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[[Datei:Fíbula aquiliforme (M.A.N. Madrid) 01.jpg|mini|hochkant|Gotische Adlerfibel, Museo Arqueológico Nacional Madrid (Spanien).|alternativtext=]]
Die '''Goten''' waren ein ost[[Germanen|germanisches]] Volk, das seit dem 3. Jahrhundert mehrfach in militärische Konflikte mit den Römern verwickelt war. Während der [[spätantike]]n [[Völkerwanderung]]szeit bildeten zunächst die West- und dann auch die Ostgoten eigene Reiche auf dem Boden des [[Imperium Romanum]], die 711 bzw. 552 untergingen.

Umstritten ist der Ursprung der Goten. Zur [[Christliche Zeitrechnung|Zeitenwende]] siedelte im Bereich der [[Weichsel]]mündung ein Volk, das antiken Autoren wie [[Tacitus]] unter dem Namen ''Gotonen'' (''Gutonen''; [[Gotische Sprache|gotisch]] ''Gutans'') bekannt war. Der Name wird oft vom gotischen Wort ''giutan'' („gießen“) oder ''gutans'' („gegossen“) abgeleitet und als „Ausgießer“ gedeutet. Ob diese Völker die Vorfahren der späteren Goten waren, wie früher angenommen wurde, ist umstritten. Nach Berichten von [[Jordanes]] stammten die Goten ursprünglich aus Skandinavien, doch stellt dies nach Ansicht der meisten Historiker eine Fiktion dar.

Mit dem Ausgangspunkt, dass die Gutonen die Vorfahren der Goten waren, wird die Annahme gestützt, dass in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts ein Teil des Volkes nach Südosten zum Schwarzen Meer zog. Andere Forscher vertreten hingegen die Ansicht, dass die Goten erst im Schwarzmeerraum und damit im Vorfeld der römischen Grenze als eigene Völkerschaft entstanden seien (siehe [[Ethnogenese]]). Nach ersten Auseinandersetzungen mit dem [[Römisches Reich|Römischen Reich]] in [[Südosteuropa]] um die Mitte des 3. Jahrhunderts kam es am Ende des 3. Jahrhunderts zur Spaltung in eine östliche (''Greutungen'') und eine westliche Gruppe (''[[Terwingen]]''), aus denen sich später – vereinfachend gesagt – die Ostgoten (''Ostrogothi'' = glanzvolle Goten) und die Westgoten (''Visigothi'' = edle, gute Goten) entwickelten.

Die Greutungen oder Ostgoten wurden um 375 von den [[Hunnen]] unterworfen. Nach deren Niedergang wurden sie zunächst römische ''[[foederati]]'' (Verbündete), eroberten aber 488 unter [[Theoderich der Große|Theoderich]] Italien, formal im Auftrag [[Byzantinisches Reich|Ostroms]]. Nach Theoderichs Tod zerfiel das [[Ostgotenreich]] um 550 unter dem Ansturm der oströmischen Truppen [[Justinian I.|Kaiser Justinians]].

Die Terwingen (die späteren Westgoten) schlugen im Jahre 378 das oströmische Heer unter Kaiser [[Valens]] in der [[Schlacht von Adrianopel (378)|Schlacht von Adrianopel]] vernichtend. Sie wurden 382 römische ''foederati'' und gründeten Anfang des 5. Jahrhunderts ein Reich in [[Gallien]], das von den [[Franken (Volk)|Franken]] nach [[Hispanien]] verdrängt wurde. Das [[Westgotenreich]] unterlag 711 den muslimischen [[Mauren]].

== Stammesnamen ==
Die Westgoten wurden auch ''Tervingi'' (hauptsächlich in ihren Siedlungsgebieten nördlich der [[Donau]]) oder ''Vesigithi'' bzw. ''Visigothi'' (hier jeweils die lateinischen Formen) genannt. ''Terwingen'' bedeutet „Waldleute“ (gotisch ''triu'' „Baum“). ''Vesi'' ist eine prunkende Selbstbezeichnung, die so viel wie „die Edlen/Guten“ bedeutet.

Für die Ostgoten bestehen grundsätzlich zwei Namensformen: ''Ostrogot(h)i, Ostrogotae'' und ''Greutungi'' (Nebenformen: ''Greothingi, Grutungi, Grauthungi''), wobei ''Greutungen'' frei übersetzt „Steppenbewohner“ oder „Strandbewohner“ heißt. Die älteste überlieferte Form von ''Ostgoten'' ist ''Austrogoti'' ([[Historia Augusta]], ''Vita Claudii'' 6,2).<ref>[[Rudolf Much]]: ''Ostgoten''. In: ''[[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]]'' (RGA), Bd.&nbsp;3, 1. Aufl. Straßburg 1915–16, S.&nbsp;389, § 10 f. (umfassende namenskundliche Abhandlung).</ref> Es handelt sich um eine Selbstbezeichnung, abgeleitet aus einem durch [[Wulfila]] überlieferten bibelgotischen Lexem, dem Kompositum ''*Austra-gutans''. Im germanischen Vergleich bedeutet ''austra'' „östlich“. Anderweitige Deutungen wie „die durch den Sonnenaufgang glänzenden Goten“ sind etymologisch nicht beweisbar. Solche Deutungen erfolgten beispielsweise durch Herwig Wolfram von ''austr(o)-a'' als „glänzend, strahlend“, von [[Germanische Sprachen|germanisch]] ''*ausra'' (dazu auch ''[[Ostern#Etymologie|Ostern]]'').<ref>Albrecht Greule: ''Ostgoten. § 1 Namenkundliches''. In: [[Heinrich Beck (Philologe)|Heinrich Beck]], [[Dieter Geuenich]], [[Heiko Steuer]] (Hrsg.): ''Reallexikon der Germanischen Altertumskunde''. 2. Auflage. Bd.&nbsp;22, De Gruyter, Berlin / New York 2003, ISBN 3-11-017351-4, S.&nbsp;344 f.</ref>

Später wurden die Namen ''Vesigothi'' und ''Ostrogothi'' von [[Cassiodor]], einem hohen römischen Beamten des Ostgotenkönigs [[Theoderich der Große|Theoderich]], in anachronistischer Weise in Westgoten und Ostgoten umgedeutet, als die Trennung der Stämme deutlich wurde. Als dritte Volksgruppe neben Ost- und Westgoten nennt Cassiodor die [[Gepiden]]. Sie waren ursprünglich wohl ein eigenes Volk und hatten sich dem Südzug der Goten angeschlossen. Die Gepiden blieben größtenteils im Hinterland, nahe der Karpaten, und spielten politisch eine eher untergeordnete Rolle. Die Westgoten siedelten nördlich der Donau, während die Ostgoten sich an der Mündung des [[Dnepr]] ausbreiteten, unter anderem auch auf der [[Krim]]. Die Westgoten konstituierten sich in einer von vielen Kleinkönigen beherrschten [[Oligarchie]], während sich das Königshaus der [[Amaler]] bei den Ostgoten (angeblich) seine Macht erhalten konnte. Historisch bezeugt sind die Amaler jedoch erst seit dem späten 4.&nbsp;Jahrhundert n.&nbsp;Chr., der uralte Stammbaum, den [[Jordanes]] angab, ist konstruiert.<ref>[[Peter J. Heather]]: ''Cassiodorus and the Rise of the Amals. Genealogy and the Goths under Hun Domination''. In: ''[[Journal of Roman Studies]]'', 79, 1989, S.&nbsp;103–128.</ref>

Jordanes nannte neben West- und Ostgoten eine weitere, angeblich zahlreiche Gruppe, die er als ''Kleingoten'' bezeichnet. Diese Kleingoten, denen der gotische Bischof Wulfila angehörte, sollen zu Jordanes’ Zeiten die Gegend von Nikopolis in [[Mösien]] besiedelt haben.

== Geschichte ==
=== Die Goten vor der Trennung ===
[[Datei:Oksywie Wielbark Przeworsk.gif|mini|hochkant=1.5|rot: [[Oxhöft-Kultur]], dann frühe [[Wielbark-Kultur]]<br />blau:[[Jastorfkultur]] (hell: Ausweitung, lila:&nbsp;verdrängt)<br />gelb: [[Przeworsker Kultur]] (orange:&nbsp;verdrängt)<br />rosa, orange, lila: Ausweitung der Wielbark-Kultur (2. Jh.)]]
[[Datei:Rekonstrukcja gockiego długiego domu w Masłomęczu.JPG|mini|hochkant=1.5|Rekonstruktion eines gotischen Langbauernhauses bei Masłomęcz im Powiat [[Hrubieszów]] (2./3.&nbsp;Jahrhundert)]]

==== Herkunft: Stammeslegende und Realität ====
Die ersten Erwähnungen der Goten finden sich bei den [[antike]]n Geschichtsschreibern [[Tacitus]], [[Strabon]] und [[Ptolemäus]] als ''Gotonen''. Aus deren Nachrichten ergibt sich das Bild eines Stammesverbandes mit einem für germanische Verhältnisse bemerkenswert starken Königtum, der zur Zeitenwende nördlich des [[Weichsel]]<nowiki />knies im Machtbereich der [[Markomannen]] siedelte. Westliche Nachbarn an der Ostseeküste waren die [[Rugier]]. Ob die südwestlichen Nachbarn, also [[Vandalen]] und [[Lugier]], zwei Stammesverbände waren oder einer, ist unklar.

Als [[Cassiodor]] im ersten Drittel des 6.&nbsp;Jahrhunderts im Auftrag des Ostgotenkönigs Theoderich die ''Historia Gothorum'' („Geschichte der Goten“) abfasste, griff er zeitlich viel weiter zurück. Da Cassiodors zwölfbändige Fassung nicht erhalten ist, steht nur die verkürzte Überarbeitung durch Jordanes (um 550, ''De origine actibusque Getarum'', kurz ''[[Getica]]'') als Quelle für die frühen Stammeslegenden zur Verfügung. Diese Stammeslegenden waren zwar vielleicht mündlich überliefert worden, wurden aber von Cassiodor zumindest nach einflussreichen historiografischen Modellen (Tacitus’ ''[[Germania (Tacitus)|Germania]]'') geordnet und zum Teil erfunden. Cassiodor trug zahlreiche [[Skandinavier|skandinavische]] und [[Skythen|skythische]] Völkerschaften, deren Namen der klassisch-antiken Geografie und Ethnografie teils schon seit [[Herodot]] bekannt waren (insbesondere die häufig mit den Goten verwechselten [[Geten]]), und offenbar auch ihre Königslisten zu einer Gotengeschichte zusammen. Erschwert wird die Auswertung der ''Getica'' zudem dadurch, dass unklar ist, wie viel von Cassiodors Werk in ihnen überhaupt bewahrt worden ist.

