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[[Datei:Diptych Barberini Louvre OA3850.JPG|mini|Sogenanntes ''[[Barberini-Diptychon]]'' aus dem 6. Jahrhundert mit der Darstellung von entweder Anastasios I. oder (wahrscheinlicher) [[Justinian I.|Justinian]] als ''triumphator omnium gentium''.]]
   
'''Spätantike''' ist eine moderne Bezeichnung für das [[Zeitalter]] des Übergangs von der [[Antike]] zum [[Frühmittelalter]] im [[Mittelmeerraum]] und dem [[Naher Osten|Vorderen Orient]], wobei in der neueren Forschung auch die daran angrenzenden Kulturräume, besonders der [[Sassanidenreich|sassanidische Iran]], betrachtet werden.<ref>Vgl. etwa die Definition in ''[[The Oxford Dictionary of Late Antiquity]].'' Band 1. Oxford 2018, S. VI–VIII und die Beiträge in Scott Fitzgerald Johnson (Hrsg.): ''The Oxford Handbook of Late Antiquity.'' Oxford u. a. 2012.</ref>
 
'''Spätantike''' ist eine moderne Bezeichnung für das [[Zeitalter]] des Übergangs von der [[Antike]] zum [[Frühmittelalter]] im [[Mittelmeerraum]] und dem [[Naher Osten|Vorderen Orient]], wobei in der neueren Forschung auch die daran angrenzenden Kulturräume, besonders der [[Sassanidenreich|sassanidische Iran]], betrachtet werden.<ref>Vgl. etwa die Definition in ''[[The Oxford Dictionary of Late Antiquity]].'' Band 1. Oxford 2018, S. VI–VIII und die Beiträge in Scott Fitzgerald Johnson (Hrsg.): ''The Oxford Handbook of Late Antiquity.'' Oxford u. a. 2012.</ref>
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=== Die Frage nach dem „Ende der Antike“ ===
 
=== Die Frage nach dem „Ende der Antike“ ===
 
In der älteren Forschung wurde das [[Ende der Antike]] oft mit der Absetzung des [[Romulus Augustulus]] und dem faktischen Ende des [[Römisches Reich|Römischen Reiches]] im Westen 476 n. Chr. gleichgesetzt, so beispielsweise von [[Otto Seeck]], der eine einflussreiche Darstellung der Spätantike verfasste (für einen deutlich späteren Zeitpunkt plädierten dagegen bereits früh [[Wilhelm Enßlin]] und [[Ernst Kornemann]]). Diese Vorstellung lässt sich in den Quellen, etwa bei [[Marcellinus Comes]], aber erst gut 40 Jahre später fassen. Es erscheint heute als mehr als fraglich, ob die Menschen des Jahres 476 dieses ebenfalls als Zäsur begriffen haben: Es gab zwar fortan in Ravenna keinen Kaiser mehr, aber das bedeutete nur, dass die Herrschaftsrechte im Westen nun auf den zweiten römischen Kaiser in Konstantinopel übergingen. Noch Justinian hat diese Ansprüche auch tatsächlich verwirklichen wollen. In der heutigen Forschung wird dem Jahr 476 daher in der Regel nicht mehr so viel Gewicht beigemessen wie früher (siehe im deutschsprachigen Raum etwa [[Alexander Demandt]], Heinz Bellen, [[Jochen Martin]], [[Mischa Meier]], [[Hartmut Leppin]], [[Roland Steinacher]], [[Henning Börm]], [[Rene Pfeilschifter]] oder [[Hartwin Brandt]]).
 
In der älteren Forschung wurde das [[Ende der Antike]] oft mit der Absetzung des [[Romulus Augustulus]] und dem faktischen Ende des [[Römisches Reich|Römischen Reiches]] im Westen 476 n. Chr. gleichgesetzt, so beispielsweise von [[Otto Seeck]], der eine einflussreiche Darstellung der Spätantike verfasste (für einen deutlich späteren Zeitpunkt plädierten dagegen bereits früh [[Wilhelm Enßlin]] und [[Ernst Kornemann]]). Diese Vorstellung lässt sich in den Quellen, etwa bei [[Marcellinus Comes]], aber erst gut 40 Jahre später fassen. Es erscheint heute als mehr als fraglich, ob die Menschen des Jahres 476 dieses ebenfalls als Zäsur begriffen haben: Es gab zwar fortan in Ravenna keinen Kaiser mehr, aber das bedeutete nur, dass die Herrschaftsrechte im Westen nun auf den zweiten römischen Kaiser in Konstantinopel übergingen. Noch Justinian hat diese Ansprüche auch tatsächlich verwirklichen wollen. In der heutigen Forschung wird dem Jahr 476 daher in der Regel nicht mehr so viel Gewicht beigemessen wie früher (siehe im deutschsprachigen Raum etwa [[Alexander Demandt]], Heinz Bellen, [[Jochen Martin]], [[Mischa Meier]], [[Hartmut Leppin]], [[Roland Steinacher]], [[Henning Börm]], [[Rene Pfeilschifter]] oder [[Hartwin Brandt]]).
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[[Datei:Justinian mosaik ravenna.jpg|mini|Justinian, Mosaikbild aus San Vitale in Ravenna. Der Kaiser gilt als einer der bedeutendsten Herrscher der Spätantike.]]
      
In der deutschsprachigen [[Althistoriker|althistorischen]] Forschung wird heute vielmehr in der Regel erst das Ende der Herrschaft Justinians im Jahre 565 als entscheidende Zäsur gewählt. [[Justinian I.|Justinian]] stand noch klar in der Tradition der antiken römischen Kaiser, was unter anderem in seiner universalen Herrschaftsauffassung deutlich wird. Er war überdies der letzte Kaiser, dessen Muttersprache [[Latein]] war, und betrieb zudem eine Politik, die wohl auf die Wiederherstellung des Reiches in seinen alten Grenzen abzielte (''[[Restauratio imperii]]''), was in Teilen sogar gelang. Der letzte große Zug der spätantiken „[[Völkerwanderung]]“, der Einfall der [[Langobarden]] in Italien, erfolgte 568, nur drei Jahre nach Justinians Tod, so dass die 560er Jahre für den ganzen Mittelmeerraum einen deutlichen Einschnitt markieren. Damit ergeben sich also die Jahre von 284 bis 565 als die derzeit in der (deutschsprachigen) Forschung gängigste Begrenzung der Epoche. Sie waren bereits im [[Humanismus]] vorgeschlagen worden, so insbesondere von [[Carolus Sigonius]] in seinen 1579 erschienenen ''Historiae de occidentali imperio a Diocletiano ad Iustiniani mortem''.
 
In der deutschsprachigen [[Althistoriker|althistorischen]] Forschung wird heute vielmehr in der Regel erst das Ende der Herrschaft Justinians im Jahre 565 als entscheidende Zäsur gewählt. [[Justinian I.|Justinian]] stand noch klar in der Tradition der antiken römischen Kaiser, was unter anderem in seiner universalen Herrschaftsauffassung deutlich wird. Er war überdies der letzte Kaiser, dessen Muttersprache [[Latein]] war, und betrieb zudem eine Politik, die wohl auf die Wiederherstellung des Reiches in seinen alten Grenzen abzielte (''[[Restauratio imperii]]''), was in Teilen sogar gelang. Der letzte große Zug der spätantiken „[[Völkerwanderung]]“, der Einfall der [[Langobarden]] in Italien, erfolgte 568, nur drei Jahre nach Justinians Tod, so dass die 560er Jahre für den ganzen Mittelmeerraum einen deutlichen Einschnitt markieren. Damit ergeben sich also die Jahre von 284 bis 565 als die derzeit in der (deutschsprachigen) Forschung gängigste Begrenzung der Epoche. Sie waren bereits im [[Humanismus]] vorgeschlagen worden, so insbesondere von [[Carolus Sigonius]] in seinen 1579 erschienenen ''Historiae de occidentali imperio a Diocletiano ad Iustiniani mortem''.
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Die verschlechterte geopolitische Lage des ''Imperium Romanum'' verlangte nach einer Vergrößerung der kaiserlichen Armee; die Finanzierung dieser Maßnahme machte wiederum eine intensivere Nutzung der Ressourcen – vor allem also Steuererhöhungen – notwendig. Bereits die [[Severer]] (193–235) hatten den Sold der Armee massiv erhöht, um sich der Loyalität der Truppen zu versichern, und damit den Finanzbedarf des Staates stark vergrößert. Zugleich sank das Ansehen des Kaisertums. Die Soldatenkaiser hatten seit 235 notgedrungen Wege suchen müssen, diese Probleme zu meistern. Im Inneren war es unter ihnen teilweise zu einer Handlungsunfähigkeit der zentralen Verwaltung gekommen sowie zur zeitweiligen Loslösung von Teilgebieten des Imperiums (siehe [[Imperium Galliarum|Gallisches Sonderreich]] und [[Palmyra]]). Speziell der zeitweise Verlust der orientalischen Provinzen erwies sich als problematisch, zumal Persien weiterhin eine potentielle Bedrohung darstellte.<ref>Udo Hartmann: ''Das palmyrenische Teilreich.'' Stuttgart 2001.</ref>
 
