 zum Wendepunkt der Weltpolitik. Von nun an war Deutschland nicht mehr in der Lage, den Zweiten Weltkrieg eindeutig zu gewinnen.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 298.</ref>
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{{Siehe auch|Operation Jubilee}}
      
==== Kriegsschauplatz Nordafrika, 1940 bis 1943 ====
 
==== Kriegsschauplatz Nordafrika, 1940 bis 1943 ====
{{Hauptartikel|Afrikafeldzug}}
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 101I-783-0104-38, Nordafrika, italienische Panzer M13-40.jpg|mini|Italienische Panzer [[M13/40]] in [[Nordafrika]], ca.&nbsp;70&nbsp;km südlich von [[Tobruk]], Mai 1941]]
   
Ähnlich wie auf dem europäischen Kriegsschauplatz mussten die Italiener in Nordafrika schwere Rückschläge gegen die Briten hinnehmen. Die italienische Offensive gegen Ägypten im September 1940 kam bereits nach 100 Kilometern infolge der Zerstörung der Nachschubbasen in Libyen und Ägypten zum Erliegen. In der folgenden britischen Gegenoffensive gerieten gegen Ende des Jahres 1940 130.000 Italiener in britische Gefangenschaft.
 
Ähnlich wie auf dem europäischen Kriegsschauplatz mussten die Italiener in Nordafrika schwere Rückschläge gegen die Briten hinnehmen. Die italienische Offensive gegen Ägypten im September 1940 kam bereits nach 100 Kilometern infolge der Zerstörung der Nachschubbasen in Libyen und Ägypten zum Erliegen. In der folgenden britischen Gegenoffensive gerieten gegen Ende des Jahres 1940 130.000 Italiener in britische Gefangenschaft.
    
Der deutsche [[Generalleutnant]] [[Erwin Rommel]] bekam deshalb im Februar 1941 den Auftrag, mit zwei Infanteriedivisionen und einer Panzerdivision des neu aufgestellten [[Deutsches Afrikakorps|Deutschen Afrikakorps]] den erfolglosen Bündnispartner bei dessen Verteidigung zu unterstützen. Er hielt eine defensive Haltung für unangebracht, stattdessen wollte er angreifen. Am 31.&nbsp;März befahl er den Vormarsch. Schon am 10.&nbsp;April standen deutsche Panzer vor der ostlibyschen Hafenstadt und Festung [[Tobruk]], die kurz zuvor noch von den Italienern ausgebaut und beinahe kampflos geräumt worden war. Nach drei erfolglosen Angriffen musste Rommel vorerst die Eroberung Tobruks zurückstellen. Auch weitere Vorstöße konnten auf Grund von Versorgungsengpässen nicht durchgeführt werden, sodass beide Seiten zu einem Stellungskrieg übergingen. Im November 1941 griffen die Briten wieder an, wobei es der Besatzung der Stadt endlich gelang, den Belagerungsring zu sprengen. Am 7.&nbsp;Dezember zog sich das Afrikakorps zur Gazala-Linie (60&nbsp;km weiter westlich) zurück. Nachdem Tobruk einer Eroberung durch das Afrikakorps zweimal widerstanden hatte, griff Rommel erst im Mai des nächsten Jahres wieder an (s.&nbsp;''[[Unternehmen Theseus]]'').
 
Der deutsche [[Generalleutnant]] [[Erwin Rommel]] bekam deshalb im Februar 1941 den Auftrag, mit zwei Infanteriedivisionen und einer Panzerdivision des neu aufgestellten [[Deutsches Afrikakorps|Deutschen Afrikakorps]] den erfolglosen Bündnispartner bei dessen Verteidigung zu unterstützen. Er hielt eine defensive Haltung für unangebracht, stattdessen wollte er angreifen. Am 31.&nbsp;März befahl er den Vormarsch. Schon am 10.&nbsp;April standen deutsche Panzer vor der ostlibyschen Hafenstadt und Festung [[Tobruk]], die kurz zuvor noch von den Italienern ausgebaut und beinahe kampflos geräumt worden war. Nach drei erfolglosen Angriffen musste Rommel vorerst die Eroberung Tobruks zurückstellen. Auch weitere Vorstöße konnten auf Grund von Versorgungsengpässen nicht durchgeführt werden, sodass beide Seiten zu einem Stellungskrieg übergingen. Im November 1941 griffen die Briten wieder an, wobei es der Besatzung der Stadt endlich gelang, den Belagerungsring zu sprengen. Am 7.&nbsp;Dezember zog sich das Afrikakorps zur Gazala-Linie (60&nbsp;km weiter westlich) zurück. Nachdem Tobruk einer Eroberung durch das Afrikakorps zweimal widerstanden hatte, griff Rommel erst im Mai des nächsten Jahres wieder an (s.&nbsp;''[[Unternehmen Theseus]]'').
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 101I-443-1582-32, Nordafrika, Generaloberst Erwin Rommel.jpg|mini|links|hochkant|[[Erwin Rommel]] ca. 100&nbsp;km westlich der Grenze zu Ägypten, 16. Juni 1942]] Nach schweren Panzergefechten gelang es den Achsenmächten, am 10.&nbsp;Juni 1942 [[Schlacht von Bir Hakeim|Bir Hacheim]] einzunehmen. Danach wurden Stadt und Festung Tobruk am 20.&nbsp;Juni besetzt, wofür Rommel als jüngster Offizier der Wehrmacht die Beförderung zum [[Generalfeldmarschall]] erhielt. Die deutschen und italienischen Erfolge wurden durch die Verlegung großer Teile der britischen Mittelmeerflotte in den Indischen Ozean für den Krieg gegen Japan begünstigt.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 974.</ref> Ziele des weiteren Vormarsches durch die [[Libysche Wüste]] waren [[Alexandria]] und der [[Sueskanal]]. Kurz vor der ägyptischen Bahnstation von [[El-Alamein]] hatten die Briten einen 7&nbsp;Kilometer breiten Verteidigungsgürtel zwischen Mittelmeer und [[Qattara-Senke]] aufgebaut, in dem bei der [[Erste Schlacht von El Alamein|ersten Schlacht von El-Alamein]] die Offensive der Achsenmächte steckenblieb (Juli 1942). Am 23.&nbsp;Oktober 1942 befahl der neue britische Befehlshaber [[Bernard Montgomery]] den Gegenangriff zur [[Zweite Schlacht von El Alamein|zweiten Schlacht von El-Alamein]]. Das zahlenmäßig unterlegene Afrikakorps musste den Rückzug antreten.
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Nach schweren Panzergefechten gelang es den Achsenmächten, am 10.&nbsp;Juni 1942 [[Schlacht von Bir Hakeim|Bir Hacheim]] einzunehmen. Danach wurden Stadt und Festung Tobruk am 20.&nbsp;Juni besetzt, wofür Rommel als jüngster Offizier der Wehrmacht die Beförderung zum [[Generalfeldmarschall]] erhielt. Die deutschen und italienischen Erfolge wurden durch die Verlegung großer Teile der britischen Mittelmeerflotte in den Indischen Ozean für den Krieg gegen Japan begünstigt.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 974.</ref> Ziele des weiteren Vormarsches durch die [[Libysche Wüste]] waren [[Alexandria]] und der [[Sueskanal]]. Kurz vor der ägyptischen Bahnstation von [[El-Alamein]] hatten die Briten einen 7&nbsp;Kilometer breiten Verteidigungsgürtel zwischen Mittelmeer und [[Qattara-Senke]] aufgebaut, in dem bei der [[Erste Schlacht von El Alamein|ersten Schlacht von El-Alamein]] die Offensive der Achsenmächte steckenblieb (Juli 1942). Am 23.&nbsp;Oktober 1942 befahl der neue britische Befehlshaber [[Bernard Montgomery]] den Gegenangriff zur [[Zweite Schlacht von El Alamein|zweiten Schlacht von El-Alamein]]. Das zahlenmäßig unterlegene Afrikakorps musste den Rückzug antreten.
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[[Datei:Axis prisoners of war are herded out of the city as Allied armies enter Tunis. - NARA - 195472.jpg|mini|Italienische Soldaten nördlich der [[Mareth-Linie]] auf dem Marsch in die Kriegsgefangenschaft, März 1943]]
      
Die Lage der deutschen und italienischen Truppen in Nordafrika wurde aussichtslos, nachdem am 8.&nbsp;November 1942 in der ''[[Operation Torch]]'' alliierte Truppen in [[Casablanca]] und [[Algier]] gelandet und somit die Truppen der Achsenmächte in Nordafrika von zwei Seiten in die Zange genommen waren. Am 13.&nbsp;November fiel Tobruk wieder in britische Hand, am 23. Januar 1943 [[Tripolis]].
 
Die Lage der deutschen und italienischen Truppen in Nordafrika wurde aussichtslos, nachdem am 8.&nbsp;November 1942 in der ''[[Operation Torch]]'' alliierte Truppen in [[Casablanca]] und [[Algier]] gelandet und somit die Truppen der Achsenmächte in Nordafrika von zwei Seiten in die Zange genommen waren. Am 13.&nbsp;November fiel Tobruk wieder in britische Hand, am 23. Januar 1943 [[Tripolis]].
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==== Italien, 1943 und 1944 ====
 
==== Italien, 1943 und 1944 ====
{{Hauptartikel|Italienfeldzug (Zweiter Weltkrieg)}}
      
Nach dem Erfolg in Tunesien entschieden sich Großbritannien und die USA zunächst für eine Landung auf [[Sizilien]], um dadurch den Seeweg zwischen Ägypten und Gibraltar zu öffnen – was zu einer Verkürzung der bisherigen Schifffahrtsrouten um Afrika herum führen würde.<ref>Ungefähr 9.000&nbsp;km/4.860&nbsp;sm weniger.</ref> Die sowjetische Führung hätte bevorzugt, wenn Briten und Amerikaner die [[Zweite Front#Zweiter Weltkrieg|zweite Front]] in Frankreich eröffnet hätten, weil sie sich davon eine stärkere Entlastung für die eigene Front erhoffte. Churchill lehnte ab, weil es für eine Invasion im Westen im Jahre 1943 aus seiner Sicht noch zu früh sei. Aber auch nach einer Landung im Süden Europas wäre dem Deutschen Reich eine Verstärkung der Ostfront im Sommer 1943 nicht mehr möglich gewesen.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 979–981.</ref> Am 10. Juli 1943 landeten Amerikaner und Briten unter dem Oberbefehl [[Dwight D. Eisenhower]]s im Südosten Siziliens ''([[Operation Husky]])''. Daraufhin brach Hitler am 13. Juli das ''[[Unternehmen Zitadelle]]'' ab und verlegte am 17. Juli gegen den Willen Mansteins das II. SS-Panzerkorps aus Russland nach Italien.<ref name="Heinrich August Winkler_1057">Heinrich August Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege.'' C.H.Beck, München 2011, S. 1057, 1060, 1062.</ref> So zeigte die Landung auf Sizilien Wirkung, wenn sie auch nicht die von Stalin gewünschte zweite Front war.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 553.</ref> Der [[Großer Faschistischer Rat|Große Faschistische Rat]] beschloss auf einer Sitzung am 24. Juli 1943 mit 28:19 Stimmen die Rückkehr Italiens zu verfassungsmäßigen Zuständen. Die Mehrheit versprach sich davon bessere Bedingungen der Alliierten im Falle einer Kapitulation Italiens. Am folgenden Tag ließ König [[Viktor Emanuel III.]], in Absprache mit [[Dino Grandi]] und dessen Verbündeten, Mussolini nach einem Besuch im Königspalast von Carabinieri verhaften. Als neuer Ministerpräsident wurde [[Pietro Badoglio]] ernannt.<ref name="Heinrich August Winkler_1057" /> Im [[Unternehmen Lehrgang]] verließen am 17. August 39.000 deutsche und 62.000 italienische Soldaten Sizilien und setzten über die [[Straße von Messina]] auf das italienische Festland über.
 
Nach dem Erfolg in Tunesien entschieden sich Großbritannien und die USA zunächst für eine Landung auf [[Sizilien]], um dadurch den Seeweg zwischen Ägypten und Gibraltar zu öffnen – was zu einer Verkürzung der bisherigen Schifffahrtsrouten um Afrika herum führen würde.<ref>Ungefähr 9.000&nbsp;km/4.860&nbsp;sm weniger.</ref> Die sowjetische Führung hätte bevorzugt, wenn Briten und Amerikaner die [[Zweite Front#Zweiter Weltkrieg|zweite Front]] in Frankreich eröffnet hätten, weil sie sich davon eine stärkere Entlastung für die eigene Front erhoffte. Churchill lehnte ab, weil es für eine Invasion im Westen im Jahre 1943 aus seiner Sicht noch zu früh sei. Aber auch nach einer Landung im Süden Europas wäre dem Deutschen Reich eine Verstärkung der Ostfront im Sommer 1943 nicht mehr möglich gewesen.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 979–981.</ref> Am 10. Juli 1943 landeten Amerikaner und Briten unter dem Oberbefehl [[Dwight D. Eisenhower]]s im Südosten Siziliens ''([[Operation Husky]])''. Daraufhin brach Hitler am 13. Juli das ''[[Unternehmen Zitadelle]]'' ab und verlegte am 17. Juli gegen den Willen Mansteins das II. SS-Panzerkorps aus Russland nach Italien.<ref name="Heinrich August Winkler_1057">Heinrich August Winkler: ''Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege.'' C.H.Beck, München 2011, S. 1057, 1060, 1062.</ref> So zeigte die Landung auf Sizilien Wirkung, wenn sie auch nicht die von Stalin gewünschte zweite Front war.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 553.</ref> Der [[Großer Faschistischer Rat|Große Faschistische Rat]] beschloss auf einer Sitzung am 24. Juli 1943 mit 28:19 Stimmen die Rückkehr Italiens zu verfassungsmäßigen Zuständen. Die Mehrheit versprach sich davon bessere Bedingungen der Alliierten im Falle einer Kapitulation Italiens. Am folgenden Tag ließ König [[Viktor Emanuel III.]], in Absprache mit [[Dino Grandi]] und dessen Verbündeten, Mussolini nach einem Besuch im Königspalast von Carabinieri verhaften. Als neuer Ministerpräsident wurde [[Pietro Badoglio]] ernannt.<ref name="Heinrich August Winkler_1057" /> Im [[Unternehmen Lehrgang]] verließen am 17. August 39.000 deutsche und 62.000 italienische Soldaten Sizilien und setzten über die [[Straße von Messina]] auf das italienische Festland über.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 101I-567-1503C-13, Gran Sasso, Mussolini verlässt Hotel.jpg|mini|links|hochkant|Mussolini beim Verlassen des Hotels [[Campo Imperatore]], 12. September 1943]]
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Dort landeten am 3.&nbsp;September bei [[Reggio Calabria]] zwei britische Divisionen gegen nur geringen Widerstand der Verteidiger. Am selben Tag schloss die neue italienische Regierung mit den Alliierten den [[Waffenstillstand von Cassibile]], der fünf Tage später von Eisenhower über „Radio Algier“ bekanntgegeben wurde. Daraufhin wurde der ''[[Fall Achse]]'' ausgelöst, in dem 20 deutsche Divisionen die Hälfte des italienischen Heeres entwaffneten und internierten. Am 12.&nbsp;September gelang es 72 deutschen Fallschirmjägern in einer [[Unternehmen Eiche|Kommandoaktion]], Mussolini aus seiner Gefangenschaft im Hotel [[Campo Imperatore]] zu befreien. Er proklamierte die ''[[Italienische Sozialrepublik|Repubblica Sociale Italiana]]'', die er von der kleinen Stadt [[Salò]] am Gardasee aus führte und ließ den Kampf gegen die Alliierten an deutscher Seite fortsetzen. Den Begriff „faschistisch“ hielt er inzwischen für so wenig werbewirksam, dass er im Staatsnamen auf ihn verzichtete.<ref name="Heinrich August Winkler_1057" /> Als sich die auf der griechischen Insel [[Massaker auf Kefalonia|Kefalonia]] stationierten italienischen Soldaten ihrer Entwaffnung widersetzten, wurden zwischen dem 18. und dem 23.&nbsp;September etwa 5000&nbsp;Italiener gefangen genommen und von deutschen [[Gebirgsjäger]]truppen erschossen. Am 13. Oktober erklärte die [[Regierung Badoglio|Badoglio-Regierung]] dem Deutschen Reich den Krieg. An der Seite der offiziellen italienischen Verbände operierte eine [[Partisan]]enarmee von 256.000 Frauen und Männern.
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-J15358, Bozen, entwaffneten Badoglio-Einheiten marschieren durch die Stadt.jpg|mini|Von deutschen Soldaten bewachte und entwaffnete italienische Soldaten in [[Bozen]], September 1943]]
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Dort landeten am 3.&nbsp;September bei [[Reggio Calabria]] zwei britische Divisionen gegen nur geringen Widerstand der Verteidiger. Am selben Tag schloss die neue italienische Regierung mit den Alliierten den [[Waffenstillstand von Cassibile]], der fünf Tage später von Eisenhower über „Radio Algier“ bekanntgegeben wurde. Daraufhin wurde der ''[[Fall Achse]]'' ausgelöst, in dem 20 deutsche Divisionen die Hälfte des italienischen Heeres entwaffneten und internierten. Am 12.&nbsp;September gelang es 72 deutschen Fallschirmjägern in einer [[Unternehmen Eiche|Kommandoaktion]], Mussolini aus seiner Gefangenschaft im Hotel [[Campo Imperatore]] zu befreien. Er proklamierte die ''[[Italienische Sozialrepublik|Repubblica Sociale Italiana]]'', die er von der kleinen Stadt [[Salò]] am Gardasee aus führte und ließ den Kampf gegen die Alliierten an deutscher Seite fortsetzen. Den Begriff „faschistisch“ hielt er inzwischen für so wenig werbewirksam, dass er im Staatsnamen auf ihn verzichtete.<ref name="Heinrich August Winkler_1057" /> Als sich die auf der griechischen Insel [[Massaker auf Kefalonia|Kefalonia]] stationierten italienischen Soldaten ihrer Entwaffnung widersetzten, wurden zwischen dem 18. und dem 23.&nbsp;September etwa 5000&nbsp;Italiener gefangen genommen und von deutschen [[Gebirgsjäger]]truppen erschossen. Am 13. Oktober erklärte die [[Regierung Badoglio|Badoglio-Regierung]] dem Deutschen Reich den Krieg. An der Seite der offiziellen italienischen Verbände operierte eine [[Partisan]]enarmee von 256.000 Frauen und Männern.
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[[Datei:ItalyDefenseLinesSouthofRome1943 4.jpg|mini|Deutsche Verteidigungslinien in Unteritalien, Sept. 1943 – März 1944]]
      
Der Vormarsch der Alliierten in Süditalien erfolgte nur sehr langsam. Deutsche Soldaten verteidigten ihre Stellungen bis zum Äußersten, während im Hinterland schon die nächsten Verteidigungsstellungen ausgehoben wurden. An der ''Gustav-Linie'' zwischen Ortona an der Adria und dem Golf von Gaeta am Tyrrhenischen Meer blieben im Winter 1943/44 die alliierten Angriffe erfolglos. Auch eine [[Operation Shingle|US-amerikanische Landung]] (Ende Januar 1944), nördlich im Rücken der ''Gustav-Linie'', führte nicht zum Ziel. Zusätzliche deutsche Divisionen wurden nach Italien verlegt.
 
Der Vormarsch der Alliierten in Süditalien erfolgte nur sehr langsam. Deutsche Soldaten verteidigten ihre Stellungen bis zum Äußersten, während im Hinterland schon die nächsten Verteidigungsstellungen ausgehoben wurden. An der ''Gustav-Linie'' zwischen Ortona an der Adria und dem Golf von Gaeta am Tyrrhenischen Meer blieben im Winter 1943/44 die alliierten Angriffe erfolglos. Auch eine [[Operation Shingle|US-amerikanische Landung]] (Ende Januar 1944), nördlich im Rücken der ''Gustav-Linie'', führte nicht zum Ziel. Zusätzliche deutsche Divisionen wurden nach Italien verlegt.
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==== Von Stalingrad bis Leningrad, Oktober 1942 bis März 1944 ====
 
==== Von Stalingrad bis Leningrad, Oktober 1942 bis März 1944 ====
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-1992-0903-504, Russland, Kampf um Stalingrad, Luftangriff.jpg|mini|Deutscher Luftangriff auf [[Stalingrad]], 2. Oktober 1942]]
   
Trotz der angespannten Kräfte- und Nachschubsituation hatte Hitler am 23.&nbsp;Juli 1942 in Abänderung des ursprünglichen Plans „[[Fall Blau]]“ und gegen erhebliche Bedenken von Heeresgeneralen neben der südlichen Offensive in Richtung des Kaukasusgebietes eine gleichzeitige Offensive gegen [[Stalingrad]] befohlen. Die Heeresgruppe Süd wurde deswegen in die Heeresgruppe A (→&nbsp;Kaukasus) und Heeresgruppe B (→&nbsp;Stalingrad) aufgeteilt. Ursprünglich sollte zuerst Stalingrad als [[Verkehrsknotenpunkt]] und danach das Kaukasusgebiet mit seinen Ölquellen erobert werden. Aus dem Nacheinander wurde die Gleichzeitigkeit zweier Offensiven mit gefährlich überdehnten Flanken. Im Zuge des [[Angriff auf Stalingrad|Angriffs auf Stalingrad]] erreichte eine deutsche Panzerabteilung am Abend des 23.&nbsp;August 1942 die [[Wolga]]; am selben Tag bombardierten ca.&nbsp;600 Maschinen der Luftwaffe Stalingrad, und die ersten Einheiten der [[6. Armee (Wehrmacht)|6.&nbsp;Armee]] konnten in die Außenbezirke der Stadt eindringen. In der [[Schlacht von Stalingrad]] kamen die Angreifer in erbitterten Einzelkämpfen um Häuser und Straßen nur unter hohen Opfern voran. Schließlich beherrschte die 6.&nbsp;Armee etwa 90&nbsp;Prozent der in einen Trümmerhaufen verwandelten Stadt, die vollständige Inbesitznahme misslang jedoch.
 