Gemäß der von Jordanes überlieferten Ursprungsgeschichte stammten die Goten vom sagenhaften Stammesgründer ''Gapt'' auf der Insel ''[[Scandza]]'' (Skandinavien) ab. Von dort seien sie unter König [[Berig]] mit drei Schiffen in ''[[Gothiscandza]]'' an der baltischen Küste gelandet und hätten sich nach fünf Generationen unter [[Filimer]] auf den Weg Richtung Süden gemacht. Die Spaltung des Volkes in West- und Ostgoten habe sich ereignet, als während der Überquerung eines großen Flusses die Brücke eingestürzt sei.

Diese Darstellung, die auch erst im 6.&nbsp;Jahrhundert bei dem oft wenig zuverlässigen Jordanes auftauchte,<ref>Zur Problematik der ''Getica'' des Jordanes als Quelle siehe Heather: ''Goths and Romans'', S.&nbsp;3&nbsp;ff. sowie die ausführliche Analyse von Christensen: ''Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths''</ref> lässt sich jedoch nicht bestätigen.<ref>Vgl. Walter Goffart: ''Jordanes’s „Getica“ and the Disputed Authenticity of Gothic Origins from Scandinavia'', in: [[Speculum (Zeitschrift)|Speculum]] 80, 2005, S.&nbsp;379–398.</ref> Sie ist wahrscheinlich vielmehr als ein [[Topos (Geisteswissenschaft)|topischer]] Herkunftsmythos anzusehen (siehe [[Origo gentis]]).<ref>Zu dieser Frage ausführlich Christensen: ''Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths''; vgl. auch [[Walter A. Goffart]]: ''Barbarian Tides: The Migration Age and the Later Roman Empire''. Philadelphia 2006, S.&nbsp;56&nbsp;ff.</ref> So konnte durch die archäologische Forschung für die oft den frühen Goten zugerechnete [[Willenberg-Kultur]] (auch Wielbark-Kultur) keine signifikante Zuwanderung aus Skandinavien festgestellt werden.<ref>Artikel ''Goten''. In: RGA, Band 12, S.&nbsp;412 und S.&nbsp;428&nbsp;f. (mit weiterer Literatur). Siehe dazu auch Bierbrauer: ''Archäologie und Geschichte der Goten'', S.&nbsp;75&nbsp;ff.; [[Rolf Hachmann]]: ''Die Goten und Skandinavien''. Berlin 1970; Heather: ''The Goths'', S.&nbsp;11&nbsp;ff.; [[Walter Pohl]]: ''Die Völkerwanderung''. Stuttgart 2002, S.&nbsp;44&nbsp;f. Herwig Wolfram gesteht ein, dass ein archäologischer Beweis fehlt, glaubt aber, dass eine kleinere Gruppe aus Skandinavien an der Ethnogenese der Goten im Weichselraum mitgewirkt haben könnte (Wolfram: ''Die Goten'', S.&nbsp;50).</ref> Der neueren Forschung zufolge ist eher davon auszugehen, dass diese Kultur östlich der Weichsel entstanden ist und sich seit dem 1.&nbsp;Jahrhundert langsam von dort aus nach Südosten verschob,<ref>Bierbrauer: ''Archäologie und Geschichte der Goten.'' S.&nbsp;75&nbsp;ff.</ref> während an der Weichselmündung einige Siedlungen noch bis ins 4.&nbsp;Jahrhundert fortbestanden.

Es wird oft angenommen, dass die Goten aus dem Zusammenschluss unterschiedlicher Stämme entstanden. Denkbar ist, dass dem Namen „Goten“ besonderes Prestige anhaftete, weshalb er (ähnlich wie der der [[Hunnen]]) von ganz verschiedenen Gruppen geführt wurde. Gemeinsam ist den traditionell den Goten zugerechneten Gruppen, dass sie ihren Verstorbenen keine Waffen ins Grab legten, was für Germanen untypisch ist. Die Aussagekraft dieser Beobachtung ist aber inzwischen umstritten. Einige Forscher (wie etwa [[Michael Kulikowski]]) bestreiten inzwischen jeden Zusammenhang zwischen der Willenberg-Kultur und den Goten und nehmen an, es habe überhaupt keine Wanderung der Goten vor dem 3.&nbsp;Jahrhundert gegeben, da sich erst damals die Ethnogenese des Stammes vollzogen habe – und zwar an der Donau, in unmittelbarer Nachbarschaft zum ''Imperium Romanum''. Genau wie Franken und Alamannen seien die Goten als neuer Großstamm erst an der römischen Grenze entstanden.<ref>Michael Kulikowski: ''Rome’s gothic wars: from the third century to Alaric.'' Cambridge 2007, S.&nbsp;43&nbsp;ff.</ref> Der Ausgang der Debatte darüber ist derzeit offen.

Von einer einigermaßen gesicherten gotischen „Geschichte“ kann erst gesprochen werden, als die Goten mit Überschreitung der Donau 238 in den Horizont der römischen und griechischen [[Geschichtsschreiber]] traten.

==== „Gotensturm“ ====
Jordanes berichtete: Als nach der Mitte des zweiten Jahrhunderts die Größe des Volkes immer mehr zugenommen habe, habe der Sage nach König Filimer den Entschluss gefasst, mit Heer, Frauen und Kindern auszuwandern. Nach traditioneller Ansicht zogen die Goten nun (relativ langsam) entlang der Weichsel flussaufwärts bis an die Donau und das [[Schwarzes Meer|Schwarze Meer]]. Auf ihrem Weg verdrängten sie, folgt man dieser Ansicht, die [[Markomannen]], die den böhmischen Raum beherrschten, und lösten so nach Ansicht mancher Forscher die [[Markomannenkriege]] zwischen elbgermanischen Stämmen und Römern aus.

[[Datei:Chernyakhov.svg|mini|hochkant=1.5|Gotische Wanderungen: 1. [[Götaland]] (grün); 2. [[Gotland]] (rosa); 3. die [[Wielbark-Kultur]], 2.&nbsp;Jh. (rot); 4. die [[Cernjachov-Kultur]], 3.&nbsp;Jh. (orange)]]
Wirklich unumstritten ist nur: Goten tauchten zu Beginn des 3.&nbsp;Jahrhunderts im Donauraum und an der Nordwestküste des Schwarzen Meeres auf. Archäologisch nachgewiesen ist nach Ansicht vieler Forscher eine Verschiebung von Teilen der ''[[Wielbark-Kultur]]'' in den Raum der ''[[Tschernjachow-Kultur]]'' (größtenteils in der [[Ukraine]]), während dies von anderen Gelehrten, die an eine gotische „Ethnogenese vor Ort“ glauben, mittlerweile vehement bestritten wird.<ref>Die derzeit wichtigsten Vertreter der traditionellen These vom Zusammenhang zwischen den beiden Kulturen als Beleg für gotische Wanderungen sind M. Kazanski und V. Bierbrauer; skeptisch sind dagegen S. Brather und vor allem M. Kulikowski.</ref> Es begann an der Donau der teils als „Gotensturm“ bezeichnete Angriff gotischer Gruppen auf das Imperium. Dies fiel in die Zeit der [[Reichskrise des 3.&nbsp;Jahrhunderts]], in der sich die innenpolitische Instabilität des [[Soldatenkaiser]]tums mit außenpolitischen Bedrohungen an der Nord- und Ostgrenze des Imperiums verbanden.

Im Jahre 238 überfielen Goten zusammen mit den [[Karpen]] das römische [[Histria (Schwarzes Meer)|Histria]] südlich der Donaumündung. In der einzigen erhalten gebliebenen zeitgenössischen historiographischen [[Quelle (Geschichtswissenschaft)|Quelle]], dem Werk ''Skythika'' des griechischen Historikers [[Publius Herennius Dexippus]] (Dexippos), wurden sie, einem anachronistischen ethnographischen [[Topos (Geisteswissenschaft)|Topos]] für barbarische Völkerschaften aus dem Schwarzmeerraum gemäß, als ''[[Skythen|Skythai]]'' bezeichnet. Nach Plünderung der Stadt und Erpressung von jährlichen [[Tribut]]en zogen sie wieder ab. Als zehn Jahre später Kaiser [[Philippus Arabs]] nach Siegen über die Karpen die Zahlung der Tribute einstellte, fielen Goten unter ihrem Anführer [[Kniva]] im Jahr 250 mit mehreren großen Kriegergruppen nach [[Dakien]], [[Thracia (Provinz)|Thrakien]], [[Mösien]] und [[Illyrien]] ein; ein weiterer, allerdings wenig erfolgreicher Gotenführer (''archon'') scheint [[Ostrogotha]] gewesen zu sein, der in einem neu gefundenen Textfragment ''(Scythica Vindobonensia)'' erwähnt wird, das Dexippos zugerechnet wird. Der mittlerweile neue Kaiser [[Decius (Kaiser)|Decius]] wurde in mehreren Schlachten besiegt und fiel schließlich in der [[Schlacht von Abrittus]] 251.

Der nächste Kaiser [[Trebonianus Gallus]] gestand den Goten wieder Tribute zu, wurde jedoch von [[Aemilianus (Kaiser)|Aemilianus]] gestürzt, der noch als Statthalter Kniva im Jahr 252 besiegt hatte und als Kaiser 253 die Zahlung einstellte. Erneut griffen die Goten Thrakien und Mösien an, wurden jedoch diesmal geschlagen. Nach erneutem Kaiserwechsel drangen die Goten 254 bis [[Thessaloniki]] vor. Mittlerweile waren viele römische Städte, die bisher unter dem Schutz der [[Pax Romana]] unbefestigt geblieben waren, stark befestigt, das Land litt unter den starken Verwüstungen.

Einige Goten gingen ab 255 zu seegestützten Angriffen über. Zunächst im Raum des östlichen Schwarzen Meeres, eroberten sie zusammen mit den [[Boraner]]n 256 [[Pizunda|Pityus]] und [[Trabzon|Trapezunt]]. Ab 257 durchfuhren die Goten erstmals den [[Bosporus]] und nahmen eine ganze Reihe kleinasiatischer Städte ein. Ein zweites Mal drang 268 eine große gotisch-herulische Armada im Verband mit starken Landstreitkräften gegen [[Byzantion|Byzanz]] vor, durchquerte die [[Dardanellen]] und fiel plündernd auf der [[Peloponnes]] ein. Kaiser [[Claudius II.]] besiegte die Angreifer in der [[Schlacht bei Naissus]] und nahm als erster den Ehrentitel ''Gothicus'' an. Nachdem sein Nachfolger [[Aurelian]] weitere Siege auch nördlich der Donau errungen hatte, begann eine längere Friedenszeit zwischen Römern und Goten. Der Kaiser gab allerdings die nördlich des Flusses gelegene Provinz [[Dakien]] auf, die daraufhin von den Goten und ihren Verbündeten besiedelt wurde.

=== Spaltung und weitere Ethnogenese ===
Mit dem Ende der Krise des Imperiums unter [[Diokletian]], der die inneren Wirren beendete und so die Abwehrkraft des Reiches wiederherstellte, beruhigte sich vorerst die Lage an der [[Donau]] wieder. In diese Zeit (um das Jahr 290) fiel die Spaltung der Goten in die Terwingen-Vesier/Westgoten und Greutungen-Ostrogothen/Ostgoten.

