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Der Zweite Weltkrieg begann in Europa mit einem fingierten, angeblich polnischen [[Überfall auf den Sender Gleiwitz]] am Abend des 31. August 1939. Die deutsche Bevölkerung wurde am nächsten Tag stündlich durch Rundfunksondermeldungen unterrichtet, dass der ''Führer'' der Wehrmacht befohlen habe, in Polen einzumarschieren. So, wie er mit einer Lüge im Rundfunk begonnen hatte, endete er auch mit einer Lüge im Rundfunk: Am 1. Mai 1945, abends, gab Dönitz über den Hamburger ''Deutschlandsender'' Hitlers Tod bekannt. Dieser habe ihn „an der Spitze seiner Truppen“ ereilt.<ref>Antony Beevor: „Der Zweite Weltkrieg.“ Bertelsmann, München 2014, S. 859.</ref>
 
Der Zweite Weltkrieg begann in Europa mit einem fingierten, angeblich polnischen [[Überfall auf den Sender Gleiwitz]] am Abend des 31. August 1939. Die deutsche Bevölkerung wurde am nächsten Tag stündlich durch Rundfunksondermeldungen unterrichtet, dass der ''Führer'' der Wehrmacht befohlen habe, in Polen einzumarschieren. So, wie er mit einer Lüge im Rundfunk begonnen hatte, endete er auch mit einer Lüge im Rundfunk: Am 1. Mai 1945, abends, gab Dönitz über den Hamburger ''Deutschlandsender'' Hitlers Tod bekannt. Dieser habe ihn „an der Spitze seiner Truppen“ ereilt.<ref>Antony Beevor: „Der Zweite Weltkrieg.“ Bertelsmann, München 2014, S. 859.</ref>
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[[Datei:Hinweiszettel DKE.jpg|mini|Hinweis auf das Abhörverbot ausländischer Sender, der jedem Volksempfänger beim Kauf beigelegt war]] In Deutschland bedrohte seit Kriegsbeginn die ''[[Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen]]'' das Hören ausländischer Sender mit schweren Strafen. Dagegen war in Großbritannien das Hören deutscher Sender erlaubt.<ref>[[Willi A. Boelcke]]: ''Die Macht des Radios. Weltpolitik und Auslandsrundfunk 1924–1976.'' Frankfurt a.&nbsp;M. 1982, S.&nbsp;458.</ref> Während des Krieges nahm die Anzahl der Propagandasendungen in allen beteiligten Ländern zu. Auf deutscher Seite wurden britische und US-amerikanische [[Immigranten]], die mit der NS-Politik sympathisierten, engagiert, um Briten auf Englisch anzusprechen. Die bekannteste Moderatorin war „[[Mildred Elizabeth Sisk Gillars|Axis Sally]]“, deren Sendungen vom [[Großdeutscher Rundfunk|Großdeutschen Rundfunk]] ausgestrahlt wurden. Goebbels lancierte außerdem den Auslandsrundfunksender „[[Germany Calling]]“, dessen Moderatoren, vor allem der irisch-US-amerikanische Nationalsozialist [[William Joyce]], unter dem Spitznamen „[[Lord Haw-Haw]]“ bekannt wurden.<ref>Martin A. Doherty: ''Nazi Wireless Propaganda: Lord Haw-Haw and British Public Opinion in the Second World War.'' Edinburgh UP, Edinburgh 2000, S. 7–19.</ref> Der US-amerikanische Rundfunkjournalist [[Edward R. Murrow]] kreierte 1940 eine neue Sendeform, indem er in Livereportagen für die [[Columbia Broadcasting System|CBS]] direkt aus dem von der [[The Blitz|Luftwaffe bombardierten London]] berichtete. Seine Sendungen „This is London“ fesselten Millionen Zuhörer in den USA an die Radiogeräte und trugen dazu bei, die [[Isolationismus|isolationistische]] Stimmung in den USA zurückzudrängen.<ref>Philip M. Seib: ''Broadcasts from the Blitz: How Edward R. Murrow Helped Lead America into War.'' Potomac Books, Inc., Washington, D.C., 2006, ISBN 1-59797-012-3, Preface, p. IX.</ref> Im Mai 1942 sendete BBC erstmals glaubwürdige Berichte über die Ermordung polnischer Juden.<ref>[http://www.yadvashem.org/yv/de/holocaust/about/08/worlds_reaction.asp Erste Berichte der BBC über den Massenmord an Juden].