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[[Datei:800px-Ahnenerbe.svg.png|mini|Wappen der Forschungs­gemeinschaft Deutsches Ahnenerbe]]
 
Die '''Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e.&nbsp;V.'''<!-- Ahnenerbe Forschungs- und Lehrgemeinschaft --> war eine Forschungseinrichtung der [[Schutzstaffel|SS]], die am 1. Juli 1935 von [[Heinrich Himmler]] ([[Reichsführer SS]]) und dem niederländischen Privatgelehrten [[Herman Wirth]] als „ ‚Deutsches Ahnenerbe‘ Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte e. V.“ gegründet worden war.<ref>Amtsgericht Charlottenburg von Berlin, Vereinsregister, 95 VR 7996, Registerblatt. (Der Verein ist in dieser oben genannten amtlichen Schreibweise eingetragen worden. Bei Kater, Ahnenerbe, S. 11, findet sich hingegen die Schreibweise „Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte ‚Deutsches Ahnenerbe‘ “. Diese hat sich vermutlich als Kopierfehler in der Literatur verbreitet.)</ref> Sie firmierte ab 20. März 1937 als „Das Ahnenerbe e.&nbsp;V.“<ref>{{Literatur |Autor=Julien Reitzenstein |Titel=Das SS-Ahnenerbe und die „Straßburger Schädelsammlung“ – Fritz Bauers letzter Fall|Verlag=Duncker&Humblot |Ort=Berlin |Datum=2018 |ISBN=978-3428153138 |Seiten=39}}</ref> Seit dem 17. März 1942 bestand die auch als '''SS-Ahnenerbe''' bezeichnete Gemeinschaft parallel als ''Amt A'' innerhalb des „Hauptamtes Persönlicher Stab Reichsführer-SS“.<ref>{{Literatur |Autor=Julien Reitzenstein |Titel=Himmlers Forscher. Wehrwissenschaft und Medizinverbrechen im „Ahnenerbe“ der SS|Verlag=Schöningh |Ort=Paderborn |Datum=2014 |ISBN=978-3506766571 |Seiten=34}}</ref> Es ist nicht zu verwechseln mit der Ahnenerbe-Stiftung.<ref>{{Literatur |Autor=Julien Reitzenstein |Titel=Himmlers Forscher. Wehrwissenschaft und Medizinverbrechen im „Ahnenerbe“ der SS.|Verlag=Schöningh |Ort=Paderborn |Datum=2014 |ISBN=978-3506766571 |Seiten=263f.}}</ref>
 
Die '''Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e.&nbsp;V.'''<!-- Ahnenerbe Forschungs- und Lehrgemeinschaft --> war eine Forschungseinrichtung der [[Schutzstaffel|SS]], die am 1. Juli 1935 von [[Heinrich Himmler]] ([[Reichsführer SS]]) und dem niederländischen Privatgelehrten [[Herman Wirth]] als „ ‚Deutsches Ahnenerbe‘ Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte e. V.“ gegründet worden war.<ref>Amtsgericht Charlottenburg von Berlin, Vereinsregister, 95 VR 7996, Registerblatt. (Der Verein ist in dieser oben genannten amtlichen Schreibweise eingetragen worden. Bei Kater, Ahnenerbe, S. 11, findet sich hingegen die Schreibweise „Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte ‚Deutsches Ahnenerbe‘ “. Diese hat sich vermutlich als Kopierfehler in der Literatur verbreitet.)</ref> Sie firmierte ab 20. März 1937 als „Das Ahnenerbe e.&nbsp;V.“<ref>{{Literatur |Autor=Julien Reitzenstein |Titel=Das SS-Ahnenerbe und die „Straßburger Schädelsammlung“ – Fritz Bauers letzter Fall|Verlag=Duncker&Humblot |Ort=Berlin |Datum=2018 |ISBN=978-3428153138 |Seiten=39}}</ref> Seit dem 17. März 1942 bestand die auch als '''SS-Ahnenerbe''' bezeichnete Gemeinschaft parallel als ''Amt A'' innerhalb des „Hauptamtes Persönlicher Stab Reichsführer-SS“.<ref>{{Literatur |Autor=Julien Reitzenstein |Titel=Himmlers Forscher. Wehrwissenschaft und Medizinverbrechen im „Ahnenerbe“ der SS|Verlag=Schöningh |Ort=Paderborn |Datum=2014 |ISBN=978-3506766571 |Seiten=34}}</ref> Es ist nicht zu verwechseln mit der Ahnenerbe-Stiftung.<ref>{{Literatur |Autor=Julien Reitzenstein |Titel=Himmlers Forscher. Wehrwissenschaft und Medizinverbrechen im „Ahnenerbe“ der SS.|Verlag=Schöningh |Ort=Paderborn |Datum=2014 |ISBN=978-3506766571 |Seiten=263f.}}</ref>
[[Datei:Ahnenerbe.svg|mini|hochkant|Wappen der Forschungs&shy;gemeinschaft Deutsches Ahnenerbe]]
      