Die verschlechterte geopolitische Lage des ''Imperium Romanum'' verlangte nach einer Vergrößerung der kaiserlichen Armee; die Finanzierung dieser Maßnahme machte wiederum eine intensivere Nutzung der Ressourcen – vor allem also Steuererhöhungen – notwendig. Bereits die [[Severer]] (193–235) hatten den Sold der Armee massiv erhöht, um sich der Loyalität der Truppen zu versichern, und damit den Finanzbedarf des Staates stark vergrößert. Zugleich sank das Ansehen des Kaisertums. Die Soldatenkaiser hatten seit 235 notgedrungen Wege suchen müssen, diese Probleme zu meistern. Im Inneren war es unter ihnen teilweise zu einer Handlungsunfähigkeit der zentralen Verwaltung gekommen sowie zur zeitweiligen Loslösung von Teilgebieten des Imperiums (siehe [[Imperium Galliarum|Gallisches Sonderreich]] und [[Palmyra]]). Speziell der zeitweise Verlust der orientalischen Provinzen erwies sich als problematisch, zumal Persien weiterhin eine potentielle Bedrohung darstellte.<ref>Udo Hartmann: ''Das palmyrenische Teilreich.'' Stuttgart 2001.</ref>
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[[Datei:Aureliancoin1.jpg|mini|250px|Münze mit dem Bildnis Kaiser Aurelians]]
   
Immer wieder hatten zudem einzelne Heeresabteilungen eigene Kaiser ausgerufen; diese [[Usurpator]]en hatten dann Bürgerkriege mit dem jeweils amtierenden ''princeps'' geführt, die die Verteidigungskraft des Reiches gegen die äußeren Feinde noch weiter schwächten. Insgesamt ist umstritten, ob die inneren Konflikte und Bürgerkriege eine militärische Schwäche hervorriefen, die die zeitweiligen Erfolge der äußeren Feinde Roms überhaupt erst möglich machte, oder ob umgekehrt die Bedrohungen von außen die inneren Probleme des Reiches verursachten – da beides untrennbar miteinander verknüpft war, lässt sich kaum eine eindeutige Antwort geben. Allerdings war es den Kaisern seit 268 langsam gelungen, der Krise (die keineswegs alle Bereiche des Imperiums gleichermaßen betroffen hatte) Herr zu werden. Ab 270 konnte die Herrschaft der Zentralregierung über das Gesamtreich gewaltsam wiederhergestellt werden; anschließend stabilisierten sich auch die Außengrenzen wieder, da die römischen Truppen nicht mehr durch ständige Bürgerkriege gebunden waren. Als schwieriger erwies es sich, die schwer erschütterte Autorität des Kaisertums wieder dauerhaft zu festigen.
 
Immer wieder hatten zudem einzelne Heeresabteilungen eigene Kaiser ausgerufen; diese [[Usurpator]]en hatten dann Bürgerkriege mit dem jeweils amtierenden ''princeps'' geführt, die die Verteidigungskraft des Reiches gegen die äußeren Feinde noch weiter schwächten. Insgesamt ist umstritten, ob die inneren Konflikte und Bürgerkriege eine militärische Schwäche hervorriefen, die die zeitweiligen Erfolge der äußeren Feinde Roms überhaupt erst möglich machte, oder ob umgekehrt die Bedrohungen von außen die inneren Probleme des Reiches verursachten – da beides untrennbar miteinander verknüpft war, lässt sich kaum eine eindeutige Antwort geben. Allerdings war es den Kaisern seit 268 langsam gelungen, der Krise (die keineswegs alle Bereiche des Imperiums gleichermaßen betroffen hatte) Herr zu werden. Ab 270 konnte die Herrschaft der Zentralregierung über das Gesamtreich gewaltsam wiederhergestellt werden; anschließend stabilisierten sich auch die Außengrenzen wieder, da die römischen Truppen nicht mehr durch ständige Bürgerkriege gebunden waren. Als schwieriger erwies es sich, die schwer erschütterte Autorität des Kaisertums wieder dauerhaft zu festigen.
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Mit dem Regierungsantritt [[Diokletian]]s trat das Römische Reich in seine Spätphase ein.<ref>Allgemein zur folgenden Ereignisgeschichte siehe (vor allem aufgrund der Quellennähe, aber auch der detaillierten Darstellung) die Überblickswerke von Stein [in deutscher Sprache bis 476, in der französischen Fassung bis 565], Seeck [bis 476], Bury [395 bis 565] und Jones [knapper als die anderen, aber quellennah: 284 bis 602], auf die nicht mehr im Einzelnen verwiesen wird; allerdings sind sie freilich in Einzelfragen nicht selten veraltet und für ein Gesamtbild der Epoche nicht mehr geeignet. Neuere Überblicksdarstellungen: Douglas Boin: ''A Social and Cultural History of Late Antiquity.'' Hoboken (NJ) 2018; [[Alexander Demandt]]: ''Die Spätantike. [[Handbuch der Altertumswissenschaft]] III.6''. 2. Auflage, München 2007; Hugh Elton: ''The Roman Empire in Late Antiquity. A Political and Military History.'' Cambridge 2018; [[Reinhold Kaiser]]: ''Die Mittelmeerwelt und Europa in Spätantike und Frühmittelalter.'' Frankfurt am Main 2014; A. D. Lee: ''From Rome to Byzantium Ad 363 to 565: The Transformation of Ancient Rome.'' Edinburgh 2013; Stephen Mitchell: ''A History of the Later Roman Empire. AD 284–641.'' 2. Aufl., Oxford u.&nbsp;a. 2015; Rene Pfeilschifter: ''Die Spätantike. Der eine Gott und die vielen Herrscher.'' München 2014; ''[[Cambridge Ancient History]]'', 2. Auflage, Cambridge 1997–2005, Bände 12 bis 14. Daneben sei auf die einschlägigen Biographien der Kaiser verwiesen.</ref> Diokletian, im Grunde selbst ein [[Soldatenkaiser]], bemühte sich nun, den römischen Staat weiter zu stabilisieren und systematisch zu reformieren.<ref>Überblick mit weiterer Literatur bei Alexander Demandt: ''Die Spätantike.'' 2. Aufl. München 2007, S. 57ff.; Stephen Mitchell: ''A History of the Later Roman Empire.'' 2. Aufl. Oxford u.&nbsp;a. 2015, S. 51ff.; Rene Pfeilschifter: ''Die Spätantike. Der eine Gott und die vielen Herrscher.'' München 2014, S. 18ff.</ref> Dabei griff er zahlreiche Ansätze auf, die bereits von seinen Vorgängern als Antwort auf die Krise entwickelt worden waren. Mit seinen Reformen lässt die Forschung traditionell und mit gutem Grund den [[Prinzipat]] enden, da sie in vielerlei Hinsicht einen Neuanfang bedeuteten, obwohl sie zugleich keineswegs einen vollständigen Bruch mit der Vergangenheit darstellten. Die Maßnahmen waren für die folgenden drei Jahrhunderte prägend; die von Diokletian und Konstantin (s. u.) geschaffenen Strukturen wurden erst am Ende der Antike wieder aufgegeben.
 