</ref> Weil das Hören von sogenannten ''[[Feindsender]]n'' in Deutschland streng verboten war,<ref>Genau genommen gab es nur eine Positivliste erlaubter Sender. Alle dort nicht genannten Sender zu hören war verboten: → [http://www.radiomuseum.org/forumdata/users/4144/DrittesReich_Auslandssender/D_DeutschesReich_MWLWSendererlaubt_ohneAbhoerverbot_tabelle.jpg Sender ohne Abhörverbot]</ref> gab fast niemand, der aus dem Radio ''Bescheid wusste'', sein Wissen an andere weiter – wenn doch, konnte ihm sogar „in besonders schweren Fällen“ die Todesstrafe drohen.<ref>„Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ (1939), zit. n. Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 141. – S.&nbsp;a. [https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/binary/ACKIME2V5DVPDZNF45NEL2KCNJLJONKR/full/1.pdf Dt. Digitale Bibliothek]</ref> Die wöchentlichen Berichte in der „Weltchronik“ von [[Jean Rudolf von Salis]] über den Schweizer [[Landessender Beromünster]] galten Millionen von Hörern in Mitteleuropa als objektive Beurteilung der politischen und militärischen Lage in Europa.<ref>Siehe [http://www.deutsche-biographie.de/sfz109678.html Artikel ''Jean Rudolf von Salis'' in der NDB]</ref> Sicher ist, dass es dem NS-Regime nicht gelungen ist, seine Sicht der Dinge vollständig durchzusetzen.<ref>Jörg Echternkamp: ''Die 101 wichtigsten Fragen – Der Zweite Weltkrieg.'' München 2010, S. 101.</ref> Im Mai 1942 sendete die BBC glaubwürdige Meldungen über die Ermordung polnischer Juden, die einen Monat später, am 26. Juni, erneut ausgestrahlt wurden.
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In Deutschland bedrohte seit Kriegsbeginn die ''[[Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen]]'' das Hören ausländischer Sender mit schweren Strafen. Dagegen war in Großbritannien das Hören deutscher Sender erlaubt.<ref>[[Willi A. Boelcke]]: ''Die Macht des Radios. Weltpolitik und Auslandsrundfunk 1924–1976.'' Frankfurt a.&nbsp;M. 1982, S.&nbsp;458.</ref> Während des Krieges nahm die Anzahl der Propagandasendungen in allen beteiligten Ländern zu. Auf deutscher Seite wurden britische und US-amerikanische [[Immigranten]], die mit der NS-Politik sympathisierten, engagiert, um Briten auf Englisch anzusprechen. Die bekannteste Moderatorin war „[[Mildred Elizabeth Sisk Gillars|Axis Sally]]“, deren Sendungen vom [[Großdeutscher Rundfunk|Großdeutschen Rundfunk]] ausgestrahlt wurden. Goebbels lancierte außerdem den Auslandsrundfunksender „[[Germany Calling]]“, dessen Moderatoren, vor allem der irisch-US-amerikanische Nationalsozialist [[William Joyce]], unter dem Spitznamen „[[Lord Haw-Haw]]“ bekannt wurden.<ref>Martin A. Doherty: ''Nazi Wireless Propaganda: Lord Haw-Haw and British Public Opinion in the Second World War.'' Edinburgh UP, Edinburgh 2000, S. 7–19.</ref> Der US-amerikanische Rundfunkjournalist [[Edward R. Murrow]] kreierte 1940 eine neue Sendeform, indem er in Livereportagen für die [[Columbia Broadcasting System|CBS]] direkt aus dem von der [[The Blitz|Luftwaffe bombardierten London]] berichtete. Seine Sendungen „This is London“ fesselten Millionen Zuhörer in den USA an die Radiogeräte und trugen dazu bei, die [[Isolationismus|isolationistische]] Stimmung in den USA zurückzudrängen.<ref>Philip M. Seib: ''Broadcasts from the Blitz: How Edward R. Murrow Helped Lead America into War.'' Potomac Books, Inc., Washington, D.C., 2006, ISBN 1-59797-012-3, Preface, p. IX.</ref> Im Mai 1942 sendete BBC erstmals glaubwürdige Berichte über die Ermordung polnischer Juden.<ref>[http://www.yadvashem.org/yv/de/holocaust/about/08/worlds_reaction.asp Erste Berichte der BBC über den Massenmord an Juden].