Trotz der angespannten Kräfte- und Nachschubsituation hatte Hitler am 23.&nbsp;Juli 1942 in Abänderung des ursprünglichen Plans „[[Fall Blau]]“ und gegen erhebliche Bedenken von Heeresgeneralen neben der südlichen Offensive in Richtung des Kaukasusgebietes eine gleichzeitige Offensive gegen [[Stalingrad]] befohlen. Die Heeresgruppe Süd wurde deswegen in die Heeresgruppe A (→&nbsp;Kaukasus) und Heeresgruppe B (→&nbsp;Stalingrad) aufgeteilt. Ursprünglich sollte zuerst Stalingrad als [[Verkehrsknotenpunkt]] und danach das Kaukasusgebiet mit seinen Ölquellen erobert werden. Aus dem Nacheinander wurde die Gleichzeitigkeit zweier Offensiven mit gefährlich überdehnten Flanken. Im Zuge des [[Angriff auf Stalingrad|Angriffs auf Stalingrad]] erreichte eine deutsche Panzerabteilung am Abend des 23.&nbsp;August 1942 die [[Wolga]]; am selben Tag bombardierten ca.&nbsp;600 Maschinen der Luftwaffe Stalingrad, und die ersten Einheiten der [[6. Armee (Wehrmacht)|6.&nbsp;Armee]] konnten in die Außenbezirke der Stadt eindringen. In der [[Schlacht von Stalingrad]] kamen die Angreifer in erbitterten Einzelkämpfen um Häuser und Straßen nur unter hohen Opfern voran. Schließlich beherrschte die 6.&nbsp;Armee etwa 90&nbsp;Prozent der in einen Trümmerhaufen verwandelten Stadt, die vollständige Inbesitznahme misslang jedoch.
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[[Datei:RIAN archive 2383 The ruins of Stalingrad.jpg|mini|Stalingrad: Ruine einer Werkhalle des Stahlwerks „Roter Oktober“, 21.&nbsp;Januar 1943]]
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Einen schmalen, westlichen Uferstreifen der Wolga, an dem ständig neue Truppen vom Ostufer der Wolga angelandet wurden, konnten die sowjetischen Verteidiger trotz hoher Verluste halten, darunter das Getreidesilo und das Stahlwerk „Roter Oktober“. Das Westufer der Wolga in Stalingrad markierte den östlichsten Punkt des deutschen Vormarsches an der Ostfront (→&nbsp;{{Coordinate|NS=48.7423|EW=44.5371|type=landmark|region=RU|text=ICON2|name=Frederick William MacMonnies}}). Daran erinnert heute die monumentale [[Mutter-Heimat-Statue (Wolgograd)|Mutter-Heimat-Statue]].
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Einen schmalen, westlichen Uferstreifen der Wolga, an dem ständig neue Truppen vom Ostufer der Wolga angelandet wurden, konnten die sowjetischen Verteidiger trotz hoher Verluste halten, darunter das Getreidesilo und das Stahlwerk „Roter Oktober“. Das Westufer der Wolga in Stalingrad markierte den östlichsten Punkt des deutschen Vormarsches an der Ostfront. Daran erinnert heute die monumentale [[Mutter-Heimat-Statue (Wolgograd)|Mutter-Heimat-Statue]].
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[[Datei:RIAN archive 602161 Center of Stalingrad after liberation.jpg|mini|Stadtzentrum nach dem Ende der [[Schlacht von Stalingrad]], 2.&nbsp;Februar 1943]]
      
Am 19. November begann die Großoffensive ''[[Operation Uranus]]'' der Roten Armee gegen die rumänischen und deutschen Linien weit nordwestlich und südlich von Stalingrad mit einer riesigen Umzingelungsbewegung. Wenige Tage später vereinigten sich die sowjetischen Panzerspitzen bei [[Kalatsch am Don]].<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 423.</ref> Damit war die 6.&nbsp;Armee weiträumig eingekesselt. Die von Göring versprochene Versorgung aus der Luft war nicht ausreichend, und die deutschen Verbände waren ziemlich unbeweglich. Ein Entsatzangriff der 4.&nbsp;Panzerarmee, das ''[[Unternehmen Wintergewitter]]'', führte zwar bis auf 48&nbsp;Kilometer an den Belagerungsring heran, musste aber am 23.&nbsp;Dezember abgebrochen werden. Generaloberst [[Friedrich Paulus|Paulus]] schätzte einen Ausbruchsversuch wegen mangelnder Treibstoffreserven als unmöglich ein, fühlte sich an den Haltebefehl Hitlers gebunden und gab weder einen Befehl zum Ausbruch aus dem Kessel noch wollte er kapitulieren. Am 10.&nbsp;Januar 1943 eröffneten daraufhin sieben sowjetische Armeen den Angriff auf die Stadt. Bis zum 23. Januar eroberten sie die Flugplätze [[Pitomnik]] und [[Gumrak]]. Am 24. Januar gelang es ihnen, den Kessel in eine nördliche und eine südliche Hälfte zu spalten. Am 25. Januar verließ die letzte ''JU 52'' den Behelfsflugplatz Stalingradski. Am 31. Januar ging Paulus, zwischenzeitlich zum Generalfeldmarschall befördert, angesichts der aussichtslosen Lage in sowjetische Gefangenschaft, ohne eine Gesamtkapitulation der 6.&nbsp;Armee auszusprechen. Es folgten ungeregelte Teilkapitulationen von Einheiten des Südkessels; der Nordkessel kämpfte noch bis zum 2.&nbsp;Februar weiter. Die sowjetischen Verluste betrugen 500.000 Tote, die deutsche Armee und ihre Verbündeten verloren – Tote und Gefangene zusammengerechnet – ebenfalls eine halbe Million Mann. Als die BBC die Gefangennahme von 91.000 deutschen Soldaten meldete, verbreitete sich in Deutschland die Erkenntnis, dass Goebbels die Bevölkerung angelogen hatte, als er im Rundfunk verkündete, die gesamte 6. Armee sei kämpfend untergegangen. Der Schock dieser Niederlage war unbeschreiblich.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 457. Zahlen ebda.</ref> Vermutlich 110.000&nbsp;deutsche Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft<ref>GEO Epoche Panorama Nr. 6 (2015): ''Der Zweite Weltkrieg'', S. 90.</ref>, von denen 1955 nur etwa 5.000 zurückkehrten, unter ihnen Generalfeldmarschall Paulus, sein Stabschef und die meisten anderen hohen Offiziere.
 
Am 19. November begann die Großoffensive ''[[Operation Uranus]]'' der Roten Armee gegen die rumänischen und deutschen Linien weit nordwestlich und südlich von Stalingrad mit einer riesigen Umzingelungsbewegung. Wenige Tage später vereinigten sich die sowjetischen Panzerspitzen bei [[Kalatsch am Don]].<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 423.</ref> Damit war die 6.&nbsp;Armee weiträumig eingekesselt. Die von Göring versprochene Versorgung aus der Luft war nicht ausreichend, und die deutschen Verbände waren ziemlich unbeweglich. Ein Entsatzangriff der 4.&nbsp;Panzerarmee, das ''[[Unternehmen Wintergewitter]]'', führte zwar bis auf 48&nbsp;Kilometer an den Belagerungsring heran, musste aber am 23.&nbsp;Dezember abgebrochen werden. Generaloberst [[Friedrich Paulus|Paulus]] schätzte einen Ausbruchsversuch wegen mangelnder Treibstoffreserven als unmöglich ein, fühlte sich an den Haltebefehl Hitlers gebunden und gab weder einen Befehl zum Ausbruch aus dem Kessel noch wollte er kapitulieren. Am 10.&nbsp;Januar 1943 eröffneten daraufhin sieben sowjetische Armeen den Angriff auf die Stadt. Bis zum 23. Januar eroberten sie die Flugplätze [[Pitomnik]] und [[Gumrak]]. Am 24. Januar gelang es ihnen, den Kessel in eine nördliche und eine südliche Hälfte zu spalten. Am 25. Januar verließ die letzte ''JU 52'' den Behelfsflugplatz Stalingradski. Am 31. Januar ging Paulus, zwischenzeitlich zum Generalfeldmarschall befördert, angesichts der aussichtslosen Lage in sowjetische Gefangenschaft, ohne eine Gesamtkapitulation der 6.&nbsp;Armee auszusprechen. Es folgten ungeregelte Teilkapitulationen von Einheiten des Südkessels; der Nordkessel kämpfte noch bis zum 2.&nbsp;Februar weiter. Die sowjetischen Verluste betrugen 500.000 Tote, die deutsche Armee und ihre Verbündeten verloren – Tote und Gefangene zusammengerechnet – ebenfalls eine halbe Million Mann. Als die BBC die Gefangennahme von 91.000 deutschen Soldaten meldete, verbreitete sich in Deutschland die Erkenntnis, dass Goebbels die Bevölkerung angelogen hatte, als er im Rundfunk verkündete, die gesamte 6. Armee sei kämpfend untergegangen. Der Schock dieser Niederlage war unbeschreiblich.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 457. Zahlen ebda.</ref> Vermutlich 110.000&nbsp;deutsche Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft<ref>GEO Epoche Panorama Nr. 6 (2015): ''Der Zweite Weltkrieg'', S. 90.</ref>, von denen 1955 nur etwa 5.000 zurückkehrten, unter ihnen Generalfeldmarschall Paulus, sein Stabschef und die meisten anderen hohen Offiziere.
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Am 16.&nbsp;Februar wurde die Stadt [[Charkiw|Charkow]] von Truppen der Wehrmacht und [[Waffen-SS]] unter dem Befehl von SS-Obergruppenführer [[Paul Hausser]] gegen den Befehl Hitlers aufgegeben, um einer drohenden Einkesselung zu entgehen. Fünf Tage danach begann eine deutsche Gegenoffensive. Bis zum 14.&nbsp;März wurde das Gebiet bis zum mittleren Donezk einschließlich [[Schlacht bei Charkow (1943)|Charkows]] zurückerobert. Dabei wurden erhebliche Geländegewinne erzielt, dem Gegner hohe Verluste beigebracht und wieder eine geschlossene Front hergestellt. Ein im Frühjahr 1943 potentiell bevorstehender Zusammenbruch der Ostfront wurde so verhindert. Eine weitere Offensive im Juli 1943, das ''[[Unternehmen Zitadelle]]'', sollte große Teile der Roten Armee im Frontbogen bei [[Kursk]] einkesseln und schwankende Verbündete nach der Niederlage bei Stalingrad von Deutschlands Stärke überzeugen.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 537.</ref>
 
Am 16.&nbsp;Februar wurde die Stadt [[Charkiw|Charkow]] von Truppen der Wehrmacht und [[Waffen-SS]] unter dem Befehl von SS-Obergruppenführer [[Paul Hausser]] gegen den Befehl Hitlers aufgegeben, um einer drohenden Einkesselung zu entgehen. Fünf Tage danach begann eine deutsche Gegenoffensive. Bis zum 14.&nbsp;März wurde das Gebiet bis zum mittleren Donezk einschließlich [[Schlacht bei Charkow (1943)|Charkows]] zurückerobert. Dabei wurden erhebliche Geländegewinne erzielt, dem Gegner hohe Verluste beigebracht und wieder eine geschlossene Front hergestellt. Ein im Frühjahr 1943 potentiell bevorstehender Zusammenbruch der Ostfront wurde so verhindert. Eine weitere Offensive im Juli 1943, das ''[[Unternehmen Zitadelle]]'', sollte große Teile der Roten Armee im Frontbogen bei [[Kursk]] einkesseln und schwankende Verbündete nach der Niederlage bei Stalingrad von Deutschlands Stärke überzeugen.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 537.</ref>
[[Datei:Soviet troops and T-34 tanks counterattacking Kursk Voronezh Front July 1943.jpg|mini|links|Soldaten der Roten Armee während einer Gegenoffensive in der [[Unternehmen Zitadelle|Schlacht bei Kursk]], Juli 1943]]
   
Das Unternehmen gipfelte in der [[Unternehmen Zitadelle#Panzerschlacht bei Prochorowka|größten Panzerschlacht]] der Geschichte. Der monatelang vorbereitete Angriff war von der Roten Armee vorausgesehen worden, die sich durch tiefe Verteidigungsstellungen vorbereitet hatte, und blieb nach einigen Tagen stecken. Der deutsche Vorstoß wurde auf dem Höhepunkt der Schlacht am 13. Juli abgebrochen. Die Wehrmacht verlor in wenigen Tagen mehr Soldaten und Material als in der monatelangen Schlacht um Stalingrad.<ref>Vgl. Rolf Fischer: ''Zweiter Weltkrieg.'' Köln 2014, S. 183.</ref> Die sowjetische Gegenoffensive bei [[Orjoler Operation|Orel]], die ihrerseits das Ziel verfolgte, Teile der Heeresgruppe Mitte einzukesseln, und die Verlegung des II. SS-Panzerkorps nach Italien aufgrund der am 10.&nbsp;Juli erfolgten Landung der Westalliierten auf Sizilien ([[Operation Husky]]) waren die entscheidenden Gründe für den Abbruch des Unternehmens ''Zitadelle''.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 1057.</ref>
 
Das Unternehmen gipfelte in der [[Unternehmen Zitadelle#Panzerschlacht bei Prochorowka|größten Panzerschlacht]] der Geschichte. Der monatelang vorbereitete Angriff war von der Roten Armee vorausgesehen worden, die sich durch tiefe Verteidigungsstellungen vorbereitet hatte, und blieb nach einigen Tagen stecken. Der deutsche Vorstoß wurde auf dem Höhepunkt der Schlacht am 13. Juli abgebrochen. Die Wehrmacht verlor in wenigen Tagen mehr Soldaten und Material als in der monatelangen Schlacht um Stalingrad.<ref>Vgl. Rolf Fischer: ''Zweiter Weltkrieg.'' Köln 2014, S. 183.</ref> Die sowjetische Gegenoffensive bei [[Orjoler Operation|Orel]], die ihrerseits das Ziel verfolgte, Teile der Heeresgruppe Mitte einzukesseln, und die Verlegung des II. SS-Panzerkorps nach Italien aufgrund der am 10.&nbsp;Juli erfolgten Landung der Westalliierten auf Sizilien ([[Operation Husky]]) waren die entscheidenden Gründe für den Abbruch des Unternehmens ''Zitadelle''.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 1057.</ref>
    
Die im ''[[Unternehmen Zitadelle]]'' verlorenen deutschen Panzerreserven konnten nicht mehr ersetzt werden; die Verluste bedeuteten damit die endgültige Kriegswende zugunsten der Sowjetunion. Nach mehreren sowjetischen Gegenoffensiven in den folgenden Monaten musste die Wehrmacht an der gesamten Front den Rückzug antreten, wobei die [[Schlacht um die Krim]] mit einer deutschen Niederlage endete. Weitere größere Schlachten waren die [[Schlacht am Dnepr]] und die [[Dnepr-Karpaten-Operation]]. Am Ende des Jahres 1943 wurde Kiew von der sowjetischen Armee zurückerobert.
 
Die im ''[[Unternehmen Zitadelle]]'' verlorenen deutschen Panzerreserven konnten nicht mehr ersetzt werden; die Verluste bedeuteten damit die endgültige Kriegswende zugunsten der Sowjetunion. Nach mehreren sowjetischen Gegenoffensiven in den folgenden Monaten musste die Wehrmacht an der gesamten Front den Rückzug antreten, wobei die [[Schlacht um die Krim]] mit einer deutschen Niederlage endete. Weitere größere Schlachten waren die [[Schlacht am Dnepr]] und die [[Dnepr-Karpaten-Operation]]. Am Ende des Jahres 1943 wurde Kiew von der sowjetischen Armee zurückerobert.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 101I-725-0190-15, Russland, Rückzug deutscher Truppen.jpg|mini|Rückzug deutscher Truppen am [[Ilmensee]], ca. 200&nbsp;km südlich Leningrad, Februar 1944]]
      
Mitte Januar 1944 verlief die Ostfront von Leningrad im Norden durch die [[Prypjatsümpfe|Pripjet-Sümpfe]] bis zur Krim im Süden.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S.&nbsp;979.</ref> In der am 14. Januar 1944 begonnenen [[Leningrad-Nowgoroder Operation]] wurde der deutsche Belagerungsring um Leningrad im selben Monat gesprengt. Die folgende sowjetische Frühjahrsoffensive brachte weitere Gebietsgewinne, und die Wehrmacht musste sich bis zum [[Peipussee]] zurückziehen. Am 12.&nbsp;Mai war die [[Schlacht um die Krim|Krim]] wieder in sowjetischer Hand. Am 9.&nbsp;Juni begann die [[Wyborg-Petrosawodsker Operation|Offensive an der finnischen Front]] auf der [[Karelische Landenge|Karelischen Landenge]]. Ende Juni kam dieser Angriff auf Höhe der alten Grenze von 1940 zum Stillstand.
 
Mitte Januar 1944 verlief die Ostfront von Leningrad im Norden durch die [[Prypjatsümpfe|Pripjet-Sümpfe]] bis zur Krim im Süden.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S.&nbsp;979.</ref> In der am 14. Januar 1944 begonnenen [[Leningrad-Nowgoroder Operation]] wurde der deutsche Belagerungsring um Leningrad im selben Monat gesprengt. Die folgende sowjetische Frühjahrsoffensive brachte weitere Gebietsgewinne, und die Wehrmacht musste sich bis zum [[Peipussee]] zurückziehen. Am 12.&nbsp;Mai war die [[Schlacht um die Krim|Krim]] wieder in sowjetischer Hand. Am 9.&nbsp;Juni begann die [[Wyborg-Petrosawodsker Operation|Offensive an der finnischen Front]] auf der [[Karelische Landenge|Karelischen Landenge]]. Ende Juni kam dieser Angriff auf Höhe der alten Grenze von 1940 zum Stillstand.
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=== Von der Invasion bis zum Kriegsende, Juni 1944 bis Mai 1945 ===
 
=== Von der Invasion bis zum Kriegsende, Juni 1944 bis Mai 1945 ===
 
==== Westfront, 1944/45 ====
 
==== Westfront, 1944/45 ====
{{Hauptartikel|Deutsche Westfront 1944/1945}}
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[[Datei:Into the Jaws of Death 23-0455M edit.jpg|mini|links|[[Into the Jaws of Death]] (In den Rachen des Todes): US-amerikanische Soldaten landen am [[Omaha Beach]], 6.&nbsp;Juni 1944]]
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[[Datei:Normandy 13 - 30 June 44.jpg|mini|Landung in der Normandie, Situation bis zum 30. Juni 1944]]
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Am Jahresbeginn 1944 übernahm Erwin Rommel den Oberbefehl der deutschen Heeresgruppe&nbsp;B an der Westfront nördlich der [[Loire]]. Am 21.&nbsp;Januar 1944 begann die deutsche Luftwaffe wieder mit [[Unternehmen Steinbock|Angriffen auf London]], die bis zum April fortgesetzt wurden. Während die Alliierten damit beschäftigt waren, riesige Mengen Versorgungsmaterials anzuhäufen, verstärkten die Deutschen ihre Küstenbefestigungen am [[Atlantikwall]].
      
Der Plan für die ''[[Operation Overlord]]'' ging auf schon 1941 erarbeitete Invasionspläne ([[Operation Roundup|''Roundup'']], [[Operation Sledgehammer|''Sledgehammer'']] u.&nbsp;a.) zurück und war an 1943 vom [[Chief of Staff to the Supreme Allied Commander|COSSAC]]-Stab unter dem britischen Lieutenant General Sir [[Frederick E. Morgan]] für die endgültige Fassung überarbeitet worden. Am 19.&nbsp;August 1942 hatten rund 6000 Infanteristen der kanadischen 2.&nbsp;Division testweise den Hafen der Stadt [[Dieppe]] angegriffen, deren Küste von deutschen Truppen als Teil des ''Atlantikwalls'' befestigt worden war. Die Unternehmung ([[Operation Jubilee]]) wurde ein Desaster und vorzeitig abgebrochen. Mehr als 900 Kanadier fielen und fast 2000 gerieten in Kriegsgefangenschaft. Die unterstützende [[Royal Air Force]] verlor 106 Flugzeuge – doppelt so viele wie die [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]]. Die [[Royal Navy]] verlor 33 amphibische Landungsfahrzeuge. Der Test lieferte wichtige Erkenntnisse für die Operation Overlord im Juni 1944.
 
Der Plan für die ''[[Operation Overlord]]'' ging auf schon 1941 erarbeitete Invasionspläne ([[Operation Roundup|''Roundup'']], [[Operation Sledgehammer|''Sledgehammer'']] u.&nbsp;a.) zurück und war an 1943 vom [[Chief of Staff to the Supreme Allied Commander|COSSAC]]-Stab unter dem britischen Lieutenant General Sir [[Frederick E. Morgan]] für die endgültige Fassung überarbeitet worden. Am 19.&nbsp;August 1942 hatten rund 6000 Infanteristen der kanadischen 2.&nbsp;Division testweise den Hafen der Stadt [[Dieppe]] angegriffen, deren Küste von deutschen Truppen als Teil des ''Atlantikwalls'' befestigt worden war. Die Unternehmung ([[Operation Jubilee]]) wurde ein Desaster und vorzeitig abgebrochen. Mehr als 900 Kanadier fielen und fast 2000 gerieten in Kriegsgefangenschaft. Die unterstützende [[Royal Air Force]] verlor 106 Flugzeuge – doppelt so viele wie die [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]]. Die [[Royal Navy]] verlor 33 amphibische Landungsfahrzeuge. Der Test lieferte wichtige Erkenntnisse für die Operation Overlord im Juni 1944.
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Am 6. Juni 1944, dem sogenannten ''[[D-Day]]'', und danach waren an der ''[[Operation Neptune]]'', dem eigentlichen Invasionsunternehmen, etwa 6700 Schiffe, darunter mehr als 4000 Landungsboote, beteiligt, die insgesamt fast 160.000 alliierte Soldaten aus den USA, Kanada und Großbritannien an Land setzten. Mehr als 11.000 Flugzeuge unterstützten das ''Unternehmen Overlord'' mit Luftlandeoperationen.<ref>Zu ''Overlord'' vgl. [[Jörg Echternkamp]]: ''Der Zweite Weltkrieg''. München (C.H.Beck) 2010, S.&nbsp;102.</ref> Am frühen Morgen des 6.&nbsp;Juni starteten zwei US-Luftlandedivisionen zu ihren Einsätzen in das Hinterland. Wegen des überraschend starken deutschen Flakfeuers und wegen Navigationsfehlern erreichten viele Maschinen nicht die vorgesehenen Absprungzonen, sodass die [[Fallschirmspringer]] über weiten Teilen der Halbinsel [[Cotentin]] abgesetzt wurden.
 