In diesem Kontext muss betont werden, dass die Terwingen nicht einfach die späteren Westgoten und die Greutungen nicht einfach die späteren Ostgoten waren. Vielmehr fand die [[Ethnogenese]] differenzierter statt: Teile der Terwingen verschmolzen später mit Greutungen und Teilen anderer Völkerschaften zu den Ostgoten, wie Teile der Greutungen an der Ethnogenese des Hauptteils der Terwingen zu den Westgoten teilnahmen. Zeitlich kann man grob sagen, dass die Westgoten in der Zeit der Ansiedlung im Römischen Reich in den Jahren ab 376 bis zum Königtum von [[Alarich I.]], die Ostgoten im Zeitraum von dem Niedergang des hunnischen Reiches (Mitte des 5.&nbsp;Jahrhunderts) bis zur Übersiedlung nach [[Italien]] unter Theoderich dem Großen (489) „entstanden“ sind.<ref>Vgl. dazu Peter Heather: ''Goths and Romans''. S.&nbsp;309 ff.</ref>

In der Forschung herrscht jedoch keine Einigkeit darüber, inwiefern man beispielsweise bei den späteren Ostgoten von einem Gemeinschaftsgefühl sprechen kann.<ref>Vergleiche die Positionen von [[Peter J. Heather]] und [[Herwig Wolfram]]. Heather ist der Meinung, dass sehr wohl ein größeres Gemeinschaftsgefühl bestanden haben kann, während Wolfram als bindende Kraft einen Traditionskern und eine kleine Führungsgruppe ansieht.</ref> Falsch ist sicherlich die Vorstellung, dass die Goten ein ethnisch abgeschlossener Verband waren. Vielmehr reichte es wohl aus, dass sich Neuankömmlinge zur „Kerngruppe“ (vielleicht einer Führungsgruppe, die Träger eines „Traditionskerns“ waren) loyal verhielten. Tatsächlich lassen sich nicht unbedingt wirkliche ethnische Kontinuitätslinien nachweisen, da [[Ethnizität]] besonders in der Spätantike zahlreichen Schwankungen unterlag und möglicherweise vor allem die Namen wanderten.

Nach Ansicht von Forschern wie Michael Kulikowski zeigte sich um 300 erneut der römische Einfluss auf die gotische Ethnogenese – indem die Kaiser besonders die Terwingen systematisch unterstützt hätten, um sie als Verbündete zur Vorfeldkontrolle einzusetzen, hätten sie die Ausweitung des terwingischen Machtbereiches und die Festigung einer westgotischen Identität entscheidend befördert.

{{Siehe auch|Spätantike|Völkerwanderung}}

=== Greutungen/Ostgoten ===
==== Greutungen ====
[[Datei:Schildbuckel Krim.JPG|mini|Gotischer Schildbuckel (4.&nbsp;bis 5.&nbsp;Jahrhundert) aus [[Kertsch]] ([[Krim]])]]
Das Herrschaftsgebiet der Greutungen, das deren König [[Ermanarich]] beherrschte, soll vor dem Einfall der Hunnen 375&nbsp;n.&nbsp;Chr. beachtlich gewesen sein. Genaueres lässt sich jedoch kaum sagen, da auch [[Ammianus Marcellinus]], die wichtigste Quelle für diese Zeit, dazu kaum Angaben machte. Jordanes berichtete in Kapitel 119 seiner ''Getica'', dass Ermanarich gegen Ende seiner Herrschaft die [[Veneter (Sarmatien)|Venethi]] besiegt habe. In Kap. 116 zählte er einige der vorher unterworfenen Völker auf.<ref>Habebat si quidem quos domuerat Golthescytha Thiudos Inaunxis Vasinobroncas Merns Mordens Imniscaris Rogas Tadzans Athaul Navego Bubegenas Coldas.</ref> Nicht alle Völker lassen sich identifizieren und lokalisieren. Aber die von ihm erwähnten ''Merens'' und ''Mordens'' sind als [[Merja|Merier]] und [[Mordwinen]] zu identifizieren. Die ''Imniscaris'' lassen sich als die in der [[Nestorchronik]] bezeugten [[Meschtscherische Sprache|Meščera]] erkennen.<ref>Joos J. Mikkola: ''Die namen der völker Hermanarichs.'' In: ''Finnisch-Ugrische Forschungen: Zeitschrift für finnisch-ugrische Sprach- und Volkskunde.'' Heft XV, 1915, S.&nbsp;56–66.</ref> Bei den ''Wasinabroncas'' wird nach Abwandlung in ''Wasinabrocans'' ein Volk in üppigem teilweise sumpfigem Grasland vermutet, das sich aber nicht näher lokalisieren lässt.<ref>[[Theodor von Grienberger]]: ''Ermanariks Völker''. In: ''Zeitschrift für deutsches Altertum.'' Band 39, 1895, S.&nbsp;154–184.</ref> Wenn man ''Rogas Tadzans'' zu gotisch ''*Rōastadjans'' zusammenzieht, handelt es sich um „Wolgaanrainer“ (''Rhōs'' ist der von den Mordwinen entlehnte gotische Name für die [[Wolga]]).<ref>Gottfried Schramm: ''Altrusslands Anfang. Historische Schlüsse aus Namen, Wörtern und Texten zum 9.&nbsp;und 10.&nbsp;Jahrhundert''. Freiburg i. Br. 2002, S.&nbsp;54.</ref> Wenn man aus ''golthe scytha Thiodos'' das wohl später hineingerutschte ''scytha'' weglässt, so ergibt dies gotisch ''*Golthethiodos'', was „Goldvölker“ bedeutet. Dieser Name muss sich auf den [[Ural]] beziehen, da nur dort Gold gefunden wurde. Nach Jordanes lebten die von Ermanarich unterworfenen Völker in einem Gebiet zwischen Ural und Wolga, vom Einzugsgebiet der [[Kama (Fluss)|Kama]] im Norden bis zum [[Ural (Fluss)|Uralfluss]] im Süden.<ref>Gottfried Schramm: ''Altrusslands Anfang. Historische Schlüsse aus Namen, Wörtern und Texten zum 9.&nbsp;und 10.&nbsp;Jahrhundert''. Freiburg im Breisgau 2002, S.&nbsp;52.</ref>

Die höchste Schätzung geht von einem gotischen Einflussbereich vom [[Baltikum]] bis zum Ural aus, was von den meisten modernen Forschern für übertrieben gehalten wird, zumal nicht sicher sei, ob Ermanarich über ''alle'' Greutungen geherrscht habe.<ref>Vgl. beispielsweise Heather, ''Goths and Romans'', S.&nbsp;88&nbsp;f.</ref> Das Zentrum der greutungischen Herrschaft lag jedenfalls in der Ukraine und umfasste neben den Goten auch andere Volksgruppen. Als Ursache für diese Reichsgröße wird wie bei den späteren [[Rus]] der Fernhandel gesehen. Es handelte sich um die Pelze aus dem Eismeergebiet, um Gold aus dem Ural, um Wachs und Honig, eine Spezialität der Meščera, ein finno-ugrischer Name, der etymologisch auf Bienenbeute hinweist, nach Süden. Ermanarich gelang es schließlich, die den Ausgang der Wolga-Don-Route beherrschenden [[Heruler]] zu besiegen, was nur unter dem Gesichtspunkt des Handels sinnvoll war. Unter dem Aspekt des Fernhandels war das Reich des Ermanarich ein Vorläufer des mit gleicher Zielrichtung später entstehenden Reiches der Rus.<ref>Gottfried Schramm: ''Altrusslands Anfang. Historische Schlüsse aus Namen, Wörtern und Texten zum 9.&nbsp;und 10.&nbsp;Jahrhundert''. Freiburg im Breisgau 2002, S.&nbsp;56.</ref>

Der Prozess der ''[[Verreiterung]]'' unter dem Einfluss der [[Iranier|iranischen]] [[Steppe]]nvölker hatte zur Folge, dass der [[Kataphrakt|gepanzerte Lanzenreiter]] einen bedeutenden Teil der Streitkraft der Greutungen ausmachte – im Gegensatz zu den Terwingen, bei denen der Fußsoldat überwog. Der gotische Reiterkrieger trug Zweikämpfe zu Pferde aus und konnte große Entfernungen überwinden.

Spätestens im Jahre 375<ref>Vgl. [[Alexander Demandt]]: ''Die Spätantike: römische Geschichte von Diocletian bis Justinian, 284-565 n. Chr'', C. H. Beck, München 2007, S.&nbsp;150, Anmerkung 133: „Die Feinchronologie der Ereignisse zwischen dem Auftauchen der Hunnen und dem Abfall der Goten 377 (Hieron. chron. zu 377; Prosper Tiro zu 377; Chron. Min. I 460) ist ungewiß. Daß die Verhandlungen und die Übernahme 376 erfolgten, ergibt sich aus Orosius VII 33,9f, vgl. 33,13. Wie lange zuvor die im Barbaricum spielenden Vorgänge stattfanden, ist unklar. Das für den Beginn der Völkerwanderung (und des Mittelalters) seit Gibbon 1781 viel zitierte Jahr 375 ist nicht verbürgt und für das Auftauchen der Hunnen in Europa sicher zu spät …“</ref> überschritten die Hunnen den [[Don (Asowsches Meer)|Don]] und unterwarfen das Reich der Alanen. Damit war Ermanarich der Krieg erklärt. Die hunnischen Reiter waren mit ihren damals hochmodernen [[Bogen (Waffe)#Recurve-/Reflexbogen|Reflexbögen]] und ihrer Überfalltaktik den gotischen Kriegern weit überlegen. Der König selbst, so erzählt es [[Ammianus Marcellinus]], wollte das weder erleben noch verantworten. Nach mehreren Niederlagen, angesichts der Schrecklichkeit der drohenden Gefahren und aus Furcht vor den großen Entscheidungen, setzte er selbst seinem Leben ein Ende. Sein Volk gab den Kampf aber noch nicht auf und wählte aus der Königsfamilie einen Nachfolger. Dieser fiel bereits nach einem Jahr und der ostrogothische Widerstand brach zusammen. Der Großteil des Volkes geriet unter die Oberherrschaft der Hunnen, doch gelang es einer starken Gruppe von Greutungen und Alanen, sich mit abtrünnigen Hunnen zu verbinden und der Unterwerfung zu entziehen, worauf sie Zuflucht im römischen Reich suchten. Diese Gruppe war es, die den Terwingen/Westgoten ein Jahr später in der Schlacht gegen die Römer zum Sieg verhalf.