Im Vordergrund standen [[Archäologie|archäologische]], [[Anthropologie|anthropologische]] und [[Geschichtswissenschaft|geschichtliche]] Forschungen und Expeditionen. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] beteiligte sich das Ahnenerbe am systematischen [[Beutekunst (Zweiter Weltkrieg)|Kunstraub]]. Seine Leitungsebene war identisch mit der aus dem Ahnenerbe hervorgegangenen „Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung“, das für andere Einrichtungen, wie die [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]], aber auch eigeninitiativ, [[Menschenversuche in nationalsozialistischen Konzentrationslagern]] wie [[KZ Natzweiler-Struthof|Natzweiler-Struthof]] und [[KZ Dachau|Dachau]] sowie den Außenlagern Schlachters, Forelle und Lochau durchführte. Daneben nutzte der stark an okkulten Themen interessierte Himmler das Ahnenerbe als Apparat für weitere Projekte im persönlichen Interesse.
 
Im Vordergrund standen [[Archäologie|archäologische]], [[Anthropologie|anthropologische]] und [[Geschichtswissenschaft|geschichtliche]] Forschungen und Expeditionen. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] beteiligte sich das Ahnenerbe am systematischen [[Beutekunst (Zweiter Weltkrieg)|Kunstraub]]. Seine Leitungsebene war identisch mit der aus dem Ahnenerbe hervorgegangenen „Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung“, das für andere Einrichtungen, wie die [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]], aber auch eigeninitiativ, [[Menschenversuche in nationalsozialistischen Konzentrationslagern]] wie [[KZ Natzweiler-Struthof|Natzweiler-Struthof]] und [[KZ Dachau|Dachau]] sowie den Außenlagern Schlachters, Forelle und Lochau durchführte. Daneben nutzte der stark an okkulten Themen interessierte Himmler das Ahnenerbe als Apparat für weitere Projekte im persönlichen Interesse.
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Durch den Fokus der ersten Jahre des Ahnenerbes auf germanische Geschichte und Vorgeschichte waren Konflikte mit anderen nationalsozialistischen „Forschungseinrichtungen“ abzusehen. An erster Stelle ist dabei das [[Amt Rosenberg]] zu nennen, dessen Leiter [[Alfred Rosenberg]] sich schon vor der Gründung des Ahnenerbes einen ideologischen Kleinkrieg mit [[Herman Wirth]] lieferte. Ein anderer Konkurrent war in den ersten Jahren [[Karl Maria Wiligut]], der Leiter des Amtes für Vor- und Frühgeschichte im Rasse- und Siedlungshauptamt. Da Himmler ihn als eine Art persönliches Medium betrachtete, war das Ahnenerbe gezwungen, mit Wiligut, dessen bizarre Gedankenwelt keinerlei Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben konnte, zusammenzuarbeiten.
 