Am 6. Juni 1944, dem sogenannten ''[[D-Day]]'', und danach waren an der ''[[Operation Neptune]]'', dem eigentlichen Invasionsunternehmen, etwa 6700 Schiffe, darunter mehr als 4000 Landungsboote, beteiligt, die insgesamt fast 160.000 alliierte Soldaten aus den USA, Kanada und Großbritannien an Land setzten. Mehr als 11.000 Flugzeuge unterstützten das ''Unternehmen Overlord'' mit Luftlandeoperationen.<ref>Zu ''Overlord'' vgl. [[Jörg Echternkamp]]: ''Der Zweite Weltkrieg''. München (C.H.Beck) 2010, S.&nbsp;102.</ref> Am frühen Morgen des 6.&nbsp;Juni starteten zwei US-Luftlandedivisionen zu ihren Einsätzen in das Hinterland. Wegen des überraschend starken deutschen Flakfeuers und wegen Navigationsfehlern erreichten viele Maschinen nicht die vorgesehenen Absprungzonen, sodass die [[Fallschirmspringer]] über weiten Teilen der Halbinsel [[Cotentin]] abgesetzt wurden.
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[[Datei:Snipercaen.jpg|mini|Ein britischer Soldat hält Ausschau nach deutschen [[Scharfschütze]]n (englisch: ''sniper'') im heftig umkämpften [[Caen]], 9.&nbsp;Juli 1944]]
   
Obwohl die Alliierten gewaltige Kräfte aufgeboten hatten, kamen sie stellenweise nur sehr langsam voran. Andererseits gelang es der deutschen Seite aufgrund der alliierten [[Luftüberlegenheit]] und des großflächig zerstörten Schienennetzes nicht, schnell zusätzliche Einheiten in das Kampfgebiet der Normandie zu verlegen. Die deutschen Truppen in der Normandie wurden an unerwarteter Stelle überrascht, weil Hitler sehr häufig davon gesprochen hatte, dass die Invasion mit einem Täuschungsangriff beginnen werde. Von Rundstedt, der [[Oberbefehlshaber West]], hatte zwar am frühen Morgen um die Freigabe zweier bei Paris stationierter Panzerdivisionen gebeten. [[Alfred Jodl]] hatte das abgelehnt. Erst gegen Mittag stimmte Hitler dem Einsatz dieser Reserve gegen den 150 Kilometer entfernten alliierten Brückenkopf zu. Seine Adjutanten hatten bis etwa 10 Uhr gezögert, Hitler, der erst gegen drei Uhr morgens zu Bett gegangen war, wegen einer möglichen Falschmeldung zu wecken. „Diese Verzögerung war entscheidend.“<ref>Vgl. Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' Stuttgart 2000, S. 844 f.</ref>
 
Obwohl die Alliierten gewaltige Kräfte aufgeboten hatten, kamen sie stellenweise nur sehr langsam voran. Andererseits gelang es der deutschen Seite aufgrund der alliierten [[Luftüberlegenheit]] und des großflächig zerstörten Schienennetzes nicht, schnell zusätzliche Einheiten in das Kampfgebiet der Normandie zu verlegen. Die deutschen Truppen in der Normandie wurden an unerwarteter Stelle überrascht, weil Hitler sehr häufig davon gesprochen hatte, dass die Invasion mit einem Täuschungsangriff beginnen werde. Von Rundstedt, der [[Oberbefehlshaber West]], hatte zwar am frühen Morgen um die Freigabe zweier bei Paris stationierter Panzerdivisionen gebeten. [[Alfred Jodl]] hatte das abgelehnt. Erst gegen Mittag stimmte Hitler dem Einsatz dieser Reserve gegen den 150 Kilometer entfernten alliierten Brückenkopf zu. Seine Adjutanten hatten bis etwa 10 Uhr gezögert, Hitler, der erst gegen drei Uhr morgens zu Bett gegangen war, wegen einer möglichen Falschmeldung zu wecken. „Diese Verzögerung war entscheidend.“<ref>Vgl. Ian Kershaw: ''Hitler. 1936–1945.'' Stuttgart 2000, S. 844 f.</ref>
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In der Normandie unternahmen die US-Amerikaner am 25.&nbsp;Juli einen Ausbruchsversuch aus ihrem Brückenkopf-Abschnitt ''(→&nbsp;[[Operation Cobra]])'', der in den Folgetagen im Westen zur Abschnürung der Cotentin-Halbinsel bis nach [[Avranches]] führte. Im Osten konnten US-amerikanische Einheiten bei [[Saint-Lô]] nach anfänglicher Verzögerung schnell die deutsche Front durchbrechen. Am 6.&nbsp;August starteten die Deutschen zwar unter dem leitenden [[Oberbefehlshaber West]], Generalfeldmarschall [[Günther von Kluge]], einen Gegenangriff bei Mortain ''(→&nbsp;[[Unternehmen Lüttich]])''. Dieser wurde schon nach zwei Tagen gestoppt, was mit Hilfe der nördlich kämpfenden Briten und Kanadier zum [[Kessel von Falaise]] führte.
 
In der Normandie unternahmen die US-Amerikaner am 25.&nbsp;Juli einen Ausbruchsversuch aus ihrem Brückenkopf-Abschnitt ''(→&nbsp;[[Operation Cobra]])'', der in den Folgetagen im Westen zur Abschnürung der Cotentin-Halbinsel bis nach [[Avranches]] führte. Im Osten konnten US-amerikanische Einheiten bei [[Saint-Lô]] nach anfänglicher Verzögerung schnell die deutsche Front durchbrechen. Am 6.&nbsp;August starteten die Deutschen zwar unter dem leitenden [[Oberbefehlshaber West]], Generalfeldmarschall [[Günther von Kluge]], einen Gegenangriff bei Mortain ''(→&nbsp;[[Unternehmen Lüttich]])''. Dieser wurde schon nach zwei Tagen gestoppt, was mit Hilfe der nördlich kämpfenden Briten und Kanadier zum [[Kessel von Falaise]] führte.
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[[Datei:Crowds of French patriots line the Champs Elysees-edit2.jpg|mini|links|Französische Patrioten säumen die Champs-Élysées am 26. August 1944, am Tag nach der Befreiung von Paris, als freifranzösische Truppen von General [[Jacques-Philippe Leclerc de Hauteclocque|Leclercs]] 2. Panzerdivision den ''Arc du Triomphe'' passieren]]
   
Der deutsche Stadtkommandant von Paris, General [[Dietrich von Choltitz]], ignorierte mehrere Befehle Hitlers, Paris bis zum letzten Mann zu verteidigen und dann zu zerstören. Er ergab sich mit seinen Truppen aus Mangel an Waffen kampflos.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2012, S. 700.</ref> Wegen der enormen Materialfülle und absoluten [[Luftherrschaft]] konnten deutsche Truppenansammlungen zu jeder Zeit zerschlagen werden, und die Alliierten kamen in der Folgezeit recht zügig voran.
 
Der deutsche Stadtkommandant von Paris, General [[Dietrich von Choltitz]], ignorierte mehrere Befehle Hitlers, Paris bis zum letzten Mann zu verteidigen und dann zu zerstören. Er ergab sich mit seinen Truppen aus Mangel an Waffen kampflos.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2012, S. 700.</ref> Wegen der enormen Materialfülle und absoluten [[Luftherrschaft]] konnten deutsche Truppenansammlungen zu jeder Zeit zerschlagen werden, und die Alliierten kamen in der Folgezeit recht zügig voran.
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[[Datei:Waves of paratroops land in Holland.jpg|mini|[[Operation Market Garden]]: Fallschirmjäger landen bei [[Arnheim]], September 1944]]
   
Während der Luftlandeoperation ''[[Operation Market Garden|Market Garden]]'' bei und in [[Arnheim]] konnte das [[II.&nbsp;SS-Panzerkorps]] US-amerikanischen, britischen und polnischen Soldaten noch einmal eine schwere Niederlage beibringen. Zwar überdehnten diese bei ihrem schnellen Vorstoß zum deutschen [[Westwall]] ihre Versorgungslinien; aber nach dem Aufbau neuer, schneller Nachschubwege (→&nbsp;''[[Red Ball Express]]'') gelang es ihnen, den in großen Mengen benötigten Treibstoff bereitzustellen. Bereits am 3.&nbsp;September fiel [[Brüssel]], und am Tag darauf konnte [[Antwerpen]] besetzt werden.
 
Während der Luftlandeoperation ''[[Operation Market Garden|Market Garden]]'' bei und in [[Arnheim]] konnte das [[II.&nbsp;SS-Panzerkorps]] US-amerikanischen, britischen und polnischen Soldaten noch einmal eine schwere Niederlage beibringen. Zwar überdehnten diese bei ihrem schnellen Vorstoß zum deutschen [[Westwall]] ihre Versorgungslinien; aber nach dem Aufbau neuer, schneller Nachschubwege (→&nbsp;''[[Red Ball Express]]'') gelang es ihnen, den in großen Mengen benötigten Treibstoff bereitzustellen. Bereits am 3.&nbsp;September fiel [[Brüssel]], und am Tag darauf konnte [[Antwerpen]] besetzt werden.
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Da in der Ardennenoffensive und beim ''[[Unternehmen Nordwind]]'' (Januar 1945) die letzten nennenswerten deutschen Treibstoffreserven verbraucht wurden, waren danach Heer und besonders die Luftwaffe an allen Kriegsschauplätzen weitgehend bewegungslos, weil ab der zweiten Jahreshälfte 1944 die deutschen [[Hydrierwerk]]e zur Erzeugung von [[Deutsches synthetisches Benzin|synthetischen Benzin]] immer wieder bombardiert wurden. Es nützte daher nichts, dass die [[Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg#Kriegszeit|deutsche Kriegswirtschaft]] noch Panzer und Flugzeuge in großen Stückzahlen ausliefern konnte.
 
Da in der Ardennenoffensive und beim ''[[Unternehmen Nordwind]]'' (Januar 1945) die letzten nennenswerten deutschen Treibstoffreserven verbraucht wurden, waren danach Heer und besonders die Luftwaffe an allen Kriegsschauplätzen weitgehend bewegungslos, weil ab der zweiten Jahreshälfte 1944 die deutschen [[Hydrierwerk]]e zur Erzeugung von [[Deutsches synthetisches Benzin|synthetischen Benzin]] immer wieder bombardiert wurden. Es nützte daher nichts, dass die [[Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg#Kriegszeit|deutsche Kriegswirtschaft]] noch Panzer und Flugzeuge in großen Stückzahlen ausliefern konnte.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 173-0422, Remagen, beschädigte Brücke.jpg|mini|US-Soldaten an der [[Ludendorff-Brücke]] bei [[Remagen]], 8./10. März 1945]]
   
Am 7. März 1945 erreichten US-Soldaten südlich des Ruhrgebiets die nicht vollständig zerstörte [[Ludendorff-Brücke|Brücke bei Remagen]], sodass sie einen Brückenkopf auf dem rechtsrheinischen Ufer einrichten konnten. Am 23. März begann die ''[[Operation Plunder]]'' zur Rheinüberquerung nördlich des Ruhrgebiets bei [[Wesel]] mit britischen, US-amerikanischen und kanadischen Soldaten. Die [[Heeresgruppe B]] der Wehrmacht unter Feldmarschall [[Walter Model]] mit über 320.000 Soldaten – mehr als in Stalingrad – wurde am 1.&nbsp;April im ''[[Ruhrkessel]]'' eingeschlossen. Damit war der Krieg im Westen, militärisch gesehen, endgültig verloren. Die Heeresgruppe kapitulierte am 18.&nbsp;April, weil zwei Drittel der Soldaten ohne Waffen waren und in hellen Scharen desertierten.<ref>Ian Kershaw: ''Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45.'' München 2011, S. 414.</ref> Am selben Tag nahmen US-Truppen [[Magdeburg]] ein, einen Tag später [[Leipzig]].
 
Am 7. März 1945 erreichten US-Soldaten südlich des Ruhrgebiets die nicht vollständig zerstörte [[Ludendorff-Brücke|Brücke bei Remagen]], sodass sie einen Brückenkopf auf dem rechtsrheinischen Ufer einrichten konnten. Am 23. März begann die ''[[Operation Plunder]]'' zur Rheinüberquerung nördlich des Ruhrgebiets bei [[Wesel]] mit britischen, US-amerikanischen und kanadischen Soldaten. Die [[Heeresgruppe B]] der Wehrmacht unter Feldmarschall [[Walter Model]] mit über 320.000 Soldaten – mehr als in Stalingrad – wurde am 1.&nbsp;April im ''[[Ruhrkessel]]'' eingeschlossen. Damit war der Krieg im Westen, militärisch gesehen, endgültig verloren. Die Heeresgruppe kapitulierte am 18.&nbsp;April, weil zwei Drittel der Soldaten ohne Waffen waren und in hellen Scharen desertierten.<ref>Ian Kershaw: ''Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45.'' München 2011, S. 414.</ref> Am selben Tag nahmen US-Truppen [[Magdeburg]] ein, einen Tag später [[Leipzig]].
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[[Datei:Two anti-tank Infantrymen of the 101st Infantry Regiment, dash past a blazing German gasoline trailer in square of... - NARA - 531289 Croped, stants deleted.tif|mini|links|Zwei US-Soldaten fliehen bei der Explosion eines Benzintank&shy;anhängers, [[Kronach]] (Oberfranken), 14.&nbsp;April 1945]]
   
Während der Besetzung deutscher Städte in Südwestdeutschland durch französische Soldaten kam es, „insbesondere durch eine Minderheit der gefürchteten Kolonialsoldaten aus Nordafrika, zu ausgiebigen Plünderungen und zahlreichen Vergewaltigungen. […] In Freudenstadt, dem schlimmsten Fall, zogen sich die Plünderungen und Vergewaltigungen über drei Tage hin.“<ref>Ian Kershaw: ''Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45.'' München 2011, S. 417. Dort auch (Anmerkung 9) viele weitere, auch entlastende, Belege zum Verhalten frz. Kolonialtruppen. Vgl.&nbsp;a. [[Freudenstadt #Rolle im „Dritten Reich“ und Zweiten Weltkrieg]].</ref> Die französischen Truppen zogen weiter in Richtung [[Rottweil]] und [[Stuttgart]]. Zugleich rückte die britische Armee vom [[Niederrhein (Region)|Niederrhein]] aus zügig nach [[Norddeutschland]] vor.
 
Während der Besetzung deutscher Städte in Südwestdeutschland durch französische Soldaten kam es, „insbesondere durch eine Minderheit der gefürchteten Kolonialsoldaten aus Nordafrika, zu ausgiebigen Plünderungen und zahlreichen Vergewaltigungen. […] In Freudenstadt, dem schlimmsten Fall, zogen sich die Plünderungen und Vergewaltigungen über drei Tage hin.“<ref>Ian Kershaw: ''Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45.'' München 2011, S. 417. Dort auch (Anmerkung 9) viele weitere, auch entlastende, Belege zum Verhalten frz. Kolonialtruppen. Vgl.&nbsp;a. [[Freudenstadt #Rolle im „Dritten Reich“ und Zweiten Weltkrieg]].</ref> Die französischen Truppen zogen weiter in Richtung [[Rottweil]] und [[Stuttgart]]. Zugleich rückte die britische Armee vom [[Niederrhein (Region)|Niederrhein]] aus zügig nach [[Norddeutschland]] vor.
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[[Datei:AmericanAndSovietAtElbe.jpg|mini|[[Elbe Day]]  US-amerikanische und sowjetische Truppen bei [[Torgau]] an der [[Elbe]], 25. April 1945]]
   
Am 25. April trafen sich US-amerikanische und sowjetische Truppen südlich von Torgau an der Elbe. Damit waren die auf ihrem Heimatboden und in angrenzenden Gebieten kämpfenden deutschen Truppen in zwei voneinander getrennte Kampfräume gespalten.<ref>Vgl. Lothar Gruchmann: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 1985, S. 445.</ref> Am 26.&nbsp;April fiel [[Bremen]] an die Briten. In rascher Folge nahmen sie Lübeck (2.&nbsp;Mai) und Hamburg (3.&nbsp;Mai) ein, während britisch-kanadische Truppen in Wismar einmarschierten.
 
Am 25. April trafen sich US-amerikanische und sowjetische Truppen südlich von Torgau an der Elbe. Damit waren die auf ihrem Heimatboden und in angrenzenden Gebieten kämpfenden deutschen Truppen in zwei voneinander getrennte Kampfräume gespalten.<ref>Vgl. Lothar Gruchmann: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 1985, S. 445.</ref> Am 26.&nbsp;April fiel [[Bremen]] an die Briten. In rascher Folge nahmen sie Lübeck (2.&nbsp;Mai) und Hamburg (3.&nbsp;Mai) ein, während britisch-kanadische Truppen in Wismar einmarschierten.
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==== Ostfront, 1944/45 ====
 
==== Ostfront, 1944/45 ====
[[Datei:194407 abandoned german vehicles belarus (revised).jpg|mini|Aufgegebenes Kriegsmaterial der deutschen [[9. Armee (Wehrmacht)|9. Armee]] nahe [[Babrujsk]] (Weißrussland), Ende Juni 1944]]
      
In zeitlicher Abstimmung mit der Invasion im Westen gelang der Sowjetunion im Juni, Juli und August 1944 mit der [[Operation Bagration]] die vollständige Zerschlagung der Heeresgruppe Mitte. Sie gilt mit einem Verlust von 28 Divisionen der Wehrmacht als verlustreichste Niederlage in der deutschen Militärgeschichte. Die Rote Armee konnte von [[Weißrussland]] bis kurz vor Warschau und zur Grenze Ostpreußens vorstoßen. Am 3.&nbsp;Juli eroberten sowjetische Truppen [[Minsk]] zurück, weiter südlich drang ab dem 13.&nbsp;Juli in [[Galizien]] eine weitere sowjetische Offensive bis [[Lemberg]] und an die [[Weichsel]] vor. Ab diesem Zeitpunkt war die Wehrmacht nur noch zu hinhaltendem Widerstand gegen die Rote Armee fähig.
 
In zeitlicher Abstimmung mit der Invasion im Westen gelang der Sowjetunion im Juni, Juli und August 1944 mit der [[Operation Bagration]] die vollständige Zerschlagung der Heeresgruppe Mitte. Sie gilt mit einem Verlust von 28 Divisionen der Wehrmacht als verlustreichste Niederlage in der deutschen Militärgeschichte. Die Rote Armee konnte von [[Weißrussland]] bis kurz vor Warschau und zur Grenze Ostpreußens vorstoßen. Am 3.&nbsp;Juli eroberten sowjetische Truppen [[Minsk]] zurück, weiter südlich drang ab dem 13.&nbsp;Juli in [[Galizien]] eine weitere sowjetische Offensive bis [[Lemberg]] und an die [[Weichsel]] vor. Ab diesem Zeitpunkt war die Wehrmacht nur noch zu hinhaltendem Widerstand gegen die Rote Armee fähig.
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[[Datei:Warsaw 1944.jpg|mini|links|[[Warschauer Aufstand]], August – Oktober 1944: brennendes Haus in der Altstadt ([[Agfacolor]]-Foto). Fotografin: Ewa Faryaszewska (1920–1944)<ref>S. a. [https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/maas-gedenken-warschauer-aufstand/2236706 die Rede] des Außenministers [[Heiko Maas]] am 1. August 2019 mit Bezug auf Ewa Faryaszewska und deren Fotografien aus dem Warschauer Aufstand.</ref> ]]
   
Am 1. August begann der [[Warschauer Aufstand]] der [[Polnische Heimatarmee|Polnischen Heimatarmee]]. Am 20. August marschierte die Rote Armee in [[Operation Jassy-Kischinew|Rumänien]] ein, woraufhin am 23.&nbsp;August König Michael durch einen [[Königlicher Staatsstreich in Rumänien 1944|Staatsstreich]] den Diktator [[Ion Antonescu]] stürzte und am 24. August die rumänische Armee den Kampf an Deutschlands Seite einstellte. Als die Wehrmacht am 29. August aufgrund zunehmender Partisanenaktivitäten mit der militärischen Besetzung der Slowakei begann, brach dort der [[Slowakischer Nationalaufstand|Slowakische Nationalaufstand]] aus, der von Teilen der slowakischen Armee getragen wurde. Die Erfolge der Sowjetunion zwangen die Wehrmacht zum Rückzug aus Griechenland; am 13. Oktober rückten britische Einheiten in Athen ein. Am 5.&nbsp;September nahm die Rote Armee Bulgarien ein; der Unterstützung durch die Sowjetunion sicher, führten die [[Bulgarische Kommunistische Partei|bulgarischen Kommunisten]] am 9.&nbsp;September eine gewaltsame Änderung der [[Staatsform]] herbei und übernahmen die Führung im Land.
 
Am 1. August begann der [[Warschauer Aufstand]] der [[Polnische Heimatarmee|Polnischen Heimatarmee]]. Am 20. August marschierte die Rote Armee in [[Operation Jassy-Kischinew|Rumänien]] ein, woraufhin am 23.&nbsp;August König Michael durch einen [[Königlicher Staatsstreich in Rumänien 1944|Staatsstreich]] den Diktator [[Ion Antonescu]] stürzte und am 24. August die rumänische Armee den Kampf an Deutschlands Seite einstellte. Als die Wehrmacht am 29. August aufgrund zunehmender Partisanenaktivitäten mit der militärischen Besetzung der Slowakei begann, brach dort der [[Slowakischer Nationalaufstand|Slowakische Nationalaufstand]] aus, der von Teilen der slowakischen Armee getragen wurde. Die Erfolge der Sowjetunion zwangen die Wehrmacht zum Rückzug aus Griechenland; am 13. Oktober rückten britische Einheiten in Athen ein. Am 5.&nbsp;September nahm die Rote Armee Bulgarien ein; der Unterstützung durch die Sowjetunion sicher, führten die [[Bulgarische Kommunistische Partei|bulgarischen Kommunisten]] am 9.&nbsp;September eine gewaltsame Änderung der [[Staatsform]] herbei und übernahmen die Führung im Land.
    
Die finnische Regierung schloss am 19.&nbsp;September einen Waffenstillstand mit der Sowjetunion. Am 20.&nbsp;Oktober eroberten sowjetische Einheiten und [[jugoslawische Partisanen]] unter Tito die Hauptstadt [[Belgrader Operation|Belgrad]]. Im [[Baltikum]] zog sich die [[Heeresgruppe Nord]] am 13. Oktober aus [[Riga]] nach [[Kurland]] zurück. In [[Ostpreußen]] kam die Offensive der Sowjetunion im Oktober nach anfänglichen Erfolgen zum Erliegen.
 
Die finnische Regierung schloss am 19.&nbsp;September einen Waffenstillstand mit der Sowjetunion. Am 20.&nbsp;Oktober eroberten sowjetische Einheiten und [[jugoslawische Partisanen]] unter Tito die Hauptstadt [[Belgrader Operation|Belgrad]]. Im [[Baltikum]] zog sich die [[Heeresgruppe Nord]] am 13. Oktober aus [[Riga]] nach [[Kurland]] zurück. In [[Ostpreußen]] kam die Offensive der Sowjetunion im Oktober nach anfänglichen Erfolgen zum Erliegen.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1986-064-15, Ungarn, Straßenkämpfe, ungarische Pak.jpg|mini|Ungarische Soldaten mit PAK bei Kämpfen in einem Budapester Vorort. Der Kriegsberichterstatter der SS-[[Propagandakompanie]] kommentierte im Nazi-Jargon: „November 1944, Kampfraum Ungarn. Erst gestern brach der Feind hier ein, wurde aber im Gegenstoß sofort zurückgeschlagen. [...] Ungarische Pak sichert die Ausfall-Strassen vor erneuten bolschewistischen Überfällen.“]]
   
In der [[Schlacht um Budapest]] wurde die ungarische Hauptstadt belagert und konnte erst im Februar 1945 von der Roten Armee eingenommen werden.
 