Mit dem Regierungsantritt [[Diokletian]]s trat das Römische Reich in seine Spätphase ein.<ref>Allgemein zur folgenden Ereignisgeschichte siehe (vor allem aufgrund der Quellennähe, aber auch der detaillierten Darstellung) die Überblickswerke von Stein [in deutscher Sprache bis 476, in der französischen Fassung bis 565], Seeck [bis 476], Bury [395 bis 565] und Jones [knapper als die anderen, aber quellennah: 284 bis 602], auf die nicht mehr im Einzelnen verwiesen wird; allerdings sind sie freilich in Einzelfragen nicht selten veraltet und für ein Gesamtbild der Epoche nicht mehr geeignet. Neuere Überblicksdarstellungen: Douglas Boin: ''A Social and Cultural History of Late Antiquity.'' Hoboken (NJ) 2018; [[Alexander Demandt]]: ''Die Spätantike. [[Handbuch der Altertumswissenschaft]] III.6''. 2. Auflage, München 2007; Hugh Elton: ''The Roman Empire in Late Antiquity. A Political and Military History.'' Cambridge 2018; [[Reinhold Kaiser]]: ''Die Mittelmeerwelt und Europa in Spätantike und Frühmittelalter.'' Frankfurt am Main 2014; A. D. Lee: ''From Rome to Byzantium Ad 363 to 565: The Transformation of Ancient Rome.'' Edinburgh 2013; Stephen Mitchell: ''A History of the Later Roman Empire. AD 284–641.'' 2. Aufl., Oxford u.&nbsp;a. 2015; Rene Pfeilschifter: ''Die Spätantike. Der eine Gott und die vielen Herrscher.'' München 2014; ''[[Cambridge Ancient History]]'', 2. Auflage, Cambridge 1997–2005, Bände 12 bis 14. Daneben sei auf die einschlägigen Biographien der Kaiser verwiesen.</ref> Diokletian, im Grunde selbst ein [[Soldatenkaiser]], bemühte sich nun, den römischen Staat weiter zu stabilisieren und systematisch zu reformieren.<ref>Überblick mit weiterer Literatur bei Alexander Demandt: ''Die Spätantike.'' 2. Aufl. München 2007, S. 57ff.; Stephen Mitchell: ''A History of the Later Roman Empire.'' 2. Aufl. Oxford u.&nbsp;a. 2015, S. 51ff.; Rene Pfeilschifter: ''Die Spätantike. Der eine Gott und die vielen Herrscher.'' München 2014, S. 18ff.</ref> Dabei griff er zahlreiche Ansätze auf, die bereits von seinen Vorgängern als Antwort auf die Krise entwickelt worden waren. Mit seinen Reformen lässt die Forschung traditionell und mit gutem Grund den [[Prinzipat]] enden, da sie in vielerlei Hinsicht einen Neuanfang bedeuteten, obwohl sie zugleich keineswegs einen vollständigen Bruch mit der Vergangenheit darstellten. Die Maßnahmen waren für die folgenden drei Jahrhunderte prägend; die von Diokletian und Konstantin (s. u.) geschaffenen Strukturen wurden erst am Ende der Antike wieder aufgegeben.
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[[Datei:Römische Tetrarchie.svg|mini|Karte des Römischen Reichs zur Zeit der ersten Tetrarchie, ab 293 n.Chr]]
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So kam es unter Diokletian zu einer grundlegenden Reform der Verwaltung, zu einer stärkeren Zentralisierung und Bürokratisierung. Dies machte sich auch in einem restriktiveren Steuersystem bemerkbar. Die Provinzen wurden verkleinert. Der zivile Sektor wurde grundsätzlich vom militärischen getrennt. An diesem Prinzip wurde dann bis zum Ende der Epoche festgehalten. Auch wurde das Reich in [[Diözese]]n eingeteilt, um so eine bessere Verwaltung zu garantieren. Um dem Staat stetig fließende Steuereinnahmen zu sichern, wurde das [[Capitatio-Iugatio]]-System (im Wesentlichen handelt es sich um eine Kombination von Kopf- und Grundsteuer, die regelmäßig geschätzt wurde) geschaffen, das die Berechnung der Abgaben erleichterte. Gleichzeitig wurde eine Währungsreform in Angriff genommen – um der grassierenden Inflation noch entgegenzutreten, hatte er auf einschneidende Maßnahmen zur [[Höchstpreisedikt|Preiskontrolle]] gesetzt<ref>[[Karl Strobel]] (Verf.): ''Geldwesen und Währungsgeschichte des Imperium Romanum im Spiegel der Entwicklung des 3. Jahrhunderts n. Chr. – Wirtschaftsgeschichte im Widerstreit von Metallismus und Nominalismus.'' In: Karl Strobel (Hrsg.): ''Die Ökonomie des Imperium Romanum: Strukturen, Modelle und Wertungen im Spannungsfeld von Modernismus und Neoprimitivismus.'' St. Katharinen 2002, ISBN 3-89590-135-0, S. 115–120 (119 f.).</ref> –, der jedoch wohl kein durchschlagender Erfolg beschieden war.  
 
So kam es unter Diokletian zu einer grundlegenden Reform der Verwaltung, zu einer stärkeren Zentralisierung und Bürokratisierung. Dies machte sich auch in einem restriktiveren Steuersystem bemerkbar. Die Provinzen wurden verkleinert. Der zivile Sektor wurde grundsätzlich vom militärischen getrennt. An diesem Prinzip wurde dann bis zum Ende der Epoche festgehalten. Auch wurde das Reich in [[Diözese]]n eingeteilt, um so eine bessere Verwaltung zu garantieren. Um dem Staat stetig fließende Steuereinnahmen zu sichern, wurde das [[Capitatio-Iugatio]]-System (im Wesentlichen handelt es sich um eine Kombination von Kopf- und Grundsteuer, die regelmäßig geschätzt wurde) geschaffen, das die Berechnung der Abgaben erleichterte. Gleichzeitig wurde eine Währungsreform in Angriff genommen – um der grassierenden Inflation noch entgegenzutreten, hatte er auf einschneidende Maßnahmen zur [[Höchstpreisedikt|Preiskontrolle]] gesetzt<ref>[[Karl Strobel]] (Verf.): ''Geldwesen und Währungsgeschichte des Imperium Romanum im Spiegel der Entwicklung des 3. Jahrhunderts n. Chr. – Wirtschaftsgeschichte im Widerstreit von Metallismus und Nominalismus.'' In: Karl Strobel (Hrsg.): ''Die Ökonomie des Imperium Romanum: Strukturen, Modelle und Wertungen im Spannungsfeld von Modernismus und Neoprimitivismus.'' St. Katharinen 2002, ISBN 3-89590-135-0, S. 115–120 (119 f.).</ref> –, der jedoch wohl kein durchschlagender Erfolg beschieden war.  
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=== Konstantin der Große und der Durchbruch des Christentums ===
 
=== Konstantin der Große und der Durchbruch des Christentums ===
[[Datei:0 Constantinus I - Palazzo dei Conservatori (2).JPG|mini|Kopf der [[Kolossalstatue Konstantins des Großen]], [[Kapitolinische Museen]], Rom]]
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[[Konstantin der Große]], der Sohn des Tetrarchen [[Constantius I.|Constantius Chlorus]], setzte sich in dem blutigen Machtkampf durch, der kurz nach dem Rücktritt Diokletians 305 entbrannt war.<ref>Überblick mit weiterer Literatur bei Alexander Demandt: ''Die Spätantike.'' 2. Aufl. München 2007, S. 75ff.; Stephen Mitchell: ''A History of the Later Roman Empire.'' 2. Aufl. Oxford u.&nbsp;a. 2015, S. 66ff.; Rene Pfeilschifter: ''Die Spätantike. Der eine Gott und die vielen Herrscher.'' München 2014, S. 47ff. Siehe außerdem unter anderem: [[Timothy D. Barnes]]: ''Constantine. Dynasty, Religion and Power in the Later Roman Empire.'' Chichester 2011; [[Bruno Bleckmann]]: ''Konstantin der Große.'' Reinbek 1996; Noel Lenski (Hrsg.): ''The Cambridge Companion to the Age of Constantine.'' 2. Aufl. Cambridge 2012; [[Klaus Rosen]]: ''Konstantin der Große. Kaiser zwischen Machtpolitik und Religion.'' Stuttgart 2013.</ref> 306 war er nach dem Tod seines Vaters von dessen Soldaten in [[York]] zum Kaiser ausgerufen worden, wurde von den anderen Tetrarchen aber nicht akzeptiert. Zuerst bekämpfte Konstantin [[Maxentius]], den Sohn des Tetrarchen [[Maximian]], der sich ebenfalls gegen die diokletianische Ordnung gestellt hatte und Italien kontrollierte. Im Zuge des Machtkampfes zwischen Konstantin und Maxentius kam es schließlich 312 zur [[Schlacht an der Milvischen Brücke]], die ersterer für sich entschied. Damit hatte Konstantin den Westen des Imperiums für sich gewonnen.
 