Durch den Fokus der ersten Jahre des Ahnenerbes auf germanische Geschichte und Vorgeschichte waren Konflikte mit anderen nationalsozialistischen „Forschungseinrichtungen“ abzusehen. An erster Stelle ist dabei das [[Amt Rosenberg]] zu nennen, dessen Leiter [[Alfred Rosenberg]] sich schon vor der Gründung des Ahnenerbes einen ideologischen Kleinkrieg mit [[Herman Wirth]] lieferte. Ein anderer Konkurrent war in den ersten Jahren [[Karl Maria Wiligut]], der Leiter des Amtes für Vor- und Frühgeschichte im Rasse- und Siedlungshauptamt. Da Himmler ihn als eine Art persönliches Medium betrachtete, war das Ahnenerbe gezwungen, mit Wiligut, dessen bizarre Gedankenwelt keinerlei Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben konnte, zusammenzuarbeiten.
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H08447, Quedlinburg, Heinrichs-Feier, Heinrich Himmler.jpg|mini|„Heinrichsfeier“ 1938: Himmler legt einen Kranz am Grab von Heinrich&nbsp;I. in der Stiftskirche Quedlinburg ab. Die „Heinrichsfeiern“ wurden 1936 bis 1939 von der SS begangen, nachdem Archäologen des Ahnenerbes dort mit der Suche nach den Gebeinen Heinrichs I. begonnen hatten.]]
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H08447, Quedlinburg, Heinrichs-Feier, Heinrich Himmler.jpg|mini|„Heinrichsfeier“ 1938: Himmler legt einen Kranz am Grab von Heinrich&nbsp;I. in der Stiftskirche Quedlinburg ab. Die „Heinrichsfeiern“ wurden 1936 bis 1939 von der SS begangen, nachdem Archäologen des Ahnenerbes dort mit der Suche nach den Gebeinen Heinrichs I. begonnen hatten.|verweis=Special:FilePath/Bundesarchiv_Bild_183-H08447,_Quedlinburg,_Heinrichs-Feier,_Heinrich_Himmler.jpg]]
    
== Vorkriegszeit ==
 
== Vorkriegszeit ==
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== Menschenversuche ==
 
== Menschenversuche ==
[[Datei:Medexp.jpg|mini|Raum für medizinische Experimente, Seziertisch, [[KZ Natzweiler-Struthof]]]]
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[[Datei:Medexp.jpg|mini|Raum für medizinische Experimente, Seziertisch, [[KZ Natzweiler-Struthof]]|verweis=Special:FilePath/Medexp.jpg]]
 
{{Siehe auch|Menschenversuche in nationalsozialistischen Konzentrationslagern}}
 
{{Siehe auch|Menschenversuche in nationalsozialistischen Konzentrationslagern}}
 
1942 wurde unter dem Dach des Ahnenerbes mit Mitteln der Waffen-SS das „Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung“ gegründet.<ref>Michael H. Kater ab S. 227.</ref> Dieses Institut führte tödliche Menschenversuche an [[KZ-Häftling]]en in den [[Konzentrationslager]]n [[KZ Dachau|Dachau]] und [[KZ Natzweiler/Struthof|Natzweiler]] durch; einige der beteiligten Ärzte waren Mitglieder der Waffen-SS. [[Sigmund Rascher]] führte in Dachau Unterdruck- und Kälteexperimente durch, [[August Hirt]] in [[KZ Natzweiler-Struthof|Natzweiler]] Experimente mit Kampfstoffen. Er selbst, bzw. sein Assistent [[Karl Kaspar Wimmer]], experimentierten mit flüssigem [[Loste|Lost]]. Formal stand der mit gasförmigem Phosgen experimentierende Otto Bickenbach unter Hirts Leitung. Diese Menschenversuche waren auch Gegenstand der [[Nürnberger Prozesse]], insbesondere des [[Nürnberger Ärzteprozess]]es.
 