In der [[Schlacht um Budapest]] wurde die ungarische Hauptstadt belagert und konnte erst im Februar 1945 von der Roten Armee eingenommen werden.
 
Die Rote Armee stieß Anfang 1945 von Warschau (Befreiung am 17.&nbsp;Januar) aus nach Norden vor und schnitt damit Ostpreußen vom Deutschen Reich ab. Zehntausende Deutsche flohen während der [[Schlacht um Ostpreußen]] über das zugefrorene [[Frisches Haff|Frische Haff]] nach Westen.
 
Die Rote Armee stieß Anfang 1945 von Warschau (Befreiung am 17.&nbsp;Januar) aus nach Norden vor und schnitt damit Ostpreußen vom Deutschen Reich ab. Zehntausende Deutsche flohen während der [[Schlacht um Ostpreußen]] über das zugefrorene [[Frisches Haff|Frische Haff]] nach Westen.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1972-093-65, Flüchtlinge auf Schiff.jpg|mini|links|[[Unternehmen Hannibal]], Januar 1945: [[Verwundeten- und Flüchtlingstransporte über die Ostsee 1945|Flüchtlinge]] aus [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]] auf dem [[Flugsicherungsschiff|Flug&shy;sicherungsschiff]] [[Hans Albrecht Wedel (Schiff, 1940)|Hans Albrecht Wedel]]]]
   
Bei den [[Verwundeten- und Flüchtlingstransporte über die Ostsee 1945|Verwundeten- und Flüchtlingstransporten über die Ostsee]] gelangten mehrere Hunderttausend Menschen nach Westen. Im Zuge dieser Rettungsaktion ''([[Unternehmen Hannibal]])'' wurde am 30. Januar das ehemalige KdF-Schiff „[[Wilhelm Gustloff (Schiff)|Wilhelm Gustloff]]“ mit Tausenden von Menschen an Bord von dem U-Boot [[S-13]] der [[Baltische Flotte|Baltischen Flotte]] [[Torpedo|torpediert]] und ging auf Höhe von [[Ustka|Stolpmünde]] unter, wo 11&nbsp;Tage später die ''[[Steuben (Schiff)|Steuben]]'' ebenfalls ein Opfer von S-13 wurde. Die Versenkungen der ''Gustloff'', ''Steuben'', ''[[Goya (Schiff, 1940)|Goya]]'' (16.&nbsp;April 1945) und ''[[Cap Arcona (Schiff, 1927)|Cap Arcona]]'' (3.&nbsp;Mai 1945) mit zusammen mehr als 20.000 Opfern gelten als die größten [[Liste der schwersten Katastrophen der Schifffahrt|Katastrophen der Schifffahrt]].
 
Bei den [[Verwundeten- und Flüchtlingstransporte über die Ostsee 1945|Verwundeten- und Flüchtlingstransporten über die Ostsee]] gelangten mehrere Hunderttausend Menschen nach Westen. Im Zuge dieser Rettungsaktion ''([[Unternehmen Hannibal]])'' wurde am 30. Januar das ehemalige KdF-Schiff „[[Wilhelm Gustloff (Schiff)|Wilhelm Gustloff]]“ mit Tausenden von Menschen an Bord von dem U-Boot [[S-13]] der [[Baltische Flotte|Baltischen Flotte]] [[Torpedo|torpediert]] und ging auf Höhe von [[Ustka|Stolpmünde]] unter, wo 11&nbsp;Tage später die ''[[Steuben (Schiff)|Steuben]]'' ebenfalls ein Opfer von S-13 wurde. Die Versenkungen der ''Gustloff'', ''Steuben'', ''[[Goya (Schiff, 1940)|Goya]]'' (16.&nbsp;April 1945) und ''[[Cap Arcona (Schiff, 1927)|Cap Arcona]]'' (3.&nbsp;Mai 1945) mit zusammen mehr als 20.000 Opfern gelten als die größten [[Liste der schwersten Katastrophen der Schifffahrt|Katastrophen der Schifffahrt]].
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Am selben Tag erreichten erste sowjetische Einheiten [[Küstrin]] und damit die [[Oder]]. In der [[Schlacht um Königsberg]] besetzten die sowjetischen Angreifer am 9.&nbsp;April endgültig die Stadt.
 
Am selben Tag erreichten erste sowjetische Einheiten [[Küstrin]] und damit die [[Oder]]. In der [[Schlacht um Königsberg]] besetzten die sowjetischen Angreifer am 9.&nbsp;April endgültig die Stadt.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-E0406-0022-012, Sowjetische Artillerie vor Berlin.jpg|mini|Sowjetische Artillerie ([[76-mm-Divisionskanone M1942 (SiS-3)|SiS-3]]), 60&nbsp;km östlich vor Berlin, April 1945]]
      
Die Rote Armee stand nach der [[Weichsel-Oder-Operation]] Ende Januar 1945 entlang der Oder und Neiße von [[Stettin]] bis [[Görlitz]] knapp 80&nbsp;Kilometer vor Berlin. Vom 16. bis 19.&nbsp;April wurde bei den [[Schlacht um die Seelower Höhen|Seelower Höhen]] eine der größten Schlachten des Zweiten Weltkrieges geschlagen. Einer Million deutschen Soldaten, viele davon junge, kaum kampferfahrene Rekruten, mit 1500 Panzern, 10.400 Geschützen und 3300 Kampfflugzeugen, von denen viele mangels Treibstoff am Boden bleiben mussten, standen 1&nbsp;Million sowjetische Soldaten mit 3155 Panzern und 20.130&nbsp;Geschützen gegenüber. Es war der gewaltigste Feuerschlag des gesamten Krieges: Am ersten Tag wurden 1,2&nbsp;Millionen Granaten abgefeuert, deren Erschütterungen noch im 60&nbsp;km entfernten Osten Berlins die Wände beben ließen.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 839.</ref> Weiter nördlich, in Pommern, hatte [[Rokossowski]]s „Zweite weißrussische Front“ 1,4&nbsp;Millionen Soldaten, über 4000 Panzer und 23.000 schwere Geschütze. Im Süden, an der Neiße, verfügte [[Iwan Stepanowitsch Konew|Konjews]] ''Erste Ukrainische Front'' über weitere 1,1&nbsp;Millionen Soldaten und 2150 Panzer. Aus der Luft wurden alle ''[[Front (Großverband)|Fronten]]'' von zusammen 7500 Kampfflugzeugen unterstützt.<ref>Ian Kershaw: ''Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45.'' DVA, München 2011, S. 418 f.</ref> Unterdessen wurde im Süden der sowjetische Belagerungsring um [[Breslau]] am 15.&nbsp;Februar geschlossen, das erst am 6.&nbsp;Mai in die Hände der Roten Armee fiel.
 
Die Rote Armee stand nach der [[Weichsel-Oder-Operation]] Ende Januar 1945 entlang der Oder und Neiße von [[Stettin]] bis [[Görlitz]] knapp 80&nbsp;Kilometer vor Berlin. Vom 16. bis 19.&nbsp;April wurde bei den [[Schlacht um die Seelower Höhen|Seelower Höhen]] eine der größten Schlachten des Zweiten Weltkrieges geschlagen. Einer Million deutschen Soldaten, viele davon junge, kaum kampferfahrene Rekruten, mit 1500 Panzern, 10.400 Geschützen und 3300 Kampfflugzeugen, von denen viele mangels Treibstoff am Boden bleiben mussten, standen 1&nbsp;Million sowjetische Soldaten mit 3155 Panzern und 20.130&nbsp;Geschützen gegenüber. Es war der gewaltigste Feuerschlag des gesamten Krieges: Am ersten Tag wurden 1,2&nbsp;Millionen Granaten abgefeuert, deren Erschütterungen noch im 60&nbsp;km entfernten Osten Berlins die Wände beben ließen.<ref>Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 839.</ref> Weiter nördlich, in Pommern, hatte [[Rokossowski]]s „Zweite weißrussische Front“ 1,4&nbsp;Millionen Soldaten, über 4000 Panzer und 23.000 schwere Geschütze. Im Süden, an der Neiße, verfügte [[Iwan Stepanowitsch Konew|Konjews]] ''Erste Ukrainische Front'' über weitere 1,1&nbsp;Millionen Soldaten und 2150 Panzer. Aus der Luft wurden alle ''[[Front (Großverband)|Fronten]]'' von zusammen 7500 Kampfflugzeugen unterstützt.<ref>Ian Kershaw: ''Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45.'' DVA, München 2011, S. 418 f.</ref> Unterdessen wurde im Süden der sowjetische Belagerungsring um [[Breslau]] am 15.&nbsp;Februar geschlossen, das erst am 6.&nbsp;Mai in die Hände der Roten Armee fiel.
    
==== Kampf um Berlin ====
 
==== Kampf um Berlin ====
{{Hauptartikel|Schlacht um Berlin}}
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[[Datei:Reichstag after the allied bombing of Berlin.jpg|mini|Das [[Reichstagsgebäude]] in Berlin vier Wochen nach [[VE-Day|Kriegsende]]]]
   
Fünf Tage nach dem Angriffsbeginn an der Oder erreichten am 21.&nbsp;April sowjetische Truppen die nordöstliche Stadtgrenze. In der [[Schlacht um Berlin]] drangen in konzentrischen Angriffen Schukows und Konews Armeen in Richtung Zentrum vor und standen nach der Überwindung von Spree und Landwehrkanal vor der sogenannten „Zitadelle“, dem innersten Machtbereich der „Nazi-Führung“. Am 28.&nbsp;April scheiterte der Versuch der [[12. Armee (Wehrmacht)|12.&nbsp;Armee]] unter General [[Walther Wenck]], die Eingeschlossenen zu [[Entsatz|entsetzen]]. Am 30.&nbsp;April tötete sich Adolf Hitler selbst im [[Führerbunker]] unter dem Garten der Reichskanzlei und am selben Tag eroberten Einheiten der Roten Armee das [[Reichstagsgebäude]], für die Sowjetunion das Symbol Hitlerdeutschlands. Die Kämpfe, die an Intensität zum Ende hin immer mehr zunahmen, konzentrierten sich nun auf die [[Berliner Flaktürme#Paar 1: Tiergarten|Flaktürme am Zoobunker]], das [[Tiergartenviertel]], den [[Bendlerblock]], die [[Prinz-Albrecht-Palais|Gestapo-Zentrale]], das [[Reichsluftfahrtministerium]] sowie den [[Berliner Flaktürme#Paar 3: Volkspark Humboldthain|Flakbunker Humboldthain]]. Der Artilleriebeschuss hatte die Bevölkerung immer enger zusammendrängt, die im Bereich des [[Anhalter Hochbunker Berlin|Hochbunkers]] beim [[Berlin Anhalter Bahnhof|Anhalter Bahnhof]] und in den unterirdischen Bahnstationen Schutz gesucht hatte. In der Nacht zum 2.&nbsp;Mai scheiterten die meisten der zahlreichen Ausbruchsversuche der Verteidiger in Richtung Norden und Westen. Am Morgen des 2.&nbsp;Mai sprengten [[Schutzstaffel|SS]]-Einheiten die Decke des [[Nord-Süd-Tunnel#Sprengung|Nord-Süd-S-Bahn-Tunnels]]<ref>„Zwar wurde die sorgfältige Spreng-Vorbereitung durch SS-Truppen nachgewiesen. Wer aber die Sprengung schließlich ausführte, ist bis heute unbekannt.“ (Harald Neckelmann: ''Anhalter Bunker Berlin.'' Berlin Story Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-95723-031-7, S.&nbsp;67.)</ref> unter dem [[Landwehrkanal]] und in der Folge wurden große Teile des U-Bahn-Netzes geflutet (siehe auch: ''[[Geschichte der Berliner U-Bahn#Die U-Bahn unter Wasser|Geschichte der Berliner U-Bahn – Die U-Bahn unter Wasser]]''). Am selben Tag kapitulierte nach [[Schlacht um Berlin#Kapitulationsverhandlungen|Verhandlungen]] mit General [[Wassili Iwanowitsch Tschuikow|Wassili Tschuikow]] der deutsche Kampfkommandant [[Helmuth Weidling]] mit den letzten Verteidigern der Stadt.
 
Fünf Tage nach dem Angriffsbeginn an der Oder erreichten am 21.&nbsp;April sowjetische Truppen die nordöstliche Stadtgrenze. In der [[Schlacht um Berlin]] drangen in konzentrischen Angriffen Schukows und Konews Armeen in Richtung Zentrum vor und standen nach der Überwindung von Spree und Landwehrkanal vor der sogenannten „Zitadelle“, dem innersten Machtbereich der „Nazi-Führung“. Am 28.&nbsp;April scheiterte der Versuch der [[12. Armee (Wehrmacht)|12.&nbsp;Armee]] unter General [[Walther Wenck]], die Eingeschlossenen zu [[Entsatz|entsetzen]]. Am 30.&nbsp;April tötete sich Adolf Hitler selbst im [[Führerbunker]] unter dem Garten der Reichskanzlei und am selben Tag eroberten Einheiten der Roten Armee das [[Reichstagsgebäude]], für die Sowjetunion das Symbol Hitlerdeutschlands. Die Kämpfe, die an Intensität zum Ende hin immer mehr zunahmen, konzentrierten sich nun auf die [[Berliner Flaktürme#Paar 1: Tiergarten|Flaktürme am Zoobunker]], das [[Tiergartenviertel]], den [[Bendlerblock]], die [[Prinz-Albrecht-Palais|Gestapo-Zentrale]], das [[Reichsluftfahrtministerium]] sowie den [[Berliner Flaktürme#Paar 3: Volkspark Humboldthain|Flakbunker Humboldthain]]. Der Artilleriebeschuss hatte die Bevölkerung immer enger zusammendrängt, die im Bereich des [[Anhalter Hochbunker Berlin|Hochbunkers]] beim [[Berlin Anhalter Bahnhof|Anhalter Bahnhof]] und in den unterirdischen Bahnstationen Schutz gesucht hatte. In der Nacht zum 2.&nbsp;Mai scheiterten die meisten der zahlreichen Ausbruchsversuche der Verteidiger in Richtung Norden und Westen. Am Morgen des 2.&nbsp;Mai sprengten [[Schutzstaffel|SS]]-Einheiten die Decke des [[Nord-Süd-Tunnel#Sprengung|Nord-Süd-S-Bahn-Tunnels]]<ref>„Zwar wurde die sorgfältige Spreng-Vorbereitung durch SS-Truppen nachgewiesen. Wer aber die Sprengung schließlich ausführte, ist bis heute unbekannt.“ (Harald Neckelmann: ''Anhalter Bunker Berlin.'' Berlin Story Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-95723-031-7, S.&nbsp;67.)</ref> unter dem [[Landwehrkanal]] und in der Folge wurden große Teile des U-Bahn-Netzes geflutet (siehe auch: ''[[Geschichte der Berliner U-Bahn#Die U-Bahn unter Wasser|Geschichte der Berliner U-Bahn – Die U-Bahn unter Wasser]]''). Am selben Tag kapitulierte nach [[Schlacht um Berlin#Kapitulationsverhandlungen|Verhandlungen]] mit General [[Wassili Iwanowitsch Tschuikow|Wassili Tschuikow]] der deutsche Kampfkommandant [[Helmuth Weidling]] mit den letzten Verteidigern der Stadt.
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==== Kriegsende in Europa 1945 ====
 
==== Kriegsende in Europa 1945 ====
{{Hauptartikel|Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|VE-Day}}
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[[Datei:Proklamation Nr. 1 - Zweisprachige Bekanntmachung des Obersten Befehlshabers der alliierten Streitkräfte Dwight D. Eisenhower (deutschsprachiger Teil).jpg|mini|links|Proklamation Nr.&nbsp;1 von General Eisenhower an das deutsche Volk, März 1945]]
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[[Datei:The Allied Campaign in North-west Europe, 6 June 1944 - 7 May 1945 BU5207.jpg|mini|Unterzeichnung der [[Teilkapitulation der Wehrmacht für Nordwestdeutschland, Dänemark und die Niederlande]] am 4. Mai 1945 in einem Zelt auf dem Timeloberg bei Lüneburg]]
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[[Datei:Kapitulationserklaerung der Deutschen Wehrmacht, 8 Mai 1945.jpg|mini|Kapitulationserklärung der Deutschen Wehrmacht, 8. Mai 1945 [[Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst|Berlin-Karlshorst]]]]
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[[Datei:Wilhelm Keitel Kapitulation.jpg|mini|Keitel unterzeichnet die Kapitulationsurkunde in [[Berlin-Karlshorst]], 8./9.&nbsp;Mai 1945.]]
      
Einen Tag, bevor Hitler sich am 30.&nbsp;April das Leben nahm, hatte er in seinem [[Politisches Testament Adolf Hitlers|politischen Testament]] Großadmiral [[Karl Dönitz]] zum Reichspräsidenten und Oberbefehlshaber der Wehrmacht und Propagandaminister Joseph Goebbels zum Reichskanzler bestimmt. Nachdem dieser sich am 1.&nbsp;Mai ebenfalls das Leben genommen hatte, erklärte Dönitz am selben Tag in einer Rundfunkansprache die Fortsetzung des militärischen Kampfes gegen „den vordrängenden bolschewistischen Feind“. Dönitz wollte damit erreichen, dass möglichst viele deutsche Soldaten in amerikanisch-britische statt sowjetische Gefangenschaft gerieten. Nachdem die letzten Einheiten in Berlin am 2.&nbsp;Mai kapituliert hatten, schlug er sein Hauptquartier am 3.&nbsp;Mai in [[Sonderbereich Mürwik|Flensburg-Mürwik]] auf und benannte eine ''[[Geschäftsführende Reichsregierung]]'' unter [[Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk|Graf Schwerin von Krosigk]]. Am 4. Mai unterzeichnete der neu ernannte Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Generaladmiral [[Hans-Georg von Friedeburg]], auf dem Timeloberg bei [[Lüneburg]] in Anwesenheit des britischen Feldmarschalls [[Bernard Montgomery]] die [[Teilkapitulation der Wehrmacht für Nordwestdeutschland, Dänemark und die Niederlande]], die am 5.&nbsp;Mai um 8&nbsp;Uhr in Kraft trat.
 
Einen Tag, bevor Hitler sich am 30.&nbsp;April das Leben nahm, hatte er in seinem [[Politisches Testament Adolf Hitlers|politischen Testament]] Großadmiral [[Karl Dönitz]] zum Reichspräsidenten und Oberbefehlshaber der Wehrmacht und Propagandaminister Joseph Goebbels zum Reichskanzler bestimmt. Nachdem dieser sich am 1.&nbsp;Mai ebenfalls das Leben genommen hatte, erklärte Dönitz am selben Tag in einer Rundfunkansprache die Fortsetzung des militärischen Kampfes gegen „den vordrängenden bolschewistischen Feind“. Dönitz wollte damit erreichen, dass möglichst viele deutsche Soldaten in amerikanisch-britische statt sowjetische Gefangenschaft gerieten. Nachdem die letzten Einheiten in Berlin am 2.&nbsp;Mai kapituliert hatten, schlug er sein Hauptquartier am 3.&nbsp;Mai in [[Sonderbereich Mürwik|Flensburg-Mürwik]] auf und benannte eine ''[[Geschäftsführende Reichsregierung]]'' unter [[Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk|Graf Schwerin von Krosigk]]. Am 4. Mai unterzeichnete der neu ernannte Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Generaladmiral [[Hans-Georg von Friedeburg]], auf dem Timeloberg bei [[Lüneburg]] in Anwesenheit des britischen Feldmarschalls [[Bernard Montgomery]] die [[Teilkapitulation der Wehrmacht für Nordwestdeutschland, Dänemark und die Niederlande]], die am 5.&nbsp;Mai um 8&nbsp;Uhr in Kraft trat.
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Nachdem Eisenhower das Ansinnen eines separaten Waffenstillstands mit den Westalliierten zurückgewiesen hatte, unterzeichnete Generaloberst Alfred Jodl in [[Reims]] am 7.&nbsp;Mai die [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|bedingungslose Kapitulation aller deutschen Truppen]]. Sie trat am 8.&nbsp;Mai, 23:01 Uhr [[Mitteleuropäische Zeit|mitteleuropäischer Zeit]] in Kraft.<!-- http://www.museum-karlshorst.de/html/sammlung/img/Kapitulationsurkunde_Reims1.jpg & http://www.museum-karlshorst.de/html/sammlung/img/Kapitulationsurkunde_Reims2.jpg --> In einem weiteren Dokument wurde die [[Ratifikation|Ratifizierung]] dieser bedingungslosen Kapitulation durch das [[Oberkommando der Wehrmacht]] sowie die Oberbefehlshaber von Heer, Luftwaffe und Marine vereinbart.<!-- http://www.museum-karlshorst.de/html/sammlung/img/Protokoll_Reims.jpg --> Das geschah durch Unterzeichnung einer weiteren Kapitulationsurkunde<!-- ([http://www.documentarchiv.de/ns/1945/kapitulation.html 1]) --> im [[Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst|sowjetischen Hauptquartier]] in Berlin-Karlshorst. In den späten Abendstunden des 8.&nbsp;Mai wurde die Urkunde von Generalfeldmarschall Keitel (für das OKW und das Heer), [[Hans-Georg von Friedeburg|Generaladmiral von Friedeburg]] (Kriegsmarine) und [[Hans-Jürgen Stumpff|Generaloberst Stumpff]] (Luftwaffe, als Vertreter des Oberbefehlshabers [[Robert Ritter von Greim|Generalfeldmarschall von Greim]]) unterzeichnet. Die Ratifizierung zog sich bis nach Mitternacht hin. Da die Kapitulation ebenfalls erst am 9.&nbsp;Mai in Moskau bekannt gegeben wurde, wurde/wird in der [[Sowjetunion]] beziehungsweise in den [[Postsowjetische Staaten|postsowjetischen Staaten]] der 9.&nbsp;Mai als ''Tag des Sieges'' begangen.
 