[[Konstantin der Große]], der Sohn des Tetrarchen [[Constantius I.|Constantius Chlorus]], setzte sich in dem blutigen Machtkampf durch, der kurz nach dem Rücktritt Diokletians 305 entbrannt war.<ref>Überblick mit weiterer Literatur bei Alexander Demandt: ''Die Spätantike.'' 2. Aufl. München 2007, S. 75ff.; Stephen Mitchell: ''A History of the Later Roman Empire.'' 2. Aufl. Oxford u.&nbsp;a. 2015, S. 66ff.; Rene Pfeilschifter: ''Die Spätantike. Der eine Gott und die vielen Herrscher.'' München 2014, S. 47ff. Siehe außerdem unter anderem: [[Timothy D. Barnes]]: ''Constantine. Dynasty, Religion and Power in the Later Roman Empire.'' Chichester 2011; [[Bruno Bleckmann]]: ''Konstantin der Große.'' Reinbek 1996; Noel Lenski (Hrsg.): ''The Cambridge Companion to the Age of Constantine.'' 2. Aufl. Cambridge 2012; [[Klaus Rosen]]: ''Konstantin der Große. Kaiser zwischen Machtpolitik und Religion.'' Stuttgart 2013.</ref> 306 war er nach dem Tod seines Vaters von dessen Soldaten in [[York]] zum Kaiser ausgerufen worden, wurde von den anderen Tetrarchen aber nicht akzeptiert. Zuerst bekämpfte Konstantin [[Maxentius]], den Sohn des Tetrarchen [[Maximian]], der sich ebenfalls gegen die diokletianische Ordnung gestellt hatte und Italien kontrollierte. Im Zuge des Machtkampfes zwischen Konstantin und Maxentius kam es schließlich 312 zur [[Schlacht an der Milvischen Brücke]], die ersterer für sich entschied. Damit hatte Konstantin den Westen des Imperiums für sich gewonnen.
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=== Das Ende der konstantinischen Dynastie ===
 
=== Das Ende der konstantinischen Dynastie ===
[[Datei:Julian vs Persien.png|mini|Der Sassanidenfeldzug Julians]]
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Nach dem Tod Konstantins 337 entbrannte ein blutiger Machtkampf, der die [[konstantinische Dynastie]] dezimierte (siehe [[Morde nach dem Tod Konstantins des Großen]]). Konstantins Sohn [[Constantius II.]], seit 337 Kaiser im Osten, setzte sich schließlich 353 als Alleinherrscher durch, nachdem er den Usurpator [[Magnentius]] in einem sehr verlustreichen Bürgerkrieg geschlagen hatte.<ref>Zur Regierungszeit der Söhne Konstantins siehe nun Nicholas J. Baker-Brian, Shaun Tougher (Hrsg.): ''The Sons of Constantine, AD 337-361. In the Shadows of Constantine and Julian.'' New York 2020; zu Constantius II. vgl. zudem [[Pedro Barceló]]: ''Constantius II. und seine Zeit. Die Anfänge des Staatskirchentums.'' Stuttgart 2004. Allgemeine Überblicke mit weiterer Literatur bei Alexander Demandt: ''Die Spätantike.'' 2. Aufl. München 2007, S. 103ff.; Stephen Mitchell: ''A History of the Later Roman Empire.'' 2. Aufl. Oxford u.&nbsp;a. 2015, S. 75ff.; Rene Pfeilschifter: ''Die Spätantike. Der eine Gott und die vielen Herrscher.'' München 2014, S. 83ff.</ref> Magnentius hatte zuvor 350 den Bruder des Constantius, [[Constans]], ermordet. Der dritte überlebende Sohn Konstantins des Großen, [[Konstantin II. (Rom)|Konstantin II.]], war bereits 340 im Kampf gegen Constans gefallen. Constantius II. setzte nach seinem Sieg zunächst seinen Vetter Gallus als ''Caesar'' ein, nach dessen Hinrichtung dann 355 dessen Bruder Julian (siehe unten). Der Kaiser förderte im so genannten ''[[Arianischer Streit|arianischen Streit]]'' die ''Homöusianer''. Die durch den [[Christologie|christologischen]] Streit entstandene Kluft innerhalb der [[Reichskirche]] konnte er aber nicht überbrücken.
 
Nach dem Tod Konstantins 337 entbrannte ein blutiger Machtkampf, der die [[konstantinische Dynastie]] dezimierte (siehe [[Morde nach dem Tod Konstantins des Großen]]). Konstantins Sohn [[Constantius II.]], seit 337 Kaiser im Osten, setzte sich schließlich 353 als Alleinherrscher durch, nachdem er den Usurpator [[Magnentius]] in einem sehr verlustreichen Bürgerkrieg geschlagen hatte.<ref>Zur Regierungszeit der Söhne Konstantins siehe nun Nicholas J. Baker-Brian, Shaun Tougher (Hrsg.): ''The Sons of Constantine, AD 337-361. In the Shadows of Constantine and Julian.'' New York 2020; zu Constantius II. vgl. zudem [[Pedro Barceló]]: ''Constantius II. und seine Zeit. Die Anfänge des Staatskirchentums.'' Stuttgart 2004. Allgemeine Überblicke mit weiterer Literatur bei Alexander Demandt: ''Die Spätantike.'' 2. Aufl. München 2007, S. 103ff.; Stephen Mitchell: ''A History of the Later Roman Empire.'' 2. Aufl. Oxford u.&nbsp;a. 2015, S. 75ff.; Rene Pfeilschifter: ''Die Spätantike. Der eine Gott und die vielen Herrscher.'' München 2014, S. 83ff.</ref> Magnentius hatte zuvor 350 den Bruder des Constantius, [[Constans]], ermordet. Der dritte überlebende Sohn Konstantins des Großen, [[Konstantin II. (Rom)|Konstantin II.]], war bereits 340 im Kampf gegen Constans gefallen. Constantius II. setzte nach seinem Sieg zunächst seinen Vetter Gallus als ''Caesar'' ein, nach dessen Hinrichtung dann 355 dessen Bruder Julian (siehe unten). Der Kaiser förderte im so genannten ''[[Arianischer Streit|arianischen Streit]]'' die ''Homöusianer''. Die durch den [[Christologie|christologischen]] Streit entstandene Kluft innerhalb der [[Reichskirche]] konnte er aber nicht überbrücken.
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=== Von Valentinian I. bis zum Tod Theodosius’ des Großen: der Beginn der „Völkerwanderung“ ===
 
=== Von Valentinian I. bis zum Tod Theodosius’ des Großen: der Beginn der „Völkerwanderung“ ===
[[Datei:Karte völkerwanderung.jpg|mini|Europa mit den wesentlichen Bewegungen der „Völkerwanderung“. Diese herkömmliche Rekonstruktion ist allerdings in vielen Punkten umstritten; zum Beispiel gilt die skandinavische Herkunft der Goten heute gemeinhin als Fiktion.]]
      
Das Reich wurde seit Kaiser [[Valentinian I.]] (364 bis 375), der Jovian 364 nachfolgte, wieder von je zwei Kaisern regiert. Offenbar sah man sich ansonsten nicht in der Lage, der äußeren Bedrohung Herr zu werden. Valentinian setzte seinen Bruder [[Valens]] (364 bis 378) im Osten ein und widmete sich selbst intensiv der Grenzverteidigung. Es gelang ihm denn auch, die Rhein- und Donaugrenze nachhaltig zu stabilisieren und mehrere militärische Erfolge zu verbuchen. Währenddessen ereigneten sich im Osten umwälzende Veränderungen.<ref>Jan den Boeft, Jan Willem Drijvers, Daniel den Hengst, Hans C. Teitler (Hrsg.): ''Ammianus after Julian. The Reign of Valentinian and Valens in Books 26–31 of the Res Gestae.'' Leiden 2007. Überblick mit weiterer Literatur bei Alexander Demandt: ''Die Spätantike.'' 2. Aufl. München 2007, S. 136ff.; Hugh Elton: ''The Roman Empire in Late Antiquity. A Political and Military History.'' Cambridge 2018, S. 119ff.; Stephen Mitchell: ''A History of the Later Roman Empire.'' 2. Aufl. Oxford u.&nbsp;a. 2015, S. 84ff.; Rene Pfeilschifter: ''Die Spätantike. Der eine Gott und die vielen Herrscher.'' München 2014, S. 100ff.</ref>
 
Das Reich wurde seit Kaiser [[Valentinian I.]] (364 bis 375), der Jovian 364 nachfolgte, wieder von je zwei Kaisern regiert. Offenbar sah man sich ansonsten nicht in der Lage, der äußeren Bedrohung Herr zu werden. Valentinian setzte seinen Bruder [[Valens]] (364 bis 378) im Osten ein und widmete sich selbst intensiv der Grenzverteidigung. Es gelang ihm denn auch, die Rhein- und Donaugrenze nachhaltig zu stabilisieren und mehrere militärische Erfolge zu verbuchen. Währenddessen ereigneten sich im Osten umwälzende Veränderungen.<ref>Jan den Boeft, Jan Willem Drijvers, Daniel den Hengst, Hans C. Teitler (Hrsg.): ''Ammianus after Julian. The Reign of Valentinian and Valens in Books 26–31 of the Res Gestae.'' Leiden 2007. Überblick mit weiterer Literatur bei Alexander Demandt: ''Die Spätantike.'' 2. Aufl. München 2007, S. 136ff.; Hugh Elton: ''The Roman Empire in Late Antiquity. A Political and Military History.'' Cambridge 2018, S. 119ff.; Stephen Mitchell: ''A History of the Later Roman Empire.'' 2. Aufl. Oxford u.&nbsp;a. 2015, S. 84ff.; Rene Pfeilschifter: ''Die Spätantike. Der eine Gott und die vielen Herrscher.'' München 2014, S. 100ff.</ref>
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387 folgte ein Vertrag mit [[Sassanidenreich|Persien]] in Bezug auf den alten Zankapfel [[Armenien]], das seit Jahrhunderten zwischen den beiden Großmächten umstritten war. Rom erhielt etwa ein Fünftel, Persien den Rest des Landes (das sogenannte ''[[Persarmenien]]''). Mit dieser Lösung waren beide Seiten offensichtlich zufrieden, denn abgesehen von zwei kurzen Konflikten (421/22 und 441) herrschte bis 502 Frieden zwischen Römern und Sassaniden. Auch die Perser waren an anderen Fronten durch Attacken hunnischer Gruppen gebunden. Die Ruhe an der Euphratfront sollte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass die östliche Reichshälfte das fünfte Jahrhundert überstehen konnte. Darüber hinaus betrieb Theodosius eine formal anti-pagane Politik (die in der Umsetzung jedoch sehr maßvoll war), für die ihm von den Christen später der Beiname ''der Große'' gegeben wurde.
 