Der Großteil der Greutungen, auch die [[Gepiden]], unterwarf sich den Hunnen und wanderte mit ihren Heeren in den Westen. Nur eine Minderheit blieb auf der Krim zurück, welche sich aber äußerst lange als selbständige Kultur behaupten konnte. Noch im 16.&nbsp;Jahrhundert wurde dort [[Gotische Sprache|Gotisch]] gesprochen. Der [[Flamen|flämische]] Gesandte [[Ogier Ghislain de Busbecq]] traf in Istanbul solche Krimgoten, von denen er einige Wörter überlieferte, wie ''reghen'' (Regen), ''stul'' (Stuhl) und ''handa'' (Hände). Die „Gotenburgen“, die Städte der [[Krimgoten]], sind direkt in den Stein gehauen. In ihrer Hauptstadt [[Mangup|Dori]] sind alle Straßen und Häuser mitten in den Fels gehauen.

Die unter hunnischer Herrschaft lebenden Goten passten sich den neuen Umständen offenbar an. [[Priskos]] berichtet, dass die gotische Sprache im Hunnenreich [[Attila]]s eine wichtige Verkehrssprache darstellte. Bei den unter den Hunnen lebenden Goten ist auch die Sitte der [[Schädeldeformation|Schädelverformung]] nachweisbar. Hunnen nahmen gotische Namen an, wie auch umgekehrt Goten hunnische Namen trugen. Allerdings blieb das Verhältnis zwischen Goten und Hunnen ambivalent, es konnten sich offenbar auch immer wieder einige Gruppen von Goten der hunnischen Herrschaft entziehen oder unternahmen einen Versuch, dies zu erreichen (vgl. [[Radagaisus]]).

==== {{Anker|Ostgoten}} Ostgoten ====

Im Zuge des Niedergangs der Hunnenherrschaft nach dem Tode [[Attila]]s befreiten sich die [[Gepiden]] und andere unterworfene Völker 454 in der [[Schlacht am Nedao]] von der [[Hunnen|hunnischen]] Herrschaft.<ref>Vgl. zu den folgenden Ausführungen grundsätzlich Herwig Wolfram: ''Die Goten.'' 4. Aufl. München 2001, S. 259 ff.</ref> Die Goten hatten dabei immer noch auf Seiten der Hunnen gekämpft, gewannen aber durch deren Niederlage ebenfalls ihre Unabhängigkeit. Während sich die Reste der Hunnen in den Osten zurückzogen, schlossen die Ostgoten einen Föderatenvertrag mit dem [[Römisches Reich|Römerreich]] und siedelten sich in [[Pannonien]] an. 469 schlugen sie eine Allianz mehrerer feindlicher Stämme unter Führung des [[Sueben#Donausueben|Donau-Sueben]] [[Hunimund (Donau-Sueben)|Hunimund]] in der [[Schlacht an der Bolia]]. Der Sohn des Ostgotenkönigs [[Thiudimir]], [[Theoderich der Große|Theoderich]], kam als Geisel an den Hof in Konstantinopel (wohl von 459 bis 469). Nach seiner Entlassung erkämpfte er sich die Herrschaft über einen Teil der Ostgoten auf dem Balkan und wurde 474 deren König. Zugleich gab es Ostgoten in oströmischen Diensten, wie den [[Heermeister]] [[Theoderich Strabo]], den Rivalen des vorher genannten Theoderich. Erst nach dem Unfalltod Strabos 481 konnte sich Theoderich der Große endgültig durchsetzen.

Im Auftrag des Kaisers [[Zenon (Kaiser)|Zeno]], der sich der Goten aus dem grenznahen Bereich Ostroms entledigen wollte, zog Theoderich 488 mit dem Großteil der Ostgoten nach Italien, um [[Odoaker]] zu vertreiben.<ref>Vg. Herwig Wolfram: ''Die Goten.'' 4. Aufl. München 2001, S. 278 ff.</ref> Odoaker hatte 476 den letzten weströmischen Kaiser [[Romulus Augustulus]] abgesetzt und fortan als ''[[patricius]]'' das Land regierte. Die Goten marschierten 489 in Italien ein. Theoderich sollte Rom und Italien für das Imperium zurückerobern, bis der Kaiser selbst in den Westen kommen würde. Nach zweijähriger Belagerung der Residenzstadt [[Ravenna]] konnte Theoderich Odoaker in der [[Rabenschlacht]] besiegen. Obwohl beide sich bereits über eine gemeinsame Regierung Italiens geeinigt hatten, ermordete Theoderich seinen Gegenpart am 5.&nbsp;März 493 in Ravenna und herrschte fortan als ''princeps Romanus'' und „an Stelle des Kaisers“ über Italien. Zeno war 491 gestorben und sein Nachfolger [[Anastasios I.|Anastasius]] erkannte Theoderich, der sich offenbar nochmals als ''[[Rex (Titel)|rex]]'' akklamieren ließ, zunächst nicht an. 497/498 kam es zu einer vorläufigen Einigung zwischen Ravenna und Konstantinopel, wobei sich die Duldung der gotischen Herrschaft aus Sicht des Kaisers wohl nur auf Theoderich, nicht auf etwaige Nachkommen bezog. Ob Theoderich fortan eher als König eines italischen [[Ostgotenreich]]es zu sehen ist oder eher als [[weströmisch]]er Regierungschef in der Tradition [[Ricimer]]s, ist in der Forschung umstritten.

Nach Ausschaltung der Konkurrenz im eigenen Lager knüpfte die Herrschaft Theoderichs an die [[spätantike]] Verwaltungspraxis in Italien. Er war um einen Ausgleich zwischen Goten und Römern (die religiös [[Arianer]] bzw. Katholiken waren) bemüht, sowie um eine Konsolidierung seiner Macht durch Heirats- und Bündnispolitik. Er konnte jedoch nicht die Etablierung der fränkischen Herrschaft über Gallien verhindern und nur die Mittelmeerküste blieb nach 507 zunächst gotisch. 511 machte er sich zum ''rex'' über die vier Jahre zuvor von den Franken besiegten Westgoten, während es im Inneren zu einer kulturellen Spätblüte Italiens kam. Die letzten Jahre des Theoderich wurden überschattet von wachsenden Spannungen mit Konstantinopel und Fehlentscheidungen wie der Hinrichtung des [[Boethius]] wegen Hochverrats. Theoderich starb 526 und zahlreiche Legenden über seinen Tod entstanden.<ref>Aktuell und umfassend zu Theoderich siehe Hans-Ulrich Wiemer: ''Theoderich der Große.'' München 2018.</ref>

Es folgte eine schwerwiegende Nachfolgekrise.<ref>Überblick bei Herwig Wolfram: ''Die Goten.'' 4. Aufl. München 2001, S. 332 Fr.</ref> Als Vormund des [[Designation|designierten]], erst zehnjährigen Nachfolgers [[Athalarich]], regierte Theoderichs Tochter [[Amalasuntha]]. Ihr Vetter [[Theodahad]] entmachtete sie jedoch im Jahr 534. [[Byzantinisches Reich|Ostrom]] griff unter dem energischen Kaiser [[Justinian I.|Justinian]] ein und entfachte den [[Gotenkrieg (535–554)|Gotenkrieg]], der sich wirtschaftlich und kulturell verheerend auswirkte. Der oströmische Feldherr [[Belisar]] landete 535 auf Sizilien und stieß rasch über Unteritalien bis nach Rom vor. Rebellierende Goten stürzten Theodahad und erhoben 536 [[Witichis]] zum ''rex'', der Belisar bis 540 standhalten konnte. Dann zog Belisar in Ravenna ein und nahm Witichis gefangen.

Die Reste des Gotenheeres erhoben 541 [[Totila]] zum ''rex'', dem es überraschend gelang, größere Teile Italiens zurückzuerobern. In den folgenden zehn Jahren wurde das Land durch den Krieg verwüstet. Auch der erneut entsandte Belisar konnte aufgrund zu geringer Truppenstärke – die [[Byzantinisches Heerwesen|kaiserliche Hauptarmee]] war durch einen Krieg gegen die persischen [[Sassaniden]] gebunden – keine Entscheidung herbeiführen und wurde schließlich wieder abberufen. 552 wurde die neue oströmische Italienarmee (etwa 30.000 Soldaten) von [[Narses]] angeführt, der Totila 552 in der [[Schlacht von Busta Gallorum]] entscheidend schlug, wobei Totila den Tod fand.

Mit Niederlage und Tod von Totilas Nachfolger [[Teja]] 552 in der [[Schlacht am Mons Lactarius]] endete der Krieg. Die meisten Goten unterwarfen sich Narses. Die überlebenden Goten wurden teils zu oströmischen Untertanen, teils leisteten sie an einigen Orten noch bis 562 hinhaltenden Widerstand und teils schlossen sie sich den [[Franken (Volk)|Franken]] und [[Langobarden]] an.

=== Terwingen/Visigothen/Westgoten ===
==== Terwingen ====
Gegen Ende des 3.&nbsp;Jahrhunderts begannen die [[Terwingen]], das von den Römern aus strategischen Gründen aufgegebene [[Dakien]] zu besiedeln. Bis kurz vor Beginn der Hunnengefahr blieb die Situation, bis auf kleinere gelegentliche Raubzüge der Terwingen, ruhig. [[Konstantin der Große]] hatte 332 einen Vertrag mit den Donaugoten geschlossen, die sich damit zur Waffenhilfe verpflichteten. Mit der Ära [[Athanarich]]s verschärften sich jedoch ab 365 die römisch-terwingischen Auseinandersetzungen wegen der schlechten Behandlung durch die römische Verwaltung. Athanarich, der einen römischen [[Usurpator]] unterstützt hatte, wurde 369 vom oströmischen Kaiser [[Valens]] entscheidend geschlagen, konnte aber dennoch einen günstigen Vertrag aushandeln. Die mittlerweile begonnene [[Christianisierung]] der Terwingen (hervorzuheben ist hier besonders Wulfila) führte zu Christenverfolgungen und der Bildung einer Opposition unter dem zum [[Arianismus]] übergetretenen [[Fritigern]] gegen Athanarich.

Obwohl Fritigern von Valens unterstützt wurde, behielt Athanarich vorerst die Oberhand. Dies änderte sich jedoch mit dem Anwachsen der Hunnengefahr, die Athanarich nicht abwenden konnte.<ref>Zu den militärischen Auseinandersetzungen vgl. Bernard S. Bachrach: ''Some Observations on the “Goths” at war''. In: ''Francia'' 19/1, 1992, S.&nbsp;205–214.</ref> Große Teile der Terwingen flohen 376 unter Fritigern mit Erlaubnis der Römer unter chaotischen Bedingungen ins Reich.