Nachdem Eisenhower das Ansinnen eines separaten Waffenstillstands mit den Westalliierten zurückgewiesen hatte, unterzeichnete Generaloberst Alfred Jodl in [[Reims]] am 7.&nbsp;Mai die [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|bedingungslose Kapitulation aller deutschen Truppen]]. Sie trat am 8.&nbsp;Mai, 23:01 Uhr [[Mitteleuropäische Zeit|mitteleuropäischer Zeit]] in Kraft.<!-- http://www.museum-karlshorst.de/html/sammlung/img/Kapitulationsurkunde_Reims1.jpg & http://www.museum-karlshorst.de/html/sammlung/img/Kapitulationsurkunde_Reims2.jpg --> In einem weiteren Dokument wurde die [[Ratifikation|Ratifizierung]] dieser bedingungslosen Kapitulation durch das [[Oberkommando der Wehrmacht]] sowie die Oberbefehlshaber von Heer, Luftwaffe und Marine vereinbart.<!-- http://www.museum-karlshorst.de/html/sammlung/img/Protokoll_Reims.jpg --> Das geschah durch Unterzeichnung einer weiteren Kapitulationsurkunde<!-- ([http://www.documentarchiv.de/ns/1945/kapitulation.html 1]) --> im [[Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst|sowjetischen Hauptquartier]] in Berlin-Karlshorst. In den späten Abendstunden des 8.&nbsp;Mai wurde die Urkunde von Generalfeldmarschall Keitel (für das OKW und das Heer), [[Hans-Georg von Friedeburg|Generaladmiral von Friedeburg]] (Kriegsmarine) und [[Hans-Jürgen Stumpff|Generaloberst Stumpff]] (Luftwaffe, als Vertreter des Oberbefehlshabers [[Robert Ritter von Greim|Generalfeldmarschall von Greim]]) unterzeichnet. Die Ratifizierung zog sich bis nach Mitternacht hin. Da die Kapitulation ebenfalls erst am 9.&nbsp;Mai in Moskau bekannt gegeben wurde, wurde/wird in der [[Sowjetunion]] beziehungsweise in den [[Postsowjetische Staaten|postsowjetischen Staaten]] der 9.&nbsp;Mai als ''Tag des Sieges'' begangen.
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[[Datei:Een uitzinnige menigte verwelkomt de Canadese bevrijders in Utrecht - An ecstatic crowd in Utrecht welcomes the Canadian liberators (4502667274).jpg|mini|Niederländische Zivilisten jubeln Soldaten der [[First Canadian Army]] am 7.&nbsp;Mai 1945 in [[Utrecht]] zu]]
   
Beim Kriegsende in Europa am 8.&nbsp;Mai befanden sich im Westen die [[Kanalinseln]] und die Städte [[Lorient]], [[Saint-Nazaire]], [[La Rochelle]], im Osten das nördliche [[Kurland]] und im Südosten Teile der [[Ägäisches Meer|Ägäis]] noch unter der Kontrolle der Wehrmacht. Auch in Dänemark und Norwegen blieb die deutsche Herrschaft bis zur Kapitulation erhalten, in den Niederlanden die Provinzen Nord- und Südholland sowie die Provinz Groningen. Das Deutsche Reich selbst war weitgehend besetzt, lediglich der Alpenraum, Teile des Protektorats Böhmen und Mähren, der Großteil Schleswig-Holsteins und Ostfriesland standen noch unter Kontrolle deutscher Truppen.<ref>''Der Große Ploetz.'' Freiburg i.&nbsp;B. 2008, S. 838.</ref>
 
Beim Kriegsende in Europa am 8.&nbsp;Mai befanden sich im Westen die [[Kanalinseln]] und die Städte [[Lorient]], [[Saint-Nazaire]], [[La Rochelle]], im Osten das nördliche [[Kurland]] und im Südosten Teile der [[Ägäisches Meer|Ägäis]] noch unter der Kontrolle der Wehrmacht. Auch in Dänemark und Norwegen blieb die deutsche Herrschaft bis zur Kapitulation erhalten, in den Niederlanden die Provinzen Nord- und Südholland sowie die Provinz Groningen. Das Deutsche Reich selbst war weitgehend besetzt, lediglich der Alpenraum, Teile des Protektorats Böhmen und Mähren, der Großteil Schleswig-Holsteins und Ostfriesland standen noch unter Kontrolle deutscher Truppen.<ref>''Der Große Ploetz.'' Freiburg i.&nbsp;B. 2008, S. 838.</ref>
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== Krieg in Asien und im Pazifik ==
 
== Krieg in Asien und im Pazifik ==
{{Hauptartikel|Pazifikkrieg}}
      
=== Japans Neuordnung Ostasiens ===
 
=== Japans Neuordnung Ostasiens ===
{{Hauptartikel|Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges im Pazifikraum}}
      
Japan war vor dem Zweiten Weltkrieg bereits an mehreren Kriegen beteiligt gewesen. Unter [[Tennō]] [[Yoshihito]] kämpfte Japan an der Seite der Alliierten im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]], in dem Japan [[Kolonie]]n des [[Deutsches Kaiserreich|deutschen Kaiserreichs]] übernehmen konnte, darunter einen Teil [[Deutsch-Neuguinea]]s ([[japanisches Südseemandat]]). Etwa zehn Jahre zuvor war es wegen des Streits um die Vorherrschaft in der Mandschurei und in Korea zum [[Russisch-Japanischer Krieg|Russisch-Japanischen Krieg]] (1904–1905) gekommen.
 
Japan war vor dem Zweiten Weltkrieg bereits an mehreren Kriegen beteiligt gewesen. Unter [[Tennō]] [[Yoshihito]] kämpfte Japan an der Seite der Alliierten im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]], in dem Japan [[Kolonie]]n des [[Deutsches Kaiserreich|deutschen Kaiserreichs]] übernehmen konnte, darunter einen Teil [[Deutsch-Neuguinea]]s ([[japanisches Südseemandat]]). Etwa zehn Jahre zuvor war es wegen des Streits um die Vorherrschaft in der Mandschurei und in Korea zum [[Russisch-Japanischer Krieg|Russisch-Japanischen Krieg]] (1904–1905) gekommen.
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Die japanische Expansion richtete sich zunächst gegen die [[Republik China (1912–1949)|Republik China]]. Nach dem [[Mukden-Zwischenfall]] am 15.&nbsp;September 1931, der vermutlich von den Japanern selbst inszeniert wurde, kam es drei Tage später zur [[Mandschurei-Krise]], und im Februar 1932 wurde ein japanischer [[Vasallenstaat]] [[Mandschukuo]] errichtet. Nach internationalen Protesten über das Vorgehen in China trat Japan 1933 aus dem [[Völkerbund]] aus; 1936 schloss es sich dem [[Antikominternpakt]] an.
 
Die japanische Expansion richtete sich zunächst gegen die [[Republik China (1912–1949)|Republik China]]. Nach dem [[Mukden-Zwischenfall]] am 15.&nbsp;September 1931, der vermutlich von den Japanern selbst inszeniert wurde, kam es drei Tage später zur [[Mandschurei-Krise]], und im Februar 1932 wurde ein japanischer [[Vasallenstaat]] [[Mandschukuo]] errichtet. Nach internationalen Protesten über das Vorgehen in China trat Japan 1933 aus dem [[Völkerbund]] aus; 1936 schloss es sich dem [[Antikominternpakt]] an.
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[[Datei:Second world war asia 1937-1942 map de.png|mini|Pazifikkrieg 1937–1942]]
      
Am 7. Juli 1937 kam es zum [[Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke]] in [[Peking]], den die [[Kaiserlich Japanische Armee|japanische Armee]] zum Anlass nahm, ohne Kriegserklärung in Nordchina einzudringen und die Haupthäfen entlang der gesamten chinesischen Küste zu besetzen. Da sie das Hinterland von [[Hongkong]] und [[Macau]] besetzt hielt, blockierte sie fast die gesamte chinesische Küste, um die wirtschaftlichen Verbindungen Chinas nach Übersee abzuschneiden. Diese Ereignisse werden von einigen Historikern als der eigentliche Beginn des Zweiten Weltkrieges angesehen. Gleichwohl unterschied sich der Krieg in China sehr von dem Krieg in Europa, der am 1.&nbsp;September 1939 begann. Im Frühjahr und Sommer 1940, als die deutsche Wehrmacht die Niederlande, Belgien und Frankreich überrannte und „Großbritannien beinahe in die Knie zwang“, war kein Ende des asiatischen Krieges in Sicht.<ref name="Ian Kershaw 2008">Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 121.</ref>
 
Am 7. Juli 1937 kam es zum [[Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke]] in [[Peking]], den die [[Kaiserlich Japanische Armee|japanische Armee]] zum Anlass nahm, ohne Kriegserklärung in Nordchina einzudringen und die Haupthäfen entlang der gesamten chinesischen Küste zu besetzen. Da sie das Hinterland von [[Hongkong]] und [[Macau]] besetzt hielt, blockierte sie fast die gesamte chinesische Küste, um die wirtschaftlichen Verbindungen Chinas nach Übersee abzuschneiden. Diese Ereignisse werden von einigen Historikern als der eigentliche Beginn des Zweiten Weltkrieges angesehen. Gleichwohl unterschied sich der Krieg in China sehr von dem Krieg in Europa, der am 1.&nbsp;September 1939 begann. Im Frühjahr und Sommer 1940, als die deutsche Wehrmacht die Niederlande, Belgien und Frankreich überrannte und „Großbritannien beinahe in die Knie zwang“, war kein Ende des asiatischen Krieges in Sicht.<ref name="Ian Kershaw 2008">Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 121.</ref>
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China stand damals an einem Scheideweg, da die Kommunisten unter [[Mao Zedong]] und die Nationalisten der [[Kuomintang]] unter [[Chiang Kai-shek]] um die Vorherrschaft im Land kämpften. Die Kommunisten hatten sich nach dem [[Langer Marsch|Langen Marsch]] in das Landesinnere nach [[Yan’an]] zurückgezogen und griffen beim Kampf gegen die Japaner nur vereinzelt ein.
 
China stand damals an einem Scheideweg, da die Kommunisten unter [[Mao Zedong]] und die Nationalisten der [[Kuomintang]] unter [[Chiang Kai-shek]] um die Vorherrschaft im Land kämpften. Die Kommunisten hatten sich nach dem [[Langer Marsch|Langen Marsch]] in das Landesinnere nach [[Yan’an]] zurückgezogen und griffen beim Kampf gegen die Japaner nur vereinzelt ein.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-U1002-502, Japanisch-Chinesischer Krieg.jpg|mini|Japanische Truppen bei der Einnahme von [[Danyang (Zhenjiang)|Tanyang]], Dezember 1937]]
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[[Datei:Japanese naval landing forces blasting Chinese pillbox and marching with the naval flag, Canton Operation.jpg|mini|Japaner kämpfen bei [[Guangzhou|Kanton]], Oktober&nbsp;1938]]
      
Um den 8. Dezember 1937 erreichten japanische Truppen [[Nanjing]], die Hauptstadt der Kuomintang, und kesselten sie ein. Chiang Kai-shek ließ die Hauptstadt in das entfernte [[Chongqing]] verlegen. Bei der Besetzung der Stadt kam es in den folgenden sechs Wochen zum [[Massaker von Nanking]], in dem mindestens 200.000&nbsp;chinesische Zivilisten und Kriegsgefangene ermordet und etwa 42.000&nbsp;Frauen und Mädchen aller Altersstufen [[Vergewaltigung|vergewaltigt]] wurden. „Die Berichte über die Mord- und Vergewaltigungsorgie erschütterten die Welt.“<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 129. Opferzahlen nach Kershaw, ebda.</ref> Die öffentliche Meinung im Westen, insbesondere in den USA, wandte sich scharf gegen Japan. Im Juli 1939 kündigte die Regierung der USA einen seit 1911 bestehenden wichtigen Handelsvertrag, durch den fast ein Drittel aller japanischen Einfuhren betroffen waren. Ein Ausweg aus der zunehmenden Isolation schien ein Bündnis mit Deutschland zu sein, das vom deutschen Außenminister [[Joachim von Ribbentrop|Ribbentrop]] befürwortet wurde.<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 132.</ref>
 
Um den 8. Dezember 1937 erreichten japanische Truppen [[Nanjing]], die Hauptstadt der Kuomintang, und kesselten sie ein. Chiang Kai-shek ließ die Hauptstadt in das entfernte [[Chongqing]] verlegen. Bei der Besetzung der Stadt kam es in den folgenden sechs Wochen zum [[Massaker von Nanking]], in dem mindestens 200.000&nbsp;chinesische Zivilisten und Kriegsgefangene ermordet und etwa 42.000&nbsp;Frauen und Mädchen aller Altersstufen [[Vergewaltigung|vergewaltigt]] wurden. „Die Berichte über die Mord- und Vergewaltigungsorgie erschütterten die Welt.“<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 129. Opferzahlen nach Kershaw, ebda.</ref> Die öffentliche Meinung im Westen, insbesondere in den USA, wandte sich scharf gegen Japan. Im Juli 1939 kündigte die Regierung der USA einen seit 1911 bestehenden wichtigen Handelsvertrag, durch den fast ein Drittel aller japanischen Einfuhren betroffen waren. Ein Ausweg aus der zunehmenden Isolation schien ein Bündnis mit Deutschland zu sein, das vom deutschen Außenminister [[Joachim von Ribbentrop|Ribbentrop]] befürwortet wurde.<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 132.</ref>
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Die japanische Führung wollte die Niederlagen Frankreichs und der Niederlande sowie die erwartete Niederlage Großbritanniens im Krieg gegen Deutschland zu einer Südexpansion (Indochina, Niederländisch-Indien, Hongkong, Malaya und [[Singapur]]) ausnutzen. Am 25.&nbsp;Juni 1940 sagte Heeresminister [[Shunroku Hata]] zu seinen Mitarbeitern: „Ergreifen wir die goldene Gelegenheit! Nichts soll uns aufhalten!“<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 145.</ref> Mit einer japanischen Besitzergreifung der britischen, französischen und niederländischen Kolonien in Südostasien wäre die Möglichkeit eines Zusammenbruchs Chinas in greifbare Nähe gerückt. Die Errichtung einer japanischen Hegemonialmacht in Ostasien und die Hegemonie eines nationalsozialistischen Deutschlands in Europa hätten darüber hinaus bedeutet, dass Amerika sich einer von totalitären Mächten gemeinsam beherrschten Alten Welt gegenübergesehen hätte, denn die Sowjetunion schien zu dieser Zeit ihre Einflusssphäre mit den Achsenmächten und Japan auf friedliche Weise abzugrenzen.<ref>Lothar Gruchmann: ''Der Zweite Weltkrieg.'' dtv, München 1985, S. 155.</ref>
 
Die japanische Führung wollte die Niederlagen Frankreichs und der Niederlande sowie die erwartete Niederlage Großbritanniens im Krieg gegen Deutschland zu einer Südexpansion (Indochina, Niederländisch-Indien, Hongkong, Malaya und [[Singapur]]) ausnutzen. Am 25.&nbsp;Juni 1940 sagte Heeresminister [[Shunroku Hata]] zu seinen Mitarbeitern: „Ergreifen wir die goldene Gelegenheit! Nichts soll uns aufhalten!“<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 145.</ref> Mit einer japanischen Besitzergreifung der britischen, französischen und niederländischen Kolonien in Südostasien wäre die Möglichkeit eines Zusammenbruchs Chinas in greifbare Nähe gerückt. Die Errichtung einer japanischen Hegemonialmacht in Ostasien und die Hegemonie eines nationalsozialistischen Deutschlands in Europa hätten darüber hinaus bedeutet, dass Amerika sich einer von totalitären Mächten gemeinsam beherrschten Alten Welt gegenübergesehen hätte, denn die Sowjetunion schien zu dieser Zeit ihre Einflusssphäre mit den Achsenmächten und Japan auf friedliche Weise abzugrenzen.<ref>Lothar Gruchmann: ''Der Zweite Weltkrieg.'' dtv, München 1985, S. 155.</ref>
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[[Datei:Hull, Nomura and Kurusu on 7 December 1941.jpg|mini|Außenminister Hull (Mitte) mit dem japanischen Botschafter [[Kichisaburō Nomura]] (links) und dem Sondergesandten [[Saburō Kurusu]] (rechts) auf dem Weg ins ''Weiße Haus'', 20. November 1941]]
      
Das Jahr 1941 begann mit verstärkten Bemühungen der USA und Japans, einen drohenden Krieg zu vermeiden. Gleichzeitig nahmen die Kriegs- und Eroberungspläne der Japaner für Südostasien konkrete Formen an. In Verhandlungen zwischen dem US-Außenminister [[Cordell Hull]] und dem neu ernannten japanischen Botschafter [[Kichisaburō Nomura]] waren die Japaner bereit, auf ein weiteres Vorgehen nach Süden zu verzichten, wenn ihnen die Amerikaner die Unterwerfung Chinas ermöglichten. Aber die Weigerung, Japan freie Hand in China zu lassen, sollte im Dezember 1941 letzten Endes den japanischen Angriff auf Pearl Harbor auslösen.<ref>Lothar Gruchmann: ''Der Zweite Weltkrieg.'' dtv, München 1985, S. 158.</ref> Am 2.&nbsp;Juli fiel in Japan die Entscheidung, den territorialen Anspruch nach Südostasien auszuweiten, wo die ergiebigen Bodenschätze der niederländischen und britischen Kolonien ein lohnendes Ziel waren. Zwei Tage nach der Besetzung des südlichen Teils von Indochina, der als Sprungbrett für diese Südexpansion gebraucht wurde, froren die USA, Großbritannien und seine [[Dominion]]s sowie [[Niederländisch-Indien]] am 26.&nbsp;Juli 1941 die japanischen Auslandsguthaben in ihren Ländern ein, was praktisch einem völligen Exportembargo – auch von Erdöl – gleichkam. Wegen dieses Embargos blieb ein Krieg die vermeintlich einzige Alternative für Japan, weil dessen Ölreserven in spätestens zwei Jahren aufgebraucht sein würden. Am 5.&nbsp;November 1941 fiel in [[Kaiserliche Konferenz|Tokio]] die Entscheidung, den Krieg im folgenden Monat mit Angriffen auf Pearl Harbor, Malaya und die Philippinen auszulösen. Das strategische Ziel war, innerhalb von acht Monaten die Herrschaft über Südostasien und den Westpazifik zu gewinnen, um von dieser Machtbasis aus längere Zeit gegen die Vereinigten Staaten zu kämpfen oder sie zu einem Verhandlungsfrieden zu Japans Vorteil zwingen zu können. Zugleich rechneten die Konferenzteilnehmer damit, dass im Zuge der Expansion die Hilfslieferungen an China unterbrochen werden könnten.<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 459–461.</ref> Letzte Verhandlungen in Washington zwischen Nomura, dem Sondergesandten Saburō Kurusu und Hull, den Krieg zu vermeiden, scheiterten an Hulls kompromissloser Forderung nach Rückzug aller japanischen Truppen aus China und Indochina. Im Gegenzug wollten die USA die japanischen Guthaben freigeben. Wie nicht anders zu erwarten, wurde Hulls ''Zehnpunkteprogramm'',<ref>U.&nbsp;a. Rückzug aus China und Indochina, Anerkennung von Chiang Kai-shek als chinesischem Regierungschef und Kündigung des ''Dreimächtepaktes''.</ref> als es am 27.&nbsp;November in Tokio eintraf, als Ultimatum aufgefasst – praktisch als Beleidigung.<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 465&nbsp;f.</ref> Die Kaiserliche Konferenz vom 1.&nbsp;Dezember 1941 stellte fest, dass Japan die „äußerst hochmütige, starrsinnige und respektlose“ Haltung der Vereinigten Staaten nicht dulden könne.<ref>Zit. n. Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 468.</ref>
 
Das Jahr 1941 begann mit verstärkten Bemühungen der USA und Japans, einen drohenden Krieg zu vermeiden. Gleichzeitig nahmen die Kriegs- und Eroberungspläne der Japaner für Südostasien konkrete Formen an. In Verhandlungen zwischen dem US-Außenminister [[Cordell Hull]] und dem neu ernannten japanischen Botschafter [[Kichisaburō Nomura]] waren die Japaner bereit, auf ein weiteres Vorgehen nach Süden zu verzichten, wenn ihnen die Amerikaner die Unterwerfung Chinas ermöglichten. Aber die Weigerung, Japan freie Hand in China zu lassen, sollte im Dezember 1941 letzten Endes den japanischen Angriff auf Pearl Harbor auslösen.<ref>Lothar Gruchmann: ''Der Zweite Weltkrieg.'' dtv, München 1985, S. 158.</ref> Am 2.&nbsp;Juli fiel in Japan die Entscheidung, den territorialen Anspruch nach Südostasien auszuweiten, wo die ergiebigen Bodenschätze der niederländischen und britischen Kolonien ein lohnendes Ziel waren. Zwei Tage nach der Besetzung des südlichen Teils von Indochina, der als Sprungbrett für diese Südexpansion gebraucht wurde, froren die USA, Großbritannien und seine [[Dominion]]s sowie [[Niederländisch-Indien]] am 26.&nbsp;Juli 1941 die japanischen Auslandsguthaben in ihren Ländern ein, was praktisch einem völligen Exportembargo – auch von Erdöl – gleichkam. Wegen dieses Embargos blieb ein Krieg die vermeintlich einzige Alternative für Japan, weil dessen Ölreserven in spätestens zwei Jahren aufgebraucht sein würden. Am 5.&nbsp;November 1941 fiel in [[Kaiserliche Konferenz|Tokio]] die Entscheidung, den Krieg im folgenden Monat mit Angriffen auf Pearl Harbor, Malaya und die Philippinen auszulösen. Das strategische Ziel war, innerhalb von acht Monaten die Herrschaft über Südostasien und den Westpazifik zu gewinnen, um von dieser Machtbasis aus längere Zeit gegen die Vereinigten Staaten zu kämpfen oder sie zu einem Verhandlungsfrieden zu Japans Vorteil zwingen zu können. Zugleich rechneten die Konferenzteilnehmer damit, dass im Zuge der Expansion die Hilfslieferungen an China unterbrochen werden könnten.<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 459–461.</ref> Letzte Verhandlungen in Washington zwischen Nomura, dem Sondergesandten Saburō Kurusu und Hull, den Krieg zu vermeiden, scheiterten an Hulls kompromissloser Forderung nach Rückzug aller japanischen Truppen aus China und Indochina. Im Gegenzug wollten die USA die japanischen Guthaben freigeben. Wie nicht anders zu erwarten, wurde Hulls ''Zehnpunkteprogramm'',<ref>U.&nbsp;a. Rückzug aus China und Indochina, Anerkennung von Chiang Kai-shek als chinesischem Regierungschef und Kündigung des ''Dreimächtepaktes''.</ref> als es am 27.&nbsp;November in Tokio eintraf, als Ultimatum aufgefasst – praktisch als Beleidigung.<ref>Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 465&nbsp;f.</ref> Die Kaiserliche Konferenz vom 1.&nbsp;Dezember 1941 stellte fest, dass Japan die „äußerst hochmütige, starrsinnige und respektlose“ Haltung der Vereinigten Staaten nicht dulden könne.<ref>Zit. n. Ian Kershaw: ''Wendepunkte.'' München 2008, S. 468.</ref>
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=== Von Pearl Harbor bis zur japanischen Kapitulation ===
 