387 folgte ein Vertrag mit [[Sassanidenreich|Persien]] in Bezug auf den alten Zankapfel [[Armenien]], das seit Jahrhunderten zwischen den beiden Großmächten umstritten war. Rom erhielt etwa ein Fünftel, Persien den Rest des Landes (das sogenannte ''[[Persarmenien]]''). Mit dieser Lösung waren beide Seiten offensichtlich zufrieden, denn abgesehen von zwei kurzen Konflikten (421/22 und 441) herrschte bis 502 Frieden zwischen Römern und Sassaniden. Auch die Perser waren an anderen Fronten durch Attacken hunnischer Gruppen gebunden. Die Ruhe an der Euphratfront sollte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass die östliche Reichshälfte das fünfte Jahrhundert überstehen konnte. Darüber hinaus betrieb Theodosius eine formal anti-pagane Politik (die in der Umsetzung jedoch sehr maßvoll war), für die ihm von den Christen später der Beiname ''der Große'' gegeben wurde.
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[[Datei:Theodosius I. Roman Coin.jpg|mini|Darstellung Theodosius’ I. auf einer römischen Münze]]
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Im Westen hatten sich währenddessen die Ereignisse überschlagen: Gratian, der einige erfolgreiche Feldzüge etwa gegen die [[Alamannen]] geführt hatte, wurde 383 infolge eines Soldatenaufstandes in [[Britannien]], der sich rasch auf das Festland ausgebreitet hatte, in [[Lyon]] ermordet. Theodosius konnte sich mit dem Usurpator [[Magnus Maximus]] zunächst noch einigen, hat ihn aber schließlich 388 in der [[Schlacht bei Poetovio]] besiegt und hingerichtet. Daraufhin übergab er dem 17-jährigen [[Valentinian II.]], dem jüngeren Bruder Gratians, die Herrschaft im Westen. Der faktischen Macht des [[Magister Militum|Heermeisters]] des Westens, des Franken [[Arbogast der Ältere|Arbogast]], hatte der junge Kaiser aber wenig entgegenzusetzen. Er fand 392 ein gewaltsames Ende durch Mord oder (wahrscheinlicher) Selbstmord.<ref>Vgl. Hugh Elton: ''The Roman Empire in Late Antiquity. A Political and Military History.'' Cambridge 2018, S. 138ff.</ref>
 
Im Westen hatten sich währenddessen die Ereignisse überschlagen: Gratian, der einige erfolgreiche Feldzüge etwa gegen die [[Alamannen]] geführt hatte, wurde 383 infolge eines Soldatenaufstandes in [[Britannien]], der sich rasch auf das Festland ausgebreitet hatte, in [[Lyon]] ermordet. Theodosius konnte sich mit dem Usurpator [[Magnus Maximus]] zunächst noch einigen, hat ihn aber schließlich 388 in der [[Schlacht bei Poetovio]] besiegt und hingerichtet. Daraufhin übergab er dem 17-jährigen [[Valentinian II.]], dem jüngeren Bruder Gratians, die Herrschaft im Westen. Der faktischen Macht des [[Magister Militum|Heermeisters]] des Westens, des Franken [[Arbogast der Ältere|Arbogast]], hatte der junge Kaiser aber wenig entgegenzusetzen. Er fand 392 ein gewaltsames Ende durch Mord oder (wahrscheinlicher) Selbstmord.<ref>Vgl. Hugh Elton: ''The Roman Empire in Late Antiquity. A Political and Military History.'' Cambridge 2018, S. 138ff.</ref>
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=== Von der Reichsteilung von 395 bis zur Eroberung Roms 410 ===
 
=== Von der Reichsteilung von 395 bis zur Eroberung Roms 410 ===
[[Datei:Roman empire 395.jpg|miniatur|Das römische Reich zum Zeitpunkt des Todes Theodosius I. 395 n. Chr.]]
      
Im Osten begann eine Periode relativen Friedens, der nur von gelegentlichen Kämpfen an der Donaufront ([[Hunnen]] und [[Germanen]]) sowie 420–422 und 441 durch zwei kurze Kriege gegen die [[Sassaniden]] gestört wurde. Erst in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts musste sich auch das Ostreich wieder verstärkt der Verteidigung seiner Grenzen zuwenden. Der Osten war wirtschaftlich weiterhin der stärkere Reichsteil und konnte noch immer große Summen Geldes mobilisieren. Der oströmischen Diplomatie gelang es offenbar auch, mehrere Angriffswellen nach Westen „umzuleiten“. Allerdings ist sehr fraglich, ob Ostrom bewusst den Westen geopfert hat; eher gehören die Vorgänge in den Zusammenhang zeitweiliger Konflikte zwischen den beiden Kaiserhöfen: Herrschte hingegen Frieden zwischen den Reichshälften, half der Osten dem Westen wiederholt.<ref>Allgemein zum frühen 5. Jahrhundert vgl. Hugh Elton: ''The Roman Empire in Late Antiquity. A Political and Military History.'' Cambridge 2018, S. 151ff.</ref>
 
Im Osten begann eine Periode relativen Friedens, der nur von gelegentlichen Kämpfen an der Donaufront ([[Hunnen]] und [[Germanen]]) sowie 420–422 und 441 durch zwei kurze Kriege gegen die [[Sassaniden]] gestört wurde. Erst in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts musste sich auch das Ostreich wieder verstärkt der Verteidigung seiner Grenzen zuwenden. Der Osten war wirtschaftlich weiterhin der stärkere Reichsteil und konnte noch immer große Summen Geldes mobilisieren. Der oströmischen Diplomatie gelang es offenbar auch, mehrere Angriffswellen nach Westen „umzuleiten“. Allerdings ist sehr fraglich, ob Ostrom bewusst den Westen geopfert hat; eher gehören die Vorgänge in den Zusammenhang zeitweiliger Konflikte zwischen den beiden Kaiserhöfen: Herrschte hingegen Frieden zwischen den Reichshälften, half der Osten dem Westen wiederholt.<ref>Allgemein zum frühen 5. Jahrhundert vgl. Hugh Elton: ''The Roman Empire in Late Antiquity. A Political and Military History.'' Cambridge 2018, S. 151ff.</ref>
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Der Westen erlebte im 5. Jahrhundert einen Kreislauf von finanziell-ökonomischem und politischem Niedergang, der die Wehrkraft des Reiches verringerte, und daraus folgenden Plünderungszügen, die zu ökonomischen Einbußen führten, die es den Kaisern noch schwerer machten, Soldaten zu bezahlen. Von Germanen und Hunnen bedroht, oft von Bürgerkriegen zerrissen, zudem immer der Gefahr eines Putsches durch einen Heermeister ausgesetzt und teils von unfähigen Kaisern regiert, verlor die [[Weströmisches Reich|Weströmische Regierung]] nach und nach die Kontrolle über ihre wichtigsten Provinzen. Zeitweilig konkurrierten unterdessen im Westen bis zu sechs Kaiser gleichzeitig um die Macht, der Machtverlust des weströmischen Kaisers schritt immer weiter voran. Die Kontrolle über einige der wichtigsten Provinzen des Reiches ging dem seit Ende 402 in [[Ravenna]] residierenden weströmischen Kaiser Honorius verloren, aber zunächst (mit Ausnahme Britanniens) noch nicht dauerhaft. Denn ab 411 gelang unter dem Heermeister und kurzzeitigen späteren Kaiser [[Constantius III.]] eine vorläufige Stabilisierung. Dieser setzte sich nacheinander skrupellos gegen seine Rivalen durch und brachte Honorius und die Zentralregierung unter seine Kontrolle. 421 erzwang er seine eigene Kaisererhebung und rüstete anschließend zum Bürgerkrieg gegen [[Theodosius II.]], der ihn als Usurpator ansah. Die Westgoten waren besiegt und 418 in [[Aquitanien]] angesiedelt worden, sie kämpften als Söldner im Auftrag des Kaisers gegen [[Bagauden]], brachten später auch den [[Sueben]] eine schwere Niederlage bei und kämpften noch 451 auf römischer Seite. Erst 469 sollten sie das ''foedus'' mit Rom brechen.
 