==== {{Anker|Westgoten}} Visigothen ====
[[Datei:Visigoth migrations.jpg|mini|hochkant=1.5|Die ungefähre Route des Zugs der Visigothen/Westgoten – innerhalb von zwei Generationen durchquerten sie zwischen 376 und 418 das halbe Römische Reich, bis sie schließlich in den Westprovinzen sesshaft wurden.]]
Die ''Visigothen'', die im Rahmen eines Ethnogeneseprozesses auf oströmischen Boden nach diesem Donauübergang im Jahr 376 entstanden, unterschieden sich von den Terwingen (sowie den Greutungen).<ref>[[Peter J. Heather]]: ''The Creation of the Visigoths.'' In: Peter J. Heather (Hrsg.): ''The Visigoths from the Migration Period to the Seventh Century. An Ethnographic Perspective.'' Woodbridge 1999, S.&nbsp;43–73; vgl. auch Peter J. Heather, John Matthews: ''The Goths in the Fourth Century.'' Liverpool 1991.</ref> Die ''Visigothen'' wurden bereits in den ''[[Getica]]'' des [[Jordanes]]<ref>Vgl. Jordanes, ''Getica'' 82.</ref> fälschlicherweise als „Westgoten“ gedeutet. In der deutschen Geschichtsforschung und in von ihr beeinflussten Sprachen wie dem Russischen und Ukrainischen setzte sich die Bezeichnung „Westgoten“ für die Visigothen durch, in vielen anderen Ländern wird die Bezeichnung „Visigothen“ verwendet.

Kaiser [[Valens]] hatte im Jahr 376 den Terwingen unter [[Fritigern]] erlaubt, die Donau zu überschreiten und sich in Teilen [[Thracia (Provinz)|Thrakiens]] anzusiedeln.<ref>Die aktuelle deutsche Darstellung zu den Visigothen/Westgoten bietet Kampers, ''Westgoten''.</ref> Sie wurden jedoch wegen des Versagens der dortigen Verwaltung nicht entwaffnet; dadurch gelangten schließlich zehntausende Terwingen über die Donau, sodass die Römer aufgrund von logistischen Problemen mit der Versorgung vollkommen überfordert waren, zumal es auch zu Misswirtschaft auf römischer Seite kam. Die römische Armee war ebenfalls völlig überfordert und konnte nicht verhindern, dass mit den Terwingen Fritigerns etliche andere Stämme teils ungeordnet die Donau passierten; kurz darauf kam es zu Kampfhandlungen. Die römische Regionalarmee wurde geschlagen und römische [[Sklave]]n und bereits früher romanisierte Goten gingen zu Fritigern über. Eine Gruppe von Greutungen, die sich zum selben Zeitpunkt ganz in der Nähe befand, nahm mit den Terwingen Kontakt auf, ebenso wie einige [[Alanen]] und flüchtige Hunnen. Gegen diese ''Drei-Völker-Konföderation''<ref>Allgemein Heather: ''Goths and Romans'' sowie Michael Kulikowski: ''Rome’s Gothic Wars'', Cambridge 2007 (bis zur Plünderung Roms 410). Zu den Visigothen/Westgoten vgl. auch Kampers, ''Westgoten''.</ref> führte Kaiser Valens die gesamte östliche Hofarmee von etwa 30.000 Mann nach Thrakien. Sein Neffe [[Gratian]] sollte von Norden her mit seinen Elitetruppen anrücken, wurde jedoch durch einen plötzlichen Einfall der [[Alamannen]] aufgehalten und traf erst verspätet im Nordwesten des heutigen Bulgarien ein.

Da die Römer Kunde erhielten, dass das Heer der Visigothen nur aus 10.000 Mann bestehen würde, entschloss sich Valens trotz der fehlenden Verstärkung am Morgen des 9. August 378 zum Angriff. Bei [[Edirne|Adrianopel]] trafen beide Heere aufeinander. Die Römer fanden entgegen ihrer Annahme jedoch einen zahlenmäßig viel stärkeren Gegner vor, der sich zudem hinter einer gewaltigen Wagenburg verschanzt hatte. Mittels Verhandlungen wollten beide Seiten einen Kampf vermeiden und eine friedliche Lösung herbeiführen, doch begannen zwei römische Einheiten wegen Disziplinlosigkeit ohne Befehl den Angriff. Die restlichen Truppen folgten daraufhin, so dass es zur [[Schlacht von Adrianopel (378)|Schlacht]] kam. Nachdem die Visigothen eine erste Attacke abgewehrt hatten, formierten sich die Römer neu und begannen einen zweiten Angriff auf die Wagenburg. Mitten im Kampfgeschehen kehrten jedoch die Reiter der Greutungen von ihrer Nahrungssuche zurück und stürzten sich augenblicklich in die Schlacht. Da nun auch Fritigern einen Ausfall startete, befanden die Römer sich unvermittelt in der Zange und wurden von zwei Seiten angegriffen. Der linke Flügel konnte zwar zunächst weiter vordringen, wurde aber von den greutungischen Reitern abgefangen, woraufhin die römische Kavallerie und die taktische Armeereserve flohen.

Zwei Drittel des römischen Heers, Kaiser Valens und fast alle Generäle und Stabsoffiziere wurden getötet. Die kampfstärksten Teile der römischen Armee im Osten waren damit weitgehend vernichtet. Die Folgen der Schlacht waren vielfältig: Die terwingischen Visigothen wurden zu Reitern, die Christianisierung wurde gefördert und die römische Politik gegenüber reichsangehörigen Barbaren musste geändert werden: sie wurden von nun an integriert und dementsprechend wurden wirtschaftliche, politische und rechtliche Maßnahmen getroffen. Dass Adrianopel der Anfang vom Ende des Imperiums war, wie manchmal in der älteren Forschung vermutet, wird inzwischen stark angezweifelt. Allerdings kam es in der Folge zu einer Umorientierung der römischen Außenpolitik, die nun weniger als zuvor auf Präventivschläge und stärker auf Diplomatie und [[Tribut]]e setzen musste. Grund war ein akuter Mangel an Soldaten, was die Barbarisierung des Heeres förderte.

[[Datei:Theodosius I. Roman Coin.jpg|mini|Darstellung Theodosius’ I. auf einer römischen Münze]]
Im Oktober 382 kam es zu einer vertraglichen Einigung zwischen den Visigothen und dem römischen Kaiser [[Theodosius I.]], der seit 379 als Mitkaiser Gratians den Osten beherrschte. Demnach wurden die Visigothen als [[Foederaten]] zwischen Donau und Balkangebirge angesiedelt, erhielten steuerfrei Land (welches aber römisches Staatsgebiet blieb) und Jahrgelder, mussten dafür aber als Soldaten dienen. Außerdem wurde ein Eheverbot zwischen Römern und Visigothen erlassen. Dieser Vertrag setzte eine Entwicklung in Gang, die letztendlich dazu führte, dass die Visigothen zu einem „Staat im Staate“ wurden, wobei diese Entwicklung allerdings nicht vorher in ihrer ganzen Tragweite absehbar gewesen war – zumal Theodosius das Gotenproblem wenigstens vorläufig gelöst hatte und nun wieder über eine schlagkräftige Armee verfügte, in welche die Visigothen eingebunden wurden. Insgesamt betrachtet, wich dieser „Gotenvertrag“ nicht wesentlich von der römischen Vertragspraxis ab. Es war vielmehr die spätere Entwicklung, welche die Auswirkung des ''[[foedus]]'' offen zu Tage treten ließ.<ref>Vgl. dazu Hartmut Leppin: ''Theodosius der Große''. Darmstadt 2003, S.&nbsp;45&nbsp;ff.</ref> Genauer Inhalt und Bedeutung des [[Gotenkrieg (376–382)#Friedensvertrag|Gotenvertrages von 382]] sind aufgrund der schlechten Quellenlage umstritten.

Möglicherweise aufgrund des immer stärker gewordenen hunnischen Drucks drangen ab dem Jahr 391 visigothische Verbände plündernd nach Süden vor; dabei tötete der gegenüber Rom loyale Stammesführer [[Fravitta]] seinen Rivalen [[Eriulf]]. Als im Jahr 395 die Hunnen in großem Stil die Donau überschritten, verließen die meisten seit 382 angesiedelten Visigothen ihre Wohnsitze und zogen unter [[Alarich I.]] plündernd über den [[Balkanhalbinsel|Balkan]] und die [[Peloponnes]], zumal sie sich nach dem Tod des Kaisers Theodosius I. nicht mehr an ihre mit ihm geschlossenen Verträge gebunden fühlten. Noch im Jahr 394 hatten sie Theodosius im Bürgerkrieg gegen [[Eugenius]] unterstützt und dabei einen immensen Blutzoll entrichtet. Nachdem sie von dem römischen Feldherrn [[Stilicho]] geschlagen worden waren, erhielten sie 397 drei Jahre später ein neues ''foedus'' und wurden in [[Makedonien]] angesiedelt.

Dort blieben sie nur vier Jahre, denn Alarich hatte noch immer keine Position im römischen Staat erlangt, die seinen Vorstellungen entsprach und seine Stellung legalisiert und abgesichert hätte. Er und seine Männer fühlten sich um den Lohn für ihre Hilfe im Kampf gegen Eugenius betrogen. Im Jahr 401 gingen Alarichs Visigothen daher erneut auf Wanderschaft und zogen kreuz und quer durch das Ostreich (Balkan) und Italien, um sich schließlich sieben Jahre später (408) nach dem Tod Stilichos, vor [[Rom]] festzusetzen. Alarichs zunehmend verzweifelte Bitten an den Kaiser [[Flavius Honorius|Honorius]], ihn und seine Männer zu versorgen und zu entlohnen, wurden von den Römern in falscher Einschätzung der Lage wiederholt abgelehnt. Am 24. August 410 nahmen Alarichs Truppen, die bereits zuvor zweimal mit einer solchen Aktion gedroht hatten, daher fast ohne Gegenwehr Rom ein und [[Plünderung Roms (410)|plünderten es drei Tage lang]].<ref>[[Mischa Meier]], Steffen Patzold: ''August 410 – Ein Kampf um Rom.'' Stuttgart 2010 (zur Rezeptionsgeschichte).</ref> Wegen der weiterhin prekären Versorgungslage versuchte Alarich vergeblich, in das reiche Nordafrika zu gelangen, doch fehlte es an Schiffen. Auf dem Rückzug nach Norditalien starb er. Sein Nachfolger [[Athaulf]] führte die Visigothen nach [[Gallien]].

Nach weiteren militärischen Konflikten (Vorstöße nach Hispanien, ein weiterer Versuch, nach Nordafrika vorzustoßen) erhielten die Visigothen nach einer Niederlage gegen kaiserliche Truppen im Jahr 418 erneut einen Föderatenvertrag und wurden von [[Constantius III.]] in [[Aquitanien]] angesiedelt. Dies war der Anfang des [[Westgotenreich#Tolosanisches Reich 418–507|gallischen Reichs der Visigothen um Tolosa]] (das heutige [[Toulouse]]).<ref>Dabei ist es umstritten, ob die Visigothen ein Drittel des Landes oder ein Drittel Steueraufkommen erhielten, vgl. etwa [[Walter A. Goffart]]: ''Barbarians and Romans''. Princeton 1980, S.&nbsp;103&nbsp;ff. Siehe auch Herwig Wolfram: ''Die dauerhafte Ansiedlung der Goten auf römischem Boden. Eine endlose Geschichte''. in: ''Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung'' 112 (2004), S.&nbsp;11–35.</ref>

==== Das Tolosanische Reich ====
{{Hauptartikel|Westgotenreich}}
In den nächsten Jahrzehnten kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Römern und Westgoten sowie zwischen Römern und diversen anderen Germanenstämmen und schließlich zu der immer massiver werdenden Hunnengefahr. 451 kam es zur ''[[Schlacht auf den Katalaunischen Feldern]]''. Dort standen sich auf der einen Seite die Hunnen, Gepiden, verschiedene andere Germanenstämme sowie Ostgoten, auf der anderen Seite Römer, Gallier, ebenfalls diverse Germanenstämme und Westgoten gegenüber. Die Schlacht endete zwar unentschieden, aber der Nimbus der Unbesiegbarkeit [[Attila]]s war dahin. Der Legende nach starb der damalige König der Westgoten Theoderid durch einen Speerwurf des Ostgoten Andagis.