=== Von Pearl Harbor bis zur japanischen Kapitulation ===
[[Datei:Japanese Empire (orthographic projection).svg|mini|Machtbereich Japans im März 1942]]
      
Innerhalb von vier Monaten (Dezember–März) hatten japanische Truppen weite Teile [[Japanische Invasion Südostasiens|Südostasiens]] und einen Großteil der Pazifikinseln mit etwa 450&nbsp;Millionen Menschen unter ihre Kontrolle gebracht. Dies war die größte Ausdehnung japanischer Macht in der Geschichte des Kaiserreichs. Die Eroberungen [[Federated Malay States|Malayas]] und von [[Niederländisch-Indien]] waren besonders wichtig für Japan, weil es dort reiche Erzvorkommen, eine umfangreiche Gummiproduktion und große Erdölfelder gab. 139.000 Briten, Australier und Inder mussten am 15.&nbsp;Februar 1942 in [[Singapur]], dem „Gibraltar des Ostens“ und Großbritanniens größter Militärbasis in Südostasien, kapitulieren. Die Schlacht um Singapur gilt als Sinnbild des japanischen Blitzkrieges, später auch der Brutalität japanischer Soldaten, denn von den alliierten Gefangenen starben mehr als 11.000 an Hunger und Erschöpfung beim Bau der [[Thailand-Burma-Eisenbahn]].<ref>Vgl. W.&nbsp;Churchill: ''Hinge of Fate.'' Boston 1950, S.&nbsp;81. (Dt.: „Schicksalswende.“ Bd.&nbsp;4 von ''Der Zweite Weltkrieg.'' Frankfurt 1985.)</ref> Die [[Japanische Eroberung Burmas|Invasion Burmas]] begann am 15.&nbsp;Februar 1942. Niederländisch-Indien wurde Mitte März 1942 erobert. [[Schlacht um die Philippinen|Auf den Philippinen]] musste General [[Douglas MacArthur]] bald [[Manila]] räumen und sich auf die Insel [[Corregidor]] zurückziehen, wo die letzten US-Truppen am 5.&nbsp;Mai 1942 kapitulierten. Nichts schien die Japaner aufhalten zu können.<ref>Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 248.</ref>
 
Innerhalb von vier Monaten (Dezember–März) hatten japanische Truppen weite Teile [[Japanische Invasion Südostasiens|Südostasiens]] und einen Großteil der Pazifikinseln mit etwa 450&nbsp;Millionen Menschen unter ihre Kontrolle gebracht. Dies war die größte Ausdehnung japanischer Macht in der Geschichte des Kaiserreichs. Die Eroberungen [[Federated Malay States|Malayas]] und von [[Niederländisch-Indien]] waren besonders wichtig für Japan, weil es dort reiche Erzvorkommen, eine umfangreiche Gummiproduktion und große Erdölfelder gab. 139.000 Briten, Australier und Inder mussten am 15.&nbsp;Februar 1942 in [[Singapur]], dem „Gibraltar des Ostens“ und Großbritanniens größter Militärbasis in Südostasien, kapitulieren. Die Schlacht um Singapur gilt als Sinnbild des japanischen Blitzkrieges, später auch der Brutalität japanischer Soldaten, denn von den alliierten Gefangenen starben mehr als 11.000 an Hunger und Erschöpfung beim Bau der [[Thailand-Burma-Eisenbahn]].<ref>Vgl. W.&nbsp;Churchill: ''Hinge of Fate.'' Boston 1950, S.&nbsp;81. (Dt.: „Schicksalswende.“ Bd.&nbsp;4 von ''Der Zweite Weltkrieg.'' Frankfurt 1985.)</ref> Die [[Japanische Eroberung Burmas|Invasion Burmas]] begann am 15.&nbsp;Februar 1942. Niederländisch-Indien wurde Mitte März 1942 erobert. [[Schlacht um die Philippinen|Auf den Philippinen]] musste General [[Douglas MacArthur]] bald [[Manila]] räumen und sich auf die Insel [[Corregidor]] zurückziehen, wo die letzten US-Truppen am 5.&nbsp;Mai 1942 kapitulierten. Nichts schien die Japaner aufhalten zu können.<ref>Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 248.</ref>
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Nach dem Bau eines Flugplatzes auf [[Guadalcanal (Insel)|Guadalcanal]] hätte Japan den alliierten Schiffsverkehr zwischen den USA und Australien bedrohen können. Die US Navy setzte im August 1942 ihre einzige noch verfügbare intakte Marine-Infanteriedivision ([[USMC]]) ein, um den Flugplatz zu erobern, was rasch gelang. Hartnäckig versuchten die Japaner, die Insel zurückzuerobern. Erst nach monatelangen Kämpfen gelang es den Alliierten, sich auf der Insel endgültig zu behaupten (→&nbsp;[[Schlacht um Guadalcanal]]).<ref>Vgl. [[James Jones (Autor)|James Jones]]: ''The Thin Red Line.'' Autobiographischer Roman, New York 1962; 1998 unter dem Titel ''[[Der schmale Grat (1998)|Der schmale Grat]]'' von [[Terrence Malick]] verfilmt.</ref> Dieser Erfolg markierte einen weiteren Wendepunkt zugunsten der USA, die jetzt nicht nur mehr Kriegsschiffe und Flugzeuge besaßen, sondern auch taktisch überlegen waren.<ref>Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 257&nbsp;f.</ref>
 
Nach dem Bau eines Flugplatzes auf [[Guadalcanal (Insel)|Guadalcanal]] hätte Japan den alliierten Schiffsverkehr zwischen den USA und Australien bedrohen können. Die US Navy setzte im August 1942 ihre einzige noch verfügbare intakte Marine-Infanteriedivision ([[USMC]]) ein, um den Flugplatz zu erobern, was rasch gelang. Hartnäckig versuchten die Japaner, die Insel zurückzuerobern. Erst nach monatelangen Kämpfen gelang es den Alliierten, sich auf der Insel endgültig zu behaupten (→&nbsp;[[Schlacht um Guadalcanal]]).<ref>Vgl. [[James Jones (Autor)|James Jones]]: ''The Thin Red Line.'' Autobiographischer Roman, New York 1962; 1998 unter dem Titel ''[[Der schmale Grat (1998)|Der schmale Grat]]'' von [[Terrence Malick]] verfilmt.</ref> Dieser Erfolg markierte einen weiteren Wendepunkt zugunsten der USA, die jetzt nicht nur mehr Kriegsschiffe und Flugzeuge besaßen, sondern auch taktisch überlegen waren.<ref>Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 257&nbsp;f.</ref>
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[[Datei:Landing operations on Rendova Island.jpg|mini|US-amerikanische Landung auf [[Rendova]] ([[Salomon-Inseln]]) am 30.&nbsp;Juni 1943]]
      
Sehr harte Kämpfe fanden von Ende 1942 bis Mitte 1944 auf [[Neuguinea]], den [[Salomonen]], den [[Gilbertinseln]], den [[Marshallinseln]] und den [[Marianen]] statt. Ein erfolgreiches taktisches Mittel war dabei das „[[Island Hopping]]“, bei dem die Amerikaner die starken japanischen Stützpunkte, zum Beispiel das wichtige [[Rabaul]] mit seinem Hafen und den Flugfeldern, umgingen und sich Insel für Insel näher an die japanische Hauptinsel [[Honshū]] herankämpften.
 
Sehr harte Kämpfe fanden von Ende 1942 bis Mitte 1944 auf [[Neuguinea]], den [[Salomonen]], den [[Gilbertinseln]], den [[Marshallinseln]] und den [[Marianen]] statt. Ein erfolgreiches taktisches Mittel war dabei das „[[Island Hopping]]“, bei dem die Amerikaner die starken japanischen Stützpunkte, zum Beispiel das wichtige [[Rabaul]] mit seinem Hafen und den Flugfeldern, umgingen und sich Insel für Insel näher an die japanische Hauptinsel [[Honshū]] herankämpften.
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[[Datei:Second world war asia 1943-1945 map de.png|mini|links|Alliierte Gegenoffensive 1943–1945 in Ostasien]]
      
Zu Beginn des Jahres 1943 gelang es den Amerikanern, japanische [[Code|Funkcodes]] zu entschlüsseln. Dadurch wurden auch die Erfolge der US-amerikanischen U-Boote gesteigert, deren stetig steigende Erfolge einen wesentlichen Anteil am Sieg über Japan hatten. Sie torpedierten etwa ein Drittel von 686 japanischen Kriegsschiffen.<ref>Lothar Gruchmann: ''Der Zweite Weltkrieg.'' 8. Aufl., München 1985, S. 499&nbsp;f.</ref> Der japanischen Marine gelang es während des gesamten Krieges nicht, ein wirksames Schutzsystem für ihre Transportschifffahrt zu entwickeln. Dies lag sowohl an der Unterschätzung der U-Boot-Gefahr in der japanischen Militärdoktrin als auch an der großen technologischen Unterlegenheit Japans im Bereich der Radar- und der Unterwasserschallortung. Vor allem der danach entstehende Mangel an Treibstoff machte es erforderlich, Flottenverbände weit außerhalb der Hauptkampfgebiete, in der Nähe von Treibstoffquellen, zu stationieren, was die taktischen und strategischen Optionen der japanischen Flotte stark einschränkte.
 
Zu Beginn des Jahres 1943 gelang es den Amerikanern, japanische [[Code|Funkcodes]] zu entschlüsseln. Dadurch wurden auch die Erfolge der US-amerikanischen U-Boote gesteigert, deren stetig steigende Erfolge einen wesentlichen Anteil am Sieg über Japan hatten. Sie torpedierten etwa ein Drittel von 686 japanischen Kriegsschiffen.<ref>Lothar Gruchmann: ''Der Zweite Weltkrieg.'' 8. Aufl., München 1985, S. 499&nbsp;f.</ref> Der japanischen Marine gelang es während des gesamten Krieges nicht, ein wirksames Schutzsystem für ihre Transportschifffahrt zu entwickeln. Dies lag sowohl an der Unterschätzung der U-Boot-Gefahr in der japanischen Militärdoktrin als auch an der großen technologischen Unterlegenheit Japans im Bereich der Radar- und der Unterwasserschallortung. Vor allem der danach entstehende Mangel an Treibstoff machte es erforderlich, Flottenverbände weit außerhalb der Hauptkampfgebiete, in der Nähe von Treibstoffquellen, zu stationieren, was die taktischen und strategischen Optionen der japanischen Flotte stark einschränkte.
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Bei den Kämpfen auf den japanischen Inseln [[Schlacht um Iwojima|Iwojima]] und [[Schlacht um Okinawa|Okinawa]] wurden US-Schiffe von einer großen Zahl Kamikaze-Fliegern angegriffen. Die US-Streitkräfte verloren fast 7.300 Marines und etwa 5.000 Seeleute und Piloten. 36 Schiffe der US Navy sanken, und fast 400 Flugzeuge wurden zerstört. Die Japaner verloren 113.000 Soldaten und mit den Kamikazemaschinen rund 7.800 Flugzeuge.<ref>Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 267.</ref>
 
Bei den Kämpfen auf den japanischen Inseln [[Schlacht um Iwojima|Iwojima]] und [[Schlacht um Okinawa|Okinawa]] wurden US-Schiffe von einer großen Zahl Kamikaze-Fliegern angegriffen. Die US-Streitkräfte verloren fast 7.300 Marines und etwa 5.000 Seeleute und Piloten. 36 Schiffe der US Navy sanken, und fast 400 Flugzeuge wurden zerstört. Die Japaner verloren 113.000 Soldaten und mit den Kamikazemaschinen rund 7.800 Flugzeuge.<ref>Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 267.</ref>
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[[Datei:Atombombe Little Boy 2.jpg|mini|links|„[[Little Boy]]“ auf dem US-Stützpunkt [[Tinian]] vor der Verladung in den [[Boeing B-29|B-29]]-Bomber ''[[Enola Gay]]''. Länge: 3,2&nbsp;m, Durchmesser: 0,71&nbsp;m, Uranmasse: 38,4&nbsp;kg]]
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[[Datei:Hiroshima aftermath.jpg|mini|[[Hiroshima]], nach dem Abwurf der Atombombe, 6.&nbsp;August 1945]]
      
Nach den Kämpfen auf Iwojima und Okinawa wurde mit einem B-29-Bomber, der von [[Tinian#Tinian und der Pazifikkrieg 1941 bis 1945|Tinian]] aus gestartet war, am 6.&nbsp;August 1945 die erste [[Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki|Atombombe]] über Hiroshima abgeworfen. Kurz darauf, am 9.&nbsp;August, wurde die zweite über [[Nagasaki]] gezündet. In Hiroshima waren 70.000–80.000 Menschen sofort tot, in Nagasaki ca. 20.000.
 
Nach den Kämpfen auf Iwojima und Okinawa wurde mit einem B-29-Bomber, der von [[Tinian#Tinian und der Pazifikkrieg 1941 bis 1945|Tinian]] aus gestartet war, am 6.&nbsp;August 1945 die erste [[Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki|Atombombe]] über Hiroshima abgeworfen. Kurz darauf, am 9.&nbsp;August, wurde die zweite über [[Nagasaki]] gezündet. In Hiroshima waren 70.000–80.000 Menschen sofort tot, in Nagasaki ca. 20.000.
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=== Luftkrieg ===
 
=== Luftkrieg ===
{{Hauptartikel|Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg}}
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-S53511, Warschau, Weichsel, Brände.jpg|mini|Die Weichselbrücken in [[Warschau]] während deutscher Luftangriffe, September 1939]]
   
Beim [[Überfall auf Polen]] hatte die Luftwaffe die [[Luftüberlegenheit|Luftherrschaft]], da die [[Polnische Luftstreitkräfte|polnischen Luftstreitkräfte]] mit ihren größtenteils veralteten Flugzeugen nur wenig Widerstand leisten konnten. Die [[Schlacht um Warschau (1939)|Luftangriffe auf Warschau]] im September 1939 erfolgten vor allem auf zivile Ziele. Nach dem [[Überfall auf die Niederlande, Belgien und Luxemburg]] zerstörte die Luftwaffe am 14.&nbsp;Mai 1940 bei der [[Bombardierung von Rotterdam 1940|Bombardierung von Rotterdam]] die Altstadt vollständig.
 
Beim [[Überfall auf Polen]] hatte die Luftwaffe die [[Luftüberlegenheit|Luftherrschaft]], da die [[Polnische Luftstreitkräfte|polnischen Luftstreitkräfte]] mit ihren größtenteils veralteten Flugzeugen nur wenig Widerstand leisten konnten. Die [[Schlacht um Warschau (1939)|Luftangriffe auf Warschau]] im September 1939 erfolgten vor allem auf zivile Ziele. Nach dem [[Überfall auf die Niederlande, Belgien und Luxemburg]] zerstörte die Luftwaffe am 14.&nbsp;Mai 1940 bei der [[Bombardierung von Rotterdam 1940|Bombardierung von Rotterdam]] die Altstadt vollständig.
    
In den ersten Monaten der [[Luftschlacht um England]] richteten sich die deutschen Angriffe noch ausschließlich gegen militärische Ziele wie Fliegerhorste, Marinestützpunkte und die Anlagen der [[Chain Home|Chain-Home]]-Radarkette. Die Einheiten des britischen [[RAF Fighter Command|Fighter Command]] konnten jedoch die [[Luftüberlegenheit]] gegenüber den Angreifern behaupten. Die Luftschlacht wurde radikaler, als die Luftwaffe am 24.&nbsp;August 1940 einen ersten Angriff auf London flog und Churchill zur Vergeltung die [[Luftangriffe der Alliierten auf Berlin|Bombardierung Berlins]] befahl. Bis Ende des Jahres starben in London rund 14.000 Menschen.<ref name="Jörg Friedrich 1945">Jörg Friedrich: ''Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940–1945.'' Propyläen, München 2002, S. 73.</ref>
 
In den ersten Monaten der [[Luftschlacht um England]] richteten sich die deutschen Angriffe noch ausschließlich gegen militärische Ziele wie Fliegerhorste, Marinestützpunkte und die Anlagen der [[Chain Home|Chain-Home]]-Radarkette. Die Einheiten des britischen [[RAF Fighter Command|Fighter Command]] konnten jedoch die [[Luftüberlegenheit]] gegenüber den Angreifern behaupten. Die Luftschlacht wurde radikaler, als die Luftwaffe am 24.&nbsp;August 1940 einen ersten Angriff auf London flog und Churchill zur Vergeltung die [[Luftangriffe der Alliierten auf Berlin|Bombardierung Berlins]] befahl. Bis Ende des Jahres starben in London rund 14.000 Menschen.<ref name="Jörg Friedrich 1945">Jörg Friedrich: ''Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940–1945.'' Propyläen, München 2002, S. 73.</ref>
[[Datei:Coventry bomb damage H5600.jpg|mini|Stadtzentrum von [[Coventry]] nach dem deutschen [[Luftangriffe auf Coventry|Luftangriff vom 14.&nbsp;November 1940]]]]
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Am 14.&nbsp;November 1940 flog die Luftwaffe einen schweren [[Luftangriffe auf Coventry|Luftangriff auf Coventry]]. Dabei kamen mindestens 568 Menschen ums Leben. Neben Fahrzeug- und Motorenwerken wurden Tausende von Wohnhäusern getroffen und die mittelalterliche [[Coventry Cathedral|St.-Michaels-Kathedrale]] zerstört. Die nationalsozialistische Propaganda erfand den Begriff des „[[Coventrieren]]s“ für das [[Flächenbombardement]]. Die Royal Air Force griff ab Mai 1940 nadelstichartig deutsche Städte (z.&nbsp;B. [[Mönchengladbach|München Gladbach]]) und Industrieanlagen wie die [[Deurag-Nerag]]-Raffinerie (→&nbsp;[[Luftangriffe auf Hannover]]) an. Nachdem die Luftwaffe Anfang 1941 die Luftschlacht um England abgebrochen und einen Großteil ihrer Bomber und Jagdflugzeuge wegen des geplanten [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Angriffs auf die Sowjetunion]] nach Osten verlegt hatte, flog die RAF mehr Nachtangriffe auf deutsche Großstädte.
 
Am 14.&nbsp;November 1940 flog die Luftwaffe einen schweren [[Luftangriffe auf Coventry|Luftangriff auf Coventry]]. Dabei kamen mindestens 568 Menschen ums Leben. Neben Fahrzeug- und Motorenwerken wurden Tausende von Wohnhäusern getroffen und die mittelalterliche [[Coventry Cathedral|St.-Michaels-Kathedrale]] zerstört. Die nationalsozialistische Propaganda erfand den Begriff des „[[Coventrieren]]s“ für das [[Flächenbombardement]]. Die Royal Air Force griff ab Mai 1940 nadelstichartig deutsche Städte (z.&nbsp;B. [[Mönchengladbach|München Gladbach]]) und Industrieanlagen wie die [[Deurag-Nerag]]-Raffinerie (→&nbsp;[[Luftangriffe auf Hannover]]) an. Nachdem die Luftwaffe Anfang 1941 die Luftschlacht um England abgebrochen und einen Großteil ihrer Bomber und Jagdflugzeuge wegen des geplanten [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Angriffs auf die Sowjetunion]] nach Osten verlegt hatte, flog die RAF mehr Nachtangriffe auf deutsche Großstädte.
    
Beim [[Luftangriff auf Belgrad]] am 6.&nbsp;April 1941 wurde die Stadt, die nur schwach verteidigt werden konnte, von der Luftwaffe in weiten Teilen zerstört. Bei der [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|deutschen Offensive gegen die Sowjetunion]] spielte die Luftwaffe eine bedeutende Rolle, konnte aber weder die [[Schlacht um Moskau]] noch die um [[Schlacht von Stalingrad|Stalingrad]] für die deutsche Seite entscheiden. Deutsche Bomber und Jäger wurden zumeist nur zur [[Luftnahunterstützung]] der Heerestruppen eingesetzt. Die [[United States Army Air Forces]] (USAAF) flogen im April 1942 den ersten [[Doolittle Raid|Bombenangriff auf Tokio]]; ab August 1942 begann die [[8th US Air Force|8. Luftflotte]] der USAAF in Europa mit eigenen Luftangriffen.<ref>Christoph Kucklich: ''Feuersturm. Der Bombenkrieg gegen Deutschland.'' Hamburg 2003, S. 130&nbsp;f.; Gerhard Schreiber: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2013, S. 48.</ref>
 
Beim [[Luftangriff auf Belgrad]] am 6.&nbsp;April 1941 wurde die Stadt, die nur schwach verteidigt werden konnte, von der Luftwaffe in weiten Teilen zerstört. Bei der [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|deutschen Offensive gegen die Sowjetunion]] spielte die Luftwaffe eine bedeutende Rolle, konnte aber weder die [[Schlacht um Moskau]] noch die um [[Schlacht von Stalingrad|Stalingrad]] für die deutsche Seite entscheiden. Deutsche Bomber und Jäger wurden zumeist nur zur [[Luftnahunterstützung]] der Heerestruppen eingesetzt. Die [[United States Army Air Forces]] (USAAF) flogen im April 1942 den ersten [[Doolittle Raid|Bombenangriff auf Tokio]]; ab August 1942 begann die [[8th US Air Force|8. Luftflotte]] der USAAF in Europa mit eigenen Luftangriffen.<ref>Christoph Kucklich: ''Feuersturm. Der Bombenkrieg gegen Deutschland.'' Hamburg 2003, S. 130&nbsp;f.; Gerhard Schreiber: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2013, S. 48.</ref>
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[[Datei:Royal Air Force Bomber Command, 1942-1945. CL3400.jpg|mini|Bei den [[Operation Gomorrha|Luftangriffen auf Hamburg]] 1943/1945 ausgebrannte Häuserzeilen am Eilbeker Weg]]
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-08778-0001, Dresden, Tote nach Bombenangriff.jpg|mini|Februar 1945: Opfer der [[Luftangriffe auf Dresden|Luftangriffe]] auf dem [[Altmarkt (Dresden)|Altmarkt]] in [[Dresden]]]]
   
Da die Bombenangriffe mit wenigen Maschinen hohe Verlustquoten aufwiesen und ihr Ziel meistens verfehlten, ging die RAF ab Frühjahr&nbsp;1942 dazu über, große Bomberpulks nach Deutschland zu schicken, um großflächig Städte zu zerstören. Am 14.&nbsp;Februar 1942 gab das britische Luftfahrtministerium ([[Air Ministry]]) die „[[Area Bombing Directive]]“ heraus,<ref>Jörg Friedrich: ''Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940–1945'', S. 83.</ref> die Flächenangriffe auf zivile Ziele (Innenstadt, Wohngebiete und andere) forderte. Darin wurde dem neuen Oberkommandierenden des [[RAF Bomber Command]] [[Arthur Harris]] mitgeteilt, er könne seine Streitkräfte ab sofort ohne jede Beschränkung einsetzen: {{"|Sprache=en |Text=You are accordingly authorised to use your forces without restriction&nbsp;[…]}}. Darüber hinaus wurde Harris informiert, dass die Einsätze auf die Moral der feindlichen Zivilbevölkerung zu konzentrieren seien – insbesondere auf die der Industriearbeiter: {{"|Sprache=en |Text=It has been decided that the primary objective of your operations should be focused on the morale of the enemy civil population and in particular the industrial workers}}. Das ''[[Morale bombing]]'' hatte das Ziel, neben der Zerstörung von Industrieanlagen vor allem den Widerstandswillen der Bevölkerung zu schwächen.<ref>Robin Neillands: ''Der Krieg der Bomber. Arthur Harris und die Bomberoffensive der Alliierten 1939–1945.'' Berlin 2002, ISBN 3-86124-547-7.</ref> Ergänzend legte das sechs Wochen später verfasste ''[[Dehousing Paper]]'' die strategischen Ziele des britischen Luftkriegs gegen Deutschland fest.
 