Der Westen erlebte im 5. Jahrhundert einen Kreislauf von finanziell-ökonomischem und politischem Niedergang, der die Wehrkraft des Reiches verringerte, und daraus folgenden Plünderungszügen, die zu ökonomischen Einbußen führten, die es den Kaisern noch schwerer machten, Soldaten zu bezahlen. Von Germanen und Hunnen bedroht, oft von Bürgerkriegen zerrissen, zudem immer der Gefahr eines Putsches durch einen Heermeister ausgesetzt und teils von unfähigen Kaisern regiert, verlor die [[Weströmisches Reich|Weströmische Regierung]] nach und nach die Kontrolle über ihre wichtigsten Provinzen. Zeitweilig konkurrierten unterdessen im Westen bis zu sechs Kaiser gleichzeitig um die Macht, der Machtverlust des weströmischen Kaisers schritt immer weiter voran. Die Kontrolle über einige der wichtigsten Provinzen des Reiches ging dem seit Ende 402 in [[Ravenna]] residierenden weströmischen Kaiser Honorius verloren, aber zunächst (mit Ausnahme Britanniens) noch nicht dauerhaft. Denn ab 411 gelang unter dem Heermeister und kurzzeitigen späteren Kaiser [[Constantius III.]] eine vorläufige Stabilisierung. Dieser setzte sich nacheinander skrupellos gegen seine Rivalen durch und brachte Honorius und die Zentralregierung unter seine Kontrolle. 421 erzwang er seine eigene Kaisererhebung und rüstete anschließend zum Bürgerkrieg gegen [[Theodosius II.]], der ihn als Usurpator ansah. Die Westgoten waren besiegt und 418 in [[Aquitanien]] angesiedelt worden, sie kämpften als Söldner im Auftrag des Kaisers gegen [[Bagauden]], brachten später auch den [[Sueben]] eine schwere Niederlage bei und kämpften noch 451 auf römischer Seite. Erst 469 sollten sie das ''foedus'' mit Rom brechen.
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[[Datei:Solidus ValentinianIII-wedding.jpg|mini|300px|[[Solidus]], geprägt 437 zur Feier der Hochzeit Valentinians III. mit [[Licinia Eudoxia]], der Tochter des oströmischen Kaisers [[Theodosius II.]] Auf der Rückseite werden sie zu dritt in Hochzeitskleidung dargestellt, Theodosius hinter dem Brautpaar und größer, was seine überlegene Stellung illustrieren soll. Auf der Vorderseite Valentinian III. im Profil.]]
   
Nach dem überraschenden Tod von Constantius III. (421) und Honorius kam es 423 erneut zu inneren Wirren und einer [[Usurpation]], bis der Ostkaiser Theodosius II. seinen jungen Vetter [[Valentinian III.]] mit Truppen nach Italien schickte und Ende 425 als neuen Kaiser des Westens installierte.
 
Nach dem überraschenden Tod von Constantius III. (421) und Honorius kam es 423 erneut zu inneren Wirren und einer [[Usurpation]], bis der Ostkaiser Theodosius II. seinen jungen Vetter [[Valentinian III.]] mit Truppen nach Italien schickte und Ende 425 als neuen Kaiser des Westens installierte.
    
Mitten in diese scheinbare Erholungsphase fiel aber die nächste Katastrophe: Der Verband der [[Vandalen]] setzte unter ihrem ''rex'' [[Geiserich]] 429 von Spanien nach ''[[Africa]]'' über und eroberte 439 unter Bruch eines ''foedus'' [[Karthago]].<ref>Zu den Vandalen siehe aktuell Roland Steinacher: ''Die Vandalen. Aufstieg und Fall eines Barbarenreichs.'' Stuttgart 2016.</ref> Geiserich entriss damit unter Ausnutzung erneuter innerrömischer Machtkämpfe die reichste Provinz des Westreiches dem Zugriff der weströmischen Zentralregierung, die danach effektiv nur noch über Italien, Dalmatien und Noricum sowie Teile Galliens, Hispaniens und Mauretaniens herrschte. Alle Versuche, das für den Westen überlebensnotwendige ''Africa'' zurückzugewinnen, waren vergebens. Damit verlor Westrom den Großteil seiner Einnahmen und den Hauptlieferanten seines Getreides, und Geiserich besaß mit Kartago zudem eine Machtbasis, die ihm Eingriffe in die Innenpolitik des Reiches ermöglichte. 442 musste man seine Stellung durch ein neues ''foedus'' anerkennen.  
 
Mitten in diese scheinbare Erholungsphase fiel aber die nächste Katastrophe: Der Verband der [[Vandalen]] setzte unter ihrem ''rex'' [[Geiserich]] 429 von Spanien nach ''[[Africa]]'' über und eroberte 439 unter Bruch eines ''foedus'' [[Karthago]].<ref>Zu den Vandalen siehe aktuell Roland Steinacher: ''Die Vandalen. Aufstieg und Fall eines Barbarenreichs.'' Stuttgart 2016.</ref> Geiserich entriss damit unter Ausnutzung erneuter innerrömischer Machtkämpfe die reichste Provinz des Westreiches dem Zugriff der weströmischen Zentralregierung, die danach effektiv nur noch über Italien, Dalmatien und Noricum sowie Teile Galliens, Hispaniens und Mauretaniens herrschte. Alle Versuche, das für den Westen überlebensnotwendige ''Africa'' zurückzugewinnen, waren vergebens. Damit verlor Westrom den Großteil seiner Einnahmen und den Hauptlieferanten seines Getreides, und Geiserich besaß mit Kartago zudem eine Machtbasis, die ihm Eingriffe in die Innenpolitik des Reiches ermöglichte. 442 musste man seine Stellung durch ein neues ''foedus'' anerkennen.  
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[[Datei:Huns450.png|mini|300px|Ungefähre Ausdehnung des Hunnenreichs unter Attila bzw. die von den Hunnen abhängigen Stämme]]
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Der neue starke Mann in Ravenna, der ''magister militum'' und ''[[patricius]]'' [[Flavius Aëtius|Aëtius]],<ref>Timo Stickler: ''Aëtius. Gestaltungsspielräume eines Heermeisters im ausgehenden Weströmischen Reich.'' München 2002.</ref> der sich 433 dank hunnischer Militärhilfe in einem blutigen Machtkampf durchgesetzt hatte, konnte den Verfall der Zentralgewalt zwar vorläufig aufhalten, aber nicht umkehren – zu groß waren die militärischen und (vor allem nach dem Verlust der reichen Provinz ''Africa'') die wirtschaftlich-fiskalischen Probleme. Der weströmische Herrschaftsbereich schmolz im Wesentlichen auf Italien, Teile Galliens und Hispaniens zusammen, doch selbst diese Gebiete konnte nicht dauerhaft gehalten werden, wobei das weströmische Heer zunehmend „barbarisiert“ wurde.
 
Der neue starke Mann in Ravenna, der ''magister militum'' und ''[[patricius]]'' [[Flavius Aëtius|Aëtius]],<ref>Timo Stickler: ''Aëtius. Gestaltungsspielräume eines Heermeisters im ausgehenden Weströmischen Reich.'' München 2002.</ref> der sich 433 dank hunnischer Militärhilfe in einem blutigen Machtkampf durchgesetzt hatte, konnte den Verfall der Zentralgewalt zwar vorläufig aufhalten, aber nicht umkehren – zu groß waren die militärischen und (vor allem nach dem Verlust der reichen Provinz ''Africa'') die wirtschaftlich-fiskalischen Probleme. Der weströmische Herrschaftsbereich schmolz im Wesentlichen auf Italien, Teile Galliens und Hispaniens zusammen, doch selbst diese Gebiete konnte nicht dauerhaft gehalten werden, wobei das weströmische Heer zunehmend „barbarisiert“ wurde.
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An der römischen Ostgrenze konnte mit den Sassaniden, die selbst an ihrer Nordostgrenze gegen nomadische Invasoren kämpften ([[Iranische Hunnen]]), von 441 bis 502 weiter Frieden gehalten werden, was eine große Entlastung darstellte, da die Regierung in Konstantinopel daher ungestört auf die Einkünfte der reichen Orientprovinzen zurückgreifen konnte. Das im Inneren ebenso wie nach außen befriedete, deshalb ökonomisch leistungsfähigere und dichter bevölkerte Ostreich konnte sich darum im Gegensatz zum Weströmischen Reich behaupten. Offenbar gelang es dem Staat hier zudem bereits früh, weitaus besser auf seine Ressourcen zurückzugreifen. Im fünften Jahrhundert betrugen die östlichen Staatseinnahmen ein Vielfaches der westlichen.
 