In der Folgezeit konsolidierte sich das Westgotenreich zunehmend. [[Theoderich II.]] nahm Einfluss auf die weströmische Politik und setzte seinen Bekannten, den vornehmen Gallo-Römer [[Avitus]], als Kaiser durch. Nach dessen Tod kämpfte Theoderich II. gegen den weströmischen Heermeister [[Aegidius (Feldherr)|Aegidius]], der 458 die westgotische Belagerung von [[Arles]] aufhob. Als sich Aegidius 461 mit der Regierung in Ravenna zerstritt und sich nach Nordgallien absetzte, griffen die Westgoten im Auftrag des mächtigen Heermeisters [[Ricimer]] Aegidius an, der sie jedoch mit fränkischer Unterstützung 463 bei [[Orléans]] schlagen konnte. Eine römische [[Enklave]] in Nordgallien hielt sich unter [[Syagrius]], dem Sohn des Aegidius, noch bis 486.

Besonders unter dem bedeutenden König [[Eurich]], der in den 460er Jahren angesichts der Schwäche des weströmischen Kaisers den Föderatenvertrag kündigte und sich an die Eroberung der umliegenden gallischen Gebiete machte, erstarkte das Westgotenreich zusehends. Dabei trafen die Goten offenbar auf wenig Widerstand; vielmehr rückten sie vielerorts wohl einfach in die Position, die der Kaiser nicht mehr ausfüllen konnte. Es kam sowohl zur Konfrontation als auch zur Kooperation mit der [[gallorömisch]]en Oberschicht. Spanien geriet zunehmend in den Fokus westgotischer Aktivitäten, wo Eurich sich festsetzen konnte. Mit dem Ende des [[Weströmisches Reich|Weströmischen Kaisertums]] im Jahre 476 wurde das Tolosanische Reich faktisch eigenständig und reichte in der Zeit seiner größten Ausdehnung von Hispanien, das in den 490er Jahren zwei große Einwanderungswellen erlebte, bis an die [[Loire]].

Gegen die vordringenden [[Franken (Volk)|Franken]] unter dem [[Merowinger]] [[Chlodwig I.]], die 486 das nordgallische Reich des [[Syagrius]] erobert hatten, verloren die Westgoten unter König [[Alarich II.]] nach der Niederlage in der [[Schlacht von Vouillé]] im Jahr 507 weitgehend ihre gallischen Länder. Danach waren sie auf die [[Iberische Halbinsel]] und einen schmalen, sehr wertvollen Streifen an der französischen Mittelmeerküste ([[Septimanien]] und die westlich anschließende Küste) beschränkt. Auch Tolosa ging verloren. Offenbar hatte Alarich II. die Bedrohung durch Chlodwig völlig unterschätzt und den Fall des Syagrius, den er noch an Chlodwig ausgeliefert hatte, nicht als Warnhinweis ernst genommen. Auch die Unterstützung durch gallo-römische Kontingente unter dem Senator Apollinaris konnte das Blatt nicht wenden. Alarich wurde in der Schlacht getötet und sein Sohn Amalarich übernahm zunächst die Herrschaft. Das Westgotenreich befand sich aber in Auflösung und konnte nur mit ostgotischer Hilfe gegen die Franken verteidigt werden. 511 gerieten die Westgoten zeitweilig unter ostgotische Herrschaft: [[Theoderich der Große|Theoderich]], die westgotische Anarchie ausnutzend, erklärte sich zu ihrem König.

==== Das Toledanische Reich ====
{{Hauptartikel|Westgotenreich}}
[[Datei:GNM - Westgotische Fibel.jpg|mini|Westgotische [[Bügelfibel]] (6.&nbsp;Jahrhundert)<br />aus [[Castiltierra]], Spanien]]
Nach Theoderichs Tod wurden die Westgoten 526 wieder unabhängig, neue Residenz wurde [[Toledo]].<ref>Vgl. zum Toledanischen Reich Kampers: ''Westgoten''. S.&nbsp;155&nbsp;ff.</ref> 531 musste erneut eine schwere Niederlage gegen die Franken hingenommen werden und der Verlust aller noch verbliebenen gallischen Gebiete bis auf [[Septimanien]]. Erst König [[Leovigild]] gelang es nach einer längeren Zeit der Wirren, ab den späten 560er Jahren das Reich zu konsolidieren und die Iberische Halbinsel schrittweise fast völlig unter westgotische Kontrolle zu bringen. Er unterwarf die [[Kantabrien|Kantabrer]] und die [[Sueben]] im Nordwesten und drängte auch die Oströmer zurück, die unter [[Justinian I.|Justinian]] seit 552 Gebiete im Süden um Córdoba und [[Carthago Nova]] erobert hatten. Die letzten kaiserlichen Festungen in Spanien kapitulierten aber erst in den 620er Jahren.

Leovigild (568 bis 586) war der erste Westgotenkönig, der sich ganz offen als souveräner Herrscher gab: Er hörte auf, das Bild des Kaisers auf seine Goldmünzen zu setzen und signalisierte damit, dass er die formale Oberhoheit Konstantinopels nicht mehr anerkannte. Zudem trug er als erster Westgote Krone und Purpur, und nach der Art der römischen Kaiser gründete er eine neue Stadt, [[Reccopolis]], die nach seinem Sohn [[Rekkared I.|Rekkared]] benannt wurde. Doch die folgenden Jahrzehnte waren von häufigen Auseinandersetzungen um die Thronfolge geprägt. Es hatte sich unter römischem Einfluss ein [[Wahlkönigtum]] entwickelt und mächtige Adelsfamilien kämpften um die Krone. Das jeweilige Königshaus versuchte dagegen, eine [[Erbmonarchie]] durchzusetzen.

Ein weiterer Machtfaktor war die katholische Kirche. Nachdem wiederholte Versuche der Könige gescheitert waren, die Mehrheit der Bevölkerung zum [[Arianismus]] zu bekehren, wählten sie schließlich den umgekehrten Weg: Nachdem König [[Rekkared I.]] bereits 587 zum [[Katholizismus]] übergetreten war, wurde auf dem 3.&nbsp;[[Konzil von Toledo]] 589 der Katholizismus Reichsreligion, worauf der Arianismus offenbar bald verschwand. Dadurch wurde die früher verbotene (wenn auch oft praktizierte) Vermischung der bisher arianischen Westgoten (wohl nur etwa zwei bis drei Prozent der Gesamtbevölkerung Hispaniens) mit den übrigen Bevölkerungsgruppen möglich. Als Folge schwand der Gebrauch der [[Gotische Sprache|gotischen Sprache]] schnell zugunsten einer [[spätlatein]]ischen oder [[Spanische Sprache|frühspanischen]] Umgangssprache. Zum Zeitpunkt der [[Islamische Expansion|arabischen Invasion]] 711 wird mit Ausnahme der höchsten Adelskreise niemand mehr die gotische Sprache verwendet haben. Die westgotischen Könige geboten in der Folgezeit faktisch uneingeschränkt über die Kirche, ohne Einmischung durch den Papst, womit die spanischen Bischöfe offenbar einverstanden waren.<ref>Vgl. Giese: ''Goten''. S.&nbsp;163&nbsp;ff.</ref>

Das späte 6.&nbsp;Jahrhundert war eine kulturelle Blütezeit des Westgotenreichs, die durch eine zunehmende Verdrängung der visigothischen zugunsten der [[spätantike]]n römischen Elemente gekennzeichnet war. So war es kein Zufall, dass in diesem Umfeld [[Isidor von Sevilla]] wirken konnte, der sich bemühte, das ihm noch zugängliche Wissen der Antike zu bewahren. Auch sorgten Könige für die Fortsetzung der [[Kodifikation|Rechtskodifikation]], die bereits [[Eurich]] begonnen hatte und die sich bis ins 7.&nbsp;Jahrhundert fortsetzte. Doch brachen in der darauffolgenden Zeit die Thronkämpfe nicht ab. König [[Wamba]] (672–680) war dabei der erste westeuropäische Herrscher, von dem sicher bekannt ist, dass er sich nach alttestamentarischem Vorbild zum König salben ließ – ein Weg, die eigene Position zu stärken, der einige Jahrzehnte später im Frankenreich eingeschlagen wurde.

Nach dem Tod König [[Witiza]]s wurde im Jahr 710 [[Roderich]] (Rodrigo) zum König gewählt. Aber die Muslime, die ganz Nordafrika erobert hatten, überquerten mit einem Expeditionskorps von mindestens 8000 Mann die [[Straße von Gibraltar|Meerenge von Gibraltar]]. König Roderich befand sich gerade auf einem Feldzug gegen aufständische Basken. Er eilte mit nahezu dem gesamten gotischen Heer nach Süden. Entgegen anders lautenden Behauptungen in späteren Quellen steht nach derzeitigem Forschungsstand fest, dass der König nicht von Adligen aus den eigenen Reihen verraten wurde. Allerdings wurde er von den gotischen Großen offenbar dazu genötigt, die Schlacht anzunehmen, bevor sein Heer vollzählig versammelt war. In der [[Schlacht am Río Guadalete]] unterlag er den Invasoren. Die westgotische Hauptstadt Toledo fiel kampflos. [[Sevilla]] und einige große Städte konnten sich noch fast zwei Jahre gegen die in der Folge in großer Zahl ins Land strömenden Muslime halten. 719 war die muslimische Eroberung der Iberischen Halbinsel abgeschlossen. 725 wurde der letzte Rest des Reichsteils Septimanien nördlich der Pyrenäen von den Muslimen eingenommen. Der westgotische Adlige [[Teodomiro|Theodemir]] schloss mit den Muslimen Frieden und konnte sich so ein erbliches Fürstentum unter muslimischer Oberhoheit sichern, diese Landschaft wurde nach ihm ''[[Reich Todmir|Tudmir]]'' benannt.

Von [[Asturien]] aus begann ab 722 unter dem westgotischen Adligen Pelagius ([[Pelayo]]) die später so genannte [[Reconquista]] (Rückeroberung der Iberischen Halbinsel durch die Christen). Nach dem Zusammenbruch des Westgotenreichs war auch Asturien vollständig unter muslimische Herrschaft geraten, doch im Jahr 718 wurde Pelayo von Aufständischen zum König oder Fürsten gewählt. Er gründete das Reich [[Königreich Asturien|Asturien]], dessen Herrscher sich später als Nachfolger der Westgotenkönige betrachteten.