</ref> Weil das Hören von sogenannten ''[[Feindsender]]n'' in Deutschland streng verboten war,<ref>Genau genommen gab es nur eine Positivliste erlaubter Sender. Alle dort nicht genannten Sender zu hören war verboten: → [http://www.radiomuseum.org/forumdata/users/4144/DrittesReich_Auslandssender/D_DeutschesReich_MWLWSendererlaubt_ohneAbhoerverbot_tabelle.jpg Sender ohne Abhörverbot]</ref> gab fast niemand, der aus dem Radio ''Bescheid wusste'', sein Wissen an andere weiter – wenn doch, konnte ihm sogar „in besonders schweren Fällen“ die Todesstrafe drohen.<ref>„Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ (1939), zit. n. Alexander Lüdeke: ''Der Zweite Weltkrieg.'' Bath (UK) 2007, S. 141. – S.&nbsp;a. [https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/binary/ACKIME2V5DVPDZNF45NEL2KCNJLJONKR/full/1.pdf Dt. Digitale Bibliothek]</ref> Die wöchentlichen Berichte in der „Weltchronik“ von [[Jean Rudolf von Salis]] über den Schweizer [[Landessender Beromünster]] galten Millionen von Hörern in Mitteleuropa als objektive Beurteilung der politischen und militärischen Lage in Europa.<ref>Siehe [http://www.deutsche-biographie.de/sfz109678.html Artikel ''Jean Rudolf von Salis'' in der NDB]</ref> Sicher ist, dass es dem NS-Regime nicht gelungen ist, seine Sicht der Dinge vollständig durchzusetzen.<ref>Jörg Echternkamp: ''Die 101 wichtigsten Fragen – Der Zweite Weltkrieg.'' München 2010, S. 101.</ref> Im Mai 1942 sendete die BBC glaubwürdige Meldungen über die Ermordung polnischer Juden, die einen Monat später, am 26. Juni, erneut ausgestrahlt wurden.
    
Der deutsche [[Wehrmachtbericht]] wurde im [[Großdeutscher Rundfunk|Großdeutschen Rundfunk]] täglich um die Mittagszeit vor den folgenden Nachrichten ausgestrahlt. Hinzu kamen die im Radio mit Fanfarenstößen eingeleiteten [[Sondermeldung]]en über herausragende Erfolge. Wehrmachtberichte erwähnten auch Kampfhandlungen der feindlichen Streitkräfte, beispielsweise die Luftangriffe der [[Alliierte]]n auf Kriegsziele und Städte im Reichsgebiet. Sie besaßen amtlichen Charakter und waren die maßgebliche Quelle für die Kommentierung des Kriegsgeschehens in den Medien.<ref>Erich Murawski: ''Der deutsche Wehrmachtbericht 1939–1945, ein Beitrag zur Untersuchung der geistigen Kriegführung.'' Boldt, Boppard am Rhein 1962, Vorwort des Direktors des Bundesarchivs Dr. Karl G. Bruchmann, S.&nbsp;V.</ref> Die 2080 gesendeten Wehrmachtberichte sind, so der Archivar [[Erich Murawski]] 1962, ein Gemisch aus nüchternem [[Rapport (Militär)|Militär-Rapport]] und politischer Propaganda und gelten Historikern daher als ebenso wertvolle wie fragwürdige Sekundärquelle. Berichtet wurde in knapper Form; ausführlicher und teilweise übertrieben, wenn Erfolge zu vermelden waren. Sie vermieden weitgehend direkte Falschmeldungen, operierten mit Auslassungen, tendenziösen Hervorhebungen, Verharmlosungen sowie mit Beschönigungen und Verschleierungen.<ref>Vgl. Murawski, ''Wehrmachtbericht'', S. 1–3, S. 116&nbsp;f., 121&nbsp;f.; der an der Gedenkstätte [[Yad Vashem]] tätige israelische Historiker Daniel Uziel sieht als Hauptproblem von Murawskis Studie neben einem Mangel an damals zur Verfügung stehenden Quellen „die unkritische Herangehensweise [Murawskis] an sein Thema“ an, siehe Daniel Uziel: ''The Propaganda Warriors. The Wehrmacht and the Consolidation of the German Home Front''. Peter Lang, Oxford u.&nbsp;a. 2008, S. 12&nbsp;f., 388: “The book’s main problem is its uncritical approach to the subject.”</ref> Aktuelle Untersuchungen betonen stärker den propagandistischen Charakter des Wehrmachtberichts.