Da die Bombenangriffe mit wenigen Maschinen hohe Verlustquoten aufwiesen und ihr Ziel meistens verfehlten, ging die RAF ab Frühjahr&nbsp;1942 dazu über, große Bomberpulks nach Deutschland zu schicken, um großflächig Städte zu zerstören. Am 14.&nbsp;Februar 1942 gab das britische Luftfahrtministerium ([[Air Ministry]]) die „[[Area Bombing Directive]]“ heraus,<ref>Jörg Friedrich: ''Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940–1945'', S. 83.</ref> die Flächenangriffe auf zivile Ziele (Innenstadt, Wohngebiete und andere) forderte. Darin wurde dem neuen Oberkommandierenden des [[RAF Bomber Command]] [[Arthur Harris]] mitgeteilt, er könne seine Streitkräfte ab sofort ohne jede Beschränkung einsetzen: {{"|Sprache=en |Text=You are accordingly authorised to use your forces without restriction&nbsp;[…]}}. Darüber hinaus wurde Harris informiert, dass die Einsätze auf die Moral der feindlichen Zivilbevölkerung zu konzentrieren seien – insbesondere auf die der Industriearbeiter: {{"|Sprache=en |Text=It has been decided that the primary objective of your operations should be focused on the morale of the enemy civil population and in particular the industrial workers}}. Das ''[[Morale bombing]]'' hatte das Ziel, neben der Zerstörung von Industrieanlagen vor allem den Widerstandswillen der Bevölkerung zu schwächen.<ref>Robin Neillands: ''Der Krieg der Bomber. Arthur Harris und die Bomberoffensive der Alliierten 1939–1945.'' Berlin 2002, ISBN 3-86124-547-7.</ref> Ergänzend legte das sechs Wochen später verfasste ''[[Dehousing Paper]]'' die strategischen Ziele des britischen Luftkriegs gegen Deutschland fest.
    
Die Umsetzung dieser Ziele begann 1942 mit den Luftangriffen auf [[Luftangriff auf Lübeck am 29. März 1942|Lübeck Ende März]] und [[Luftangriffe auf Rostock|Rostock Ende April]]. Der erste „[[Tausend-Bomber-Angriff]]“ richtete sich Ende Mai gegen Köln ([[Operation Millennium]]), gefolgt von zahlreichen [[Luftangriffe auf das Ruhrgebiet|Angriffen auf Städte des Ruhrgebiets]]. Im Januar 1943 flog das Bomber Command den ersten großen Angriff auf Berlin. Hier warfen zum ersten Mal ''[[Pathfinder Force|Pfadfinder-Flugzeuge]]'' Zielmarkierungsbomben<ref>Auch [[Fliegerbombe#Leuchtbombe|Leuchtbomben]]/''Christbäume''/''Tannenbäume'' genannt.</ref> ab. Ende desselben Monats griffen auch die ''USAAF'' erstmals U-Boot-Werften in [[Wilhelmshaven]] an.<ref name="Beevor_515">Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 515&nbsp;f.</ref> Im März 1943 wurde das deutsche Rüstungszentrum [[Essen#Zweiter Weltkrieg|Essen]] von der RAF angegriffen und die [[Krupp-Gussstahlfabrik]] schwer getroffen, wodurch sich die Produktion der Panzer ''[[Panzerkampfwagen VI Tiger|Tiger]]'' und ''[[Panzerkampfwagen V Panther|Panther]]'' verzögerte, was zu einer Verschiebung des [[Unternehmen Zitadelle|Unternehmens Zitadelle]] bei Kursk führte.<ref name="Beevor_515" /> Göring zog immer mehr Jägerstaffeln von der Ostfront für den Schutz deutscher Städte ab. Die negativen Auswirkungen für den Kriegsverlauf im Osten dürften wesentlich größer gewesen sein als die Abschüsse, die die Jäger den alliierten Bombern zufügen konnten.<ref name="Beevor_515" /> In diesem Frühjahr 1943 wurden die Verluste der alliierten Bomberflotten besorgniserregend. Nicht einmal ein Fünftel der Besatzungen der RAF überlebte einen Zyklus von 30 Einsätzen. Die 8.&nbsp;US-Luftflotte verlor durch Abschüsse so viele Flugzeuge, dass sie in diesem Jahr nicht mehr in der Lage war, die für den Erfolg einer Invasion in Westeuropa nötige Luftüberlegenheit herzustellen.<ref name="Beevor_515" /> Im August 1943 wurde Hamburg bei der [[Operation Gomorrha]] zerstört, in der schätzungsweise 34.000&nbsp;Menschen ihr Leben im [[Feuersturm]] verloren. Die USAAF konzentrierten sich bei ihren Tagesangriffen vorwiegend auf Industrieziele, während Bomber der RAF bei Nacht die Städte bombardierten. Die US-amerikanischen Bomberverbände hatten zunächst beträchtliche Verluste, beispielsweise bei den Angriffen gegen [[Operation Double Strike|Schweinfurt]] und Essen. Als ab Frühjahr&nbsp;1944 verstärkt Langstreckenjäger ([[Lockheed P-38|P-38]], [[Republic P-47|P-47]] und [[North American P-51|P-51]]) die Bomber der USAAF begleiteten, gingen die Verlustzahlen deutlich zurück. Mit den massiven Luftangriffen hofften die Alliierten auch, verstärkt [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus|Widerstand gegen das NS-Regime]] hervorzurufen und damit den Krieg verkürzen zu können.
 
Die Umsetzung dieser Ziele begann 1942 mit den Luftangriffen auf [[Luftangriff auf Lübeck am 29. März 1942|Lübeck Ende März]] und [[Luftangriffe auf Rostock|Rostock Ende April]]. Der erste „[[Tausend-Bomber-Angriff]]“ richtete sich Ende Mai gegen Köln ([[Operation Millennium]]), gefolgt von zahlreichen [[Luftangriffe auf das Ruhrgebiet|Angriffen auf Städte des Ruhrgebiets]]. Im Januar 1943 flog das Bomber Command den ersten großen Angriff auf Berlin. Hier warfen zum ersten Mal ''[[Pathfinder Force|Pfadfinder-Flugzeuge]]'' Zielmarkierungsbomben<ref>Auch [[Fliegerbombe#Leuchtbombe|Leuchtbomben]]/''Christbäume''/''Tannenbäume'' genannt.</ref> ab. Ende desselben Monats griffen auch die ''USAAF'' erstmals U-Boot-Werften in [[Wilhelmshaven]] an.<ref name="Beevor_515">Antony Beevor: ''Der Zweite Weltkrieg.'' München 2014, S. 515&nbsp;f.</ref> Im März 1943 wurde das deutsche Rüstungszentrum [[Essen#Zweiter Weltkrieg|Essen]] von der RAF angegriffen und die [[Krupp-Gussstahlfabrik]] schwer getroffen, wodurch sich die Produktion der Panzer ''[[Panzerkampfwagen VI Tiger|Tiger]]'' und ''[[Panzerkampfwagen V Panther|Panther]]'' verzögerte, was zu einer Verschiebung des [[Unternehmen Zitadelle|Unternehmens Zitadelle]] bei Kursk führte.<ref name="Beevor_515" /> Göring zog immer mehr Jägerstaffeln von der Ostfront für den Schutz deutscher Städte ab. Die negativen Auswirkungen für den Kriegsverlauf im Osten dürften wesentlich größer gewesen sein als die Abschüsse, die die Jäger den alliierten Bombern zufügen konnten.<ref name="Beevor_515" /> In diesem Frühjahr 1943 wurden die Verluste der alliierten Bomberflotten besorgniserregend. Nicht einmal ein Fünftel der Besatzungen der RAF überlebte einen Zyklus von 30 Einsätzen. Die 8.&nbsp;US-Luftflotte verlor durch Abschüsse so viele Flugzeuge, dass sie in diesem Jahr nicht mehr in der Lage war, die für den Erfolg einer Invasion in Westeuropa nötige Luftüberlegenheit herzustellen.<ref name="Beevor_515" /> Im August 1943 wurde Hamburg bei der [[Operation Gomorrha]] zerstört, in der schätzungsweise 34.000&nbsp;Menschen ihr Leben im [[Feuersturm]] verloren. Die USAAF konzentrierten sich bei ihren Tagesangriffen vorwiegend auf Industrieziele, während Bomber der RAF bei Nacht die Städte bombardierten. Die US-amerikanischen Bomberverbände hatten zunächst beträchtliche Verluste, beispielsweise bei den Angriffen gegen [[Operation Double Strike|Schweinfurt]] und Essen. Als ab Frühjahr&nbsp;1944 verstärkt Langstreckenjäger ([[Lockheed P-38|P-38]], [[Republic P-47|P-47]] und [[North American P-51|P-51]]) die Bomber der USAAF begleiteten, gingen die Verlustzahlen deutlich zurück. Mit den massiven Luftangriffen hofften die Alliierten auch, verstärkt [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus|Widerstand gegen das NS-Regime]] hervorzurufen und damit den Krieg verkürzen zu können.
[[Datei:B-17 Flying Fortress.jpg|mini|[[B-17 Flying Fortress]] am Nachthimmel über Europa]]
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Im Verlauf des Jahres 1944 erhöhte sich die alliierte Luftüberlegenheit derart, dass beinahe täglich Bomber in das Reichsgebiet einflogen. In der ''[[Big Week]]'' wurden im Februar 1944 ausgewählte Ziele der deutschen Rüstungsindustrie mit 6.000 Bombern von RAF und USAAF angegriffen. Als ab Mai 1944 die kriegswichtigen Raffinerien und [[Deutsches synthetisches Benzin|Hydrieranlagen]], unter anderen die [[Leunawerke#Zweiter Weltkrieg|Leunawerke]], [[Luftangriffe auf die Leunawerke|verstärkt bombardiert]] wurden, wurde die Treibstoffversorgung des Heeres und insbesondere der Luftwaffe erheblich beeinträchtigt. Mit dem darauf folgenden Ausfall von 90 % der deutschen Benzinproduktion war der Krieg laut Rüstungsminister [[Albert Speer]] für das Deutsche Reich auch „produktionstechnisch verloren“.<ref>[[Adelbert Reif]]: ''Albert Speer. Kontroversen um ein deutsches Phänomen.'' Bernard & Graefe, München 1978, S. 73.<br />
 
Im Verlauf des Jahres 1944 erhöhte sich die alliierte Luftüberlegenheit derart, dass beinahe täglich Bomber in das Reichsgebiet einflogen. In der ''[[Big Week]]'' wurden im Februar 1944 ausgewählte Ziele der deutschen Rüstungsindustrie mit 6.000 Bombern von RAF und USAAF angegriffen. Als ab Mai 1944 die kriegswichtigen Raffinerien und [[Deutsches synthetisches Benzin|Hydrieranlagen]], unter anderen die [[Leunawerke#Zweiter Weltkrieg|Leunawerke]], [[Luftangriffe auf die Leunawerke|verstärkt bombardiert]] wurden, wurde die Treibstoffversorgung des Heeres und insbesondere der Luftwaffe erheblich beeinträchtigt. Mit dem darauf folgenden Ausfall von 90 % der deutschen Benzinproduktion war der Krieg laut Rüstungsminister [[Albert Speer]] für das Deutsche Reich auch „produktionstechnisch verloren“.<ref>[[Adelbert Reif]]: ''Albert Speer. Kontroversen um ein deutsches Phänomen.'' Bernard & Graefe, München 1978, S. 73.<br />
 
[[Percy Ernst Schramm]]: ''Hitler als militärischer Führer. Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht.'' Athenäum, Frankfurt am Main 1965, S. 36.<br />''[https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46173390.html Schlacht um Sprit]'', [[Der Spiegel]] 14/1964 vom 1. April 1964, S. 61.</ref> Der [[Luftangriffe auf Ploiești|Luftangriff auf Ploiești]] am 19.&nbsp;August 1944 zerstörte eine weitere wichtige Quelle für Treibstoff.
 
[[Percy Ernst Schramm]]: ''Hitler als militärischer Führer. Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht.'' Athenäum, Frankfurt am Main 1965, S. 36.<br />''[https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46173390.html Schlacht um Sprit]'', [[Der Spiegel]] 14/1964 vom 1. April 1964, S. 61.</ref> Der [[Luftangriffe auf Ploiești|Luftangriff auf Ploiești]] am 19.&nbsp;August 1944 zerstörte eine weitere wichtige Quelle für Treibstoff.
    
Die schweren [[Luftangriffe auf Dresden]] vom 13. bis 15. Februar 1945 töteten zwischen 22.700 und 25.000 Menschen. Sie sind bis heute Gegenstand kontroverser Betrachtungen zwischen militärischer Notwendigkeit oder Bruch des damaligen [[Kriegsvölkerrecht]]s. Zur selben Zeit wurden bis Ende März 1945 auch kleinere Städte wie [[Luftangriff auf Pforzheim am 23. Februar 1945|Pforzheim]], [[Luftangriff auf Swinemünde|Swinemünde]], [[Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945|Würzburg]], [[Luftangriff auf Hanau am 19. März 1945|Hanau]], [[Luftangriffe auf Hildesheim|Hildesheim]], [[Luftangriffe auf Wesel|Wesel]] und [[Luftangriffe auf Paderborn|Paderborn]] noch großflächig zerstört. Im Bombenkrieg starben rund 600.000 Deutsche<ref>Stefan Burgdorff/Klaus Wiegrefe (Hrsg.): ''Der 2. Weltkrieg. Wendepunkt der deutschen Geschichte.'' Goldmann, München 2007, S. 245.</ref> und 60.595 Briten.<ref>Matthew White ''[http://users.erols.com/mwhite28/ww2stats.htm Twentieth Century Atlas – Death Tolls: United Kingdom].''</ref> Von den 125.000 Freiwilligen des RAF Bomber Command haben mehr als 55.000 Flieger ihr Leben verloren, mehr als in jeder anderen britischen [[Waffengattung]].
 
Die schweren [[Luftangriffe auf Dresden]] vom 13. bis 15. Februar 1945 töteten zwischen 22.700 und 25.000 Menschen. Sie sind bis heute Gegenstand kontroverser Betrachtungen zwischen militärischer Notwendigkeit oder Bruch des damaligen [[Kriegsvölkerrecht]]s. Zur selben Zeit wurden bis Ende März 1945 auch kleinere Städte wie [[Luftangriff auf Pforzheim am 23. Februar 1945|Pforzheim]], [[Luftangriff auf Swinemünde|Swinemünde]], [[Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945|Würzburg]], [[Luftangriff auf Hanau am 19. März 1945|Hanau]], [[Luftangriffe auf Hildesheim|Hildesheim]], [[Luftangriffe auf Wesel|Wesel]] und [[Luftangriffe auf Paderborn|Paderborn]] noch großflächig zerstört. Im Bombenkrieg starben rund 600.000 Deutsche<ref>Stefan Burgdorff/Klaus Wiegrefe (Hrsg.): ''Der 2. Weltkrieg. Wendepunkt der deutschen Geschichte.'' Goldmann, München 2007, S. 245.</ref> und 60.595 Briten.<ref>Matthew White ''[http://users.erols.com/mwhite28/ww2stats.htm Twentieth Century Atlas – Death Tolls: United Kingdom].''</ref> Von den 125.000 Freiwilligen des RAF Bomber Command haben mehr als 55.000 Flieger ihr Leben verloren, mehr als in jeder anderen britischen [[Waffengattung]].
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 141-1880, Peenemünde, Start einer V2.jpg|mini|21. Juni 1943: Start einer [[Aggregat 4|A4-Rakete]] ([[Vergeltungswaffe|V2]]) vom [[Prüfstand VII]] der [[Heeresversuchsanstalt Peenemünde]] auf [[Usedom]]]]
      
Mit den beiden neuen Entwicklungen des [[Marschflugkörper]]s [[Fieseler Fi 103|V1]] und der [[Ballistik|ballistischen]] Rakete [[Aggregat 4|V2]] hoffte die nationalsozialistische Führung auf eine „[[Wunderwaffe]]“. Da beide nur eine geringe Treffergenauigkeit hatten, waren sie ungeeignet zur gezielten Zerstörung militärischer Ziele. Von den ab Juni 1944 rund 7500 gegen England gestarteten V1 wurden über die Hälfte von der britischen Flak, die die in den USA neu entwickelten [[Doppler-Radar|Radar]]-[[Abstandszünder]] (Proximity fuze) einsetzen konnte, sowie den Jagdflugzeugen abgeschossen. Aber in der deutschen Bevölkerung konnte die Hoffnung auf eine Wende zum „[[Endsieg]]“ hin wieder geweckt oder wachgehalten werden, etwa in der Flüsterpropaganda: „Da kommt noch was! Das ist noch nicht alles.“ Ihre Funktion war vor allem die Terrorisierung der britischen Zivilbevölkerung. Bis März 1945 wurden etwa 3200&nbsp;A4-Raketen vorwiegend auf London und später den [[Hafen von Antwerpen|Hafen]] von [[Antwerpen#Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg|Antwerpen]] abgeschossen.
 
Mit den beiden neuen Entwicklungen des [[Marschflugkörper]]s [[Fieseler Fi 103|V1]] und der [[Ballistik|ballistischen]] Rakete [[Aggregat 4|V2]] hoffte die nationalsozialistische Führung auf eine „[[Wunderwaffe]]“. Da beide nur eine geringe Treffergenauigkeit hatten, waren sie ungeeignet zur gezielten Zerstörung militärischer Ziele. Von den ab Juni 1944 rund 7500 gegen England gestarteten V1 wurden über die Hälfte von der britischen Flak, die die in den USA neu entwickelten [[Doppler-Radar|Radar]]-[[Abstandszünder]] (Proximity fuze) einsetzen konnte, sowie den Jagdflugzeugen abgeschossen. Aber in der deutschen Bevölkerung konnte die Hoffnung auf eine Wende zum „[[Endsieg]]“ hin wieder geweckt oder wachgehalten werden, etwa in der Flüsterpropaganda: „Da kommt noch was! Das ist noch nicht alles.“ Ihre Funktion war vor allem die Terrorisierung der britischen Zivilbevölkerung. Bis März 1945 wurden etwa 3200&nbsp;A4-Raketen vorwiegend auf London und später den [[Hafen von Antwerpen|Hafen]] von [[Antwerpen#Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg|Antwerpen]] abgeschossen.
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=== Atlantik- und U-Boot-Krieg ===
 
=== Atlantik- und U-Boot-Krieg ===
{{Hauptartikel|Atlantikschlacht|Unternehmen Rheinübung}}
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 101II-MW-3491-06, St. Nazaire, Uboot U 94, Karl Dönitz.jpg|mini|Karl Dönitz beim Einlaufen von [[U 94 (Kriegsmarine)|U 94]] im Hafen von [[Saint-Nazaire]], Juni 1941]]
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1984-055-13, Schlachtschiff Bismarck, Seegefecht.jpg|links|mini|[[Unternehmen Rheinübung]], 24. Mai 1941]]
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 101II-MW-3936-06A, Frankreich, Lorient, U-Bootbunker im Bau.jpg|mini|Bau des [[U-Boot-Bunker in Lorient|U-Boot-Bunkers in Lorient]], April 1942]]
      
Mit der Versenkung des britischen Dampfers ''[[Athenia (Schiff, 1923)|Athenia]]'' am 3.&nbsp;September 1939 begann der deutsche [[U-Boot-Krieg#Zweiter Weltkrieg|U-Boot-Krieg]] im Atlantik. Als Propagandaschlag von [[Konteradmiral]] [[Karl Dönitz]] geplant, gelang es [[Kapitänleutnant]] [[Günther Prien]], mit ''[[U 47 (Kriegsmarine)|U&nbsp;47]]'' am 14.&nbsp;Oktober 1939 in die Bucht von [[Scapa Flow]] einzudringen und im Hauptstützpunkt der [[Home Fleet]] das Schlachtschiff ''[[HMS Royal Oak (08)#Versenkung|Royal Oak]]'' der [[Royal Navy|britischen Marine]] zu versenken, wobei über 800&nbsp;Mann ums Leben kamen. Fanden bis zur Mitte des Jahres 1940 hauptsächlich Aktionen durch einzelne [[U-Boot]]e statt, konnten nach der Eroberung Frankreichs von fünf U-Boot-Stützpunkten (anfangs provisorisch, später mit massiven Bunkern) an der Atlantikküste aus U-Boote wesentlich schneller die Operationsgebiete im [[Nordatlantik]] und vor dem [[Ärmelkanal]] erreichen. Die alliierten [[Geleitzug#Zweiter Weltkrieg im Atlantik|Geleitzüge]] waren aus Mangel an [[Geleitfahrzeug|Begleitschiffen]] (''escorts'') nur schwach gesichert. Außerdem setzten die U-Boot-Kommandanten die neue Taktik eines nächtlichen Überwasserangriffs ein, der die nur Unterwasserziele ortenden alliierten [[Anti Submarine Detection Investigation Committee|ASDIC]]-[[Sonar]]geräte wirkungslos machte.
 