Die westgotischen Spuren in der spanischen Kultur sind minimal, zumal die Zahl der Westgoten nie besonders groß war. Allerdings führten nicht wenige [[Granden]] noch sehr lange – zum Teil bis heute – ihr Geschlecht mit Stolz auf tatsächliche oder vermeintliche germanische Vorfahren zurück.

== Die Kultur der Goten ==
Zu beachten ist, dass es nach der Ansiedlung der Westgoten und der Ostgoten auf römischem Gebiet zu einer unterschiedlich stark ausgeprägten Aneignung der römischen Kultur durch die Goten kam, wenngleich freilich immer noch Unterschiede bestanden ([[Anthropomorphe Felsgräber der Iberischen Halbinsel]]). Umgekehrt hat die islamische Kultur im mittelalterlichen Spanien viel von den Westgoten übernommen, so die Form der Säulenkapitelle in ihren Moscheen. Das lässt sich besonders in [[Andalusien]] nachvollziehen.

=== Sprache ===
{{Hauptartikel|Gotische Sprache}}
Das Gotische ist Hauptvertreter des [[Ostgermanische Sprachen|ostgermanischen Sprachzweiges]], zu dem auch [[Vandalische Sprache|Vandalisch]] und [[Burgundische Sprache|Burgundisch]] gezählt werden. Da es durch [[Wulfila]] mehrere Jahrhunderte früher als alle anderen germanischen Sprachen eine [[Schrift]] erhielt und somit als erste germanische Sprache den Rang einer [[Geschriebene Sprache|Schriftsprache]] erreichte, ist das überlieferte [[Gotische Sprache|Gotisch]] altertümlicher als etwa das [[Altenglisch]]e oder das [[Altnordisch]]e. Es steht wohl in manchem dem [[Gemeingermanisch]]en näher.

Das Gotische ist bis auf Spuren, die es im Wortschatz romanischer Sprachen hinterlassen hat, ausgestorben. Bis zum 17./18.&nbsp;Jahrhundert existierten auf der [[Krim]] noch Reste: das [[Krimgotische Sprache|Krimgotische]].

=== Religion ===
Die ursprüngliche Religion der Goten ist den [[Germanen#Germanische Religion|germanischen Religionen]] zuzuordnen. Wie für andere germanische Religionen ist für die Religion der Goten die Quellenlage schlecht.

Jordanes berichtet, dass die Goten ihre Könige nach einem Sieg nicht mehr als gewöhnliche Menschen betrachteten, sondern sie als Halbgötter ''(semidei)'', auf Gotisch ''ansis'', bezeichneten (''Getica'' 13). Beim Namen „ansis“ scheint es sich um die gotische Form des Namens der [[Ase]]n zu handeln. Bei den Westgoten stand möglicherweise der Kriegsgott [[Tyr|Tyz]] an erster Stelle. Ein gotischer [[Odin|Wodan-Odin]] ist nicht sicher überliefert. Daneben wurden die Donau und andere Flüsse als Gottheiten verehrt. Der Flussgott empfing Menschenopfer und Eide wurden auf seinen Namen geleistet. Schlachten wurden mit Preisliedern auf die Ahnen und die Götter und dem Trinken von Met eröffnet. Die Priester und Schamanen (auch Priesterinnen) der einzelnen Stämme verehrten lokale Gottheiten. Einen gemeinsamen Kult aller Goten (oder auch nur aller Westgoten) gab es anscheinend nicht.

Schon im 3.&nbsp;Jahrhundert kamen die Goten mit dem Christentum in Berührung, da sich unter den Gefangenen, die sie bei ihren Raubzügen auf römischem Gebiet machten, auch Christen befanden, die bei den Goten Bekehrungsversuche unternahmen. Der erklärte Feind Roms [[Athanarich]], der bis 375 als Richter (lateinisch ''iudex'') der gewählte Sprecher der westgotischen Kleinkönige war, verfolgte vor 346 und 369–372 die gotischen Christen im Namen der gotischen Gottheiten.

Das Christentum verbreitete sich sozial gesehen von unten nach oben. Die terwingische Oberschicht sah darin eine Bedrohung der religiösen und sozialen Ordnung und verdächtigte die Christen der Kollaboration mit den Römern. Daher kam es zu Christenverfolgungen. So ließ Athanarich Christen mitsamt ihren Häusern verbrennen, der Gote [[Wingurich]] zündete volle Kirchen an.

Im Laufe dieser Konflikte verbündete sich Athanarichs Gegenspieler, der zum arianischen Christentum übergetretene [[Fritigern]], mit dem oströmischen Kaiser [[Valens]] und stand damit auf Seiten Roms. Bei innergotischen Kämpfen im Jahre 367 zwischen Athanarich und Fritigern konnte sich ersterer durchsetzen. Dies hatte folgenreiche Auswirkungen auf das Verhältnis zu Rom und auch die Christen mussten stark darunter leiden.
[[Datei:Wulfila bibel.jpg|mini|Blatt 16<sup>v</sup>, enthaltend {{B|Mk|3|26–32}}, aus dem ''[[Codex Argenteus]]'', einer Abschrift der Wulfilabibel]]
Der gotische Bischof [[Wulfila]] schuf mit seinen Helfern die erste germanische Bibelübersetzung ''([[Wulfilabibel]])'', nachdem er bei der ersten Christenverfolgung aus dem Gotenreich vertrieben und vom römischen Kaiser Konstantius II. im Landstreifen östlich der unteren Donau angesiedelt worden war. Er übersetzte sie teils auf Grundlage von bereits von lateinischen und griechischen Missionaren übersetzten Stücken, ab 350 bis zum Jahre seines Todes 383. Das besterhaltene Exemplar ist der ''[[Codex Argenteus]]'' – ein königliches Manuskript auf purpurn gefärbtem Kalbspergament, mit silberner und goldener Tinte geschrieben. Es beweist die Wertschätzung, die diesen identitätsstiftenden Bemühungen noch im 6.&nbsp;Jahrhundert entgegengebracht wurden. Wulfila selbst wurde wahrscheinlich schon bei seiner Geburt getauft, dreisprachig erzogen und erhielt eine rhetorische Bildung. Um 341 etwa muss er seine Weihe zum Bischof der Christen im gotischen Land erhalten haben.

Über die Christianisierung der Ostgoten ist nicht viel bekannt. Spätestens die pannonischen Goten unter Theoderich galten als [[Arianismus|arianisch]].

=== Sippen ===
Es sind dank Jordanes vier Königssippen der Goten überliefert: die [[Amaler]], die [[Balthen]], die [[Berig]]- und die [[Geberich]]-Sippe. Umstritten ist, wie alt diese Geschlechter tatsächlich waren; inzwischen gehen viele Forscher davon aus, dass sich ein regelrechtes Königtum bei den gotischen Verbänden erst spät etablierte und die Vorgeschichte der Geschlechter Fiktion ist. Stammvater der halbgöttlichen Amaler war laut Joardanes Amal, legendärer Urenkel des ''[[Gautr|Gapt]]'', dessen Urenkel wiederum ein gewisser [[Ostrogotha]] war, der „Vater der Ostgoten“. Cassiodor bringt sie mit den ''A(n)ses'' (vgl. die nordischen [[Ase]]n), den Göttern, in Verbindung. Der erste historische Amaler war [[Ermanarich]], ein weiterer prominenter Vertreter dieses Geschlechts war [[Theoderich der Große]]. Die deutsche Heldensage bewahrt den Namen des Königsgeschlechts als [[Amelungen]]. Die visigotischen Balthen (die „Kühnen“, {{enS|bold}}) nahmen den zweiten Rang ein. Zu ihnen zählten [[Alarich&nbsp;I.]], Ricimer und [[Gesalech]]. Aus der Berig-Sippe sind nur Berig selbst, ein ansonsten unbekannter Gadarig sowie [[Filimer]] bekannt. Zur Sippe von Geberich gehörte neben dem Namensgeber möglicherweise auch [[Kniva]]. Die politisch motivierte Überlieferung des 6.&nbsp;Jahrhunderts sieht die Amaler und Balthen als legitime Herrscher der Ost- und Westgoten an.

=== Herrschaftsaufbau ===
Das Herrschaftsgebiet der Goten war die ''gutþiuda'', unterteilt in Kleinstämme, die ''kunja''. Letzteren standen die Häuptlinge ''(reiks)'' vor, die in dem Rat ''(gafaúrds)'' zusammentraten. Bei Gefahr wurde ein Richter ''(kindins)'' bestellt. Richter oder Rat bestellten für militärische Unternehmungen einen Heerführer ''(drauhtins)''. Das Land wurde beherrscht von der Aristokratie in Haus ''(gards)'' und Burg ''(baúrgs)'' in Konkurrenz zum genossenschaftlichen Dorf ''(haims)''.

Im Laufe der Zeit, besonders mit den Wanderungen, setzten sich immer stärker die Elemente des germanischen [[Heerkönig]]tums durch: Der König ''þiudans'' wurde von der Versammlung der Krieger ''auf den Schild gehoben'' (was zum geflügelten Wort wurde). Diese Entwicklung mündete schließlich in der Konkurrenz von Wahlkönigtum und Erbmonarchie der spanischen Westgoten. Der Ostgotenkönig Theoderich („der Große“) verstand sich hingegen als römischer Bürger und latinischer König, ''Flavius rex''. Sein Bestreben war es, die gotische Geschichte zu einem Teil der römischen zu machen.