<ref>Daniel Uziel: ''The Propaganda Warriors. The Wehrmacht and the Consolidation of the German Home Front''. Peter Lang, Oxford u.&nbsp;a. 2008, S. 12&nbsp;f., 388.</ref> Der deutsche Militärhistoriker [[Jörg Echternkamp]] nennt die Praxis der Darstellung der „beschönigende[n] ‚Frontbegradigung‘ im Wehrmachtbericht“ in einer Reihe mit propagandistischen Verlautbarungen, die über den „wahren Sachverhalt“ des Kriegsverlaufs „hinwegtäuschen“.<ref>[[Jörg Echternkamp]]: [http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/der-zweite-weltkrieg/199404/kriegsideologie-propaganda-und-massenkultur ''Dossier. Der Zweite Weltkrieg. Kriegsideologie, Propaganda und Massenkultur.''] Hrsg. v. [[Bundeszentrale für politische Bildung]], 30. April 2015.</ref>
 
Der deutsche [[Wehrmachtbericht]] wurde im [[Großdeutscher Rundfunk|Großdeutschen Rundfunk]] täglich um die Mittagszeit vor den folgenden Nachrichten ausgestrahlt. Hinzu kamen die im Radio mit Fanfarenstößen eingeleiteten [[Sondermeldung]]en über herausragende Erfolge. Wehrmachtberichte erwähnten auch Kampfhandlungen der feindlichen Streitkräfte, beispielsweise die Luftangriffe der [[Alliierte]]n auf Kriegsziele und Städte im Reichsgebiet. Sie besaßen amtlichen Charakter und waren die maßgebliche Quelle für die Kommentierung des Kriegsgeschehens in den Medien.<ref>Erich Murawski: ''Der deutsche Wehrmachtbericht 1939–1945, ein Beitrag zur Untersuchung der geistigen Kriegführung.'' Boldt, Boppard am Rhein 1962, Vorwort des Direktors des Bundesarchivs Dr. Karl G. Bruchmann, S.&nbsp;V.</ref> Die 2080 gesendeten Wehrmachtberichte sind, so der Archivar [[Erich Murawski]] 1962, ein Gemisch aus nüchternem [[Rapport (Militär)|Militär-Rapport]] und politischer Propaganda und gelten Historikern daher als ebenso wertvolle wie fragwürdige Sekundärquelle. Berichtet wurde in knapper Form; ausführlicher und teilweise übertrieben, wenn Erfolge zu vermelden waren. Sie vermieden weitgehend direkte Falschmeldungen, operierten mit Auslassungen, tendenziösen Hervorhebungen, Verharmlosungen sowie mit Beschönigungen und Verschleierungen.<ref>Vgl. Murawski, ''Wehrmachtbericht'', S. 1–3, S. 116&nbsp;f., 121&nbsp;f.; der an der Gedenkstätte [[Yad Vashem]] tätige israelische Historiker Daniel Uziel sieht als Hauptproblem von Murawskis Studie neben einem Mangel an damals zur Verfügung stehenden Quellen „die unkritische Herangehensweise [Murawskis] an sein Thema“ an, siehe Daniel Uziel: ''The Propaganda Warriors. The Wehrmacht and the Consolidation of the German Home Front''. Peter Lang, Oxford u.&nbsp;a. 2008, S. 12&nbsp;f., 388: “The book’s main problem is its uncritical approach to the subject.”</ref> Aktuelle Untersuchungen betonen stärker den propagandistischen Charakter des Wehrmachtberichts.<ref>Daniel Uziel: ''The Propaganda Warriors. The Wehrmacht and the Consolidation of the German Home Front''. Peter Lang, Oxford u.&nbsp;a. 2008, S. 12&nbsp;f., 388.</ref> Der deutsche Militärhistoriker [[Jörg Echternkamp]] nennt die Praxis der Darstellung der „beschönigende[n] ‚Frontbegradigung‘ im Wehrmachtbericht“ in einer Reihe mit propagandistischen Verlautbarungen, die über den „wahren Sachverhalt“ des Kriegsverlaufs „hinwegtäuschen“.<ref>[[Jörg Echternkamp]]: [http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/der-zweite-weltkrieg/199404/kriegsideologie-propaganda-und-massenkultur ''Dossier. Der Zweite Weltkrieg. Kriegsideologie, Propaganda und Massenkultur.''] Hrsg. v. [[Bundeszentrale für politische Bildung]], 30. April 2015.</ref>

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