An der römischen Ostgrenze konnte mit den Sassaniden, die selbst an ihrer Nordostgrenze gegen nomadische Invasoren kämpften ([[Iranische Hunnen]]), von 441 bis 502 weiter Frieden gehalten werden, was eine große Entlastung darstellte, da die Regierung in Konstantinopel daher ungestört auf die Einkünfte der reichen Orientprovinzen zurückgreifen konnte. Das im Inneren ebenso wie nach außen befriedete, deshalb ökonomisch leistungsfähigere und dichter bevölkerte Ostreich konnte sich darum im Gegensatz zum Weströmischen Reich behaupten. Offenbar gelang es dem Staat hier zudem bereits früh, weitaus besser auf seine Ressourcen zurückzugreifen. Im fünften Jahrhundert betrugen die östlichen Staatseinnahmen ein Vielfaches der westlichen.
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[[Datei:Teodorico re dei Goti (493-526).png|mini|Medaillon aus Senigallia mit dem Bildnis des Ostgotenkönigs Theoderich des Großen.]]
   
Kaiser [[Leo I. (Byzanz)|Leo I.]] (457 bis 474)<ref>Vgl. umfassend zur Einführung Gereon Siebigs: ''Kaiser Leo I. Das oströmische Reich in den ersten drei Jahren seiner Regierung (457–460 n. Chr.).'' Berlin/New York 2010.</ref> schaltete zudem 471 den mächtigen Heermeister [[Aspar]] aus, der versucht hatte, eine ähnlich dominante Stellung zu erlangen wie Aëtius oder Ricimer im Westen. Durch diesen Befreiungsschlag gelang es Leo, die Handlungsspielräume des Ostkaisers gegenüber dem Militär wieder entscheidend zu erweitern. Nicht wenige „barbarische“ Soldaten in oströmischen Diensten wurden in der Folge erschlagen, und die Kaiser griffen bei der Rekrutierung fortan wieder stärker auf Reichsangehörige zurück. Diese stammten zwar meist aus jenen Gebieten, die am wenigsten romanisiert waren, waren aber insgesamt loyal.
 
Kaiser [[Leo I. (Byzanz)|Leo I.]] (457 bis 474)<ref>Vgl. umfassend zur Einführung Gereon Siebigs: ''Kaiser Leo I. Das oströmische Reich in den ersten drei Jahren seiner Regierung (457–460 n. Chr.).'' Berlin/New York 2010.</ref> schaltete zudem 471 den mächtigen Heermeister [[Aspar]] aus, der versucht hatte, eine ähnlich dominante Stellung zu erlangen wie Aëtius oder Ricimer im Westen. Durch diesen Befreiungsschlag gelang es Leo, die Handlungsspielräume des Ostkaisers gegenüber dem Militär wieder entscheidend zu erweitern. Nicht wenige „barbarische“ Soldaten in oströmischen Diensten wurden in der Folge erschlagen, und die Kaiser griffen bei der Rekrutierung fortan wieder stärker auf Reichsangehörige zurück. Diese stammten zwar meist aus jenen Gebieten, die am wenigsten romanisiert waren, waren aber insgesamt loyal.
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Kaiser [[Justin I.]] (518 bis 527)<ref>Klaus Rosen: ''Justin I''. In: ''[[Reallexikon für Antike und Christentum]]'' 19 (1999), Sp. 763–778.</ref> beendete 519 das ''[[Akakianisches Schisma|Akakianische Schisma]]'', das die Kirchen von Konstantinopel und Rom etwa 30 Jahre lang getrennt hatte. Er verschärfte durch diese Wiederannäherung an den Westen aber den Konflikt mit den Monophysiten. Des Weiteren nahmen die Spannungen mit dem Ostgotenreich zu, zumal die Goten arianische Christen waren. Justin unterstützte das Vorgehen [[Ella Asbeha]]s, des ''[[Negus]]'' von [[Aksum]], im südarabischen Raum. Im Osten brach jedoch 526 erneut ein Krieg mit Persien aus, nachdem der iberische König [[Gurgenes]] Justin um Hilfe gebeten hatte. Der Krieg dauerte noch nach dem Tod Justins bis 532 an.<ref>Geoffrey B. Greatrex: ''Rome and Persia at War, 502–532.'' Leeds 1998.</ref>
 
Kaiser [[Justin I.]] (518 bis 527)<ref>Klaus Rosen: ''Justin I''. In: ''[[Reallexikon für Antike und Christentum]]'' 19 (1999), Sp. 763–778.</ref> beendete 519 das ''[[Akakianisches Schisma|Akakianische Schisma]]'', das die Kirchen von Konstantinopel und Rom etwa 30 Jahre lang getrennt hatte. Er verschärfte durch diese Wiederannäherung an den Westen aber den Konflikt mit den Monophysiten. Des Weiteren nahmen die Spannungen mit dem Ostgotenreich zu, zumal die Goten arianische Christen waren. Justin unterstützte das Vorgehen [[Ella Asbeha]]s, des ''[[Negus]]'' von [[Aksum]], im südarabischen Raum. Im Osten brach jedoch 526 erneut ein Krieg mit Persien aus, nachdem der iberische König [[Gurgenes]] Justin um Hilfe gebeten hatte. Der Krieg dauerte noch nach dem Tod Justins bis 532 an.<ref>Geoffrey B. Greatrex: ''Rome and Persia at War, 502–532.'' Leeds 1998.</ref>
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[[Datei:Justinian Byzanz.png|miniatur|Die spätantike Welt um 560 n. Chr.: Ostrom auf dem Höhepunkt seiner Macht.]]
   
Justins Neffe und Nachfolger [[Justinian I.|Justinian]] (527 bis 565), der als eine der großen Herrschergestalten der Spätantike angesehen wird, gelangte 527 an die Macht.<ref>Grundlegend über Justinian und die aktuelle Forschung informiert [[Hartmut Leppin]]: ''Justinian. Das christliche Experiment.'' Stuttgart 2011. Siehe daneben unter anderem die Biographie von James Evans: ''The Age of Justinian.'' London u.&nbsp;a. 1996 sowie die Beiträge in Michael Maas (Hrsg.): ''The Cambridge Companion to the Age of Justinian.'' Cambridge 2005.</ref> Seine Regierungszeit ist aufgrund der recht reichhaltigen Quellenlage (Geschichtswerke, Gesetzestexte und archäologische Funde etc.) besonders gut dokumentiert, wobei vor allem die Werke des [[Prokopios von Caesarea]] hervorzuheben sind, speziell dessen ''Historien'' in acht Büchern. Der 532 ausgebrochene [[Nika-Aufstand]] wurde blutig unterdrückt, anschließend kam es nicht mehr zu einer innenpolitisch bedrohlichen Machtprobe. Justinian betrieb seit 533/34 eine offenbar großangelegte Restaurationspolitik, die auf Rückgewinnung ehemals weströmischer Gebiete abzielte. Diesem Versuch der Wiederherstellung des Imperiums war ein zwar nur beschränkter, aber dennoch zunächst erstaunlicher Erfolg beschieden: Mit Nordafrika (Vernichtung des Vandalenreichs), Italien (Eroberung des Ostgotenreichs) und Südspanien (Eroberung einiger westgotischer Gebiete) wurden zwischen 533 und 552 die Kerngebiete des Reiches wieder der römischen Herrschaft unterworfen. Dies war vor allem den Leistungen von Justinians fähigen Generalen ([[Belisar]], [[Sittas]] und [[Narses]]) zu verdanken. Allerdings gingen wichtige Teile Italiens, das erst nach harten Kämpfen im [[Gotenkrieg (535–554)|Gotenkrieg]] erobert worden war, an die [[Langobarden]] verloren, als diese 568 in Italien einfielen. Zudem wurde das Reich seit 541 von einer verheerenden [[Justinianische Pest|Pestepidemie]] heimgesucht,<ref>Michal Feldman u.&nbsp;a.: ''A High-Coverage Yersinia pestis Genome from a Sixth-Century Justinianic Plague Victim.'' In: ''Molecular biology and evolution.'' Band 33, Nr. 11,1 (2016), S.&nbsp;2911–2923, {{DOI|10.1093/molbev/msw170}}, PMID 27578768, {{PMC|5062324}}. Zu den Folgen vgl. Mischa Meier: ''The "Justinianic Plague". The Economic Consequences of the Pandemic in the Eastern Roman Empire and its Cultural and Religious Effects.'' In: ''[[Early Medieval Europe]]'' 24 (2016), S. 267–292 (mit weiterer Literatur).</ref> was offenbar zu einer demografischen und – daraus folgend – ökonomischen Krise führte.<ref>Vgl. auch Mischa Meier: ''Das andere Zeitalter Justinians.'' Göttingen 2003.</ref> Im Osten musste sich Justinian außerdem (nachdem es 532 zu einem Friedensvertrag gekommen war) seit 540 wieder gegen die Perser zur Wehr setzen, deren König [[Chosrau I.]] sich zum großen Gegenspieler des Kaisers entwickelte und ab 540 mehrmals auf oströmisches Gebiet vorstieß. Der Perserkrieg band erhebliche Kräfte und sollte bis 562 andauern – und schon zehn Jahre später wieder aufflammen.<ref>Speziell zu den militärischen Konflikten im Zeitalter Justinians siehe Peter Heather: ''Rome Resurgent. War and Empire in the Age of Justinian.'' Oxford 2018.</ref>
 