== Nachwirkung ==
[[Datei:Theoderich-Grabmal 2010.JPG|mini|Das Grabmal Theoderichs des Großen in [[Ravenna]]]]
* Die Flucht westgotischer Adliger nach [[Asturien]] wurde zum Teil der spanischen Geschichte. Der spanische Thronfolger trägt noch den Titel „[[Fürst von Asturien]]“. Asturien war aber nie westgotisches Siedlungsgebiet. Bereits zuvor waren die im Kernland um Toledo siedelnden Westgoten weitestgehend romanisiert gewesen, was durch das Fehlen eines für die Westgoten typischen archäologischen Fundhorizonts im 7.&nbsp;und 8.&nbsp;Jahrhundert belegt wird. Die im Westgotenreich entstandene Mischbevölkerung wurde im [[Emirat von Córdoba|Emirat]] und späteren [[Kalifat von Córdoba]] teilweise islamisiert (siehe [[Mozaraber]]).
* Im Mittelalter diente die Berufung auf die Goten dazu, die [[Reconquista]] (Wiedereroberung) und die Wiederbesiedlung entvölkerter Regionen historisch zu legitimieren. Ab dem 15.&nbsp;Jahrhundert und bis in die Moderne wurden die Goten auch von Schweden vereinnahmt (mit Berufung auf Jordanes). Jedoch ist eine Verbindung mit den in Südschweden siedelnden Guten ([[Gotland]]) und Gauten ([[Östergötland|Östragötha]] und [[Västergötland|Västragötha]]) sowie eine Verbindung zum Epos [[Beowulf]] umstritten.
* Das [[Mausoleum des Theoderich]] in Ravenna ähnelt ein wenig dem Grabmal Konstantins. Theoderichs Gebeine sind jedoch verschollen.
* Das berühmteste Kunstwerk der Goten ist sicher der [[Codex Argenteus]], die Silberbibel, geschrieben mit Silber- und Goldtinte auf Pergamentseiten, die mit dem Rot der [[Purpur (Farbstoff)|Purpurschnecke]] gefärbt wurden: ein unschätzbar wertvolles Manuskript und eine der wichtigsten Handschriften der [[Spätantike]]. Es entstand im frühen 6.&nbsp;Jahrhundert in Italien und liegt heute in [[Uppsala]]. Ein einzelnes Blatt dieses Werkes wurde 1970 in einem Schrein im [[Dom zu Speyer]] gefunden.
* Der 1837 entdeckte [[Schatz von Pietroasa]], im Nationalmuseum von [[Bukarest]], gehört zu den prachtvollsten Funden, welche den Goten zugeschrieben werden. Möglicherweise wurde er vor den Hunnen verborgen. Im Schatz enthalten sind zahlreiche spätantike Silbergefäße und die berühmten Adlerfibeln. Der Adler war seit der Zeit am Schwarzen Meer das gotische Symbol schlechthin.
* Der Schatzfund von [[Guarrazar]] bei Toledo enthält unter anderem Weihekronen zweier westgotischer Könige.

== Siehe auch ==
* [[Liste ostgotischer Könige]]
* [[Liste westgotischer Könige]]
* [[Stammliste der Westgotenkönige zu Toledo]]

== Quellenlage ==
[[Datei:De restitutione patriae - Niccolo Canussio.jpg|mini|hochkant|Das ''[[Edictum Theoderici]]'' (Fragment), eine Sammlung von Rechtsvorschriften für Römer und Goten]]
Die Quellensituation bezüglich der Goten ist teils sehr lückenhaft.<ref>Eine knappe Quellenübersicht bietet der Artikel ''Goten'' im [[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]]; detaillierter gehen Wolfram und Heather auf die Quellensituation ein (vgl. [[#Literatur|Literaturangaben]]).</ref> Eine wichtige Quelle stellt [[Jordanes]]’ Geschichtswerk ''Getica'' dar, wenngleich die moderne Forschung seine Schilderungen weitaus kritischer betrachtet und die durch ihn vermittelten Informationen mit gebührender Vorsicht verwendet werden müssen.<ref>Vgl. Arne Søby Christensen: ''Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths. Studies in a Migration Myth.'' Kopenhagen 2002.</ref>

Über den „Gotensturm“ in der Zeit der [[Reichskrise des 3.&nbsp;Jahrhunderts]] berichtete [[Publius Herennius Dexippus]] (Dexippos) ausführlich, doch sind davon nur Fragmente erhalten. [[Ammianus Marcellinus]] ist für die Zeit von der Zerschlagung des Greutungenreichs bis zur [[Schlacht von Adrianopel (378)]] unsere mit weitem Abstand beste Quelle; dies wird besonders deutlich, wenn man die nachfolgenden erzählenden Quellen als Vergleich heranzieht. [[Zosimos]] und die Fragmente mehrerer Historiker (wie [[Olympiodoros von Theben]]) oder die ''[[Consularia Constantinopolitana]]'' bieten nur vereinzelt Einblicke in die nachfolgende Entwicklung. [[Prokopios von Caesarea]] bietet uns dafür eine detaillierte Geschichte der Gotenkriege Kaiser [[Justinian I.|Justinians]] im 6.&nbsp;Jahrhundert.

Dazu treten für Hispanien die Chronik des [[Hydatius von Aquae Flaviae]] sowie diverse [[spätantike]] Kirchengeschichten (wie etwa die von [[Sozomenos]]), aber auch [[Orosius]]’ ''Historiae adversum Paganos'' und [[Cassiodor]]s ''Variae'' (dessen Gotengeschichte uns bedauerlicherweise nur in Auszügen bei Jordanes erhalten ist; erhalten ist hingegen seine knappe ''[[Chronik (Cassiodor)|Chronik]]''). Die Briefe des [[Sidonius Apollinaris]], eines [[Gallo-römische Kultur|Gallo-Romanen]], gewähren Einblicke in das Westgotenreich von Toulouse und die Beziehungen zwischen Romanen und Goten. Außerdem sei auf die Chronik des [[Johannes von Biclaro]] sowie auf das Geschichtswerk [[Isidor von Sevilla|Isidors]] verwiesen ''(Historia de regibus Gothorum, Vandalorum et Suevorum)''. Hinzu kommen diverse Gesetzestexte (beispielsweise die ''[[Leges Visigothorum]]'').

Daneben kommt vor allem der [[Archäologie]] große Bedeutung zu, besonders im Hinblick auf die Frühgeschichte der Goten.

== Literatur ==
{{Siehe auch|Spätantike#Literatur|titel1=Bibliographie Spätantike}}

* {{RGA|12|402|443|Goten|[[Thorsten Andersson]], [[Volker Bierbrauer]], [[Walter Pohl]], Piergiuseppe Scardigli, Rüdiger Schmitt}}<br />(Wichtige Einführung mit ausführlichen Literaturhinweisen.)
* Frank M. Ausbüttel: ''Theoderich der Große (Gestalten der Antike)''. 2. bibliografisch aktualisierte Auflage. WBG, Darmstadt 2012.
* Sam Barnish, Federico Marazzi (Hrsg.): ''The Ostrogoths from the Migration Period to the Sixth Century''. London 2007.
* Volker Bierbrauer: ''Archäologie und Geschichte der Goten vom 1.-7. Jahrhundert''. In: ''[[Frühmittelalterliche Studien]].'' Band 28. De Gruyter, Berlin 1994, S.&nbsp;51–171, {{ISSN|0071-9706}}<br />(Wichtige Darstellung auf archäologischer Basis.)
* Thomas S. Burns: ''A History of the Ostrogoths''. Bloomington 1984.
* Arne Søby Christensen: ''Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths. Studies in a Migration Myth''. Museum Tusculanum Press, Kopenhagen 2002, ISBN 87-7289-710-4. ([http://www.historisktidsskrift.dk/pdf_histtid/103_2/465.pdf Rezension Ian Wood] als PDF (englisch); 96,72&nbsp;kB).
* [[Dietrich Claude]]: ''Geschichte der Westgoten.'' Kohlhammer, Stuttgart 1970.
* [[Roger Collins]]: ''Visigothic Spain, 409–711.'' Blackwell, Oxford u.&nbsp;a. 2004, ISBN 0-631-18185-7.
* Christoph Eger: ''Westgotische Gräberfelder auf der Iberischen Halbinsel als historische Quelle: Probleme der ethnischen Deutung''. In: ''Cum grano salis.'' Likias, Friedberg 2005, ISBN 3-9807628-5-8, S.&nbsp;165–181.
* [[Wolfgang Giese (Historiker)|Wolfgang Giese]]: ''Die Goten''. Kohlhammer-Urban Taschenbücher, Stuttgart 2004, ISBN 3-17-017670-6<br />(Gut verständliche und konzise Darstellung, basierend auf der aktuellen Forschungslage.)
* [[Peter J. Heather]]: ''Goths and Romans 332–489''. Clarendon Press, Oxford 1991, 1994, ISBN 0-19-820535-X<br />(Von Bedeutung vor allem in Hinblick auf die gotisch-römischen Beziehungen; vertritt teils andere Ansichten als Wolfram.)
* Peter J. Heather: ''The Goths (The Peoples of Europe)''. Blackwell, Oxford 1996, 1998, ISBN 0-631-20932-8.
* {{RGA|26|445|455|Sântana-de-Mureș-Černjachov-Kultur|Ioan Ioniță}} (einführender Fachartikel zur Archäologie der Goten des 3. und 4. Jahrhunderts).
* Gerd Kampers: ''Geschichte der Westgoten''. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2008, ISBN 978-3-506-76517-8.<br />(Aktuelles und relativ umfassendes Überblickswerk.)
* Michael Kulikowski: ''Rome’s gothic wars: from the third century to Alaric''. Cambridge Univ. Press, Cambridge u.&nbsp;a. 2007, ISBN 0-521-84633-1.
** deutsch: ''Die Goten vor Rom''. Theiss, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-8062-2198-5<br /> (Konziser Überblick aus der Feder eines jüngeren Forschers, der viele Positionen von Forschern wie Heather, Bierbrauer oder Wolfram radikal in Frage stellt und insbesondere die gesamte angebliche gotische Wanderung vor 200 n.&nbsp;Chr. für fiktiv hält.)
* José Orlandis: ''Historia del Reino Visigodo Español''. Ediciones Rialp, Madrid 1988 (ND 2003), ISBN 84-321-3469-4<br />(Grundlegend für das Toledanische Reich)
* Ludwig Rübekeil: ''Suebica. Völkernamen und Ethnos.'' Institut für Sprachwissenschaft, Innsbruck 1992, ISBN 3-85124-623-3, S.&nbsp;118–146.(Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft 68). (Ausführliche Darstellung und Diskussion)
* Alexander Sitzmann, Friedrich E. Grünzweig: ''Die altgermanischen Ethnonyme. Ein Handbuch zu ihrer Etymologie.'' In: (= ''Philologica Germanica'' Bd.&nbsp;29). Fassbaender, Wien 2008, ISBN 978-3-902575-07-4.
* [[Hans-Ulrich Wiemer]]: ''Theoderich der Große. König der Goten, Herrscher der Römer.'' C.H. Beck, München 2018, ISBN 978-3406719080.
* [[Herwig Wolfram]]: ''Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie.'' 5. Aufl., C. H. Beck, München 2009, ISBN 3-406-33733-3<br />(Grundlegendes, aber auch teilweise umstrittenes Werk, das auf den Studien von [[Reinhard Wenskus|R. Wenskus]] fußt.)
* Herwig Wolfram: ''Gotische Studien. Volk und Herrschaft im Frühen Mittelalter''. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52957-7.

== Weblinks ==
{{Commonscat|Goths|Goten}}
{{Wikibooks|Gotisch}}
{{Wiktionary|Gote}}
* [http://www.ucalgary.ca/~vandersp/Courses/texts/jordgeti.html Jordanes] (in englischer Übersetzung)
* [http://www.wulfila.be/ Project Wulfila] (englisch)
* [http://www.reimar.de/gotisch.html Gotisch im WWW]

== Anmerkungen ==
<references />

{{Lesenswert|23. August 2005|8746873}}
{{Normdaten|TYP=s|GND=4021650-0|LCCN=sh/85/056000}}

[[Kategorie:Goten| ]]
[[Kategorie:Germanischer Stamm]]
[[Kategorie:Ostgermanen]]
[[Kategorie:Oder-Weichsel-Germanen]]

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