1942 wurde unter dem Dach des Ahnenerbes mit Mitteln der Waffen-SS das „Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung“ gegründet.<ref>Michael H. Kater ab S. 227.</ref> Dieses Institut führte tödliche Menschenversuche an [[KZ-Häftling]]en in den [[Konzentrationslager]]n [[KZ Dachau|Dachau]] und [[KZ Natzweiler/Struthof|Natzweiler]] durch; einige der beteiligten Ärzte waren Mitglieder der Waffen-SS. [[Sigmund Rascher]] führte in Dachau Unterdruck- und Kälteexperimente durch, [[August Hirt]] in [[KZ Natzweiler-Struthof|Natzweiler]] Experimente mit Kampfstoffen. Er selbst, bzw. sein Assistent [[Karl Kaspar Wimmer]], experimentierten mit flüssigem [[Loste|Lost]]. Formal stand der mit gasförmigem Phosgen experimentierende Otto Bickenbach unter Hirts Leitung. Diese Menschenversuche waren auch Gegenstand der [[Nürnberger Prozesse]], insbesondere des [[Nürnberger Ärzteprozess]]es.
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== Nürnberger Prozesse ==
 
== Nürnberger Prozesse ==
[[Datei:Doctors Trial.jpg|mini|Die 23 Angeklagten im Nürnberger Ärzteprozess, 1946/47]]
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[[Datei:Doctors Trial.jpg|mini|Die 23 Angeklagten im Nürnberger Ärzteprozess, 1946/47|verweis=Special:FilePath/Doctors_Trial.jpg]]
 
[[Wolfram Sievers]] wurde als Reichsgeschäftsführer des Ahnenerbes im [[Nürnberger Ärzteprozess]] am 20. August 1947 zum Tode verurteilt und am 2. Juni 1948 in [[Landsberg am Lech|Landsberg]] hingerichtet. [[Sigmund Rascher]] war noch vor Kriegsende in Ungnade gefallen und am 26. April 1945 auf Anordnung Himmlers in Dachau hingerichtet worden. Die meisten Mitarbeiter des Ahnenerbes fassten nach einer mehr oder weniger kurzen Karriereunterbrechung in ihrem Fachgebiet wieder Fuß. 1980 stand die Eröffnung eines Museums, mit dem Wirth seine Ideologie verbreiten wollte, kurz bevor. Erst ein Spiegel-Artikel, der Wirths Vergangenheit an die Öffentlichkeit brachte, konnte das Museum verhindern.<ref>{{Der Spiegel|ID=14315413|Titel=Schenkel der Göttlichen|Jahr=1980|Nr=40|Datum=1980-09-29}}</ref> Dennoch findet das Gedankengut immer noch seine Anhänger.<ref>[http://www.ur-europa.de/ Gemeinnützige Gesellschaft für europäische Urgeschichte]</ref>
 
[[Wolfram Sievers]] wurde als Reichsgeschäftsführer des Ahnenerbes im [[Nürnberger Ärzteprozess]] am 20. August 1947 zum Tode verurteilt und am 2. Juni 1948 in [[Landsberg am Lech|Landsberg]] hingerichtet. [[Sigmund Rascher]] war noch vor Kriegsende in Ungnade gefallen und am 26. April 1945 auf Anordnung Himmlers in Dachau hingerichtet worden. Die meisten Mitarbeiter des Ahnenerbes fassten nach einer mehr oder weniger kurzen Karriereunterbrechung in ihrem Fachgebiet wieder Fuß. 1980 stand die Eröffnung eines Museums, mit dem Wirth seine Ideologie verbreiten wollte, kurz bevor. Erst ein Spiegel-Artikel, der Wirths Vergangenheit an die Öffentlichkeit brachte, konnte das Museum verhindern.<ref>{{Der Spiegel|ID=14315413|Titel=Schenkel der Göttlichen|Jahr=1980|Nr=40|Datum=1980-09-29}}</ref> Dennoch findet das Gedankengut immer noch seine Anhänger.<ref>[http://www.ur-europa.de/ Gemeinnützige Gesellschaft für europäische Urgeschichte]</ref>
  

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