Justins Neffe und Nachfolger [[Justinian I.|Justinian]] (527 bis 565), der als eine der großen Herrschergestalten der Spätantike angesehen wird, gelangte 527 an die Macht.<ref>Grundlegend über Justinian und die aktuelle Forschung informiert [[Hartmut Leppin]]: ''Justinian. Das christliche Experiment.'' Stuttgart 2011. Siehe daneben unter anderem die Biographie von James Evans: ''The Age of Justinian.'' London u.&nbsp;a. 1996 sowie die Beiträge in Michael Maas (Hrsg.): ''The Cambridge Companion to the Age of Justinian.'' Cambridge 2005.</ref> Seine Regierungszeit ist aufgrund der recht reichhaltigen Quellenlage (Geschichtswerke, Gesetzestexte und archäologische Funde etc.) besonders gut dokumentiert, wobei vor allem die Werke des [[Prokopios von Caesarea]] hervorzuheben sind, speziell dessen ''Historien'' in acht Büchern. Der 532 ausgebrochene [[Nika-Aufstand]] wurde blutig unterdrückt, anschließend kam es nicht mehr zu einer innenpolitisch bedrohlichen Machtprobe. Justinian betrieb seit 533/34 eine offenbar großangelegte Restaurationspolitik, die auf Rückgewinnung ehemals weströmischer Gebiete abzielte. Diesem Versuch der Wiederherstellung des Imperiums war ein zwar nur beschränkter, aber dennoch zunächst erstaunlicher Erfolg beschieden: Mit Nordafrika (Vernichtung des Vandalenreichs), Italien (Eroberung des Ostgotenreichs) und Südspanien (Eroberung einiger westgotischer Gebiete) wurden zwischen 533 und 552 die Kerngebiete des Reiches wieder der römischen Herrschaft unterworfen. Dies war vor allem den Leistungen von Justinians fähigen Generalen ([[Belisar]], [[Sittas]] und [[Narses]]) zu verdanken. Allerdings gingen wichtige Teile Italiens, das erst nach harten Kämpfen im [[Gotenkrieg (535–554)|Gotenkrieg]] erobert worden war, an die [[Langobarden]] verloren, als diese 568 in Italien einfielen. Zudem wurde das Reich seit 541 von einer verheerenden [[Justinianische Pest|Pestepidemie]] heimgesucht,<ref>Michal Feldman u.&nbsp;a.: ''A High-Coverage Yersinia pestis Genome from a Sixth-Century Justinianic Plague Victim.'' In: ''Molecular biology and evolution.'' Band 33, Nr. 11,1 (2016), S.&nbsp;2911–2923, {{DOI|10.1093/molbev/msw170}}, PMID 27578768, {{PMC|5062324}}. Zu den Folgen vgl. Mischa Meier: ''The "Justinianic Plague". The Economic Consequences of the Pandemic in the Eastern Roman Empire and its Cultural and Religious Effects.'' In: ''[[Early Medieval Europe]]'' 24 (2016), S. 267–292 (mit weiterer Literatur).</ref> was offenbar zu einer demografischen und – daraus folgend – ökonomischen Krise führte.<ref>Vgl. auch Mischa Meier: ''Das andere Zeitalter Justinians.'' Göttingen 2003.</ref> Im Osten musste sich Justinian außerdem (nachdem es 532 zu einem Friedensvertrag gekommen war) seit 540 wieder gegen die Perser zur Wehr setzen, deren König [[Chosrau I.]] sich zum großen Gegenspieler des Kaisers entwickelte und ab 540 mehrmals auf oströmisches Gebiet vorstieß. Der Perserkrieg band erhebliche Kräfte und sollte bis 562 andauern – und schon zehn Jahre später wieder aufflammen.<ref>Speziell zu den militärischen Konflikten im Zeitalter Justinians siehe Peter Heather: ''Rome Resurgent. War and Empire in the Age of Justinian.'' Oxford 2018.</ref>
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[[Datei:Sanvitale03.jpg|mini|Mosaik mit der Darstellung Kaiser Justinians.]]
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Dennoch erlebte die spätantike Kultur unter Justinian einen letzten Höhepunkt. Innenpolitisch stützte sich der Kaiser zu Beginn seiner Regierungszeit unter anderem auf [[Tribonianus]] (der 542 an Folgen einer Pesterkrankung verstarb) und [[Johannes der Kappadokier|Johannes den Kappadokier]] (der 541 in Ungnade fiel). Bis zu ihrem Tod im Jahr 548 gehörte auch seine Ehefrau [[Theodora I.|Theodora]] zum engeren Beraterkreis des Kaisers, wogegen Prokopios in seiner ''Geheimgeschichte'' polemisierte. Justinian kümmerte sich persönlich intensiv um die Religionspolitik, dennoch konnten mehrere der schwierigen theologischen Probleme nicht gelöst werden, so dass die Durchsetzung eines einheitlichen christlichen Glaubensbekenntnisses für das gesamte Reich nicht gelang. Der Kaiser betrieb des Weiteren eine energische Bau- und Rechtspolitik (siehe ''[[Corpus iuris civilis]]''). Die auf seinen Befehl hin vorgenommene Kodifikation des römischen Rechts erwies sich als dauerhafte Errungenschaft und der kaiserliche Machtanspruch wurde auch von den meisten verbliebenen Germanenreichen (möglicherweise mit Ausnahme des Frankenkönigs [[Theudebert I.]]) akzeptiert. Als Justinian 565 nach 38-jähriger Herrschaft starb, war Ostrom ungeachtet aller Krisensymptome die Vormacht der Mittelmeerwelt. Allerdings hatte die Restaurationspolitik Justinians letztlich auch die Ressourcen Ostroms bis an die Grenze strapaziert, zumal das Reich nun einen wesentlichen größeren Herrschaftsbereich sichern musste, was sich militärisch und fiskalisch bemerkbar machte.<ref>Vgl. Hugh Elton: ''The Roman Empire in Late Antiquity. A Political and Military History.'' Cambridge 2018, S. 304 ff.</ref>
 
Dennoch erlebte die spätantike Kultur unter Justinian einen letzten Höhepunkt. Innenpolitisch stützte sich der Kaiser zu Beginn seiner Regierungszeit unter anderem auf [[Tribonianus]] (der 542 an Folgen einer Pesterkrankung verstarb) und [[Johannes der Kappadokier|Johannes den Kappadokier]] (der 541 in Ungnade fiel). Bis zu ihrem Tod im Jahr 548 gehörte auch seine Ehefrau [[Theodora I.|Theodora]] zum engeren Beraterkreis des Kaisers, wogegen Prokopios in seiner ''Geheimgeschichte'' polemisierte. Justinian kümmerte sich persönlich intensiv um die Religionspolitik, dennoch konnten mehrere der schwierigen theologischen Probleme nicht gelöst werden, so dass die Durchsetzung eines einheitlichen christlichen Glaubensbekenntnisses für das gesamte Reich nicht gelang. Der Kaiser betrieb des Weiteren eine energische Bau- und Rechtspolitik (siehe ''[[Corpus iuris civilis]]''). Die auf seinen Befehl hin vorgenommene Kodifikation des römischen Rechts erwies sich als dauerhafte Errungenschaft und der kaiserliche Machtanspruch wurde auch von den meisten verbliebenen Germanenreichen (möglicherweise mit Ausnahme des Frankenkönigs [[Theudebert I.]]) akzeptiert. Als Justinian 565 nach 38-jähriger Herrschaft starb, war Ostrom ungeachtet aller Krisensymptome die Vormacht der Mittelmeerwelt. Allerdings hatte die Restaurationspolitik Justinians letztlich auch die Ressourcen Ostroms bis an die Grenze strapaziert, zumal das Reich nun einen wesentlichen größeren Herrschaftsbereich sichern musste, was sich militärisch und fiskalisch bemerkbar machte.<ref>Vgl. Hugh Elton: ''The Roman Empire in Late Antiquity. A Political and Military History.'' Cambridge 2018, S. 304 ff.</ref>
  

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