Mit der Versenkung des britischen Dampfers ''[[Athenia (Schiff, 1923)|Athenia]]'' am 3.&nbsp;September 1939 begann der deutsche [[U-Boot-Krieg#Zweiter Weltkrieg|U-Boot-Krieg]] im Atlantik. Als Propagandaschlag von [[Konteradmiral]] [[Karl Dönitz]] geplant, gelang es [[Kapitänleutnant]] [[Günther Prien]], mit ''[[U 47 (Kriegsmarine)|U&nbsp;47]]'' am 14.&nbsp;Oktober 1939 in die Bucht von [[Scapa Flow]] einzudringen und im Hauptstützpunkt der [[Home Fleet]] das Schlachtschiff ''[[HMS Royal Oak (08)#Versenkung|Royal Oak]]'' der [[Royal Navy|britischen Marine]] zu versenken, wobei über 800&nbsp;Mann ums Leben kamen. Fanden bis zur Mitte des Jahres 1940 hauptsächlich Aktionen durch einzelne [[U-Boot]]e statt, konnten nach der Eroberung Frankreichs von fünf U-Boot-Stützpunkten (anfangs provisorisch, später mit massiven Bunkern) an der Atlantikküste aus U-Boote wesentlich schneller die Operationsgebiete im [[Nordatlantik]] und vor dem [[Ärmelkanal]] erreichen. Die alliierten [[Geleitzug#Zweiter Weltkrieg im Atlantik|Geleitzüge]] waren aus Mangel an [[Geleitfahrzeug|Begleitschiffen]] (''escorts'') nur schwach gesichert. Außerdem setzten die U-Boot-Kommandanten die neue Taktik eines nächtlichen Überwasserangriffs ein, der die nur Unterwasserziele ortenden alliierten [[Anti Submarine Detection Investigation Committee|ASDIC]]-[[Sonar]]geräte wirkungslos machte.
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Um den Druck auf die britischen Nachschubtransporte zu erhöhen und um den U-Boot-Krieg zu unterstützen, lief im Mai 1941 ein Geschwader aus [[Gdynia|Gotenhafen]] mit Ziel Atlantik aus. Es bestand aus dem gerade erst in Dienst gestellten Schlachtschiff ''[[Bismarck (Schiff, 1939)|Bismarck]]'', dem ebenfalls erst wenige Monate im Dienst befindlichen [[Schwerer Kreuzer|Schweren Kreuzer]] ''[[Prinz Eugen (Schiff, 1938)|Prinz Eugen]]'' und einigen [[Zerstörer]]n. Die Aktion mit dem Decknamen ''[[Unternehmen Rheinübung]]'' führte zum Untergang des britischen Schlachtkreuzers ''[[HMS Hood (51)|HMS Hood]]'' am 24.&nbsp;Mai 1941 und endete drei Tage später mit der Versenkung der ''Bismarck''.
 
Um den Druck auf die britischen Nachschubtransporte zu erhöhen und um den U-Boot-Krieg zu unterstützen, lief im Mai 1941 ein Geschwader aus [[Gdynia|Gotenhafen]] mit Ziel Atlantik aus. Es bestand aus dem gerade erst in Dienst gestellten Schlachtschiff ''[[Bismarck (Schiff, 1939)|Bismarck]]'', dem ebenfalls erst wenige Monate im Dienst befindlichen [[Schwerer Kreuzer|Schweren Kreuzer]] ''[[Prinz Eugen (Schiff, 1938)|Prinz Eugen]]'' und einigen [[Zerstörer]]n. Die Aktion mit dem Decknamen ''[[Unternehmen Rheinübung]]'' führte zum Untergang des britischen Schlachtkreuzers ''[[HMS Hood (51)|HMS Hood]]'' am 24.&nbsp;Mai 1941 und endete drei Tage später mit der Versenkung der ''Bismarck''.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1975-014-33, U-Boote im U-Bootbunker.jpg|mini|Deutsche U-Boote im [[U-Boot-Reparaturwerft Brest|Bunker von Brest]], 1942]]
      
Nach der [[Kriegserklärung Deutschlands und Italiens an die Vereinigten Staaten|Kriegserklärung Deutschlands an die Vereinigten Staaten]] am 11.&nbsp;Dezember 1941 entsandte [[Vizeadmiral]] Dönitz Langstrecken-U-Boote zur [[Ostküste der USA]] ([[Unternehmen Paukenschlag]]), wo sie in den ersten Januartagen 1942 eintrafen. Die zunächst schlecht organisierte [[United States Coast Guard|US-Küstenverteidigung]] stand den Angriffen auf die [[Handelsschiff]]fahrt hilflos gegenüber. Als die Verteidigung im Frühjahr zunahm, wichen U-Boot-Kommandanten in die [[Karibik]] und den [[Südatlantik]] aus. Nachdem sie dort sechs brasilianische Handelsschiffe hatten torpedieren lassen, wobei fast 1000 Seeleute und Passagiere ums Leben kamen, erklärte Brasilien als einziger südamerikanischer Staat am 22.&nbsp;August 1942 dem Deutschen Reich den Krieg und entsandte 1944 ein [[Brasilianisches Expeditionskorps in Europa|Expeditionskorps]] nach Italien. Andere Boote operierten zur selben Zeit im Nordatlantik in [[Rudeltaktik|Rudeln]] und konnten so den Druck auf die Konvois aufrechterhalten. Es kam im Laufe des Jahres zu mehreren großen Geleitzugschlachten. Im Herbst 1942 steigerten sich die Erfolge der U-Boote noch weiter, da viele Geleitkräfte für die Sicherung der Transporte nach Nordafrika (Material für [[Operation Torch]]) eingesetzt waren. 1942 wurden 8,2&nbsp;Millionen&nbsp;BRT alliierten Schiffsraums versenkt; 7,2&nbsp;Millionen BRT wurden neu gebaut (s.&nbsp;u.).
 
Nach der [[Kriegserklärung Deutschlands und Italiens an die Vereinigten Staaten|Kriegserklärung Deutschlands an die Vereinigten Staaten]] am 11.&nbsp;Dezember 1941 entsandte [[Vizeadmiral]] Dönitz Langstrecken-U-Boote zur [[Ostküste der USA]] ([[Unternehmen Paukenschlag]]), wo sie in den ersten Januartagen 1942 eintrafen. Die zunächst schlecht organisierte [[United States Coast Guard|US-Küstenverteidigung]] stand den Angriffen auf die [[Handelsschiff]]fahrt hilflos gegenüber. Als die Verteidigung im Frühjahr zunahm, wichen U-Boot-Kommandanten in die [[Karibik]] und den [[Südatlantik]] aus. Nachdem sie dort sechs brasilianische Handelsschiffe hatten torpedieren lassen, wobei fast 1000 Seeleute und Passagiere ums Leben kamen, erklärte Brasilien als einziger südamerikanischer Staat am 22.&nbsp;August 1942 dem Deutschen Reich den Krieg und entsandte 1944 ein [[Brasilianisches Expeditionskorps in Europa|Expeditionskorps]] nach Italien. Andere Boote operierten zur selben Zeit im Nordatlantik in [[Rudeltaktik|Rudeln]] und konnten so den Druck auf die Konvois aufrechterhalten. Es kam im Laufe des Jahres zu mehreren großen Geleitzugschlachten. Im Herbst 1942 steigerten sich die Erfolge der U-Boote noch weiter, da viele Geleitkräfte für die Sicherung der Transporte nach Nordafrika (Material für [[Operation Torch]]) eingesetzt waren. 1942 wurden 8,2&nbsp;Millionen&nbsp;BRT alliierten Schiffsraums versenkt; 7,2&nbsp;Millionen BRT wurden neu gebaut (s.&nbsp;u.).
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== Politische Aspekte ==
 
== Politische Aspekte ==
 
=== Kriegsverbrechen ===
 
=== Kriegsverbrechen ===
{{Hauptartikel|Kriegsverbrechen des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg}}
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{{Hauptartikel|Kriegsverbrechen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg}}
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{{Hauptartikel|Kriegsverbrechen der japanischen Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg}}
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{{Hauptartikel|Kriegsverbrechen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg}}
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 101I-212-0221-06, Russland-Nord, Erschießung von Partisanen.jpg|mini|Erschießung angeblicher Partisanen durch Angehörige der Wehrmacht in der Sowjetunion, September 1941]]
   
Im Kriegsverlauf wurden nach entsprechenden Befehlen zahlreiche [[Kriegsverbrechen]] an Juden, [[Sinti und Roma]] und Osteuropäern von deutschen Truppen verübt. Während der [[Leningrader Blockade]] verhungerten mehr als eine Million Menschen. In deutschen Sammellagern starben über drei Millionen [[sowjetische Kriegsgefangene]]. Es waren keine Vorbereitungen für deren existenzsichernde Unterkunft und Versorgung getroffen worden, obwohl das [[Oberkommando der Wehrmacht]] schon im März 1941 für die Wochen nach dem Überfall, den Sommer und Herbst 1941, mit zwei bis drei Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen gerechnet hatte.<ref>Christian Streit: ''Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941–1945.'' Bonn 1997 [1978], S. 76, mit Nachweisen; [[Rüdiger Overmans]]: ''Die Kriegsgefangenenpolitik des Deutschen Reiches 1939 bis 1945.'' In: ''Die Deutsche Kriegsgesellschaft 1939–1945.'' Zweiter Halbband: ''Ausbeutung, Deutungen, Ausgrenzung.'' Im Auftrag des [[Militärgeschichtliches Forschungsamt|Militärgeschichtlichen Forschungsamtes]] herausgegeben von Jörg Echternkamp. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005 (=&nbsp;Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 9/2), ISBN 3-421-06528-4, S. 729–875, hier S. 804 f.</ref> Die Wehrmacht ließ sie aus Gleichgültigkeit oder [[Hungerplan|gezielt verhungern]]; sie starben an Krankheiten, Misshandlungen, bei der [[Zwangsarbeit]] oder wurden ermordet.
 
Im Kriegsverlauf wurden nach entsprechenden Befehlen zahlreiche [[Kriegsverbrechen]] an Juden, [[Sinti und Roma]] und Osteuropäern von deutschen Truppen verübt. Während der [[Leningrader Blockade]] verhungerten mehr als eine Million Menschen. In deutschen Sammellagern starben über drei Millionen [[sowjetische Kriegsgefangene]]. Es waren keine Vorbereitungen für deren existenzsichernde Unterkunft und Versorgung getroffen worden, obwohl das [[Oberkommando der Wehrmacht]] schon im März 1941 für die Wochen nach dem Überfall, den Sommer und Herbst 1941, mit zwei bis drei Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen gerechnet hatte.<ref>Christian Streit: ''Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941–1945.'' Bonn 1997 [1978], S. 76, mit Nachweisen; [[Rüdiger Overmans]]: ''Die Kriegsgefangenenpolitik des Deutschen Reiches 1939 bis 1945.'' In: ''Die Deutsche Kriegsgesellschaft 1939–1945.'' Zweiter Halbband: ''Ausbeutung, Deutungen, Ausgrenzung.'' Im Auftrag des [[Militärgeschichtliches Forschungsamt|Militärgeschichtlichen Forschungsamtes]] herausgegeben von Jörg Echternkamp. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005 (=&nbsp;Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 9/2), ISBN 3-421-06528-4, S. 729–875, hier S. 804 f.</ref> Die Wehrmacht ließ sie aus Gleichgültigkeit oder [[Hungerplan|gezielt verhungern]]; sie starben an Krankheiten, Misshandlungen, bei der [[Zwangsarbeit]] oder wurden ermordet.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 101I-152-1845-29A, Katyn, Öffnung der Massengräber.jpg|mini|hochkant|Öffnung eines [[Massengrab]]es bei [[Massaker von Katyn|Katyn]], März 1943]]
      
Truppen der Achsenmächte und der Alliierten verübten in den meisten vom Krieg betroffenen Ländern Vergewaltigungen.<ref>Birgit Beck: ''Massenvergewaltigungen als Kriegsverbrechen.'' In: Wolfram Wette, Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): ''Kriegsverbrechen im 20. Jahrhundert.'' Primus, Darmstadt 2001, ISBN 3-89678-417-X, S. 406–418, hier S. 409.</ref> In der Wehrmacht wurden 5349 Soldaten wegen Sexualverbrechen verurteilt.<ref>Birgit Beck: ''Wehrmacht und sexuelle Gewalt. Sexualverbrechen vor deutschen Militärgerichten 1939–1945.'' Schöningh, Paderborn 2004, ISBN 3-506-71726-X, S. 326&nbsp;f.</ref>
 
Truppen der Achsenmächte und der Alliierten verübten in den meisten vom Krieg betroffenen Ländern Vergewaltigungen.<ref>Birgit Beck: ''Massenvergewaltigungen als Kriegsverbrechen.'' In: Wolfram Wette, Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): ''Kriegsverbrechen im 20. Jahrhundert.'' Primus, Darmstadt 2001, ISBN 3-89678-417-X, S. 406–418, hier S. 409.</ref> In der Wehrmacht wurden 5349 Soldaten wegen Sexualverbrechen verurteilt.<ref>Birgit Beck: ''Wehrmacht und sexuelle Gewalt. Sexualverbrechen vor deutschen Militärgerichten 1939–1945.'' Schöningh, Paderborn 2004, ISBN 3-506-71726-X, S. 326&nbsp;f.</ref>
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<!--{{Siehe auch: Sexuelle Gewalt im Zweiten Weltkrieg}}XXXX vorlage funktioniert so nicht. ich kanns aber nicht besser-->
 
<!--{{Siehe auch: Sexuelle Gewalt im Zweiten Weltkrieg}}XXXX vorlage funktioniert so nicht. ich kanns aber nicht besser-->
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[[Datei:Chinese girl from one of the Japanese Army's 'comfort battalions'.jpg|mini|Befragung einer chinesischen „Trostfrau“ in [[Rangoon]], 8. August 1945]]
   
[[Japan]] ging insbesondere gegen [[Völker Chinas|Chinesen]] mit großer Brutalität vor. Dabei kam es zu [[Japanische Kriegsverbrechen|Kriegsverbrechen japanischer Soldaten]] in der [[Republik China (1912–1949)|Republik China]] ([[Massaker von Nanking]]) sowie grausamen medizinischen Experimenten an Gefangenen. Nach chinesischen Angaben sollen zwischen fünf und zehn Millionen chinesische Zivilisten getötet worden sein. Die Bombardierung [[Shanghai]]s 1937 war der Auftakt des japanischen Eroberungsfeldzuges durch [[Südostasien]]. Der Feldzug kostete bis 1945 insgesamt etwa 20&nbsp;Millionen Menschen das Leben. Die [[Einheit 731]] führte in Lagern grausame Experimente an Gefangenen durch; es sind japanische Menschenversuche mit biologischen Krankheitserregern an Chinesen bekannt geworden. Von 1932 bis 1945 kam es zu Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen durch japanische Soldaten in besetzten Gebieten.<ref>Recherche International e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''Unsere Opfer zählen nicht – Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg.'' Assoziation A, Berlin/Hamburg 2005, ISBN 3-935936-26-5.</ref> Die genaue Anzahl der Vergewaltigungen wurde nie ermittelt. Nur in wenigen Fällen, wie die Massenvergewaltigungen während des Massakers von Nanking, liegen genauere Untersuchungen vor.<ref>''Widespread Incidents of Rape.'' In: [http://museums.cnd.org/njmassacre/njm-tran/ ''Japanese Imperialism and the Massacre in Nanjing''], Chapter X.</ref> Die vergewaltigten Frauen und Mädchen wurden nach der Vergewaltigung häufig getötet.<ref>[http://museums.cnd.org/njmassacre/njm-tran/njm-ch10.htm ''A Debt of Blood: An Eyewitness Account of the Barbarous Acts of the Japanese Invaders in Nanjing.''] In: ''Dagong Daily, Wuhan edition.'' 7.&nbsp;Februar 1938. Military Commission of the Kuomintang, Political Department: [http://museums.cnd.org/njmassacre/njm-tran/njm-ch10.htm ''A True Record of the Atrocities Committed by the Invading Japanese Army.''] Juli 1938.</ref> Eine Strafverfolgung durch die japanische [[Militärgericht|Militärjustiz]] erfolgte nicht. Die japanische Armee verschleppte zwischen 1932 und 1945 nach Schätzungen 100.000&nbsp;bis 300.000&nbsp;Mädchen und Frauen, meist im Alter zwischen 14 und 25&nbsp;Jahren, als „[[Trostfrauen]]“ ''(ian-fu)'' in Militär[[bordell]]e.<ref>Daniela Rechenberger: ''Keine Opfer? Keine Täter? Zur Darstellung der „Comfort Women-Problematik“ in den japanischen Medien.'' In: Antje Hilbig/Claudia Kajatin/Ingrid Miethe (Hrsg.): ''Frauen und Gewalt.'' Würzburg 2003, S. 105–115, Anmerkungen S. 106.</ref><ref>Kazuko Watanabe: ''Trafficking in Women’s bodies, then and now. The issue of military „comfort women“.'' In: Women’s studies quarterly&nbsp;27 (1999), New York, S. 19–31, Anmerkungen S. 21. Recherche International e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''Unsere Opfer zählen nicht – Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg.'' Assoziation A, Berlin/Hamburg 2005, ISBN 3-935936-26-5, S. 219–225.</ref> Etwa 100.000 davon stammten aus der [[Korea unter japanischer Herrschaft|japanischen Kolonie Korea]]. Dazu kamen Mädchen und Frauen aus China, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Australien und auch aus Japan. Die Frauen und Mädchen mussten Tag für Tag etwa 30&nbsp;bis 40&nbsp;Soldaten zu Diensten sein. Bis zum Kriegsende starben etwa 70&nbsp;Prozent dieser Frauen an Krankheiten, Folter oder Hunger. Noch in den letzten Kriegswochen wurden Tausende der „Trostfrauen“ ermordet. Die Gesamtzahl der Zivilisten, die von Japanern im Zusammenhang mit ihrer kriegerischen ''Lebensraum''-Politik getötet wurden, wird auf sechs bis mehr als 14 Millionen Menschen geschätzt.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 1069 (6 Mill.). Gerhard Schreiber: ''Der Zweite Weltkrieg.'' 5. Aufl., München 2013, S. 84 (14 Mill.).</ref>
 
[[Japan]] ging insbesondere gegen [[Völker Chinas|Chinesen]] mit großer Brutalität vor. Dabei kam es zu [[Japanische Kriegsverbrechen|Kriegsverbrechen japanischer Soldaten]] in der [[Republik China (1912–1949)|Republik China]] ([[Massaker von Nanking]]) sowie grausamen medizinischen Experimenten an Gefangenen. Nach chinesischen Angaben sollen zwischen fünf und zehn Millionen chinesische Zivilisten getötet worden sein. Die Bombardierung [[Shanghai]]s 1937 war der Auftakt des japanischen Eroberungsfeldzuges durch [[Südostasien]]. Der Feldzug kostete bis 1945 insgesamt etwa 20&nbsp;Millionen Menschen das Leben. Die [[Einheit 731]] führte in Lagern grausame Experimente an Gefangenen durch; es sind japanische Menschenversuche mit biologischen Krankheitserregern an Chinesen bekannt geworden. Von 1932 bis 1945 kam es zu Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen durch japanische Soldaten in besetzten Gebieten.<ref>Recherche International e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''Unsere Opfer zählen nicht – Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg.'' Assoziation A, Berlin/Hamburg 2005, ISBN 3-935936-26-5.</ref> Die genaue Anzahl der Vergewaltigungen wurde nie ermittelt. Nur in wenigen Fällen, wie die Massenvergewaltigungen während des Massakers von Nanking, liegen genauere Untersuchungen vor.<ref>''Widespread Incidents of Rape.'' In: [http://museums.cnd.org/njmassacre/njm-tran/ ''Japanese Imperialism and the Massacre in Nanjing''], Chapter X.</ref> Die vergewaltigten Frauen und Mädchen wurden nach der Vergewaltigung häufig getötet.<ref>[http://museums.cnd.org/njmassacre/njm-tran/njm-ch10.htm ''A Debt of Blood: An Eyewitness Account of the Barbarous Acts of the Japanese Invaders in Nanjing.''] In: ''Dagong Daily, Wuhan edition.'' 7.&nbsp;Februar 1938. Military Commission of the Kuomintang, Political Department: [http://museums.cnd.org/njmassacre/njm-tran/njm-ch10.htm ''A True Record of the Atrocities Committed by the Invading Japanese Army.''] Juli 1938.</ref> Eine Strafverfolgung durch die japanische [[Militärgericht|Militärjustiz]] erfolgte nicht. Die japanische Armee verschleppte zwischen 1932 und 1945 nach Schätzungen 100.000&nbsp;bis 300.000&nbsp;Mädchen und Frauen, meist im Alter zwischen 14 und 25&nbsp;Jahren, als „[[Trostfrauen]]“ ''(ian-fu)'' in Militär[[bordell]]e.<ref>Daniela Rechenberger: ''Keine Opfer? Keine Täter? Zur Darstellung der „Comfort Women-Problematik“ in den japanischen Medien.'' In: Antje Hilbig/Claudia Kajatin/Ingrid Miethe (Hrsg.): ''Frauen und Gewalt.'' Würzburg 2003, S. 105–115, Anmerkungen S. 106.</ref><ref>Kazuko Watanabe: ''Trafficking in Women’s bodies, then and now. The issue of military „comfort women“.'' In: Women’s studies quarterly&nbsp;27 (1999), New York, S. 19–31, Anmerkungen S. 21. Recherche International e.&nbsp;V. (Hrsg.): ''Unsere Opfer zählen nicht – Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg.'' Assoziation A, Berlin/Hamburg 2005, ISBN 3-935936-26-5, S. 219–225.</ref> Etwa 100.000 davon stammten aus der [[Korea unter japanischer Herrschaft|japanischen Kolonie Korea]]. Dazu kamen Mädchen und Frauen aus China, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Australien und auch aus Japan. Die Frauen und Mädchen mussten Tag für Tag etwa 30&nbsp;bis 40&nbsp;Soldaten zu Diensten sein. Bis zum Kriegsende starben etwa 70&nbsp;Prozent dieser Frauen an Krankheiten, Folter oder Hunger. Noch in den letzten Kriegswochen wurden Tausende der „Trostfrauen“ ermordet. Die Gesamtzahl der Zivilisten, die von Japanern im Zusammenhang mit ihrer kriegerischen ''Lebensraum''-Politik getötet wurden, wird auf sechs bis mehr als 14 Millionen Menschen geschätzt.<ref>H. A. Winkler: ''Geschichte des Westens.'' München 2011, S. 1069 (6 Mill.). Gerhard Schreiber: ''Der Zweite Weltkrieg.'' 5. Aufl., München 2013, S. 84 (14 Mill.).</ref>
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* [http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/ ''Der Zweite Weltkrieg''] im Lebendigen virtuellen Museum Online ([[LeMO]])
 
* [http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/ ''Der Zweite Weltkrieg''] im Lebendigen virtuellen Museum Online ([[LeMO]])

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